Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben unseren Antrag eingereicht, weil wir verhindern wollen, dass bei der Beschlussfassung über die Ausdehnung des Entsendegesetzes die Fehler wiederholt werden, die gemacht wurden, als man das Entsendegesetz für die Baubranche eingeführt hat. Gerade in Sachsen hat sich dieses Gesetz sehr
negativ ausgewirkt, denn es hat den Wettbewerbsvorteil der sächsischen Bauindustrie zunichte gemacht.
Dadurch sind in Sachsen mehrere zehntausend Arbeitsplätze vernichtet worden. Diejenigen, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben, tragen dafür auch die Verantwortung.
Der Ministerpräsident, der leider der Debatte heute nicht beiwohnt, was ich sehr bedauere, weil er durchaus vernünftige Positionen in diesem Bereich vertritt, hat am 17. April 2005 in der Fernsehsendung bei Sabine Christiansen zu diesem Thema erklärt – ich zitiere –: „Wir haben im Bau einen Mindestlohn in Ostdeutschland, der bei zehn Euro liegt. Der hat die Bauwirtschaft in Ostdeutschland völlig totgemacht.“
Genau das ist der Sachverhalt. Dieser Mindestlohn hat die Bauwirtschaft in Ostdeutschland tot gemacht und ein Mindestlohn in anderen Wirtschaftsbereichen wird auch diese in Ostdeutschland totmachen.
Wir haben die aktuelle Diskussion jetzt im Bereich der Fleischindustrie, der Schlachthöfe. Das sind die Bilder, die durch die Medien geistern. Das wird nur hochgespielt. Wir haben in dieser Branche ein Arbeitszeitgesetz, wir haben ein Urlaubsgesetz, wir haben ein Arbeitsschutzgesetz, wir haben Regelungen zur Zeitarbeit. All dies ist vorhanden. Wir haben in diesem Bereich kein Gesetzgebungsdefizit, meine Damen und Herren. Wir haben allenfalls ein Vollzugsdefizit.
Die Regelungen, die vorgeschlagen werden, sind außerdem verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, weil sie im Entwurf der Regierungsfraktionen aus Berlin nicht hinreichend konkret sind. Das Arbeitnehmerentsendegesetz in der vorliegenden Form, wie es in Kraft ist, ist nur deswegen verfassungskonform, weil es sich auf einen konkreten Tarifvertrag bezieht. Ich zitiere aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema. Dort heißt es: „Es ist klar festgelegt, welche Arten von Tarifverträgen mit welchen Inhalten, mit welchen Regelungsgegenständen und mit welchem regelungsunterworfenen Personenkreis durch Rechtsverordnungen auf Außenseiter erstreckt werden können, so dass für den Gesetzgeber beim Erlass des Gesetzes in der Regel klar vorhersehbar war, welchen Inhalt eine spätere Rechtsverordnung haben wird.“
Genau das wird bei der angestrebten Regelung nicht erreicht. Sie ist praktisch eine Allgemeinklausel für jede Branche und für jeden Sachverhalt. Deswegen haben wir auch hier große Bedenken.
Wir haben in Sachsen eine Arbeitslosenquote je nach den Regionen von über oder unter 20 %. Unser vordringliches Ziel muss es sein, in Sachsen Arbeitsplätze zu schaffen und diese langfristig zu sichern.
Was passiert, Herr Prof. Porsch, wenn man eine Volkswirtschaft langfristig vom internationalen Wettbewerb
Nein, Sie haben überhaupt nichts gelernt! Wenn ich hier höre, dass Sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort fordern,
frage ich Sie: Was würden Sie dazu sagen, wenn ich als Geschäftsführer meines Unternehmens, das in Russland tätig ist, auf die Idee käme, die deutschen Mitarbeiter auf den russischen Baustellen nach russischen Löhnen zu bezahlen? Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – das ist doch Ihre Forderung!
Das ist doch das, was Sie wollen, und das zeigt, wie wenig Sie Ihre eigenen Forderungen durchdacht haben.
Entweder es gilt das Ortsprinzip, wobei die Leute weltweit nach den Löhnen bezahlt werden, die vor Ort gültig sind, oder eben nicht.
Bis gestern war ich der Auffassung, dass die Staatsregierung hier einen vernünftigen Kurs fährt. Aber nach der Äußerung des Staatsministers, die schon angesprochen wurde, habe ich da meine Zweifel bekommen. Denn Sie, Herr Minister, haben gestern in diesem Hause im Zusammenhang mit den Äußerungen des Wettbewerbskommissars, der uns aufgefordert haben soll, Mindestlöhne einzuführen, erklärt, dass wir dies zur Kenntnis nehmen sollen. Herr Staatsminister: Richtig, wir müssen es zur Kenntnis nehmen, aber dann mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Das hätte ich von der Staatsregierung gestern in der Diskussion erwartet.
Diese Zurückweisung hat gefehlt. Deswegen finde ich es so bedauerlich, dass der Ministerpräsident heute nicht anwesend ist, weil mich nämlich interessieren würde, ob diese Äußerung des Ministers Regierungshandeln und Regierungsmeinung in Sachsen ist.
Danke schön. – Herr Kollege, können Sie mir bitte erklären, was es nach Ihrer Meinung rechtfertigt, dass Polen und Tschechen, die in Deutschland im gleichen Betrieb die gleiche Arbeit wie Deutsche machen, also die gleiche Arbeit am gleichen Ort tun, schlechter bezahlt werden sollen als die deutschen Arbeitnehmer? Das will sich mir nicht erschließen. Vielleicht können Sie es uns erklären.
Wir haben Gott sei Dank in Deutschland und in Europa, auch in den osteuropäischen Beitrittsstaaten, Vertragsfreiheit. Diese Arbeitnehmer haben Arbeitsverträge abgeschlossen. Es sind intelligente Arbeitnehmer. Sie haben das nämlich getan, weil sie ihre wirtschaftliche Situation angemessen eingeschätzt haben. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine Tätigkeit für einen bestimmten Preis in ihrem persönlichen Interesse liegt. Deswegen haben sie diesen Vertrag abgeschlossen.
Ich glaube, wir müssen im Parlament des Freistaates Sachsen nicht darüber diskutieren, ob der eine oder andere polnische oder tschechische Arbeitnehmer beim Abschluss seines Arbeitsvertrages glücklich oder weniger glücklich gehandelt hat. Das mögen doch bitte die entsprechenden Parlamente in diesen Beitrittsstaaten, die es dort Gott sei Dank auch gibt, regeln.
Herr Kollege, können Sie mir erklären, wie es kommt, dass ostdeutsche Arbeitnehmer, die über Leihfirmen in West-Bundesländer vermittelt werden, teilweise Lohneinbußen von acht bis zehn Euro hinnehmen müssen? Können Sie mir erklären, wie dieser Unterschied zustande kommt und ob eine Mindestlohnfestschreibung im Grunde nicht auch bedeuten würde, dass diese Leihfirmen keine Arbeitskräfte aus dem Osten mehr in den Westen vermitteln würden?
Genau das ist der Punkt, Herr Eggert. Wenn wir das machen würden, würden eben diese Firmen keine Arbeitskräfte mehr in den Westen vermitteln und damit würden auch Arbeitsplätze für unsere sächsischen Arbeitnehmer, die Gott sei Dank sehr flexibel sind und die in Kauf nehmen, in Westdeutschland zu arbeiten, verloren gehen. Es sind Arbeitsplätze hier in Sachsen – der Ministerpräsident hat es bei Sabine Christiansen zu Recht beschrieben, was dort passiert ist – durch diese Regelungen für sächsische Arbeitnehmer, die flexibel waren und die in Kauf genommen haben, in der Woche in Baden-Württemberg oder in Bayern oder
in Westfalen zu arbeiten, verloren gegangen. Die Arbeitsplätze für diese Menschen sind aufgrund dieser verfehlten Politik verloren gegangen.
Herr Kollege Morlok, manche Dinge werden dann am deutlichsten, wenn man sie konsequent zu Ende denkt. Geben Sie mir Recht, dass, wenn ich das, was Sie gerade gesagt haben, konsequent zu Ende denke, die Arbeitskräfte am leichtesten zu vermitteln wären und dann auch die sichersten Arbeitsplätze hätten, die für ihre Arbeit überhaupt kein Geld mehr verlangten?
Herr Prof. Porsch, wenn man die Ideologie und auch das Bild von der FDP im Kopf hat, wie Sie sie offensichtlich im Kopf haben, dann kommt man vielleicht zwangsläufig zu diesem Ergebnis.