Protokoll der Sitzung vom 26.06.2009

Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass ich als Mitglied der PKK auch zu der Frage Stellung beziehen werde, ob und wie die PKK ausreichend informiert wurde. Der Abschlussbericht der Koalition stellt fest, dass die Unterrichtungspflichten des Staatsministeriums des Innern bzw. die Anforderungen an diesen – Zitat – „überspannt“ seien. Verstöße gegen Informationspflichten konnten angeblich nicht festgestellt werden.

Es dürfte den Vertretern der Koalition hoffentlich klar sein, dass sie mit dieser Darstellung nicht nur den PKKMitgliedern Hahn und Lay von den LINKEN widersprechen, sondern namentlich keinem geringeren als dem Vorsitzenden, der von der CDU gestellt wird, Gottfried Teubner, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Herrn Brangs, und im Übrigen auch dem heutigen Minister für Umwelt- und Landwirtschaft, Herrn Kupfer, ebenfalls CDU. Denn wir waren einhellig der Auffassung, dass eine entsprechende Unterrichtung der PKK nicht stattgefunden hat, dass die Unterrichtungspflichten verletzt wurden.

Der Vorsitzende, Herr Teubner, hat das Verhalten von Herrn de Maizière gar als rechtswidrig gegeißelt und ist bis heute nicht revidiert worden. Warum auch? Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aber auch die Gelegenheit nutzen, um an dieser Stelle Herrn Teubner beste Genesungswünsche auszusprechen.

(Beifall)

Es hat weder eine Unterrichtung der PKK über den Inhalt der OK-Akten stattgefunden, noch wurden wir über die Entscheidung der Weiterbeobachtung der OK nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes informiert und konsultiert; sehr wohl aber die Innenpolitiker der Koalition an der PKK vorbei. Da sollen dann auch noch ganz nebenbei personenbezogene Daten und die wirklich brisanten Informationen aus den Akten übermittelt worden seien.

Ihre Darstellung der Ereignisse in der PKK beruht im Wesentlichen auf den Zeugenaussagen von Minister de Maizière, der aber in der zur Rede stehenden Zeit an keiner einzigen PKK-Sitzung teilgenommen hat. Die Einladungen hätte er nie erhalten. Das ist nachweislich falsch. Stattdessen interpretiert er die Protokolle der PKK, natürlich nur in den Auszügen, wie sie ihm gefallen. Die Protokolle sind dann aber offensichtlich angekommen.

Meine Damen und Herren! Ich verrate Ihnen hoffentlich kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass diese Darstellung der Ereignisse in der PKK in diesem Gremium selbst keinerlei Zustimmung erfahren hat. Kein Mitglied der PKK hat dieser Darstellung auf der letzten Sitzung seine Zustimmung gegeben, auch nicht die Mitglieder der CDU. Ich glaube, dass das, was im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses steht, in keiner Weise auch nur annähernd haltbar ist.

Die Stärkung der Rechte der parlamentarischen Kontrolle wäre die notwendige Konsequenz aus diesen Ereignissen gewesen. Ein entsprechender Gesetzentwurf der LINKEN wurde auf der letzten Plenarsitzung behandelt. Leider hat die Koalition diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung verweigert.

Meine Damen und Herren! Im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit standen zweifellos die Ereignisse im Kinderbordell „Jasmin“ und die Ermittlungen zum Klockzin-Attentat. Wir haben dazu mehrere Zeugen gehört. Das Ergebnis: Eine Ungereimtheit jagt die andere.

Warum – so steht nach wie vor im Raum – wurden die mutmaßlichen Hintermänner des Attentates bis heute geschont? Warum wurden alle anderen Beteiligten mit einer solchen Härte bestraft? Warum wurde gegen den Bordellbetreiber nicht wegen Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch ermittelt? Ja, warum hat er eine so absolut lächerliche und geringe Strafe erhalten? Welche Deals sind da im Hintergrund gelaufen? Warum hat man gegen die Freier im Kinderbordell nie systematisch ermittelt? Warum wurden diejenigen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Kunden waren, bis heute geschont?

Im Ergebnis unserer Untersuchungen hat es in all diesen Punkten mehr Fragen als Antworten gegeben. Aber ich bin nach all den Befragungen, die wir gemacht haben, auch davon überzeugt, dass diese Sache bis heute zum Himmel stinkt.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Die Zweifel an der Arbeit der zuständigen Staatsanwälte und Richter in dieser Sache, in all diesen Ermittlungen, die stattgefunden haben, und die ganzen Wiederaufnahmeverfahren, sind einfach erheblich. Dieser Vorwurf steht nach wie vor im Raum. Das muss ich an dieser Stelle ganz eindeutig sagen,

(Beifall bei der Linksfraktion)

ohne dass ich damit gleichzeitig behauptet habe, was hier im Raume steht, dass das alles damit zusammenhänge, dass die entsprechenden Justizangehörigen selber Kunden in diesem Kinderbordell gewesen sein sollen. Aber Aufklärungsbedarf besteht an dieser Sache definitiv, und ich bedauere es sehr, dass wir dieses Geheimnis in unserer Arbeit nicht umfassend lüften konnten.

Meine Damen und Herren, Ihnen und insbesondere allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die diese Debatte verfolgen, möchte ich sagen: Die CDU trägt die politische Verantwortung dafür, dass diese Vorwürfe nicht umfassend aufgeklärt werden konnten. Das haben Sie mit Ihrer Blockadehaltung verhindert.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Karl Nolle, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Damit komme ich zum letzten, für mich auch größten Geheimnis in dieser ganzen Affäre: Warum nur haben Staatsregierung und CDU die Arbeit dieses Ausschusses

eineinhalb Jahre lang blockiert, wenn doch angeblich nichts dran ist an diesen Vorwürfen, wenn doch angeblich alles nur heiße Luft ist? Warum dann die Verfahren gegen 19 Journalisten, warum die zahlreichen Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter des Landesamtes und des SMI usw.? Warum wird jeder Zeuge, der nicht die offizielle Variante der Staatsregierung erhärtet, mit Verleumdungsklagen überzogen? Warum die, wie ich finde, in Teilen auch überstrapazierten Geheimhaltungsvorschriften, wann immer es gegen die Abgeordneten ging, aber eine gewisse Laissez-faire-Haltung, wenn es darum ging, bestimmte beliebige Informationen auch an entsprechend beliebige Journalisten durchzustellen? Warum diese anderthalb Jahre Blockadehaltung gegenüber dem Untersuchungsausschuss? Das ist für mich der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Meine Damen und Herren von der CDU, vielleicht wollten Sie das Ansehen des Rechtsstaates und der Justiz wiederherstellen. Das Gegenteil haben Sie meiner Meinung nach erreicht. Mein Vertrauen in den sächsischen Rechtsstaat – das muss ich Ihnen leider sagen – ist in diesen ganzen Ermittlungen leider nicht gestiegen. Im Gegenteil, der Verdacht, dass eine selbsternannte Staatspartei CDU durchaus den Versuch unternimmt, mithilfe der Justiz ihre Machtinteressen durchzusetzen, hat sich durch diese Affäre eher erhärtet als entkräftet.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wie viel schlauer wäre es in ihrem eigenen Interesse – davon bin ich überzeugt – doch gewesen, wenn Sie sich an die Spitze der Aufklärungsbemühungen gesetzt hätten! Sie wollen einfach nicht aufklären. Was haben Sie nur zu verbergen?

Der Untersuchungsausschuss zum Sachsensumpf ist Ihnen ein einziger Klotz am Bein. Schon allein das, meine Damen und Herren, sollte Grund sein, die Arbeit des Untersuchungsausschusses in der nächsten Legislaturperiode fortzusetzen. Das jedenfalls, meine Damen und Herren, kann ich all denjenigen empfehlen, die in der nächsten Legislaturperiode dem Sächsischen Landtag angehören werden.

Für mich – und damit komme ich zum Schluss – ist dies heute die letzte Rede im Sächsischen Landtag, vorläufig jedenfalls. Für die nächste Legislaturperiode des Landtages habe ich nicht wieder kandidiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich unsere Wege noch einmal kreuzen werden.

(Beifall der Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion, und Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Auch wenn es kaum ein unversöhnlicheres Thema als dieses gibt, möchte ich mich bei allen für die überwiegend gute Kooperation bedanken. Das gilt bei diesem Thema natürlich insbesondere auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung, für das Ausschuss

sekretariat und an dieser Stelle auch für den Ausschussvorsitzenden Klaus Bartl.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Meine Damen und Herren, für die nächste Legislaturperiode wünsche ich Ihnen alles Gute, und für den unwahrscheinlichen Fall, dass die CDU die Regierung dann wieder anführen wird, wünsche ich Ihnen Mut und Durchhaltevermögen, Ausdauer und Zivilcourage. Das werden Sie brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Die CDU-Fraktion erhält das Wort. Herr Piwarz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Beratung des Abschlussberichtes geht die Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses dieser Legislaturperiode zu Ende. Ich bedanke mich zunächst beim Ausschussvorsitzenden Herrn Bartl für den sehr sachlichen Bericht, der den Gang der Ermittlungen recht treffend wiedergegeben hat.

Die zwei Jahre der Arbeit des Untersuchungsausschusses stehen für zahllose Sondersitzungen, bisweilen endlose Zeugenvernehmungen und mitunter nicht weniger ermüdende Streitigkeiten sowohl zwischen Koalition und Opposition als auch zwischen den Oppositionsfraktionen untereinander.

Die Einsetzung dieses Ausschusses stand unter dem Vorzeichen eines vermeintlich einmaligen Skandals. Im Sommer 2007 grassierte in Sachsen das Sumpffieber, und dieses Fieber hatte offenbar insbesondere die Opposition befallen. Obwohl die heftigsten Symptome bereits kurze Zeit später abklangen, waren einige der handelnden Personen bis zum Schluss nicht davor gefeit, mit einem heftigen Fieberschub einen Rückfall zu erleiden.

Auch die Arbeit des Untersuchungsausschusses war immer wieder von Versuchen der Skandalisierung überschattet. Gerade das hat die Arbeit nicht wirklich erleichtert.

Doch was bleibt nach diesen zwei Jahren Arbeit festzuhalten? Das wichtigste Resultat lautet: Den Sachsensumpf hat es nie gegeben.

(Beifall der Abg. Alexander Krauß, CDU, und Prof. Dr. Roland Wöller, CDU)

Vielmehr hat er sich als haltlose Legende erwiesen. Es gibt kein flächendeckendes kriminelles Netzwerk, das Justiz und Politik in Sachsen im Griff hat. Der 2. Untersuchungsausschuss kommt in seinem Abschlussbericht zu keinem anderen Ergebnis als die in der Angelegenheit ermittelnde Staatsanwaltschaft Dresden. Diese hatte bereits vor über einem Jahr die Ergebnisse ihrer Ermittlungen vorgestellt. Sie hatte sich im Zuge ihrer Ermittlun

gen mit dem vom Landesamt für Verfassungsschutz übermittelten Fallkomplexen Italienische OK, Rocker, Abseits II, also Plauen, und Abseits III, also Leipzig, zu befassen und vernahm in diesem Zusammenhang über 90 Zeugen.

Das im April letzten Jahres vorgestellte Ergebnis lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Aus den Unterlagen des Landesamtes für Verfassungsschutz ergeben sich keine greifbaren Erkenntnisse und keine tatsächlichen Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten. Insbesondere das zum Fallkomplex Abseits III, Leipzig, vermutete kriminelle Personennetzwerk existiert nicht. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Dresden schon damals auf die inhaltliche Dürftigkeit und die nicht hinreichende Belastbarkeit der entsprechenden Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz hingewiesen.

Es stand also bereits vor über einem Jahr fest, dass die Mär vom Sachsensumpf nicht aufrechtzuerhalten ist. Trotzdem wollte die Opposition und insbesondere die Linksfraktion nicht von diesem Thema lassen. Ganz im Gegenteil war man versucht, die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Dresden zu diskreditieren. Es musste halt irgendwie passend gemacht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Beweisaufnahme im 2. Untersuchungsausschuss hat keine Anhaltspunkte ergeben, die den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Dresden widersprechen würden. Der Abschlussbericht des Ausschusses listet dies auf fast 200 Seiten auf.

Der vorgelegte Abschlussbericht beruht in seinem inhaltlichen Teil auf einem Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD. Er ist bewusst umfangreich gehalten und enthält zahlreiche Fundstellen aus den einzelnen Zeugenvernehmungen. Aus den einzelnen Zitaten wird deutlich, wie umfangreich Zeugen insbesondere zu der Frage Stellung genommen haben, ob die behaupteten kriminellen und korruptiven Netzwerke, besonders die in Leipzig, existiert haben oder noch existieren. Die Antworten sind ebenso deutlich: Nein, diese Netzwerke gab und gibt es nicht.

Die Opposition wird dabei nicht müde zu betonen – Frau Lay hat das eben wieder getan –, dass die Koalitionsfraktionen nur die Meinung der Staatsregierung wiedergeben würden. Der Umfang des Abschlussberichts und die Fülle der darin aufgeführten Zitate sprechen dabei aber eine andere Sprache. Die Zeugenaussagen widerlegen klar die Auffassung der Opposition. Selbst vermeintliche Kronzeugen der Opposition wie der Polizist Wehling haben die Frage nach den Netzwerken unmissverständlich verneint. Es täte der Opposition also gut, den Abschlussbericht zu lesen und dann mit der eigenen – mutmaßlich vorgefassten – Meinung zu vergleichen.

Meine Damen und Herren, die Geschichte des sogenannten Sachsensumpfes ist auch eine Geschichte von Vorverurteilungen. Als der vermeintliche Skandal im Frühsommer 2007 an die Öffentlichkeit kam, waren viele fest davon überzeugt, dass dies alles nur wahr sein könne. Die

Opposition witterte Morgenluft und wollte nun zum großen Schlag ausholen.

Wie vorgefasst die Meinungen bei einigen schon gewesen sind, kann man gut an der Wortmeldung des Abg. Bartl in der Plenarsitzung am 5. Juno 2007 erkennen. Er sagte damals – ich zitiere –: „Aber folgende Tatsachen dürfen bereits jetzt als feststehend und belastbar betrachtet werden: Erstens. Hier im Freistaat Sachsen ist es einer zahlenmäßig zunächst sicherlich kleinen Gruppe von herausgehobenen Personen im Bereich von Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei gelungen, ein nach bisherigen Erkenntnissen in der deutschen Politik und Kriminalgeschichte noch nie dagewesenes Netzwerk aufzubauen, unter dessen Wirkung zumindest in regional begrenzten Bereichen die in den Staatsgrundsätzen angelegte Gewaltenteilung praktisch paralysiert, gelähmt und aufgehoben war.“

Weiter führte Herr Bartl damals aus: „Die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der strikten Bindung von Exekutive und Justiz an Verfassung und Recht galten für die Handelnden nicht. Für sie galt: Über uns ist nur der Himmel.“