Protokoll der Sitzung vom 20.05.2005

Besteht von den Fraktionen weiterer Aussprachebedarf? – Ich sehe das nicht. Herr Staatsminister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Auswahlgrundsätze bei der Einstellung von Lehrkräften in den Schuldienst des Freistaates sind in der Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums zur Einstellung von Lehramtsbewerbern geregelt. Danach werden Lehrkräfte für die öffentlichen Schulen im Freistaat nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ausgewählt. Laut Haushaltsplan stehen im Grundschulbereich bis zum 31.07.2005 6 401 Stellen zur Verfügung, ab 01.08. dieses Jahres werden es 6 934 Stellen sein. Somit ergibt sich ein Stellenaufwuchs von 533 Stellen. Diese werden im Grundschulbereich vornehmlich zur Erhöhung der Beschäftigungsquote der Lehrkräfte dienen. Laut Teilzeitvereinbarung von 1997 liegt diese Quote bekanntlich bei 57,14 %.

Zudem streben wir die Schaffung eines angemessenen Einstellungskorridors an. Dieser sollte zunächst genutzt werden, um den Absolventinnen und Absolventen der staatlichen Seminare des Freistaates – das sind im Jahr 2005 65 Absolventen und im Jahr 2006 72 Absolventen – eine berufliche Perspektive hier in Sachsen zu bieten.

Zeitgleich mit den Verhandlungen zum Abschluss eines Bezirkstarifvertrages zur Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit im Bereich Mittelschulen und Gymnasium werden ja bekanntlich auch Gespräche über eine eventuelle Neuverhandlung oder Anpassung der Teilzeitvereinbarung für den Grundschulbereich aus dem Jahr 1997 geführt. Von deren Ergebnissen wird der konkrete Umfang für Neueinstellungen im Bereich der Grundschulen wesentlich abhängen.

Ich will hier noch einmal betonen, dass ich dafür bin, dass wir einen großen Teil natürlich für die Anhebung der Arbeitszeit einsetzen, aber auf der anderen Seite auch einen Einstellungskorridor sicherstellen.

In der grundständigen Lehramtsausbildung der ersten Phase an der Universität erfolgt im erziehungswissenschaftlichen Bereich die Auseinandersetzung mit der Reformpädagogik. Somit ist gewährleistet, dass in die Ausbildung der neuen Lehrerinnen und Lehrer auch reformpädagogische Konzepte einfließen. Darüber hinaus werden vom Kultusministerium sowohl in der zentralen Lehrerfortbildung als auch in der regionalen Fortbildung Themen zur Reformpädagogik angeboten, beispielsweise die Veranstaltung „Montessori-Pädagogik live für Fachberater, Fortbildler und Lehrer an Förderschulen.“ Sowohl über die Möglichkeit der Fortbildung von Lehrkräften als auch über die Neueinstellung frisch ausgebildeter Lehrkräfte ist damit gewährleistet, dass ständige Impulse zur Qualitätsverbesserung des Unterrichts durch die Nutzung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und Ideen in die Schulen getragen werden. Eine reformpädagogische Zusatzqualifikation zum entscheidenden Kriterium für eine Einstellung im Schuldienst zu machen erscheint mir allerdings verfehlt und zudem auch rechtlich bedenklich.

Ich will aus Zeitgründen auch gleich zum Änderungsantrag der PDS-Fraktion Stellung nehmen. Hier hat die Antragstellerin zu Recht darauf verwiesen, dass eine Bevorzugung von Bewerbern mit reformpädagogischer Zusatzqualifikation bei der Einstellung in den Schuldienst zunächst rechtlich zweifelhaft wäre. Darin stimmen wir also überein. Was die Antragstellerin aber konkret unter reformpädagogischen Zusatzqualifikationen versteht, kann ich dem Änderungsantrag zunächst nicht entnehmen. Reformpädagogische Ansätze, wie zum Beispiel fachübergreifender und fächerverbindender Unterricht, Handlungsorientierung und Projektarbeit, die inzwischen zu grundlegenden Unterrichtsprinzipien geworden sind, haben Eingang in Forschung, Lehre und Unterricht gefunden. Sie wurden auch im sächsischen Leitbild für Schulentwicklung verankert und waren und sind grundlegend für unsere Lehrplanreform. So gab es zum Beispiel für das fachübergreifende und fächerverbindende Arbeiten ein eigenes Eckwertepapier und beides wurde in die neuen Lehrpläne übernommen.

Bei der Umsetzung dieser veränderten Ansätze werden die Lehrerinnen und Lehrer durch Fortbildungsveranstaltungen unterstützt. Ich verweise deshalb zunächst nochmals auf die bestehenden Möglichkeiten für die im Schuldienst stehenden Pädagogen, reformpädagogische Ansätze in die Unterrichtsgestaltung einfließen zu lassen. Durch die zentrale Lehrerfortbildung und auch in der regionalen Fortbildung werden Themen zur Reformpädagogik angeboten. Jedem Lehrer steht es frei, diese dann auch in den Unterricht einzubeziehen. Zusätzlichen Regelungsbedarf zu diesem Thema sehe ich auch deshalb nicht, weil im Rahmen des Beteiligungsverfahrens Zusatzqualifikationen für Lehrkräfte mit dem Lehrerpersonalrat abgestimmt wurden und in diesem die Verbände insgesamt auch repräsentativ vertreten sind. So weit meine Stellungnahme zum Änderungsantrag der PDS-Fraktion. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wir kommen zum Schlusswort, das der Fraktion der GRÜNEN zusteht. Bitte, Frau Günther-Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht uns mit unserem Antrag darum, die Verbesserung der Bildungsqualität an sächsischen Schulen zu befördern. Uns ist natürlich klar, dass es einen Konflikt zwischen Stundenaufstockung und Neueinstellungen gibt. Aber jeder, der an einer Schule gearbeitet hat, weiß, wie fördernd und inspirierend es ist, wenn sich junge Kollegen mit neuen Erkenntnissen, mit neuen Methoden, mit neuen Ideen, mit viel Begeisterung an einer Schule einfinden und das Gelernte umsetzen wollen. Ich möchte, weil es hier um den Grundschulbereich geht, darauf hinweisen, dass wir insbesondere in den Grundschulen ein Problem haben: das hohe Durchschnittsalter, die hohe Verrentungsrate, die ansteht. Deshalb sollte man durchaus in Betracht ziehen, reformpädagogisch gebildete Lehrkräfte neu einzustellen.

Ich bitte deshalb um Zustimmung.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Wir kommen langsam in Richtung Abstimmung. Frau Falken, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Änderungsantrag schon mit eingebracht haben? – Jawohl, das ist der Fall. Der Herr Minister hat zu dem Änderungsantrag schon Stellung genommen. Daher frage ich die Fraktionen, ob Aussprachebedarf zum Änderungsantrag der PDS besteht. – Ich sehe, dass kein Redebedarf vorhanden ist. Meine Damen und Herren! Ich stelle den Änderungsantrag der PDS in Drucksache 4/1707 zur Abstimmung, der im Prinzip den Originalantrag ersetzt. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Hand

zeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei einigen Enthaltungen und mehreren Pro-Stimmen ist diesem Änderungsantrag mehrheitlich nicht gefolgt worden.

Somit kommen wir zum Original, meine Damen und Herren. Ich stelle den Antrag der GRÜNEN in Drucksache 4/1557 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei einer größeren Anzahl Enthaltungen und wenigen Pro-Stimmen ist diesem Antrag nicht gefolgt worden.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Wir haben heute Morgen zwei Anträge als dringlich befunden und diese werden jetzt abgearbeitet.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 9

Präventionsgesetz

Drucksache 4/1645, Dringlicher Antrag der Fraktion der PDS

Die Reihenfolge in der ersten Runde: PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Ich sehe schon Herrn Pellmann auf dem Weg zum Mikrofon. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank dafür, dass Sie diesen Antrag heute Morgen als dringlich eingestuft haben. In der Tat handelt es sich um ein wichtiges Gesetz. Obwohl wir hier sicherlich keine sehr lange Aussprache führen müssen, steht es diesem Hohen Haus doch gut zu Gesicht, wenn wir uns wenigstens in angemessener Form dazu äußern.

Dieses Gesetz wird bekanntlich am 27. Mai Gegenstand der Beratung im Bundesrat sein und dort, denke ich, Zustimmung erhalten. Ich möchte ausdrücklich voranstellen, dass ich der Staatsregierung nicht etwa empfehle, gegen dieses Gesetz zu stimmen. Ich möchte aber einige Anmerkungen zu Punkten machen, bei denen wir, wie auch aus dem Antrag hervorgeht, der Auffassung sind, dass sich die Staatsregierung zumindest um eine teilweise Nachbesserung bemühen sollte.

Die erste kritische Bemerkung, die ich mir nicht ersparen kann, ist, dass es doch recht lange gedauert hat, bis dieses Gesetz endlich auf den Weg gebracht wurde. Wir hatten – Frau Orosz, Sie werden mir zustimmen – natürlich auch während der Haushaltsdebatte erhebliche Probleme, weil die Staatsregierung ursprünglich mit Zuweisungen rechnete, die nun – so nehme ich an – verspätet kommen.

Zum Antrag selbst: Wir meinen, es wäre angezeigt, dass es zu einer finanziellen Beteiligung des Steuerzahlers im Sinne des Bundes kommt. Es kann nicht sein, dass erneut diejenigen, die im gesetzlichen Sozialversicherungssystem Mitglied sind, allein die gesamte Zeche tragen müssen. Insofern hätten wir uns gewünscht, dass beispielsweise – vielleicht lässt sich das noch bewerkstelli

gen – private Krankenkassen ebenfalls in die Bereitstellung von Mitteln für die Prävention einbezogen werden.

(Beifall bei der PDS)

Denn immerhin werden – ich formuliere es einmal positiv – damit etwa 10 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger von ihrem Zahlungsbeitrag zur Prävention ausgegrenzt, und das wollen wir doch nicht.

Auch das sei gesagt: Wir würden uns wünschen, dass in einem solchen Gesetz nicht nur auf die Verhaltensprävention, sondern mehr auch auf die Verhältnisprävention eingegangen und darauf deutlich Bezug genommen würde. Das Verhalten ist in der Tat das eine. Aber das Verhalten richtet sich entscheidend nach den jeweiligen Verhältnissen, in denen Verhalten stattfinden kann. Insofern haben Prävention und ihre Rezeption stets nicht nur eine subjektive, sondern auch eine objektive Seite. Dieser philosophische Exkurs meint im Konkreten, dass wir auch gesetzlich verankert mehr dafür tun sollten, dass jene besonders gefördert werden, die ansonsten gesellschaftlich benachteiligt sind. Das ist damit gemeint.

Insofern bitte ich die Staatsregierung, in diesem Sinne doch noch einmal wirksam zu werden, und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der PDS)

Danke schön. – Ich rufe die CDU-Fraktion auf. Frau Abg. Strempel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe den ersten Teil meiner Rede zu Protokoll. Ich werde das entsprechend kennzeichnen. Somit kann ich gleich in den zweiten Teil einsteigen und zu Ihrem Antrag sprechen. Dieses Präventionsgesetz ist ein Kompromiss und es ist nicht gut, wenn man lange erarbeitete Kompromisse mit

Forderungen belastet, die zum Teil – ich werde das gleich begründen – den Bogen gefährlich überspannen.

Das Gesetz ist notwendig. Ich möchte daran erinnern, dass auch die Weltgesundheitsorganisation die Länder aufgefordert hat, gesetzliche Grundlagen zum einen für die Gesundheitsförderung und zum anderen für die Prävention zu schaffen. Dieses Gesetz erfüllt unter anderem eine der Forderungen der Weltgesundheitsorganisation.

Sie werden sich sicherlich nicht wundern, wenn wir sagen, dass wir Ihren Antrag ablehnen. Das möchte ich wie folgt begründen:

Punkt 1: Sie machen es sich sehr einfach, wenn Sie sagen, Bund und Land sollten mehr Steuern einsetzen. Für dieses Gesetz ist nun einmal die Bundesregierung zuständig. Das ist richtig. Gerade was den Einsatz von Steuermitteln betrifft, ist sie die handelnde Instanz.

Der Freistaat Sachsen hat nachweislich schon sehr viele Steuermittel in derartige Programme investiert. Wer in der Haushaltsberatung anwesend war, der hat mitbekommen – allerdings muss ich Ihnen zugestehen, dass Sie das auch gesagt haben –, dass wir unter anderem gerade im Bereich Sucht und Drogen für den Doppelhaushalt noch einmal enorm aufgestockt haben. Das ist eine freiwillige Aufstockung des Freistaates Sachsen aus Steuermitteln.

Der Freistaat Sachsen betreibt mit vielen Vereinen und Institutionen bereits gemeinsam Präventionsmaßnahmen. Sie können mir abnehmen, dass ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin als Präsidentin der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung mit vielen dieser Programme vertraut. Stellvertretend möchte ich nennen, dass in der kommenden Woche wieder die Sächsische Gesundheitswoche eröffnet wird, und zwar hier in Dresden für alle Kreise. Danach folgen die Landkreise, die sich daran beteiligen. Das Thema lautet unter anderem „Gesundheitschancen für Kinder und Jugendliche fördern“. Diese Gesundheitswoche beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Wie sieht die soziale Lage aus und wie sieht die Gesundheit aus? An dieser Gesundheitswoche nehmen alle teil, die sich verantwortlich fühlen: Politiker, Gesundheitsämter, Jugendämter, Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen, freie Träger, Medien, Kindereinrichtungen, Schulen, um nur einige zu nennen.

Ich möchte weiterhin erwähnen, welche Programme der Freistaat Sachsen oder auch die SLFG finanziert. Schon über Jahre wird ein Programm finanziert, das Ihnen vielleicht nicht bekannt ist, nämlich „Be smart, don't start“. Dieses Programm ist ganz eindeutig darauf gerichtet, den Jugendlichen in den Schulen vor Augen zu führen, welche Folgen das Rauchen hat. Oder wir haben das Netzwerk „Gesundheitsfördernde Schulen im Freistaat Sachsen“ gerade für den Bereich Ernährung und Sport. Hier ist unter anderem das Umweltministerium involviert. Wir haben für die Kindereinrichtungen ein Projekt gestartet. Es wird zurzeit mit dem Sozialministerium und mit den verantwortlichen Trägern ausgearbeitet.

Auch hier geht es darum, soziale Benachteiligungen abzubauen. Das sind alles freiwillige Projekte, die schon funktionieren. Das Präventionsgesetz, das jetzt im Bundesrat beschlossen werden soll, sieht genau das vor, was wir im Freistaat schon praktizieren, nämlich die Zusammenarbeit verschiedener Verantwortungsträger. Also, Ihr

Punkt 1 ist im Prinzip nicht notwendig. Der Freistaat und alle bewussten Verantwortungsträger praktizieren das schon.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Punkt 2: Die Einbeziehung der privaten Krankenversicherung in die Finanzierung kann nicht per Gesetz erzwungen werden. Hier bedarf es noch einer vernünftigen und überzeugenden Verhandlung, um zumindest die Einbeziehung durch vertragliche Gestaltung zu erreichen. Ich denke, das Gespräch und die Überzeugungsarbeit können manchen gesetzlichen Zwang verhindern und endlich doch die Überzeugung siegen lassen. Das ist noch ein langer Weg. Davon bin ich auch überzeugt. Aber ich denke, steter Tropfen höhlt den Stein.

Nun zu Ihrem Punkt 3. Erst einmal Respekt vor einer so verwirrenden Formulierung. Ich habe das mehrere unbelastete Personen lesen lassen. So richtig sieht da zwar keiner durch, aber man kann schon dahinter steigen. Es klingt sehr wissenschaftlich, aber ich nehme es mal ein bisschen auseinander:

Die Norm für die Arbeit der gesetzlichen Krankenkassen ist bereits jetzt der novellierte § 20 des SGB V und mit diesem § 20 haben die Krankenkassen eine erweiterte Handlungsmöglichkeit in der Primärprävention – gerade auch in der Primärprävention –, um den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern und sozial bedingte Ungleichheiten von Gesundheitschancen zu beseitigen. So steht es jetzt schon in diesem Paragrafen.

Nun kommt Ihre Forderung in dem Punkt 3 dazu: … unter Beachtung des Verhältnisses von Verhaltens- und Verhältnisprävention. – Man kann, meine Damen und Herren von der PDS, manches verkomplizieren, man kann es aber auch überreizen, wie Sie das mit dem Punkt 3 machen. Das lassen Sie mich zum Schluss noch erklären.