Sie haben den Anspruch, ab dem Herbst wieder allein zu regieren, aber die Umfragen zeigen deutlich: Die Sachsen wollen diese alten Verhältnisse nicht. Sie wollen keine Staatspartei, die selbstherrlich Entscheidungen treffen kann. Diese Zeiten sind vorbei. Das werden wir bei der Wahl am 30. August auch deutlich spüren.
Aber auch die Zeit für Schwarz-Gelb ist noch nicht angebrochen, denn die Menschen wissen, was das in der aktuellen Krise bedeuten würde. Sie trauen denen nicht, die mit ihrer neoliberalen Politik für die Krise mitverantwortlich sind. Wer jetzt noch immer weniger Staat und mehr Markt will, hat wirklich nichts verstanden.
Schwarz-Gelb in Sachsen wäre die Hochzeit einer ehemaligen Staatspartei mit den politischen Hasardeuren erster
Güte und auch der CDU ist bei dieser Sache nicht wohl. Zitat Flath: „Die Liberalen agieren eher nach dem Muster einer Werbetruppe, für die politische Inhalte zweitrangig sind.“
Aber Herr Zastrow scheint über die CDU ähnlich zu denken. Zitat: „Wer heute CDU wählt, kann genauso gut Lotto spielen“.
Eine ernsthafte Alternative sieht nun wirklich anders aus. Schwarz-Gelb, das heißt nichts Gutes für unser Land. Glaubt denn jemand im Ernst, dass unter Schwarz-Gelb das Studium in Sachsen wirklich gebührenfrei bleibt, dass dann der Kita-Besuch schrittweise von Gebühren befreit wird, dass der soziale Arbeitsmarkt gestärkt wird und dass die Starken helfen, die Schwachen starkzumachen? Das glaubt doch niemand, und die Menschen in Sachsen werden das am 30. August auch entsprechend sehen; dessen bin ich mir sicher.
Aber auch bei der Linkspartei machen sich Auflösungserscheinungen breit: Bettina Simon und Roland Weckesser in Sachsen, Carl Wechselberg in Berlin und Frau Kaufmann in Brüssel. Alle Genannten sagen: Die Linkspartei hat sich als ernst zu nehmende politische Kraft verabschiedet.
Bei der Listenkonferenz vor zwei Wochen konnte der offene Bruch gerade noch verhindert werden. Herr Hahn, Sie ringen verzweifelt darum, den Laden zusammenzuhalten,
und im Hintergrund scharrt Herr Scheel schon mit den Hufen. Ansonsten betreiben Sie nur das bekannte Haseund-Igel-Spiel mit der SPD. Wenn wir sagen „7,50 Euro Mindestlohn“, sagen Sie „10 Euro“. Wenn wir sagen „Ein gesundes Essen für jedes Kind in Sachsen“,
sagen Sie „Umsonst muss es sein!“. Wenn wir sagen „Ein Essen für jedes Schulkind umsonst“, sagen Sie: „Jeden Tag zwei Essen umsonst!“.
Es fallen mir noch viele Beispiele ein, die immer nur wieder deutlich machen: Was Sie da betreiben, ist unseriös.
Wir übernehmen Gesamtverantwortung, wir spielen nicht die Wirtschaft gegen die Arbeitnehmer aus, nicht das Wachstum gegen die Umwelt. Wir behalten die Balance im Land. Wirtschaftlicher Erfolg, soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft, das gehört für uns Sozialdemokraten zusammen. Wir spielen auf dem gesamten Spielfeld. So macht man Politik für die Mehrheit, für die Menschen in Sachsen. Das haben wir in den letzten fünf Jahren so gehalten und so wird es bleiben. Das garantieren wir.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Fünf Jahre Erfolg für Sachsen“, so heißt das Thema der Regierungserklärung, woraus wir nur schließen können, dass Herr Tillich die Legislaturperiode mit einer kabarettistischen Einlage beenden möchte. Es ist bewundernswert, dass die Herren Tillich und Jurk angesichts dieses Titels selber ernst bleiben konnten. Sie haben schauspielerisches Talent. Denn wenn Sie keine Autisten wären, wüssten Sie nur zu gut, dass diese 4. Legislaturperiode nun wahrlich nicht von Erfolgen gezeichnet, sondern die mit Abstand schwächste aller bisherigen war.
Sprechen wir doch einmal über Ihre Erfolge: Korruptionsskandale à la Strabag und Organisierte Kriminalität bis in höchste Kreise, Landesbankskandal und Milliardenbürgschaften, unausgeschöpfte ESF-Gelder in zweistelliger Millionenhöhe, demografischer Niedergang. Da haben wir die fatale Leuchtturmpolitik, die zum Absterben des ländlichen Raumes, zu immer mehr Schulschließungen, zu Fachärztemangel und zum Tod kleiner und mittelständischer Unternehmen führt; den Export von Arbeitsplätzen nach Osteuropa und den verbrecherisch naiven Import von osteuropäischen Kriminellen und Billiglohndrückern, den dramatischen Anstieg von Kriminalität durch mangelhafte Grenzsicherungsmaßnahmen und den Abbau von Polizeidienststellen, Stillstand in Sachen Energieprogramm, eine bürgerfeindliche Verwaltungs- und Funktionalreform auf dem Wege der Geheimdiplomatie, ein wirtschaftspolitisches Totalversagen quer durch alle Branchen und einen Justizminister, der sich mehr um die Sicherstellung eines Toilettendeckels in Itzehoe als um sein eigentliches Ressort kümmert.
Lassen Sie mich noch einige wenige Beispiele nennen, bei denen die NPD-Fraktion zumindest versucht hat, Ihre Beratungsresistenz aufzubrechen: Erzgebirgisches Kunsthandwerk, im Stich gelassen von der Politik, Erba Lautex in Neugersdorf, im Stich gelassen von der Politik, Biria Bike, im Stich gelassen von der Politik, Enka in Elsterberg, im Stich gelassen von der Politik, Qimonda in Dresden, im Stich gelassen von der Politik – wie so viele andere Unternehmen und deren Arbeitnehmer ebenso.
Am Ende der 4. Legislaturperiode steht fest: Die beiden zentralen Leuchtturmprojekte des Freistaates Sachsen
existieren nicht mehr. Die Landesbank musste schon Ende 2007 als eines der ersten Opfer der Finanzkrise in einem Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg veräußert werden, um eine Insolvenz zu verhindern, und seit der Insolvenz des größten ostsächsischen Arbeitgebers Qimonda ist auch der Aufbau einer konkurrenzfähigen Halbleiterindustrie in und um Dresden schlichtweg gescheitert.
Bei beiden epochalen Misserfolgen spielt die Staatsregierung eine entscheidende Rolle. Beim Zusammenbruch der Landesbank handelt es sich um ein unfassbares Kontroll- und Aufsichtsversagen, das sich fast ein Jahrzehnt – spätestens seit der Gründung der SLB Europe in Dublin im Jahr 2000 – hingezogen hat. Gegen den Gründungsauftrag und gegen die Satzung der Bank wurde das landeseigene Institut in eine Zockerbank umgewandelt, die den Großteil ihres Geschäftes auf den internationalen Kapitalmärkten tätigte; jenes Institut, das dazu gedacht war, den sächsischen Kapitalkreislauf zu stabilisieren und sächsische Unternehmen mit Krediten zu versorgen. Ein Gutachten des Landesrechnungshofes kam zu dem Ergebnis, dass es die krasse Verletzung der eigentlich der Politik obliegenden Aufsichtspflicht war, die schließlich zum Zusammenbruch der Bank geführt hat.
Frühzeitige Warnungen wurden entweder in den Wind geschlagen oder lächerlich gemacht. Als die NPD schon im Januar 2005 einen Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB einforderte, sprach der damalige stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Kupfer noch von einem angeblichen Politklamauk der Neonationalsozialisten. Nun, meine Damen und Herren, aus dem angeblichen Neonazi-Klamauk wurde eine Landesbürgschaft über 2,75 Milliarden Euro. Diese Bürgschaft wird ausgerechnet in den nächsten fünf Jahren fällig, wenn das Land ohnehin schweren Belastungen aus der Weltwirtschaftskrise ausgesetzt ist.
Die Folge werden tiefe Einschnitte vor allem in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur sein. Deshalb unterstützt die NPD ausdrücklich die Forderung des Direktors des Landesrechnungshofes, Dr. Krebs, die früheren SLB-Verwaltungsräte auf Schadenersatz zu verklagen.
Auch ein weiteres Großprojekt der CDU seit 1990 entpuppt sich mehr und mehr als Desaster, der Versuch, in Sachsen eine konkurrenzfähige Halbleiterindustrie aufzubauen. Ungefähr 13 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern wurden in den letzten zwei Jahrzehnten für diese Vorhaben aufgewendet. Und wie sieht das Ergebnis aus, meine Damen und Herren? Qimonda wird zerschlagen und Infineon sieht ebenfalls der Insolvenz entgegen, falls das Unternehmen nicht noch durch Kredite und Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds der Bundesregierung gerettet werden sollte.
Das, meine Damen und Herren, ist das ernüchternde Ergebnis von zwei Jahrzehnten verfehlter Leuchtturmpolitik der Union und dem immer wieder beschworenen
Man stelle sich vor, was alles möglich gewesen wäre, wenn man die 13 Milliarden Euro an Fördergeldern in den Mittelstand investiert hätte, in jenen Mittelstand, der jetzt schon der Arbeitsplatzmotor des Landes ist, der seine großen wirtschaftlichen Leistungen ohne Milliardensubventionen aufzubringen weiß.
Mehr als merkwürdig, Herr Tillich, ist dabei Ihre Passivität, mit der Sie dem Niedergang von Qimonda zugeschaut haben. Denn im Gegensatz zu Ihnen haben sich Roland Koch, Kurt Beck, Jürgen Rüttgers und Dieter Althaus für die Rettung ihrer Opelwerke wenigstens ins Zeug gelegt. Horst Seehofer hat Quelle einen Kredit über 50 Millionen Euro besorgt, und selbst der radikale Marktwirtschaftler Günther Oettinger hat der Heidelberger Druck eine Bürgschaft beschafft, mit deren Hilfe das Unternehmen nun die Weltwirtschaftskrise überstehen soll.
Nur Sie, Herr Tillich, und Sie, meine Damen und Herren der Union, zeigten kein ernsthaftes Engagement für die Rettung von Qimonda, obwohl die Halbleiterindustrie eine der Schlüsselindustrien des 21. Jahrhunderts ist und damit weit systemrelevanter als ein Versandhaus oder ein Druckmaschinenhersteller. Sie, Herr Tillich, sind wohl der letzte Ministerpräsident, der allein auf das Wirken der Marktgesetze setzt und dabei übersieht, dass diese Marktgesetze in einer Weltwirtschaftskrise nur Zerstörung hinterlassen und es in Zeiten der Depression eben nicht die viel beschworenen Selbstheilungskräfte des Marktes gibt.
Die permanente Unterfinanzierung der überwiegend kommunalen Gebietskörperschaften ist darüber hinaus ein weiteres Merkmal Ihrer vermeintlichen Erfolgsstory. Unsere Kommunen erreichen gerade einmal 58 % des bundesdurchschnittlichen Steueraufkommens, weisen aber seit circa einem Jahrzehnt – also in dem von Ihnen mit der Autolaudatio versehenen Zeitraum – eine ansteigende Gewerbesteuer und Hebesatzentwicklung auf. Die im Zuge der Verwaltungsneuordnung, besser gesagt: -unordnung, erfolgten Sanierungsversuche des Landeshaushaltes auf dem Rücken der Kommunen stellen ebenfalls einen sogenannten Erfolg dar, der langfristig Sachsen einen schweren Schaden zufügen wird.
Der einst unter Kurt Biedenkopf erwirtschaftete Ruf der Sachsen-CDU als Wirtschaftspartei ist jedenfalls in dieser Legislaturperiode unter dem Sachsen-Pleitier Georg Milbradt und dem Zauderer Stanislaw Tillich endgültig und irreversibel Geschichte geworden.
Gerade Sie, Herr Tillich, wollen aber wohl noch einen draufsetzen und werden nun ausgerechnet bei einem Thema aktiv, das dazu geeignet ist, den Menschen in Sachsen den wirklich größtmöglichen Schaden zuzufügen. Die Rede ist von Ihrem unermüdlichen Einsatz für die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für osteuropäische Arbeitnehmer. Und das ausgerechnet in Zeiten, in denen wir die größte Wirtschaftskrise seit Menschengedenken erleben. Offensichtlich ist den Damen und
Herren der Union daran gelegen, die bestehende Arbeitsmarktkrise durch die sofortige Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch noch zu vervielfachen.
Ich habe keine Ahnung, was Ihre wirklichen Motive für Ihre Forderung sind. Das von Ihnen aber immer wieder angeführte Argument des Anwerbens von Fachkräften kann es jedenfalls nicht sein, wenn wir einen Blick nach Großbritannien richten. Denn Untersuchungen dort haben bewiesen, dass durch die Aufhebung der Schutzfristen in allererster Linie schlecht qualifizierte Dumpinglöhner angelockt wurden, die den bereits herrschenden Verdrängungswettbewerb im Niedriglohnbereich noch einmal verschärft haben. Wen verwundert es also, dass in Großbritannien nach den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit die Arbeitnehmerfreizügigkeit längst wieder zurückgenommen wurde?
Nein, meine Damen und Herren, es gibt einfach kein halbwegs rationales Argument für die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und schon gar nicht für den Ministerpräsidenten eines Bundeslandes, dessen Außengrenzen zu Polen und Tschechien eine Gesamtlänge von über 566 Kilometern aufweisen. Ihre ständige Forderung nach der sofortigen Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit kann eigentlich nur einen Hintergrund haben, nämlich jenen, dass Sie in Ihrem Selbstverständnis eben nicht Ministerpräsident aller Sachsen sind, sondern einseitiger Vertreter von Arbeitgeberinteressen.
Aber lassen Sie mich zu einem weiteren Großprojekt kommen, das die Staatsregierung in dieser Legislaturperiode vergeigt hat. Ich meine die überstürzte Grenzöffnung zu Polen und Tschechien. Noch im Sommer 2007 versprach Innenminister Buttolo hoch und heilig, dass die Grenzöffnung keine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit in Sachsen mit sich bringen würde. Die Einwände der NPD, der Polizeigewerkschaften und von Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann wurden forsch zur Seite gebügelt.
In einer ersten Bilanz knapp 18 Monate nach der Erweiterung des Schengen-Raumes kommt man nicht um die Feststellung herum, dass es sehr wohl schlechter geworden ist um die innere Sicherheit im Freistaat Sachsen als vor der Grenzöffnung. Oder wie erklären Sie sich sonst, dass der Autodiebstahl in Sachsen explodiert ist und sich immer mehr ins Innere des Freistaates verlagert?
Selbst der Polizeipräsident von Dresden, Dieter Hammitsch, musste zugeben, dass allein in Dresden im Jahre 2008 die Autodiebstähle um sage und schreibe 120 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Seine Erklärung laut „Morgenpost“ vom 27. März 2009: „Die Zahlen stehen im Zusammenhang mit den offenen Grenzen nach Polen und Tschechien.“
Vor dem Hintergrund solcher Horrorzahlen, meine Damen und Herren, ist es geradezu Wahnsinn, parallel zur Grenzöffnung auch noch die Bundespolizei im grenznahen Gebiet abbauen zu wollen.