Protokoll der Sitzung vom 15.05.2009

Um es kurz zusammenzufassen: Ich werde Ihnen in etwa zwei Wochen Zahlen vorlegen können, wie es in diesem und im nächsten Jahr aussehen wird. Die Maßnahmen werde ich – das verstehen Sie – zunächst im Kabinett mit

meinen Kollegen besprechen und werde Sie dann umgehend informieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Martin Dulig, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich frage nun die Fraktionen, ob es dazu Aussprachebedarf gibt. – Die CDU-Fraktion? – Herr Dr. Rößler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Die fetten Jahre sind vorbei!“, titeln überall die Zeitungen und selten sind die Ergebnisse der sogenannten Mai-Steuerschätzung mit so viel Spannung und so viel Bangen erwartet worden. Eigentlich hält sich die Überraschung in Grenzen. Es ist ganz klar, dass sich die Situation in der Weltwirtschaft in den Steuereinnahmen des Exportweltmeisters Deutschland besonders niederschlagen wird.

Der Herr Staatsminister hat auf das hingewiesen, was die versammelten Herren in Bad Kreuznach so gemacht haben. Zuerst haben sie die finanziellen Auswirkungen von 18 Gesetzen über viele gute und gut gemeinte Steuererleichterungen oder Steuergeschenke eingepreist. Es wurden Leistungsgesetze, Steuererleichterungen und anderes, die unter dem Eindruck des Steuerüberflusses, meine Damen und Herren, der goldenen Jahre, die wir zumindest steuerlich hinter uns haben, entstanden sind, analysiert und eingepreist.

Der Herr Staatsminister hat darauf hingewiesen, dass man dann natürlich die Entwicklung des Bruttoinlandproduktes abbilden muss. Dabei geht es um die berühmten 6 % Rückgang. Ich wollte einfach noch einmal die Annahmen kommentieren. Wir hoffen ja, dass es vielleicht 2010 nach diesem Abschwung wieder nach oben geht. 1,2 % ist ein anspruchsvolles Ziel für 2010. Ab 2011 rechnen die versammelten Experten mit einem Wirtschaftswachstum von 3,3 % jährlich. Das ist, glaube ich, eine sehr optimistische, vielleicht blauäugige Annahme. Man kann also nicht sagen, dass das, was wir diskutieren, von Pessimisten prognostiziert wird.

Dann sind da noch die Steuermindereinnahmen: 45 Milliarden Euro in diesem Jahr, 84 Milliarden Euro 2009, und in den Jahren 2010 bis 2013 jeweils über 90 Milliarden Euro – und das sogar bei der Annahme, dass dann das Bruttosozialprodukt um 3,3 % wächst. Ich sage das einfach, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, warum uns bis 2013 am Schluss die 316 Milliarden Euro fehlen werden. Erst 2013, meine Damen und Herren, überschreiten wir das Niveau von 2008, an das wir uns so gewöhnt hatten.

Deshalb meine ich, dass es kein Zufall ist, dass man, wenn man in der CDU-Führung – unser Ministerpräsident gehört dort zu den großen Realisten – über mögliche Steuererleichterungen diskutiert, dann sagt, dass das vielleicht 2012/2013 passieren könnte. Ich vermute, dass

das deshalb so ist, weil man dann vielleicht steuerlich wieder auf dem Niveau wäre, das wir jetzt haben.

Herr Finanzminister, es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als den Haushalt auf Sicht zu fahren. Sachsen ist da immer noch viel nüchterner und realistischer als andere Bundesländer. Es gibt dann immer die Regionalisierung. Wir begnügen uns nicht mit der allgemeinen Regionalisierung der Steuerschätzungen aus Baden-Württemberg. Die sächsische Regionalisierung ist immer noch viel nüchterner und bezieht Demografie und anderes ein. Ich kann Sie nur bestärken, an diesem Verfahren festzuhalten. Das ist kein Pessimismus. Das ist Nüchternheit und Realismus, den wir in Sachsen praktizieren.

Jetzt zeigt sich, dass der, der in guten Zeiten vorsorgt, etwas in der Not hat. Ich bin froh, dass wir diese Haushaltsrücklage gebildet haben. Da mussten wir uns auch in der Koalition strubbeln. In der Euphorie des Aufschwungs war nicht jeder überzeugt, dass die Haushaltsrücklage notwendig ist. Jetzt sind wir darüber froh.

Der Generationenfonds, den wir hier beschlossen haben, ist übrigens keine Haushaltsrücklage, sondern Vorsorge für die Zukunft.

Auch das zweite Instrumentarium, das Sie ansprachen, ist bewährt, das Haushaltsresteverfahren.

Ich erinnere noch einmal daran, dass wir einen gewaltigen Konjunkturmotor in unserem Haushalt haben, 3 200 Millionen Euro Investitionen. Dagegen nehmen sich die zweimal 300 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm II der Bundesregierung, 10 %, eher bescheiden aus. Wir sind darüber trotzdem froh und freuen uns über diese Mittel.

Beim Haushaltsresteverfahren – das wissen alle, die hier vorn als Vertreter der Staatsregierung auf diesen Bänken sitzen – kann allerhand herauskommen, da ist viel Geld drin. Wir schieben – die Haushalte sind voll – einen gewaltigen Berg an Mitteln, an Haushaltsresten vor uns her. Ich bin ganz sicher, dass unser bewährtes Finanzministerium da einige 100 Millionen Euro herausholen kann.

Meine Damen und Herren! Ich spreche hier die Bewirtschaftungsmaßnahmen an, im Volksmund auch kurz Haushaltssperren genannt. Es ist einfach so, dass in allen Bundesländern über Haushaltsbewirtschaftung gesprochen wird, und wer wirklich seriöse und solide Politik machen will, der kann dieses Instrumentarium gar nicht außen vor halten; und es ist gut, dass das klipp und klar angesprochen wird.

Übrigens: Manche Fachminister haben ja in den letzten Tagen Angst vor Kürzungen bei den Investitionen artikuliert. Wir wollen – dies hat der Staatsminister der Finanzen gerade ausgedrückt – die Investitionen keinesfalls kürzen, und, meine Damen und Herren, wir können das auch gar nicht. Durch das Kriterium der Zusätzlichkeit, zu dem uns dieses Konjunkturpaket II verpflichtet, müssen wir uns davor hüten, in irgendeiner Weise Abstriche an den Investitionen zu machen; denn dann müssten wir –

Stichwort Zusätzlichkeit – einen Teil der Bundesmittel aus dem Konjunkturpaket II zurückzahlen.

Der Staatsminister sagte es bereits: Wir brauchen 2009 keinen Nachtragshaushalt. Wir haben gerade über die Bewirtschaftungsmaßnahmen gesprochen. Es gibt drei Instrumentarien, die man kennt: Nachtragshaushalte in Deutschland, da werden auf der Einnahmenseite mehr Schulden gemacht. Nun könnte man sich auch Nachtragshaushalte auf der Ausgabenseite vorstellen. Die gibt es schon. Eigentlich sind das die genannten Bewirtschaftungsmaßnahmen, die man, vorsichtig und an der richtigen Stelle angesetzt, sicher – ich sage einmal – zur Anpassung des Haushaltes nutzen kann.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden in Zukunft, vielleicht 2009, auf Sicht fahren. Wir werden sehen, wie es 2010 weitergehen wird. Aber, meine Damen und Herren, eines wissen wir: Es sind seit den letzten drei Jahren schwierigere Zeiten, andere, als wir sie bisher gewöhnt waren. Aber es hat auch vor 2004 Zeiten gegeben, in denen wir mit derartigen Steuermindereinnahmen konfrontiert waren. Sachsen hat dort immer vorgesorgt, und Sachsen wird auch in Zukunft vorsorgen, und das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes ohne Schulden bleibt auch auf unserem Kompass.

Nun wird immer wieder spekuliert, wer vielleicht im Herbst mit wem in Sachsen und anderswo Politik machen könnte, und, meine Damen und Herren, unser wichtiges Ziel ist der ausgeglichene Haushalt. Das ist das politische Markenzeichen Sachsens.

(Beifall bei der CDU)

Ein ganz entscheidender Prüfstein für einen Partner für die sächsische Union sein ist, dass derjenige – wie wir – einen Haushaltsausgleich anstrebt oder – wie wir – keine Schulden auf Kosten der nachwachsenden Generationen machen will. Der schuldenfreie Haushalt ist ein sehr wichtiges Instrument in unserem Wahlprogramm, das wir morgen beschließen werden.

(Lachen der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion – Alexander Delle, NPD: Das ist ja morgen schon eine Lüge!)

Wenn wir auch in schwierigen Zeiten Zukunft gestalten wollen, dann müssen wir eisern an diesem Ziel festhalten. Ein nachhaltiger und generationengerechter Haushalt mit den entsprechenden Investitionen in Infrastruktur und Zukunft – das bleibt unser politisches Ziel, und dem werden wir uns stellen.

Vielen Dank, Herr Finanzminister, für die vorgeschlagenen Maßnahmen, und vielen Dank vor allem an Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe, die Linksfraktion sieht es mir nach, dass ich die Reihenfolge

verdreht hatte. – Herr Scheel, Sie bekommen nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Rößler, ich kann ja verstehen, dass Sie gern an Ihre eigene Propaganda glauben, aber es fällt mir, ehrlich gesagt, sogar schwer, das jetzt zu sagen: Wir machen keine Schulden auf Kosten der westdeutschen Länder; denn ohne den Solidarpakt würden wir hier nämlich überhaupt nichts auf die Reihe bekommen, weil wir nicht selbstständig leben können. Das müssen wir leider einfach zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie hier eine Propaganda betreiben, wir würden keine Schulden auf Kosten der zukünftigen Generationen machen, dann ist das zwar schön, aber uns fehlt die Wirtschaftskraft, die Steuerkraft, um auf eigenen Beinen stehen zu können, und das ist die Wahrheit, Herr Dr. Rößler.

(Beifall bei der Linksfraktion – Volker Bandmann, CDU: Und wieso ist das so?)

Nein, bitte nicht, Herr Bandmann, bitte nicht heute schon wieder! Ich versuche, meine Aufregung heute zu Hause zu lassen. Insofern bitte ich Sie um Verständnis, dass ich jetzt nicht auf diese Zwischenrufe eingehen werde.

Wir haben im März 2009 vom Finanzminister dankenswerterweise schon einmal eine Stellungnahme bekommen, diese hat einem schon Angst machen können. Darin war davon die Rede, dass im Januar 8,8 % Steuermindereinnahmen zu verzeichnen waren. Wir hatten schon einen gewissen Ausblick darauf, was uns wahrscheinlich mit der Mai-Steuerschätzung erreichen würde. Ich würde sagen, nach den Rekordjahren schlagen wir hart auf. Wir sind wieder in der Realität angekommen, und jetzt heißt es: Wie gehen wir mit den Mindereinnahmen, die auf uns zukommen, um?

Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn wir heute schon einige konkrete Zahlen für Sachsen bekommen hätten, aber ich habe auch Verständnis dafür, dass man jetzt nicht orakeln, sondern wirklich fundierte Zahlen vorlegen möchte. Ich will nur festhalten: Das, was an Prognosen im November 2008 vorgelegen hat, war eine Einmaligkeit. Es war in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig, dass es zwei Prognosen gab: einmal von 0,2 %, an diese hat sich die Bundesrepublik gehalten, der Bundeshaushalt ist so aufgestellt; und einmal von minus 0,8 %. Wir haben vorsichtigerweise diese genommen, und das war auch richtig so. Aber es war keineswegs so, dass wir jetzt besonders vorsichtig gesagt hätten, wir gehen jetzt mal ganz besonders weit nach unten, sondern wir haben einfach die zweite Prognose der Wirtschaftsinstitute zu unserer Grundlage gemacht. Das war in diesem Fall richtig, aber es war, wie gesagt, noch nicht das Übermaß, das hier gern propagiert wird.

Wir werden mit einer Situation konfrontiert, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen: Was sind in einer solchen Krise, in der wir uns befinden – das ist kein

Krisenfetischismus; wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Wirtschaftsleistung ins Negative geht –, die Prioritäten unseres Handelns? Nun kann man darüber diskutieren, ob die Frage von Entschuldung, die Frage, 75 Millionen Euro in die Entschuldung zu stecken, die richtige Priorität ist. Man kann auch darüber diskutieren, ob in dieser Zeit ein Beamtenvorsorgefonds, um einfach nur die Beamtenpensionen abzusichern, die in 2035 irgendwann einmal fällig werden, die richtige Priorität ist. Darüber kann man diskutieren, und darüber sollte man auch diskutieren und es nicht als ideologische Grabenkämpfe betrachten.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Wir sollten uns darauf verständigen, dass wir in einer solchen Krise alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um so schnell wie möglich solide und hoffentlich mit erhobenem Haupt – und nicht mit abgeschlagenem – durch diese Krise durchzukommen und so viele Arbeitsplätze wie möglich bei Mittelständlern und Unternehmen in unserem Land zu erhalten und hoffentlich auch unseren Haushalt und die sozialen Standards – dabei kann man über Ausbau sprechen – zu erhalten.

Insofern halte ich nicht viel davon, wie sich die FDP hier eines Populismus auf Kosten der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes befleißigt und sich

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

über die Tariferhöhung für die hart arbeitenden Polizisten oder sonstigen Beamten – man kann gern auch über eine höhere Dienstebene sprechen – auf dem Rücken der Mitarbeiter versucht zu profilieren – mit einem diffusen Gefühl von Ängsten und vielleicht auch Vorurteilen, die in der Bevölkerung gegenüber Beamten vorhanden sind. Das ist, ehrlich gesagt, schäbig von Ihnen, liebe Kollegen von der FDP.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich habe auch keinerlei Verständnis für Ihre Forderung: Jetzt müssten wir einmal über Steuererleichterungen sprechen.

(Holger Zastrow, FDP: Wann denn, Herr Scheel?)

Sie haben gerade festgestellt, dass wir mit Steuereinbrüchen zu tun haben, die wir noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik erlebt haben, und dann kommen Sie doch allen Ernstes daher und sagen, wir müssten doch Steuererleichterungen machen, dann würde es den Menschen so gut gehen, dass sie am liebsten noch mehr Steuern zahlen, als sie eigentlich müssten. Also, wir wissen ja alle, dass, wenn ich die Steuern um einen Euro senke, auch etwas zurückkommt. Aber jeder Finanzwissenschaftler wird Ihnen sagen, dass das vielleicht die Hälfte bis maximal 70 % ist. Da haben Sie immer noch ein Delta, da fehlt immer noch etwas.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Ihre Propaganda ist auch wieder nur ein Wahlkampfversprechen, das Sie hier abgeben, was Sie gemeinsam mit

der Union dann wahrscheinlich im Bund brechen werden, und diesen Wortbruch wünsche ich Ihnen auch gern, das muss ich Ihnen sagen. Wer mit solchen Versprechen in die Debatte geht, der handelt unredlich, liebe Dame und Herren von der FDP.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Alexander Delle, NPD)