Meine Damen und Herren, dann bringe ich den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD, Drucksache 4/2409, zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist dem Änderungsantrag mehrheitlich zugestimmt worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Die Fraktionen sprechen in folgender Reihenfolge: CDU, SPD, PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. – Entschuldigung, dann die SPD. Frau Dr. Schwarz, bitte.
– Wir haben uns auf diese Reihenfolge geeinigt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erarbeitung eines Bildungsleitfadens für sächsische Kindertagesstätten wurde in der vergangenen Legislaturperiode im Sächsischen Landtag angeregt, durch das Sozialministerium in Auftrag gegeben und durch eine Projektgruppe an der TU Dresden inzwischen vorgelegt. Er befindet sich in einer ersten Praxiserprobung; alle Beteiligten sind aufgerufen, eine Diskussion zum sächsischen Bildungsplan zu führen. Nach einer Evaluation wird er dann für alle Kitas verbindlich.
Ich muss Ihnen sagen, ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass viele Erzieherinnen und Träger von Einrichtungen diese Debatte begrüßen und sich aktiv einbringen.
Besonders diejenigen, die sich ausgehend von den Bildungsdebatten des vergangenen Jahres angeregt in Weiterbildungen und Gesprächen zwischen Eltern, Erzieherinnen und Trägern Gedanken machten, sind hoch motiviert. Das Interesse an Veranstaltungen zu dem im Februar vorgelegten Entwurf war groß und überstieg fast die Erwartungen. Deswegen bin ich auch optimis
tisch, dass wir eine gute Grundlage zur Umsetzung des Bildungsauftrages in unserem Kita-Gesetz legen.
Voraussetzungen wurden geschaffen unter anderem durch das Bundesmodellprojekt zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen. Der jetzige Entwurf des Bildungsplanes knüpft an aktuelle Forschungsergebnisse und gesetzliche Rahmenbedingungen an. Er konzentriert sich dabei gegenwärtig auf den Kindergartenbereich und hebt ausdrücklich darauf ab, dass allen Kindern soziale Übergänge eröffnet und Unterstützungsformen geboten werden, die ihnen den Einstieg in das gesellschaftliche und private Leben mit seinen Herausforderungen ermöglichen.
Dabei bleibt es natürlich auch so, dass Kinder die gesamten sechs Jahre vor Schuleintritt lernen – das ist auch in der Stellungnahme der Staatsregierung so. Dies ist aus meiner Sicht eine besondere Herausforderung nicht nur für die Erzieherinnen, sondern auch für die Eltern und beider Zusammenarbeit.
Der Übergang vom Kindergarten zur Schule als gemeinsame Aufgabe wird im Bildungsplan besonders betrachtet. Dies entspricht unserem Antrag im Entwurf des Kita-Gesetzes, dem Schulvorbereitungsjahr auch mit zusätzlichen Ressourcen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Um dies dann aber kontinuierlich fortführen zu können, bedarf es einer Fortschreibung für den Hortbereich – ich denke, das leuchtet Ihnen ein – und analog zur durchgängigen Regelung der Kindertagespflege im Entwurf des Kita-Gesetzes auch für diesen Bereich.
Ich nehme an, dass wir für diesen Antrag eine breite Mehrheit finden, und wir als Landtag tun gut daran, uns über die Modell- und Einführungsphase und deren Ergebnisse unterrichten zu lassen. Ich empfehle Ihnen ausdrücklich, die Stellungnahme der Staatsregierung zur Kenntnis zu nehmen, die wesentliche Informationen zum Bildungsplan enthält. Wichtig ist auch der Hinweis auf eine kontinuierliche Begleitung durch die Fachberatung in den Landkreisen und Kreisfreien Städten und der freien Träger. Die Vorleistungen auch finanzieller Art durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales sind zu begrüßen und sollten kontinuierlich fortgeführt werden. Dabei ist die Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium unbedingt notwendig, und wir erwarten dort ein ähnliches Engagement. Meine Damen und Herren, die Erarbeitung und Umsetzung des Bildungsplanes ist nicht umsonst zu haben. Für das Schulvorbereitungsjahr haben wir im Doppelhaushalt immerhin elf Millionen Euro eingestellt. Diese Bildungs- und Qualitätsoffensive im Kita-Bereich und zusätzlich die erhöhte Landespauschale lassen wir uns von niemandem schlechtreden.
Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. – Das war jetzt gemeinsam zu verstehen, gut. Dann die Fraktion der PDS; bitte, Herr Neubert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zugegeben, ein wenig habe ich mich schon gefragt, warum der Antrag der beiden Koalitionsfraktionen überhaupt eingebracht worden ist. Nicht dass wir mit dem Anliegen ein Problem hätten – ganz im Gegenteil; der Inhalt des Antrages geht auf jeden Fall in Ordnung. Aber gestatten Sie mir noch einmal einen kurzen Rückblick. Wir hatten hier im Landtag als PDS jahrelang für einen Bildungsplan für Kindertagesstätten gekämpft. Im vergangenen Jahr dann endlich – noch im alten Landtag – haben wir gemeinsam die Einführung eines Bildungsleitfadens beschlossen. Im Koalitionsvertrag war dann aus dem Bildungsleitfaden wieder ein Bildungsplan geworden – was die CDU einige Wochen vorher noch strikt abgelehnt hatte. Damit sind wir nunmehr genauso weit wie die meisten anderen Bundesländer. Wäre man seinerzeit dem ersten PDS-Antrag gefolgt, wäre Sachsen in Deutschland – neben Berlin und Bayern – sogar noch führend gewesen; aber wenigstens haben wir den Anschluss nicht verpasst. Sehr geehrte Damen und Herren, die Entscheidung für den Bildungsplan ist also längst gefallen. Demnächst werden wir ihn auch ins sächsische Kita-Gesetz aufnehmen. Das ist aus unserer Sicht der vernünftigste Teil der Kita-Gesetzesnovelle, die gestern hier im Plenum Thema war. Was ansonsten von dem neuen Kita-Gesetz zu halten ist, konnten Sie der heutigen Tagespresse recht anschaulich entnehmen.
Warum jetzt dieser Antrag? Ich sehe nur zwei Gründe: Entweder trauen Sie Ihrer eigenen Regierung nicht, wenn Sie sie extra um die Erfüllung ihrer selbstverständ
lichen Pflicht, der Begleitung der Einführung des Bildungsplans, ersuchen wollen. Oder Sie haben den Antrag nur auf die Tagesordnung gesetzt, um einmal kräftig klingeln zu können, frei nach dem Motto: Tue ab und zu etwas Gutes und rede lang und breit darüber! – Angesichts der gestern eingebrachten Kita-Gesetzesnovelle, die, gelinde gesagt, enttäuschend ist und weit hinter allen von der Koalition geschürten Erwartungen zurückbleibt, scheinen Sie das dringend nötig zu haben.
Sehr geehrte Damen und Herren! Den Gefallen, noch einmal lang und breit darüber zu reden, werde ich Ihnen jetzt, zu später Stunde, nicht tun. Einige wenige Anmerkungen will ich dennoch machen.
Selbstverständlich muss der Bildungsplan auch für die Tagespflege gelten. Dies gilt umso mehr, als Sie mit Ihrem Gesetzentwurf die Tagespflege offensichtlich zulasten der Kinderkrippen erweitern wollen. Nur ist die Ausdehnung des Bildungsplans auf die Tagespflege keine ganz neue Idee. Auf die Notwendigkeit sind wir schon vor zwei Jahren von den Fachexperten im Rahmen einer Anhörung hingewiesen worden. Ich bin davon ausgegangen, dass dies Konsens ist.
Aber dafür müssen in der Tagespflege erst die Voraussetzungen geschaffen werden. Da stellt sich die Frage nach den Anforderungen an die Tagespflegepersonen. Welche Erwartungen werden an die Qualifikation, an ständige Weiterbildung gestellt? Wie sieht es mit der Fachberatung oder der fachlichen Anbindung an eine Kindertagesstätte aus? Solange diese Fragen nicht zufrieden stellend gelöst sind, so lange wird der Bildungsplan für die Tagespflege leider geduldiges Papier bleiben.
Auf ein anderes wichtiges Problem hat uns in der Anhörung im vergangenen Jahr Prof. Fthenakis aufmerksam gemacht. Wir denken Bildung immer noch in den klassischen Institutionen Kindergarten, Schule und Hort. Wir brauchen aber zunehmend einen institutionsübergreifenden Ansatz. Besonders augenfällig ist dies im Bereich des Hortes. Ich kann mir hier einen Bildungsplan, der nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bildungsauftrag der Schule steht, kaum vorstellen.
Mit der Kooperation von Grundschule und Kita darf es nicht getan sein. Letztlich brauchen wir einen mit dem Lehrplan der Grundschule abgestimmten Bildungsplan. Das freilich würde es erfordern, dass nicht nur Grundschule und Kita, sondern auch Kultusministerium und Sozialministerium zusammenarbeiten. Das scheint mir manchmal die weitaus größere Hürde zu sein.
Sehr geehrte Damen und Herren! Viel ist auch über die Frage gestritten worden, wie allgemein bzw. wie speziell ein Bildungsplan zu sein hat, wie sehr er ins Detail gehen soll und welche Freiräume er unbedingt lassen muss. Auch hierzu lohnt es sich, in die Protokolle der Sachverständigenanhörung zum PDS-Antrag im vergangenen Jahr zu schauen. Ich verweise erneut auf Prof. Fthenakis: Je höher das Ausbildungs- und Qualifikationsniveau der in diesem Bereich Tätigen ist, umso weniger detailliert und umso allgemeiner kann der Plan sein. Allerdings hinken wir im europäischen Vergleich beim Anteil der Hochschulabsolventen hinterher, wenn
es um frühkindliche Bildung geht. Wenn die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme ankündigt zu prüfen, ob modellhaft die Ausbildung auf Hochschulniveau erprobt wird – ich wiederhole: zu prüfen, ob ein Modell erprobt wird –, dann erkennt jeder, dass es nicht allzu schnell vorwärts gehen wird.
Umso wichtiger sind die fachliche Begleitung bei der Einführung des Bildungsplans sowie Fort- und Weiterbildung. Dafür aber werden von der Koalition keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt. Wir werden beim neuen KitaGesetz mit Sicherheit darauf zurückkommen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Grundvoraussetzung für die konsequente Umgestaltung und Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Bildungseinrichtungen ist und bleibt deshalb für uns der gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Zugang aller Kinder zu ganztägiger Bildung und Betreuung.
Einerseits ein Bildungsplan, andererseits das Fortbestehen von Zugangskriterien für Kitas in weiten Teilen Sachsens – diese beiden Punkte passen überhaupt nicht zusammen. Ich möchte die Staatsregierung an dieser Stelle ermahnen, diesen Aspekt bei ihrer Berichterstattung im nächsten Jahr nicht zu vergessen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einführung des Bildungsplans für Kindertagesstätten in Sachsen ist eine notwendige und sinnvolle Sache. Bildung beginnt eben nicht erst in der Schule. Schon im Vorschulbereich sollten die Lust am Lernen geweckt, das Selbstvertrauen gestärkt und soziales Verhalten eingeübt werden. Auf den Inhalt des Bildungsplans, den Sie sicherlich alle gelesen haben, möchte ich nicht weiter eingehen. Nur so viel: Uns erschien der häufige Verweis auf multiethnische Kindergruppen und Erziehungsansätze zumindest merkwürdig.
Sollen schon auf dem Papier Voraussetzungen geschaffen werden, die in naher Zukunft Realität sind? Nebenbei bemerkt, wirkt auch der Absatz über „Kinder und Demokratie“ zumindest unfreiwillig komisch.
Mir halt nicht so. Zumindest ist es in einer Bildungsrichtlinie für Vorschulkinder etwas deplatziert.
In der Stellungnahme der Staatsregierung wird detailliert auf die Umsetzung des Bildungsplans eingegangen. Eine Frage allerdings bleibt offen: Wer schafft die dafür notwendigen Rahmenbedingungen in Zeiten leerer Haushaltskassen? Woher kommt das Geld für Videokameras,
Die personellen Ressourcen sind im Haushalt des SMK nur für die Übergangszeit vom Kindergarten in die Grundschule eingestellt. Das kann nicht ausreichen, um den Zielen des Bildungsplans gerecht zu werden. Die Rahmenbedingungen aber müssen erfüllt sein, um dem neuen Bild vom Kind gerecht zu werden.
Um eine erfolgreiche Durchsetzung des Bildungsplans zu gewährleisten, wird es notwendig sein, nicht nur theoretische Grundlagen zu verfassen – diese waren ziemlich ausführlich –, sondern auch die finanziellen Gegebenheiten zu verbessern, damit mehr umgesetzt werden kann. Wir finden: Bevor dieser Leitfaden um „Hort“ und „Tagespflege“ ergänzt wird, sollte er in der praktischen Umsetzung, das heißt im täglichen Leben, geprüft werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir schon die sprachliche Differenzierung geschafft haben: Wir sprechen zurzeit noch über den Entwurf des sächsischen Bildungsplans, einen Leitfaden für pädagogische Fachkräfte in Kinderkrippen und Kindergärten; denn genau das ist am 26. Februar 2005 passiert, als der Entwurf des sächsischen Bildungsleitfadens den pädagogischen Fachkräften in Kinderkrippen und Kindergärten in Sachsen zur Diskussion übergeben wurde. Ich darf Ihnen sagen: Die Kolleginnen und Kollegen sind hoch motiviert, sich dieses Papier zu erarbeiten, auch wenn dafür der Tag wenigstens 30 Stunden haben müsste; denn daneben werden zurzeit in den Kindertageseinrichtungen der Bildungsauftrag eingeführt, Qualitätsmanagement implementiert und Bundesmodellprojekte evaluiert. Die Kolleginnen und Kollegen sind vor allem deshalb motiviert, weil binnen eines Jahres ihre Erfahrungen aus und mit der Arbeit an diesem Entwurf des Bildungsleitfadens in den dann geltenden Bildungsplan eingearbeitet werden sollen.