Das heißt erstens: Die Angemessenheit richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen am Wohnort, nach der Art des Bedarfs sowie nach der persönlichen Situation.
Zweitens regelt das Gesetz nicht, was passiert, wenn die Höhe der Kosten überschritten wird. Es wird gerade nicht davon ausgegangen, dass in diesem Fall zwangsweise ein Umzug stattfinden muss.
Zur persönlichen Situation der Betroffenen: Wir sehen den Änderungsbedarf bei der Partneranrechnung und den Bedarfsgemeinschaften. Die Bedarfsgemeinschaften sollten dazu führen, dass die Familienmitglieder mehr Verantwortung füreinander übernehmen und dadurch den Staat finanziell entlasten.
Die Erfahrung zeigt nun, dass diese Sicht auf Familie und Partnerschaft an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. Bei Schwierigkeiten in der Partnerschaft sind die Menschen jetzt eher bereit, in getrennte Wohnungen zu ziehen. Die Regelungen fördern insofern nicht gerade die Motivation, sich den Problemen zu stellen und langfristig stabile Partnerschaften zu entwickeln. Im Zweifelsfall ziehen die Paare auseinander, sparen sich den Blick auf das gemeinsame Bett und gewinnen dabei mehr finanziellen Spielraum. Damit ermöglichen sie sich andere Erlebnisse – gemeinsam oder getrennt –, für die sie Geld brauchen. Einsparmöglichkeiten für die Kommunen er
geben sich, wenn überhaupt, nur kurzfristig und unter Missachtung von Kosten, die an anderer Stelle entstehen.
Jetzt weiter zur Angemessenheit: Was unter Angemessenheit zu verstehen ist, regeln die Kommunen in eigener Verantwortung. Die meisten Kommunen in Sachsen haben einen längeren Prozess der fachlichen und sozialpolitischen Debatte – auch mit der ARGE – hinter sich. Es ist daher gar nicht möglich, zum gegenwärtigen Zeitpunkt Bilanz über Umzüge in diesem Zusammenhang in Sachsen zu ziehen.
Die Stadt Chemnitz hat versucht, sich einen Überblick zu verschaffen, und hat in einer der drei Leistungsstellen der ARGE Leistungsakten manuell ausgewertet. Ergebnis: 3 % dieser Unterlagen enthielten Bescheide mit nur befristeter Anerkennung der Unterkunftskosten.
Aber nach unserer Kenntnis hat es in Sachsen bisher noch gar keine Umzugswelle gegeben. Die Stadt Leipzig hatte als eine der ersten Städte in Sachsen eine Verwaltungsrichtlinie für die Kosten der Unterkunft. Dort sind keine Zwangsumzüge notwendig gewesen und sind auch jetzt nicht absehbar. Was allerdings bemerkt wurde, sind einige Panikumzüge.
In Chemnitz wurde eine Richtlinie in Kraft gesetzt, die dezidiert Umzüge vermeiden soll. Seit März gibt es aber in Chemnitz keine expliziten Umzugsaufforderungen mehr.
In Dresden wurde lange über eine Härtefallregelung zur Vermeidung von Umzügen diskutiert und dann gemeinsam von PDS und CDU im Sozialausschuss abgelehnt. So musste auch in Dresden die Verwaltung ohne demokratische Mitbestimmung handeln. Auch hier sollen Umzüge vermieden werden. Offenbar will die PDS durch eine Strategie der Totalverweigerung ihr Thema nicht verlieren,
Es ist noch gar nicht evaluierbar, welche Folgen konkret und in welchem Ausmaß eintreffen werden. Es gibt sehr vielfältige und teilweise durchaus gegenläufige Bewegungen. So stellen Vermieter im Landkreis Chemnitzer Land unter anderem Umzüge von Arbeitslosengeld-IIEmpfängern nicht in kleinere, sondern in geräumigere Wohnungen entlang der möglichen Mietobergrenzen fest.
Weitere Umzüge ergeben sich – wie schon gesagt – in Lebenspartnerschaften, in denen das Ausziehen eines Partners in eine zweite Wohnung als Möglichkeit praktiziert wird.
Erst ab diesem Sommer, wenn die sechsmonatige Übergangszeit für Wohnungen, die nicht den Richtlinien von Hartz IV entsprechen, abgelaufen ist, zeigt sich ein eindeutigeres Bild.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in vielen Kommunen sind sowohl die Belange der Betroffenen in die Fragen zur Gestaltung der Richtlinie eingeflossen als auch politische Überlegungen, die darüber hinausgehen. Wollen wir zum Beispiel als Kommune massenhafte Umzüge und eine weitere Entmischung mit allen Folgeproble
men? Was passiert mit dem Mietspiegel, wenn wir in der Richtlinie zu hohe Werte für Mieten angeben? Und was heißt das für die Regelung von Einzelfällen?
Kurz, auch städteplanerische, wohnungswirtschaftliche und andere Erwägungen wurden bedacht. Wie notwendig diese Überlegungen waren, zeigt sich in Stollberg. Für mehr als jede zehnte der über 4 500 Bedarfsgemeinschaften im Landkreis stimmt der Satz, dass die Festlegung angemessener Kosten der Unterkunft zu sozialen Härten bis hin zum Umzug führen kann.
Die PDS allerdings zäumt das Pferd von hinten oder sollte man in dem Fall besser sagen von oben auf, auch wenn das Bild dann nicht mehr stimmt. Sie traut den Betroffenen nichts zu. Man kann darüber streiten, ob die Höhe der Übernahme der Kosten der Unterkunft immer klug und sozial gerecht entschieden wurde. Aber niemand, dessen Miete nicht in voller Höhe übernommen wird, muss allein deshalb zwangsläufig umziehen, wie das bisher beim Anspruch auf Sozialhilfe der Fall war. Das ist wichtig. Es ist nicht staatlich reguliert worden: Deine Wohnung darf nicht größer sein als … – Aber wenn die Kosten zu hoch liegen, dann bist du verantwortlich, wie du damit umgehst. Du kannst umziehen, du kannst deine Kosten optimieren, du kannst an anderer Stelle nach Einsparpotenzial suchen.
Die neue Regelung der Zuverdienstmöglichkeit bietet jetzt auch endlich einen Anreiz, selbst aktiv zu werden.
Dass dazu Unterstützung notwendig ist, dessen sind wir uns bewusst. Unabhängige Beratungsstellen wären möglicherweise sinnvoll, sofern Kommunen bzw. die ARGE nicht aus Eigeninitiative tätig werden.
sowohl an die Betroffenen gerichtet als auch an die Kommunen. Ich habe Ihnen dargestellt, wie einige Kommunen mit dieser Herausforderung umgehen. Selbst wieder ein Stück Leben in die eigene Entscheidungsverantwortung zu übernehmen ist Sinn von Hartz IV. Wir können uns vorstellen, den Landesbeirat Sachsen für die Umsetzung des Sozialgesetzbuches II in den Sozialausschuss einzuladen, um über seine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Hartz IV und damit verbundenen Zwangsumzügen zu berichten.
Das war die erste Runde der Abgeordneten. Es besteht die Möglichkeit zu weiteren Reden. – Herr Dr. Pellmann, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dann zwar noch ein Schlusswort, aber da reicht die Zeit nicht, um auf ei
niges einzugehen. Deshalb muss ich mich jetzt noch einmal zu Wort melden. Herr Prof. Schneider, Sie waren ja heute Nachmittag schon zahmer als heute früh. Es wäre auch Ihnen wirklich einmal ans Herz zu legen, mit der Wahl Ihrer Worte etwas kulturvoller umzugehen.
Ich habe versucht, sachlich die Dinge darzustellen; von Panikmache war keine Rede in meinen Ausführungen. Dann benutzen Sie doch nicht solche Worte, die die Dinge eh nur verhärten.
Das muss ich wirklich sagen. Es wäre vielleicht ganz hilfreich, wenn Sie sich einmal vier Wochen Zeit nähmen, in Ihr Büro begäben, dies ordentlich ankündigten, und dann den Menschen, die betroffen sind, zur Beratung zur Verfügung stünden. Dann würden Sie vielleicht Schicksale erkennen und auch erfahren, dass es nicht wenige Menschen gibt, die sich aus ihrem Antrieb, wie Sie ihn schildern, einfach nicht helfen können. Denen muss geholfen werden.
Hier wurde mehrfach vom Vertrauen in die Kommunen gesprochen. Natürlich gehört das zum Anspruch auf kommunale Selbstverwaltung. Aber zwei Dinge möchte ich dann schon gern geregelt haben.
Erstens möchten die Kommunen dann auch schon ausreichenden finanziellen Spielraum haben, den viele durch Hartz IV nicht haben. Das sollten wir nicht ganz vergessen.
Das Zweite hat auch etwas damit zu tun. Ich habe große Achtung, das habe ich hier nicht zum ersten Mal gesagt, vor den Menschen, die sich in den ARGEn bzw. auch in den optierenden Kreisen redliche Mühe geben. Aber schauen Sie sich doch einmal in der Leipziger GeorgSchumann-Straße die Schlangen an oder in Bautzen oder in anderen Städten. Sie sind einfach aufgrund der personellen Knappheit in den Institutionen überfordert. Das ist doch das Problem! Da kann ich zehnmal mit dem Finger auf die Kommunen zeigen. Selbst wenn sie es wollten, könnten sie nicht so reagieren, wie sie möglicherweise gern möchten.
Frau Herrmann, ich weiß nicht, welche Beziehung Sie zu Leipzig haben. Aber eines will ich Ihnen schon einmal sagen. Leipzig hat 4 000 Ankündigungen, dass man die Miete mindern möge, versandt. Ich denke, Frau Orosz kann uns dann vielleicht auch mitteilen, wie viele solcher Ankündigungen sachsenweit versandt worden sind. Diese Zahl haben wir. Es gibt natürlich vorsichtige Schätzungen, auch in meiner Stadt.
Natürlich werden das nicht 4 000 sein. Das sage ich Ihnen ebenfalls. Ich sage Ihnen auch, warum: weil ich
mit zu denen im Stadtrat und auf andere Weise gehören werde, die die Einzelfallprüfung einfordern, und im Unterschied zu diesem Haus hier kann ich in meinem Stadtrat in Leipzig wenigstens noch etwas durchsetzen und auch das.
Herr Zastrow, lassen wir uns nicht durch die Zwischenrufe von da drüben stören, wenn wir hier im Disput sind.