Protokoll der Sitzung vom 20.05.2005

Deshalb, meine Damen und Herren, Gleichmacherei hilft uns hier nicht weiter!

(Beifall bei der FDP)

Bei den anstehenden Tarifverhandlungen kann man schon jetzt sagen: Unabhängig vom Ergebnis stehen die Verlierer fest: Das werden die Schülerinnen und Schüler sein. Sie werden es deshalb sein, weil im Haushaltsrahmen, den wir im Haus vorgeben, die Gesamtstundenanzahl und die Gesamtstellenanzahl zu niedrig angesetzt sind. Das haben die CDU und die SPD zu verantworten. Das ist der Rahmen, den Sie vorgegeben haben.

Ich sage dennoch: Ich hoffe, dass es zu einer Einigung kommt. Denn nichts wäre schlimmer als ein ewig währender Arbeitskampf, dessen Opfer am Ende die Schülerinnen und Schüler sind.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP, der PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort; Frau Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Stand der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst ist heute unser Thema. Das verführt mich geradewegs dazu, zur Bildungspolitik zu sprechen. Allerdings bin ich nach der Rede, die Herr Rohwer abgeliefert hat, ein wenig sprachlos.

(Lachen des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Ständig werfen wir der CDU vor, die gesamte Bildungspolitik im Lande wäre rein finanzpolitisch motiviert.

Herr Rohwer, Sie haben soeben Ihre Bankrotterklärung in der Bildungspolitik abgegeben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP)

Wenn wir uns einmal nüchtern betrachten, wie die Zahlen aussehen: 7 500 Lehrerstellen sollen gestrichen werden, effektiv soll es zu 40 % Arbeitszeitverkürzung mit entsprechenden Lohneinbußen kommen. Wie sieht es eigentlich in der Kultusverwaltung aus? Die Kultusverwaltung leidet auf sehr hohem Niveau. Von 1994 bis 2005 gab es einen Stellenzuwachs von immerhin 31 %. Die Not, der Mangel wollen offenbar liebevoll verwaltet werden.

(Dr. André Hahn, PDS: Es sind noch ein paar Parteifreunde zu versorgen!)

Wir sind der Meinung, dass jede Schule ein Recht auf eine mit anderen Schulen vergleichbare Personalausstattung hat. Wir stellen fest, dass die Schülerzahlen im Grundschulbereich steigen. Das muss bei der Kalkulation berücksichtigt werden. Wir stellen fest, dass sich das Anmeldeverhalten aufgrund der neuen Bildungsempfehlungen am Ende der 4. Klasse, was den Übertritt zum Gymnasium anbelangt, verändert hat.

Das Kultusministerium wäre zumindest jetzt verpflichtet gewesen, eine neue mittelfristige Personalentwicklungsstruktur vorzugeben und in einem Konzept umzusetzen. Stattdessen fällt Ihnen nichts Besseres ein, als Stellenabbau zu betreiben und die Lehrer bestenfalls zu hinzuverdienenden Familienangehörigen zu machen.

Wir GRÜNEN haben vor einiger Zeit ein Konzept zur Personalentwicklung im Bildungsbereich, unsere „Perspektive 2010+“ vorgelegt. Wir fordern eine verbindliche Schüler-Lehrer-Relation von 1 zu 14 für alle Schularten.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Wir erkennen an, dass bestimmte Schularten und bestimmte Schüler höheren Unterrichtsbedarf und eine bessere Quote brauchen. Lernschwache Schüler gehören dazu. Brennpunkt – Mittelschulen mit besonders hohen Schulversagerquoten. Ganztagsschulen und Gemeinschaftsschulen brauchen mehr Personal.

Was Sie in Sachsen machen, ist keine Bildungspolitik, es ist Finanzpolitik. Wir haben schon häufig darüber gegrübelt, warum ausgerechnet Kultus- und Finanzministerium unter einem Dach sitzen. Sie entlassen Lehrer, Sie schließen Schulen, Sie steigern die Schülerbeförderungskosten auf ein unerträgliches Maß.

(Dr. André Hahn, PDS: Das bezahlen ja die Kommunen!)

Die Zeiten der Schülerbeförderung sind ein weiterer Punkt. Sie sind nicht einmal bereit, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ansatzpunkte einer moderneren Bildungspolitik überhaupt in Gedanken zu formulieren.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Sie wissen das ganz genau!)

Wir hatten in der letzten Woche eine Bildungsausschusssitzung, in der uns auf eine sehr herablassende Art und Weise bedeutet wurde, Gemeinschaftsschulkonzepte würden uns zu gegebener Zeit schon vorgelegt werden. Wann die gegebene Zeit ist, wissen wir nicht, und wir wissen nicht, wie viele Schulen es geben wird. Wir wissen nur, dass es kaum Anträge gibt. Wie kann es sein, dass es Anträge geben soll, wenn es nicht einmal eine Verwaltungsvorschrift gibt, auf deren Basis man sich bewerben soll? Außerdem wissen wir überhaupt nicht, nach welchen Kriterien das laufen soll. Das heißt: Gemeinschaftsschulen, die eigentlich das bildungspolitische Highlight dieser Legislaturperiode hätten sein sollen, werden auf die lange Bank geschoben, und es ist offenbar schon geplant, dieses Projekt scheitern zu lassen. – Ein trauriger Kultusminister, der sich hier hinstellt und immer sagt, die anderen seien schuld, die Umstände zwängen ihn, die knappen Kassen, die zurückgehenden Schülerzahlen usw. Mit zurückgehenden Schülerzahlen kann man intelligent umgehen. Man kann intelligente Arbeitszeitmodelle anbieten, man kann mit Arbeitszeitkonten arbeiten. Was Sie hier machen, das ist Kahlschlagpolitik. Wir fordern Sie deshalb auf, unverzüglich realistische Angebote in die Tarifverhandlungen einzubringen und vor allem die Schulnetzplanung auszusetzen und zu überdenken.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. – Herr Dr. Friedrich, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich in meinem Beitrag über den Kultusbereich hinausgehe und etwas zu der zweiten großen Tarifbaustelle sage. Mein Vorredner Kollege Brangs ist darauf bereits eingegangen. Zu sprechen ist hier über die völlig inakzeptable Hinhaltetaktik – anders kann man es nicht nennen – und die unzureichenden Bemühungen der Koalitionsregierung bezüglich der notwendigen Kompromisssuche in der Tarifgemeinschaft der Länder mit den beteiligten Gewerkschaften bezüglich einer Übernahme des ausgehandelten Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, kurz TVöD genannt.

Was hier herauskommt, interessiert natürlich nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer, sondern alle knapp 100 000 Landesbediensteten und indirekt natürlich auch die Beamtinnen und Beamten. Ich möchte auf die Einzelheiten dieses Tarifvertrages nicht eingehen. Wer es nachlesen will, kann einmal den letzten „Sachsenlandkurier“ aus seinem Postfach holen. Nur so viel: Bereits die vorhergehende Staatsregierung, die CDU-Alleinregierung, hat natürlich das jetzige Chaos und die Mehrklassengesellschaft im Tarifrecht im öffentlichen Dienst mit provoziert, nämlich mit dem unsäglichen Sonderzahlungsgesetz, das im November 2003 allein mit den Stimmen der CDU beschlossen worden ist. Dort wurde die Büchse der Pandora auch für Sachsen geöffnet. Das ehemals einheitliche Tarifrecht im öffentlichen Dienst ist mehr und mehr durchlöchert wor

den und es droht – das sage ich offen –, wenn nicht entscheidende Bemühungen durch die Staatsregierung erfolgen, dass die Tarifgemeinschaft der Länder erodiert oder gar ganz zu Bruch geht. Ich sage, und das ist die Meinung der PDS: Das wäre der absolute GAU. Das muss verhindert werden! Herr Ministerpräsident Prof. Milbradt, Herr Staatsminister Dr. Metz und Herr Staatsminister Jurk, Sie müssen das verhindern!

Ich erspare mir die komplizierten Details dieses Tarifvertrages, darf jedoch bei dieser Gelegenheit an eine interessante Presseerklärung des Herrn stellvertretenden Ministerpräsidenten Jurk vom 10. Februar dieses Jahres erinnern. Damals haben Sie, Herr Jurk, dieses Ergebnis als eine „gute Nachricht“ und eine „gute Basis für die Verhandlungen mit den Ländern“ bezeichnet. Die PDS sieht das nicht anders. Wir sehen in der Einbeziehung leistungsbezogener Elemente, auch der de facto OstWest-Angleichung wichtige Elemente, ohne dass wir verkennen, dass dieser neue Tarifvertrag auch einige Kröten enthält – siehe Meistbegünstigungsklausel, Aufweichung der wöchentlichen Arbeitszeiten, Leichtlohngruppen und einiges mehr.

Dennoch überwiegt unserer Meinung nach eindeutig das Positive. Deshalb erneuere ich hier für die PDS-Fraktion nochmals deutlich unsere Aufforderung an die Staatsregierung, auf Extratouren für das Land zu verzichten und sich in der Tarifgemeinschaft der Länder massiv dafür einzusetzen, dass dieser fortschrittliche und im Wesentlichen gute Tarifabschluss auch für den Freistaat Sachsen übernommen wird.

(Beifall bei der PDS)

Die Ernsthaftigkeit unseres Anliegens haben wir dadurch unterstrichen, dass wir in unseren alternativen Haushaltsansätzen die dadurch erfolgenden Mehrbelastungen eingestellt und solide gegenfinanziert haben.

Was ist nun seitdem passiert? Seit dem Abschluss der Tarifrunde ist immerhin rund ein Vierteljahr ins Land gegangen. Kollege Brangs, Sie haben mit bemerkenswerter Offenheit – und dafür danke ich Ihnen – gesagt, es sei eigentlich nichts passiert. Die Staatsregierung hat keine Meinung, genauso wie gestern bei der Mindestlohndebatte. Ich denke: So kann es nicht gehen! Dazu ist dieses Problem zu wichtig. Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich dringend zusammen und bringen Sie eine einheitliche Meinung zustande. Einfach nur Stimmenthaltung ist zu wenig, und was schon gar nicht geht – da spreche ich die SPD an –: dass sich die SPD verbal zu den guten Seiten im Tarifrecht bekennen darf, siehe Presseerklärung des Landesvorsitzenden und stellvertretenden Ministerpräsidenten Jurk. Die SPD ist wieder einmal für das Gute im Lande zuständig, derweil macht Finanzminister Dr. Metz real eine ganz andere Politik, sprich: das Gegenteil.

(Widerspruch des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wenn ich mich irren sollte, Herr Finanzminister, dann haben Sie in dieser Debatte Gelegenheit, dies richtig zu stellen. Ich denke, nicht zuletzt die rund 100 000 Landesbediensteten haben einen sehr legitimen Anspruch darauf, endlich zu erfahren, wohin die Reise gehen soll.

Herr Prof. Milbradt, Herr Dr. Metz, aber vor allem auch Herr Jurk: Enttäuschen Sie diese Erwartungen nicht!

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Wird von der CDU-Fraktion das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Von der SPDFraktion? – Ebenfalls nicht. Dann bitte die NPD-Fraktion. Wollten Sie noch einmal sprechen? Es war gemeldet worden. –

(Uwe Leichsenring, NPD: Nein!)

Dann bitte noch einmal die PDS-Fraktion, Frau Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider bin ich wieder in dieser Situation, wie wir sie gestern bereits hatten: dass der Minister danach spricht. Ich hätte ihn schon gern vorher gehört und hinterher noch einmal gesprochen. Deshalb kann ich jetzt auf seinen Beitrag leider nicht eingehen. Ich weiß, dass es andere Oppositionsparteien gibt, die dies auch gern so hätten. Wir sollten über diese Festlegung wirklich noch einmal neu nachdenken.

(Beifall bei der PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Ich möchte ausdrücklich der Äußerung meiner Kollegin Günther-Schmidt von den GRÜNEN zur Bankrotterklärung der CDU im Bildungsbereich zustimmen: Es war ausdrücklich eine finanzielle Darstellung. Ich weiß, dass es in dieser Fraktion einzelne Mitglieder gibt, die für Bildung mehr tun möchten. Aber als Fraktion insgesamt war das eine klassische Bankrotterklärung.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte mich noch ganz kurz zum Kollegen Brangs äußern. Dass im öffentlichen Dienst außerhalb des Lehrerbereiches Teilzeitarbeit existiert, wissen wir. Es ist nicht zu akzeptieren, aber es ist Realität. Ich möchte aber hier noch einmal ganz klar sagen, dass im Lehrerbereich seit 1992 in Teilzeit gearbeitet wird. Mittelschul- und Grundschullehrer arbeiten seit 1992 zu 82,5 % und Grundschullehrer arbeiten im Stufenplan seit 1997 und jetzt 57 %. Ich bitte Sie, berücksichtigen Sie das bitte bei Ihren Überlegungen, die Sie diesbezüglich haben. Allerdings, eine klarere Position zu den Tarifverhandlungen im Lehrerbereich hätte ich mir auch von der SPD gewünscht.

(Beifall bei der PDS)

Ich erteile der Staatsregierung das Wort. Wird das Wort von der Staatsregierung gewünscht? – Herr Dr. Metz, bitte.

(Zuruf von der PDS: Sie sprechen doch wieder mit drei Zungen!)