Protokoll der Sitzung vom 15.05.2009

Ich erteile das Wort der Linksfraktion. Wird es gewünscht? – Dann die CDU-Fraktion, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Thema meines Beitrages, nämlich der wirtschaftlichen Entwicklung im ländlichen Raum, komme, seien mir noch einige Bemerkungen zu dem vorher Gehörten gestattet.

Es ist von der Opposition kritisiert worden, dass sich der Staatsminister zu sehr auf das Ehrenamt im ländlichen Raum stützt. Dazu Folgendes: Nirgendwo in Sachsen ist die Verbundenheit mit der Heimat und sind die sozialen Netzwerke größer als im ländlichen Raum.

(Beifall bei der CDU)

Diese sozialen Netzwerke sind der Kitt in den Regionen. Dort wird eine wesentliche Arbeit zur Entwicklung der Gesellschaft geleistet, die in den Ballungsräumen mit sehr viel Geld und mit Sozialarbeit geleistet werden muss. Es ist für viele, die ehrenamtlich tätig sind, keine Zumutung, sondern ein Bedürfnis, sich in Feuerwehren, in Sozial-, Musik-, Sport- und Heimatvereinen zu engagieren.

(Beifall bei der CDU)

Der ländliche Raum ist auch nicht die sterbende und sich entleerende Region, wie sie hier dargestellt worden ist. Sie ist auch nicht die Idylle von gestern, sondern sie ist attraktiver Wirtschaftsraum mit Zukunft.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Windisch?

Bitte, Herr Günther.

Sehr geehrte Frau Windisch! Sie haben gerade gesagt, dass Redner aus der Opposition erklärt hätten, dass sich der Minister auf das Ehrenamt bezog. Können Sie mir sagen, wer das war? Ich habe das von keinem Redner am Pult gehört.

Ich glaube, es war Frau Altmann, die sagte, der Staatsminister würde sich in den ländlichen Regionen zu sehr auf das Ehrenamt stützen. Wir können das ja nachher im Protokoll noch einmal nachlesen.

(Elke Altmann, Linksfraktion: Ich habe mich davon distanziert!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ländliche Raum ist, auch was die Strukturdaten betrifft, nicht homogen, sondern sehr heterogen geprägt, denn es gibt auch im ländlichen Raum Regionen, in denen die Wirtschaftsleistung höher ist als im Landesdurchschnitt. Ich führe hier beispielhaft die Muldental-Region, den AltLandkreis an, der 108 % des Landesdurchschnitts hat. Das ist ein Indiz dafür, dass auch in reizvoller Landschaft wirtschaftliche Entwicklung stattfinden kann.

Das Herz der sächsischen Wirtschaft sind Mittelstand und Handwerk. 351 Firmen der Ernährungswirtschaft, die

mehr als 20 Mitarbeiter haben, und 2 400 Handwerksbetriebe mit insgesamt 45 000 Arbeitsplätzen sichern Einkommen und Erwerb im ländlichen Raum.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion hat sich stets für deren Unterstützung und für die Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe eingesetzt. Mit der Einführung des Förderprogramms „Regionales Wachstum“, das die CDU-Fraktion maßgeblich mit initiiert hat, ist in Sachsen ein wirksames und besonders auch für den ländlichen Raum wachstumsförderndes Programm geschaffen worden.

Jedoch verfehlt jede einzelbetriebliche Förderung dann ihre Wirkung, wenn nicht auch andere infrastrukturelle Nachteile des ländlichen Raumes systematisch überwunden werden. Zuallererst ist das die noch unzureichende Verkehrserschließung der weiter von der Autobahn entfernt liegenden Räume.

Neben schneller Verbindung zur Autobahn spielt auch der Zugang zur schnellen Datenautobahn eine existenzielle Rolle. Ein immer noch zu großer Teil der Unternehmen und Bürger im ländlichen Raum kann sich gegenwärtig sprichwörtlich nur im Schneckentempo in der digitalen Welt fortbewegen. Um das abzustellen, sind auch abseits der Ballungsräume schnelle Verbindungen unabdingbar. Solange die digitale Erschließung ländlicher Räume nicht vorankommt, wird die Wirtschaft in ihrer Entwicklung weiter gehemmt.

Mit der Änderung der sächsischen Förderrichtlinie ist die Förderung durch die Anhebung der Höchstsätze von bisher 60 % auf 90 % nochmals verbessert und sind die Zuwendungsempfänger um die Landkreise erweitert worden – ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Ein Schwerpunkt des EU-Landwirtschaftsfonds in der neuen Förderperiode ist die sogenannte Säule 3, die Förderung der diversifizierten ländlichen Wirtschaft. Neue Einkommens- und Erwerbsalternativen neben der originären Landwirtschaft werden entwickelt. Eine wichtige Säule ist dabei neben neuen Erwerbsfeldern durch erneuerbare Energien und durch die Produktion nachwachsender Rohstoffe der Landtourismus in seiner Vernetzung mit der Ernährungswirtschaft, mit ländlichem Brauchtum, traditionellem Handwerk, Schlössern, Burgen und anderer Infrastruktur. Aufgrund fehlender Industrie- und Gewerbeansiedlung bietet er einen sinnvollen Ansatz zur Sicherung von Beschäftigung.

Der Landtourismus bietet, insbesondere wenn er den Einklang von Natur, Kultur und den in der Region lebenden Menschen authentisch abbildet, den industriell strukturschwachen Regionen, aber auch ganz grundsätzlich dem ländlichen Raum große Chancen, die gesamtwirtschaftliche Situation nachhaltig zu verbessern.

Die CDU-Fraktion wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass der Landtourismus aufgrund seines Alleinstellungsmerkmals eine eigenständige und langfristige Förderung erfährt.

Bei der gestrigen Tourismusdebatte hatte ich bereits die DWIF-Studie zum Wirtschaftsfaktor Tourismus in Sachsen zitiert. Danach erbringt der Tourismus in Sachsen eine Bruttowertschöpfung von etwas über 6,8 Milliarden Euro bzw. Einkommensäquivalente von 230 000 Menschen. Da sich mehr als die Hälfte der Sachsen-Touristen für einen Besuch in ländlichen Ferienregionen entscheidet und dort auch die Aufenthaltsdauer länger als in der Stadt ist, finden circa 60 % der touristischen Wertschöpfung im ländlichen Raum statt.

Unternehmen im ländlichen Raum sind somit auch die Hoteliers, die Gastwirte, die Pensionsbetreiber, die Landwirte, die Ferienwohnungen anbieten, usw. usf. Die Zahl der Arbeitsplätze im Tourismus ist inzwischen höher als in der originären landwirtschaftlichen Produktion und in der Ernährungswirtschaft zusammengenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Investitionen in die touristische Infrastruktur sind, um die Attraktivität der touristischen Angebote im ländlichen Raum weiter zu erhöhen, nach wie vor sehr nötig. Deshalb ist es auch ein Weg in die richtige Richtung, mit der Änderung der Förderrichtlinie die kleine touristische Infrastruktur künftig mit 75 % statt wie bisher nur mit 65 % zu fördern. Mit diesem Geld können zum Beispiel Lehr- und Erlebnispfade, Besucherinformationen, Lenkungssysteme in Schutzgebieten, Park-, Spiel- und Rastplätze im Wald, Einrichtungen für Aktivitäten der Feriengäste zur Verbesserung des touristischen Angebotes, also für Schlechtwetterangebote usw. usf. gefördert werden.

Diese Investitionen kommen nicht nur den Touristen, sondern in erster Linie auch den in der Region lebenden Menschen zugute und erhöhen deren Lebensqualität, erzeugen Heimatverbundenheit und Identität. Wo der Mensch gern lebt, fühlen sich auch die Gäste wohl, und wo sich ein Gast wohlfühlt, lassen sich auch gern Investoren nieder. Diese brauchen wir auch weiterhin vor allem im ländlichen Raum.

Ein Problem des ländlichen Raumes ist natürlich die räumliche und damit die zeitliche Distanz zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die sich meist in den Zentren befinden. Diese verstärkt bestehende Abwanderungstendenzen insbesondere bei qualifizierten jungen Menschen. Aus diesem Grund ist es ganz besonders wichtig, große Anstrengungen zum Erhalt der wenigen Einrichtungen, die im ländlichen Raum sind, zu unternehmen.

Ich denke da zum Beispiel im Erzgebirge an die Berufsakademie in Breitenbrunn, die für diesen Ort von immenser strukturpolitischer Bedeutung ist.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen ist ein industriell geprägtes Bundesland und eine der dynamischsten Wirtschaftsregionen Deutschlands. Trotz erheblicher Unterschiede in der Wirtschaftskraft sind in allen sächsischen Regionen wirtschaftliche Potenziale und

auch Entwicklungskerne vorhanden. Diese profitieren von der Ausstrahlung der Oberzentren.

Wir wollen uns als CDU auch weiterhin dafür einsetzen, dass der ländliche Raum die eingeschlagene Entwicklung vom Hinterland der urbanen Zentren zum eigenständigen Wirtschaftsraum fortsetzen kann. Denn eines ist Fakt: Voraussetzung für die künftige Attraktivität ländlicher Regionen ist die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen mit überregional wettbewerbsfähigen Einkommenschancen. Lassen Sie uns auch künftig gemeinsam in dieser Richtung arbeiten!

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Gibt es weiteren Aussprachebedarf zur Regierungserklärung? – Herr Abg. Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ganz herzlich bei Herrn Staatsminister Kupfer bedanken, dass er nicht nur über den allgemeinen Bereich der Landwirtschaft gesprochen hat, sondern über den ländlichen Raum und auch die Themen Gesundheit, Kita, Schule mit angesprochen hat.

Dabei möchte ich Herrn Kollegen Günther widersprechen, dass das alles Nebensächlichkeiten sind. Wenn wir uns wieder in Ihr Beispiel begeben, gehen in die Küche und haben dort jemanden, der einen schönen Braten zubereitet, dann ist es dennoch wichtig, dass man auch einen sauberen Teller bekommt und dass man Besteck hat. Sonst kann man mit dem Braten nichts anfangen.

(Zuruf des Abg. Tino Günther, FDP)

Deswegen ist es richtig, was der Staatsminister gemacht hat: dass er über Kindertagesstätten und Schulen gesprochen hat. Wir haben in den Gemeinden im Regelfall eigene Kindergärten. Wir haben liebevolle Erzieherinnen, die sich um die Kinder kümmern und ihnen die besten Chancen zum Aufwachsen geben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Warum streiken sie dann?)

Die streiken nicht in Sachsen, Herr Kollege Porsch.

Ich bin der Ansicht, dass die Lebensqualität von Kindern im ländlichen Raum sogar höher ist als in der Stadt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir wissen, dass viele Menschen aus der Großstadt genau deswegen aufs Land ziehen. Wenn ich als Kind auf einen Baum klettern oder ein Schaf streicheln will, dann wird mir das in einer Großstadt wie Dresden nicht gelingen. Wenn ich aber auf dem Land aufwachse, dann habe ich dort die Möglichkeit, das viel eher zu machen.

(Zuruf des Abg. Tino Günther, FDP)

Ich kann mich auch besser entfalten. Wir wissen aus den Vorschuluntersuchungen, dass bei diesen Kindern die motorischen Fähigkeiten besser ausgeprägt sind. Sie können sich besser bewegen, wenn sie auf dem Land aufwachsen, als in der Stadt.

(Kristin Schütz, FDP: Die müssen auch weiter laufen!)

Die Lebensqualität ist auf dem Land größer als in der Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin Herrn Staatsminister Kupfer aber auch dankbar, dass er neben den Kindertageseinrichtungen die Kindertagespflege mit angesprochen hat. Das ist ein Thema, das uns am Herzen liegt, weil es ein sehr flexibles familiennahes Angebot ist, zum Beispiel für eine Verkäuferin oder eine Bäuerin, die schwierige Arbeitszeiten hat, vielleicht um vier oder fünf Uhr anfängt, und nicht in der Lage ist, einen Kindergarten aufzusuchen, weil der noch geschlossen ist.