Treffend schreibt Herr Mihm noch in seinem Artikel: „Ulla Schmidt versucht, die Verantwortung für das Honorarchaos von sich weg und auf die Selbstverwaltung der Ärzte zu schieben. Das sollte man ihr nicht durchgehen lassen. Sie hat die Honorarreform eng begleitet. Sie hat die Selbstverwaltung entmachtet, die deutsche Gesundheitspolitik zentralisiert und vereinheitlicht.“ Der Aussage von Herrn Mihm stimmt die sächsische CDU unwidersprochen zu.
Ich möchte in meine Ausführungen gern die gute Arbeit der Hausärzte einbeziehen. Ich muss eines klarstellen, um den Titel der Debatte zu präzisieren: Die Qualität der in Sachsen tätigen Ärzte ist hervorragend. Hierin sind die Krankenhausärzte eingeschlossen.
Jetzt kommt das große Aber. Die Quantität der medizinischen Versorgung in den Regionen Sachsens ist einfach nur mangelhaft. Ich werde in meinem Beitrag auf die Versorgungssituation eingehen. In einer zweiten Runde wird Kollege Wehner zum Honorarsystem der niedergelassenen Ärzte sprechen.
Wir wissen alle, dass die ärztliche Versorgung in Sachsen immer größer werdende Lücken aufweist. So gut und fleißig Mediziner hier in Sachsen auch sind – sie arbeiten an ihrer Leistungsgrenze und darüber hinaus.
Die Linksfraktion fordert die Regierung seit 2002 immer wieder zum Handeln auf und hat dieses Thema auf die Tagesordnung zahlreicher Landtagsdebatten gesetzt. Bereits 2002 wäre ein Umdenken dringend erforderlich gewesen, um einem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken; denn eine ausreichende Entwicklung der Ärzteschaft braucht einen Vorlauf von über zehn Jahren.
Wir haben hier in Sachsen kein medizinisches Entwicklungskonzept. Aber es gibt gute Konzepte für eine Ent
wicklung des Gesundheitssektors in Sachsen. Die Gesundheitspolitiker(innen) waren am Dienstag zu einem Vortrag über Carus Consilium Sachsen eingeladen. Eine interessante Sache: ein Netzwerk zur nachhaltigen Sicherung der Patientenversorgung. Das sollte sich das Ministerium einmal anhören. Einige Mitglieder des Sozialausschusses konnten sich bereits in Finnland von der Leistungsfähigkeit solcher Konzepte überzeugen.
Die bereits eingeleiteten Korrekturen der Staatsregierung dagegen sind reiner Aktionismus. Es gibt zahlreiche wirtschaftliche Fördermöglichkeiten, Modellprojekte oder inzwischen über tausend ausländische Ärzte. Einzelne Projekte sind vielleicht lobenswert, aber nicht ausreichend. Sie greifen nicht oder zu spät. Fragen Sie deshalb Ihren Arzt oder Apotheker.
Werte Abgeordnete! Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1993 wurde eine Bedarfsplanung in der ambulanten Versorgung eingeführt. Der Widerspruch zwischen Bedarfsplanung und Versorgungsgrad wird bis heute von der Politik nicht gelöst. Alle Planung ist graue Theorie, wenn sie sich nicht an die Lebenswirklichkeit der Menschen anpasst: Überproportional viele ältere Patienten, häufig mit Mehrfacherkrankungen oder chronischen Krankheitsverläufen, ein erhöhter Beratungsbedarf und eine starke psychosoziale Zuwendung zum Patienten lösen einen erhöhten Ärztebedarf aus.
Doch all diese Faktoren spiegeln sich in keiner Statistik wider und werden damit nicht in die Bedarfsplanung einbezogen. Der Ärztemangel ist schon lange kein gefühltes Problem mehr, sondern in vielen Regionen Sachsens ein sehr reales. Aber das Problem lässt sich ja mit der Bedarfsplanung noch sehr schön wegrechnen. Es beeinträchtigt die Lebenssituation von Patientinnen und Patienten massiv und bürdet den Ärztinnen und Ärzten eine hohe Belastung auf. Wir hören immer, dass die Gesamtzahl der in Sachsen tätigen Ärzte steigt; aber die Anzahl der niedergelassenen Ärzte sinkt. Für über 5 000 Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit ist Arzt nicht mehr der Traumberuf. Zeitmangel, unzureichende Bezahlung und Arbeitsüberlastung – so sieht für viele der Berufsalltag aus. 11,4 % geben an, sie würden nicht erneut Arzt werden wollen.
Zur gegenwärtigen verständlichen Verärgerung der Ärzte über das derzeitige Honorarsystem spricht in der zweiten Runde mein Kollege Wehner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, welche niedergelassene Fachärzte haben. Ich glaube nicht, Herr Zastrow, dass Großbritannien oder Finnland deswegen den Sozialismus predigen; das nur
Liebe Kollegin Strempel, ich schätze Sie ja sonst; aber das, was Sie heute zu diesem Thema gesagt haben, teile ich nicht. Sie werden ja wohl wissen, dass es der erweiterte Bewertungsausschuss war, in dem zu gleichen Teilen Vertreter von Krankenkassen und Ärzten und ein unparteiischer Vorsitzender miteinander entscheiden, dass dieser erweiterte Bewertungsausschuss die Honorarreform mit den Stimmen der Ärzte und gegen die Stimmen der Kassen beschlossen hat.
Das sollte man auch, bitte schön, wissen und nicht einseitig mit dem Finger auf die Ministerin zeigen. Das Geld verteilen nun einmal die Kassenärztlichen Vereinigungen. Insofern teile ich die Auffassung von Prof. Lauterbach, der sagt, wenn sie es nicht regeln können, dann müssen sie eben abgeschafft werden – was ja auch gewollt war in der Hinsicht, dass Ärzte mit den Kassen allein Verträge machen können. Das ist doch auch begrüßt worden. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen.
Natürlich gibt es jetzt Diskussionen um diese Honorarreform. Die Erwartungen waren hoch. Transparenz und Planungssicherheit sollten hergestellt werden und es sollte gerade auch für die Ärztinnen und Ärzte im Osten ein Honorarzuwachs erfolgen. Wenn das nun auch erfolgt, sind diese natürlich still und gehen nicht auf die Barrikaden. Dort, wo es – in Bayern – einige Probleme gibt, wird diese Reform madig gemacht.
Wo sind denn die Mittel hingeflossen – immerhin 120 Millionen Euro für Sachsen? Ein großer Teil des Zusatzhonorars ist schon 2008 bei den Vertragsärzten angekommen und natürlich wird dieses zusätzliche Geld auch in diesem Jahr bezahlt. Aber das Wachstum von 2009 zu 2008 ist kleiner ausgefallen als erwartet und es verteilt sich unterschiedlich. Es gibt selbst in den Praxen gleicher Arztgruppen Unterschiede und so entsteht diese Diskussion.
Mittlerweile ist ein Übergangszeitraum von zwei Jahren ausgehandelt worden, in dem die Handlungsspielräume zum Verteilen der Mittel für die Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert worden sind. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen hat angekündigt, die Spielräume zur Abfederung der Umsatzeinbußen zu nutzen. Dieser Impuls ist ja auch von unserer Gesundheitsministerin gekommen, denn die Planungssicherheit bei den Ärzten führt zur Sicherheit bei den Patientinnen und Patienten und stärkt insgesamt das Vertrauen in unser gutes Gesundheitssystem.
In Sachsen arbeiten derzeit fast 20 000 Ärzte – davon circa 6 000 im ambulanten Bereich – auch als angestellte Ärzte. Damit sind die Arztzahlen im Vergleich zu 2007 insgesamt zwar sogar leicht gestiegen, stagnieren aber im ambulanten Bereich. Wir wissen, dass in den ländlichen Regionen der Bedarf an ärztlichen Leistungen größer geworden ist, weil wir natürlich auch eine alternde Be
völkerung haben, die diese Leistungen mehr in Anspruch nehmen muss. Ein älterer Versicherter braucht zum Beispiel fünfmal mehr eine Augenarztleistung als ein jüngerer.
In Sachsen gibt es 150 freie Arztpraxen und 150 freie Stellen in Kliniken. Wir haben in acht Planungsbereichen Fördermaßnahmen für bestimmte Facharztgruppen, bei denen vor Ort eine Unterversorgung besteht. Dies betrifft insbesondere die hausärztliche Versorgung, aber auch Augen- und Kinderärzte. Wir unterstützen die Maßnahmen, die hier unternommen werden. Sie erinnern sich an die Anhörung, die dazu im Ausschuss stattgefunden hat. Wir brauchen auch die Unterstützung solcher Modelle wie das Rothenburger Modell oder das Dresdner Carus Consilium Sachsen. Diese Modelle können Vorbild für andere Regionen werden.
Es ist eben so, und hier möchte ich noch einmal den Herrn Knippscheer vom Rothenburger Modell zitieren, der sagte: „Es liegt einfach daran, dass ich keine Ärzte finde. Ich habe es mit Geld und guten Worten versucht – ich finde keine Ärzte.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unzweifelhaft ist das Thema Ärztemangel aktuell; denn es berührt immer mehr Menschen im Land. Was bisher aber nicht zur Sprache kam, ist der Umstand, dass es eine Vorgeschichte für den Ärztemangel gibt, die durch politische fahrlässige Untätigkeit gekennzeichnet ist.
So machte die NPD-Fraktion vor allem in der EnqueteKommission zur demografischen Entwicklung immer wieder darauf aufmerksam, dass gerade die ländlichen Regionen vor einem Kollaps stehen. Doch weder die Staatsregierung noch die FDP war diesbezüglich bereit, den Tatsachen ins Auge zu schauen und rechtzeitig gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen. Jetzt, da ein tatsächlicher Ärztemangel eingetreten ist – sowohl bei den niedergelassenen Hausärzten als auch bei den Fachärzten –, tun Sie so, als ob dieser Umstand plötzlich und unerwartet eingetreten wäre.
Auf Nachfrage meines Fraktionskollegen Dr. Müller, der leider nicht mehr anwesend ist, bestätigte sowohl Prof. Dr. Jan Schulze wie auch Dr. Klaus Heckemann, dass die Ursachen viel tiefer liegen. Es kann jedoch nicht verwundern, erst recht nicht bei der FDP, dass der Aspekt der Kommerzialisierung im Gesundheitsbereich bisher außen vor geblieben ist. Im Zuge dessen veränderte sich aber das Berufsethos des Arztes drastisch, wie die sachverständigen Experten in der schon angesprochenen Anhörung bestätigten.
Einer Gesundheitsreform folgte sogleich die nächste. Statt einem Heilberuf ähnelt der Arzt heute mehr einem Verwaltungsangestellten, der zudem noch zum Kassierer der
Krankenkassen degradiert wurde. Ich erinnere nur an die sogenannte Praxisgebühr. Damit hat sich das tatsächliche Berufsbild des Arztes in eine vielfach unattraktive Richtung verändert, die mit Geld kaum aufzuwiegen ist. Gerade für den ländlichen Raum hat dies fatale Folgen, wie die eingetretene Situation des Ärztemangels zeigt.
Dass die Koalition nun Medizinstudenten fördert, ist richtig und wichtig, geschieht aber – das muss an dieser Stelle ebenso Erwähnung finden – eben nur in einem geringen Maße. Alle Anträge der NPD-Fraktion in der zurückliegenden Haushaltsdebatte wurden von den Vertretern der etablierten Parteien, die jetzt große Worte schwingen, abgelehnt. Ich erinnere insbesondere an den NPD-Antrag, die Förderung von Medizinstudenten im laufenden Jahr mit 300 000 Euro und im Jahr 2010 mit 600 000 Euro zu unterstützen.
Um eine kurzfristige Ansiedlung von Hausarztpraxen zu fördern, war es lediglich die NPD, die hierfür 10 Millionen Euro in den laufenden Doppelhaushalt eingestellt wissen wollte. Beide Anträge – langfristige Förderung von Medizinstudenten und kurzfristige Ansiedlungshilfen für die Gründung oder Übernahme von Hausarztpraxen – wurden von Ihnen besserwisserisch abgelehnt.
Die CDU-Landräte von Nordsachsen und Meißen erklärten sich auch noch schlichtweg für nicht zuständig für das Problem des Ärztemangels, als unsere NPD-Kreisräte dort einen lokalen Aktionsplan forderten.
Als NPD bekennen wir uns nicht nur zum Erhalt der ländlichen Regionen; wir unterbreiten auch konkrete Lösungsvorschläge, während die Regierungskoalition allerdings den Worten keinerlei Taten folgen ließ.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass Frau Strempel gerade nicht da ist. Ich wollte ihr sagen, dass ich bei ihren sonstigen Ausführungen immer das Gefühl hatte, das habe Hand und Fuß. Heute hatte ich den Eindruck, sie vollziehe eine Art Absetzbewegung von dem, was wir mit der Gesundheitsreform erhalten haben. CDU und SPD haben die Gesundheitsreform so, wie sie nun einmal ist, durchgesetzt.
Herrn Zastrow gebe ich insofern recht, als die Befürchtung, die Reform gehe auf Kosten der niedergelassenen Ärzte, nicht ganz unbegründet ist. Schließlich hat in der Anhörung, die in der heutigen Debatte schon eine Rolle gespielt hat, Herr Steinborn von der AOK auf meine Frage, ob es in Zukunft noch Doppelstrukturen geben werde, geantwortet, dass die Verbindung zwischen Krankenhaus und Niederlassung enger werde, dass aber in den Städten wohl weiterhin Doppelstrukturen bestehen bleiben. Als Zeithorizont wurden 30 Jahre genannt. Das ist