Protokoll der Sitzung vom 22.06.2005

Um diesen Nachteil zu beheben, bietet sich an, die Reinvestitionsmöglichkeit in einen territorialen Zusammenhang zum Bodenverkauf zu stellen, was aber im Bundesrecht geregelt werden müsste. Wir setzen uns mit unserem Antrag dafür ein, dass die BVVG bei der Veräußerung solcher Flächen, deren langfristige Pachtverträge in den nächsten zehn Jahren auslaufen, die bisherigen Nutzer der Flächen berücksichtigt. Auch sollten flächenarme viehstarke und arbeitsintensive Betriebe eine faire Chance beim Landerwerb bekommen.

Die Privatisierung des Bodens durch die BVVG muss gezielter gesteuert werden, damit die Flächen von einheimischen Landwirten bewirtschaftet und gekauft werden können. Durch die Wahl entsprechend kleiner Losgrößen, durch beschränkte Ausschreibungen und durch die Beachtung der Situation des Betriebes, der die Flächen möglicherweise verlieren könnte, kann man diesem Ziel näher kommen.

Dem Antrag der NPD-Fraktion stimmt meine Fraktion so nicht zu, sondern sie bittet um Zustimmung zum Antrag der Koalition.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. Frau Altmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der vorliegenden Problematik hat die PDSFraktion in einem wesentlichen Aspekt, und zwar dazu, ob sämtliche zurzeit noch im Eigentum des Bundes befindlichen landwirtschaftlichen Flächen ganz privatisiert

werden sollten, eine grundsätzlich andere Auffassung, als sie im CDU/SPD-Antrag zum Ausdruck kommt. Für uns gehört der Boden zu den kollektiven Gütern der Menschheit. Er ist als Naturressource zusammen mit der menschlichen Arbeit eine der wesentlichen Quellen des gesellschaftlichen Reichtums, die insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft erschlossen werden. In Deutschland werden etwa 17 Millionen Hektar Fläche landwirtschaftlich genutzt. Sie stellen einen Wert von mehr als 150 000 Milliarden Euro dar. Wir gehen davon aus, dass unabhängig vom jeweiligen Eigentum die gesellschaftlichen Interessen an der Reproduktion des Bodens und seiner Nutzung Vorrang gegenüber Einzelinteressen haben und zwischen beiden eine möglichst breite Übereinstimmung erzielt werden sollte.

Gemeinnützigkeit und Sozialpflichtigkeit des Eigentums sind im Grundgesetz verankert. Damit diese beiden Prinzipien bezüglich des Bodeneigentums verwirklicht werden können und die landwirtschaftlichen Betriebe die notwendige Sicherheit hinsichtlich der langfristigen Nutzung des Bodens erhalten, ist die PDS für die Beibehaltung und die nachhaltige Entwicklung des öffentlichrechtlichen Bodeneigentums. Die Privatisierung des gesamten Bodens, der sich zurzeit noch im Eigentum des Bundes befindet, halten wir in diesem Sinne für kontraproduktiv.

Aus dieser grundsätzlichen Einstellung ergibt sich dann auch unsere Meinung zur gegenwärtigen und künftigen Rechtslage sowie zur Praxis bei der Verwertung ehemaliger volkseigener landwirtschaftlicher Flächen in Ostdeutschland durch die BVVG.

Wie wir schon gehört haben, wird in der Zeit von 2010 bis 2012 ein großer Teil der bestehenden langfristigen Pachtverträge der Agrarbetriebe mit der BVVG auslaufen. Das Bundesfinanzministerium hat sich grundsätzlich gegen eine nochmalige langfristige Verpachtung landwirtschaftlich genutzter Flächen ausgesprochen. Allerdings wurde vom Bund eine Analyse dazu erstellt, welche Auswirkungen das auf die Betriebe in den neuen Bundesländern hätte. Nach Zusammenstellung der Daten durch das Bundeslandwirtschaftsministerium sollen bis Ende 2005 Vorschläge zur weiteren Verwertungspraxis der BVVG erarbeitet werden.

Obwohl das letzte Wort zu weiteren langfristigen Pachtverträgen offensichtlich noch nicht gesprochen ist, gehen CDU und SPD schon jetzt davon aus, dass in Zukunft nur noch Verkauf infrage kommen könnte. Entsprechend ersuchen sie die Staatsregierung mit ihrem Antrag auch lediglich, sich dafür einzusetzen, dass die befürchteten negativen Folgen für sächsische Landwirtschaftsbetriebe, für Arbeitsplätze und Wertschöpfung im ländlichen Raum möglichst gering gehalten werden.

Das geht der PDS-Fraktion nicht weit genug. Wir erwarten von der Staatsregierung, dass sie sich in den schon laufenden Gesprächen zwischen den neuen Bundesländern und Bundesfinanzminister Eichel für deutlich mehr einsetzt. Aus unserer Sicht müssen auch künftig langfristige Pachtverträge oder muss alternativ eine Verpachtung nach den Grundsätzen des Erbbaurechts möglich sein.

Herr Kollege Heinz, ich habe sogar noch einen Vorschlag, wie das Land künftig mehr Einfluss darauf gewinnen könnte, was mit diesen zurzeit noch öffentlichen

Flächen passieren soll. Wir empfehlen nämlich der Staatsregierung, sich nach dem Vorbild des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund dafür einzusetzen, dass diese Flächen in die Hoheit des Landes übergehen. Dann können wir hier in Sachsen viel mehr – ich denke, überhaupt erst einmal – Einfluss auf das nehmen, was wir für unsere Landwirtschaftsbetriebe für richtig halten.

Ich denke, dass solche Bemühungen der Staatsregierung sehr notwendig sind, denn für einige besonders betroffene Betriebe sind flexible Verlängerungen der Pachtverträge unbedingt erforderlich, nicht zuletzt wegen der vorhandenen Belastungen aus der Vermögensauseinandersetzung und der Ablöseregelung der Altschulden. Ein zusätzlicher, durch Gesetz erzwungener Flächenankauf würde weiteres Kapital der Betriebe binden, das im laufenden landwirtschaftlichen Reproduktionsprozess dringend benötigt wird und dort auch viel effektiver eingesetzt werden könnte.

So weit unsere grundsätzliche Auffassung zur weiteren Privatisierung von landwirtschaftlichen Flächen des Bundes.

Nun aber zurück nach Sachsen, zurück zum Koalitionsantrag und zurück zu der Frage, welche Dimensionen, welche Ausmaße das alles in Sachsen überhaupt hat:

Schon wenn ich die Überschrift Ihres Antrages lese, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD – sie lautet unter anderem „Sicherung von Arbeitsplätzen in der ostdeutschen Landwirtschaft“ –, habe ich den dringenden Verdacht, dass dieser Antrag ursprünglich von Dr. Jahr, Mitglied des Bundestages, aus Sachsen stammend – viele von uns kennen ihn noch sehr gut –, ursprünglich für den Bundestag geschrieben worden ist und Sie von der CDU-Fraktion es noch nicht einmal für nötig hielten, das Wort „Ostdeutschland“ gegen „Sachsen“ auszutauschen. Also sprechen wir hier über Dinge und Dimensionen, von denen Sachsen am allerwenigsten in Ostdeutschland betroffen ist. Ich kann nur sagen: zum Glück für Sachsen! Wir reden demzufolge über die Köpfe der anderen – viel stärker betroffenen – ostdeutschen Länder hinweg.

Das Vermögen der BVVG umfasste 2003 insgesamt rund 780 000 ha landwirtschaftliche Fläche. Zwei Drittel dieser Fläche entfallen allein auf die Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. In Sachsen verpachtete die BVVG Ende 2003 73 000 ha landwirtschaftliche Fläche. Das ist in etwa die Fläche, die mittelfristig maximal zur Privatisierung ansteht. Das sind gerade einmal 8 % der in Sachsen im Jahr 2003 insgesamt bewirtschafteten landwirtschaftlichen Fläche. – So viel also zu den Dimensionen hier in Sachsen und zu der Gefahr für Arbeitsplätze in der Landwirtschaft.

Wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und SPD, wirklich um Arbeitsplätze in der Landwirtschaft geht, dann möchte ich Sie auf eine völlig andere Gefahr – auch im Zusammenhang mit Boden – aufmerksam machen, an die Sie vielleicht noch gar nicht gedacht haben: Die Gefahr liegt unserer Meinung nach vielmehr in der spezifischen Verpächterstruktur in Sachsen im Wechselspiel mit der unsäglichen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Sie werden gleich hören, wie das zusammenpassen kann.

Im Unterschied zu den alten Bundesländern ist in Sachsen – wie in Ostdeutschland überhaupt – fast der gesamte landwirtschaftlich genutzte Boden Pachtland. In Sachsen sind das rund 85 %. Das resultiert im Wesentlichen daraus, dass die LPG-Mitglieder auch schon zu DDR-Zeiten Privateigentümer ihres in die LPG eingebrachten Bodens blieben, ihn gemeinschaftlich bewirtschafteten und nach 1990 an Agrargenossenschaften und andere Gemeinschaftsunternehmen verpachteten.

Das Verhältnis des Anteils der Pachtfläche von Privateigentümern an Boden zu dem der BVVG beträgt in Sachsen 90 : 10. Nur 10 % des Pachtlandes in Sachsen werden von der BVVG verpachtet. Den überwiegenden Teil der Pachtflächen der Agrargenossenschaften und der anderen Gemeinschaftsunternehmen haben diese Unternehmen also von ihren eigenen Mitgliedern oder von anderen privaten Personen gepachtet. Manche Genossenschaften haben Hunderte – also eine die eigene Mitgliederzahl um ein Vielfaches überschreitende Zahl – solcher Pachtverträge.

Im Interesse der Sicherung stabiler langfristiger Pachtverhältnisse wurde in der Vergangenheit auf die so genannte Pächterpflege großen Wert gelegt – und das auch mit Erfolg. Doch dann kam Hartz IV und verlangte von den ALG-II-Empfängern, ihr Vermögen an Grund und Boden, das an Agrargenossenschaften und andere Landwirtschaftsbetriebe verpachtet ist, umgehend zu veräußern. Ansonsten droht Kürzung der Leistungen.

Um welche Dimensionen es sich dabei handelt, kann wohl in diesem Haus heute niemand wirklich einschätzen. Dass hier aber ein erhebliches Problem in der Landwirtschaft entstehen kann, werden auch Sie, meine Damen und Herren der anderen Fraktionen, wohl kaum bestreiten, und es dürfte auch Ihnen bewusst sein.

Noch auf ein anderes Problem, das auch eine Gefahr für Arbeitsplätze in der Landwirtschaft darstellt, möchte ich aufmerksam machen. Der Kollege Heinz hat es schon ganz kurz angeschnitten, aber unter einem etwas anderen Gesichtspunkt.

Es gehen in jedem Jahr erhebliche landwirtschaftlich genutzte Flächen einfach in eine andere Nutzung über, die so genannten Umwidmungen. Allein in den fünf Jahren von 1999 bis 2004 verringerte sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Sachsen um rund 10 000 ha. Die Ursachen dafür sind im Umweltbericht 2002 des SMUL sehr anschaulich beschrieben. Dieser Entzug landwirtschaftlicher Fläche zu Siedlungszwecken und ganz überwiegend auch für Verkehrsanlagen ist für immer und ewig unwiederbringlich, denn Entsiegelung findet so gut wie nicht statt. Auch dies wirkt meiner und unserer Meinung nach erheblich in Richtung Gefährdung von Arbeitsplätzen in der sächsischen Landwirtschaft.

Dort frage ich mich doch: Was unternimmt die Staatsregierung dagegen? – Meiner Meinung nach nicht sehr viel, so gut wie nichts.

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Na, na, na!)

Herr Tillich, Sie können mich nachher in Ihrem Beitrag noch eines Besseren belehren. Bis jetzt habe ich davon noch nicht allzu viel gemerkt.

Ganz kurz noch ein Wort zum Berichtsantrag der NPDFraktion. Es ist, wie gesagt, ein reiner Berichtsantrag. Wenn Sie damit eine Debatte hier im Landtag anstoßen wollen, dann frage ich mich, warum Sie noch nicht einmal eine Stellungnahme von der Staatsregierung verlangt haben. Da Sie das nicht getan haben, ist Ihr Anliegen für mich wenig ehrlich, eher populistisch, und schon deshalb können wir diesem Antrag nicht zustimmen.

Beim CDU-Antrag werden wir uns der Stimme enthalten. Er ist nicht schädlich, geht aber wirklich nicht weit genug.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich schaue in die Richtung der FDP-Fraktion. – Herr Dr. Martens, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem Thema der Beschäftigung mit der Bodenpolitik der BVVG. Dazu muss ich vorab eines sagen: Frau Kollegin Altmann, was da für die PDS vorgebracht worden ist, geht, wie ich fand, in weiten Strecken eigentlich an dem Thema vorbei. Es geht nicht um die Frage der vergesellschafteten Bewirtschaftung von Landwirtschaftsflächen, die der privaten Ausbeutung von Boden überlegen sein soll oder Ähnliches, sondern wir haben es mit der Frage zu tun, wie die in Bundeseigentum stehende BVVG Einfluss auf die Landwirtschaftspolitik in Sachsen, auf die Landwirtschaft, auf die tatsächliche Situation vor Ort nimmt und welche Möglichkeiten es gibt, Bodenerwerb zu ermöglichen und die Bewirtschaftung durch sächsische Betriebe zu sichern. Vorweg noch zum Antrag der NPD, einem reinen Berichtsantrag. Dazu ist zu sagen: Die meisten Antworten hätten Sie auch woanders bekommen können, die hat die Bundesregierung nämlich bereits auf eine Große Anfrage der FDP-Fraktion in der Bundestagsdrucksache 15/4384 geäußert. Dort finden Sie jede Menge der Fragen, die Sie hier beantwortet wissen wollen, bereits beantwortet. So einfach ginge es, wenn man Sachpolitik machen möchte.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Martens?

Frau Kollegin.

Bitte.

Meine Frage lautet ganz einfach: Herr Kollege, ist Ihnen eventuell einfach entgangen, dass wir als PDS-Fraktion einen anderen Schwerpunkt setzen? Wir sind nicht der Meinung, dass vergesellschaftete oder Gemeinschaftsbetriebe besser wirtschaften. Uns geht es einfach darum, dass wir nicht der Meinung sind, dass Boden grundsätzlich in Privathand sein muss.

Genau das ist es, Frau Kollegin.

Unser Schwerpunkt ist einfach anders. Darum geht es in diesem Antrag schon.

Richtig! Das ist ein Schwerpunkt, der in diese Zeit nicht mehr passt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das ist eine Überlegung, die die Zeit längst in den Mülleimer befördert hat. Denn zu behaupten, dass gemeinschaftliche Bewirtschaftung im gesellschaftlichen Interesse viel besser sei als die private Bewirtschaftung von Böden, ist eine schöne Mär, die aber wahrscheinlich mit der DDR auch untergegangen ist. Aber gut.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! In Sachsen ist in der Tat die Strukturierung der Landwirtschaft auf Pachtflächen angewiesen. Es ist gesagt worden, 85 % der Flächen sind gepachtet. Wenn wir uns die Pachtpolitik der BVVG anschauen, muss man sagen, dann passt sie auch in das Marktgefüge, was wir bisher gefunden haben. 108 Euro Durchschnittspacht pro Hektar auf dem allgemeinen Markt, während 110 Euro von der BVVG verlangt wurden. Das war für viele Betriebe leistbar, wenn auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten für die Liquidität.

Meine Damen und Herren! Das Problem, das jetzt entsteht, ist ein Wechsel in der Veräußerungspolitik der BVVG – durch die Bundesregierung veranlasst –, dass man sagt: Wir wollen nicht mehr langfristige Pachtverträge abschließen, sondern setzen auf die Veräußerung von Böden, und das zum Höchstpreis.

Das sind die Probleme, die da entstehen. Es geht nicht um die Frage der Bewirtschaftungsform, sondern um die Frage: In welchem Umfang, in welchem Ausmaß veräußert die BVVG Böden? Wie wird es möglich, dass die Unternehmen trotzdem noch die Möglichkeit haben, zum einen zu bewirtschaften und zum anderen nach Möglichkeit zu erwerben? Da sind die Einflussmöglichkeiten der Landespolitik allerdings sehr gering, meine Damen und Herren.

Die wirtschaftliche Lage, ich habe es gesagt, ist das eigentliche Problem. Es geht auch nicht um die Steuerung des Flächenerwerbs, wie es Kollege Heinz ausgeführt hat. Denn diese Steuerung der Verkaufspolitik der BVVG ändert an der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Unternehmen nichts. Sie können es sich auch bei einem gesteuerten Markt in der Regel eben nicht leisten, bei ihrer Liquiditätslage Boden zu erwerben. Wobei man sagen muss: Die juristischen Personen, die in der Landwirtschaft unterwegs sind, haben eine wesentlich bessere Liquidität als Einzelunternehmen oder Personengesellschaften. Auch das muss einmal gesagt werden.

Nein, das Problem ist zum einen der Wechsel in der Politik der Bundesregierung. Dabei ist es auch unklar, wohin der Zug geht. Zum einen haben wir die Ansage, es soll jetzt nach Möglichkeit nach Höchstpreis viel veräußert werden. Gleichzeitig heißt es dann, es gebe jetzt ein Moratorium zum Verkauf. Die Landwirtschaft weiß nicht mehr, woran sie eigentlich ist.