Herr Kollege Brangs, Sie haben gesagt, dass die Politik nur die Rahmenbedingungen schaffen kann, und Sie haben auch ausgeführt, dass ein Großteil der Ausbildung durch Handwerker, durch mittelständische Betriebe getragen wird. Wenn Sie von Rahmenbedingungen sprechen, möchte ich Sie gern fragen, ob man dem Zustand, dass offenbar große Industriebetriebe, die viele staatliche Fördermittel bekommen haben, nicht in entsprechendem Maße ausbilden, auch dadurch begegnen kann, dass man eine Ausbildungsplatzabgabe einführt. Ich möchte Sie fragen: Wie stehen Sie zu die
sem Instrument, da offenbar der so genannte Pakt zwischen Wirtschaft und Bundesregierung gescheitert ist?
Vielleicht möchte Kollege Lämmel beantworten. In der Tat liegt die Schwierigkeit darin, dass man durch gesetzliche Reglementierungen oftmals nicht das Bewusstsein verändern kann.
Aber ich sage deutlich: Wenn alle freiwilligen Maßnahmen nicht greifen und alle Vereinbarungen, die man auf dem Papier trifft, nicht zu einem Ergebnis führen, dann muss man die größeren Betriebe, die nicht ausbilden, ab einer bestimmten Zahl entweder zur Kasse bitten, damit andere, kleine und mittelständische Unternehmen, daraus ihre Kosten finanziert bekommen, oder eine Quote einführen. Dazu sind wir in der Diskussion. Der Diskussionsprozess ist aber noch nicht abgeschlossen.
Ich möchte abschließend, wenn es mir gestattet ist, noch einen Blick in die Zukunft werfen. – Die FDP-Fraktion war schon einmal dran. Können wir es so machen, dass ich noch den Blick in die Zukunft werfe, Herr Morlok?
Bei Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung der Ausbildungssituation darf die besondere demografische Situation in Ostdeutschland nicht unberücksichtigt bleiben. Es gibt das Problem, dass immer stärkere Schulabgängerjahre mit einem Anteil von Altbewerbern zusammenkommen. Von Jahr zu Jahr gibt es eine Entwicklung, dass auf der einen Seite die Wirtschaft immer weniger Plätze zur Verfügung stellt, aber auf der anderen Seite immer mehr Jugendliche eine Ausbildung suchen. Wir haben im Jahre 2005 56 900 Schulabgänger. Es gibt eine Schülerprognose des Kultusministeriums, in der mit einem leichten Rückgang um rund 2 000 Schüler gerechnet wird. Für die Jahre 2007 bis 2009 wird mit einem Rückgang von nochmals jeweils 6 000 bis 8 000 Schülern pro Jahr gerechnet, so dass wir im Jahre 2011 auf rund 32 000 Schüler kommen werden. Wenn man sich diese Zahlen anschaut, wird eindeutig klar, dass es in einigen Jahren eine Situation geben wird, bei der sich die Schüler- und auch die Bewerberzahlen fast halbiert haben werden. Hinzu kommt, dass wir im Jahre 2009 mit einer großen Verrentungswelle zu rechnen haben. Die logische Folge aus diesen Prozessen ist die von mir bereits mehrfach angesprochene Situation, dass wir damit konfrontiert werden, dass die Unternehmen keine Fachkräfte im erforderlichen Maß vorhalten. Ich denke, dass wir schon heute an die Zukunft denken müssen. Von der Ausbildung und Qualifizierung junger Menschen hängen entscheidend die Zukunftsfähigkeit und auch die Investitionskraft Sachsens ab.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns alles dafür tun, dass junge Menschen in Sachsen eine Chance bekommen. Lassen Sie uns auch alles dafür tun, dass Schulabgänger und Altbewerber einen Ausbildungsplatz bekommen. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag und den Änderungsanträgen der Koalition zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Traurig, aber wahr: Für die Staatsregierung ist es jedes Jahr dasselbe Spiel. Man kann schon fast sagen, es ist ein Klassiker. Die Akteure sind einige Minister der Staatsregierung, Hunderte von Unternehmen und deren Verbände sowie einige Tausend Jugendliche. Mit immer gleichen Aktionen versucht die Staatsregierung Aufmerksamkeit und Beifall zu erheischen. Zumindest die Medien gewinnt sie noch.
Doch für viele Jugendliche endet das als Trauerspiel; denn sie gehen ohne wirkliche Ausbildung im dualen System und damit leer aus. Und so stellt sich mir die Frage: Wieso kommt immer erst im April Hektik im Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit auf? Wieso beruft der Herr Ministerpräsident im Juni schnell noch eine Sitzung mit den Vertretern der Wirtschaft ein? Geht es denn dabei wirklich um Lehrstellen? Es hatte sogar den Anschein, dass das jetzt Chefsache geworden ist. Nur, Herr Milbradt befindet sich jetzt wieder nicht im Raum.
Okay. – Oder geht es dabei nicht vielmehr um das Zitat in der Zeitung oder das Bild im Fernsehen? Das ist die Frage.
Herr Jurk, warum setzen Sie denn nicht um, was Sie noch vor einem Jahr als Fraktionschef der SPD-Fraktion gefordert haben? Warum zieht Herr Milbradt nicht die richtigen Schlüsse aus all den fehlgeschlagenen Aktionen der vergangenen Jahre? Herr Lämmel, ich kann Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie von einem Erfolg reden, den es in den letzten Jahren gegeben habe. Ich denke nicht, dass 1 % Wachstum bei der Zahl der Ausbildungsplätze im dualen System ein wirklicher Erfolg ist, wenn Leute doch wieder nur in vollzeitschulische Maßnahmen, wenn Leute doch nur in Einstiegsqualifizierungsmaßnahmen oder berufsvorbereitende Maßnahmen eingegliedert werden, um die Statistik zu bereinigen.
Meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, wenn Sie ehrlich zu sich selber sind, müssen Sie eingestehen, dass das Kollegium „Lehrstellen und Fachkräfte“ auch ohne Ihren Antrag wieder eine Lehrstellenoffensive für das kommende Jahr ausrufen würde.
Ihr Antrag trägt also nicht zur wirklichen Problemlösung bei, sondern ist ein rein symbolischer Akt.
Damit zeigen Sie nur, wie gut Sie Altes aufwärmen können. Aber es gibt kaum ein Gericht, das man beliebig oft aufwärmen kann, ohne dass es den Geschmack verliert. Ihre Ausbildungspolitik hat einen bitteren Beigeschmack, denn sie macht Sachsen nicht zukunftsfähig.
Dabei spricht doch die Realität eine deutliche Sprache. Erstens gibt es zu wenige Lehrstellen im dualen System. In Sachsen sind nach dem Stand vom 31. Mai 2005 noch 2 500 junge Menschen unversorgt. Zweitens betrug die Zahl der so genannten Altbewerber – das wurde schon des Öfteren genannt, Herr Lämmel hat ausgeführt, dass es Jugendliche sind, die bereits in den vergangenen Jahren ihren Abschluss gemacht haben – im Jahre 2004 46 %. Drittens kommt zusätzlich gerade in den optierenden Kommunen das Problem hinzu, dass Jugendliche keinen Anspruch auf die Vermittlung in einen Beruf durch die Arbeitsagenturen haben, sondern dass die Kommunen das lösen sollen. Inwieweit die Kommunen diese Aufgabe wahrnehmen und wirklich umsetzen, halte ich für sehr fraglich.
Zudem müssen wir auch feststellen, dass die Jugendarbeitslosigkeit viel rasanter wächst als die allgemeine Arbeitslosigkeit. Es gibt Gebiete in Sachsen, in denen die Jugendarbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um fast 10 % zugenommen hat.
Meine Damen und Herren von der Koalition, es liegt doch auf der Hand, dass Ihre Vorschläge hier nicht helfen. Die Wirtschaft hat am 15. Juni keine konkreten Zusagen gemacht. Was ich von Ihnen erwartet hätte, wäre nicht dieser etwas lustlos aufgewärmte Antrag, sondern etwas, was wirklich ein Lösungsansatz für unsere Probleme wäre.
Sie haben eben gesagt, dass die Wirtschaft hinsichtlich der Ausbildungsplätze keine konkrete Zusage gemacht habe. Ist Ihnen aber bekannt, dass die Ausbildungsquote in der Wirtschaft auch im letzten Jahr wieder gestiegen ist und dass insgesamt unter dem Strich auch in diesem Jahr mehr Arbeitsplätze angeboten werden als im Jahr zuvor?
Es gab einen Zuwachs – ich habe das vorhin ausgeführt – um rund 1 %. Allerdings ist es dabei so, dass ein großer Teil dieses Zuwachses auf Lehrstellen im öffentlichen Dienst entfällt. Da weiß
Es gab eine Schulreform. Dennoch stellen die Unternehmen fest, dass die Leistungen der Schüler von Jahr zu Jahr schlechter werden. Meine Lehrer haben immer zu mir gesagt: Ihr lernt fürs Leben, nicht für die Schule! In Sachsen scheint das aber nicht der Fall zu sein.
Zusätzlich wurde bei der Reform der gesamte Bereich der Berufsorientierung vergessen. Das kann eben nicht erst ab der 9. oder 10. Klasse geschehen. Das ist einfach zu spät. In den alten Bundesländern ist es übliche Praxis, dass dies bereits ab der 5. und 6. Klassenstufe geschieht.
Und es muss mehr Raum für Schülerpraktika eingeräumt werden. Ein einziges Mal zwei Wochen in einer gesamten Schullaufbahn ist definitiv zu wenig.
Herr Lämmel, Sie haben die Erkenntnis gehabt, dass man Wirtschaft und Schule enger zusammenführen muss. Diese Erkenntnis ist aber keine wirklich neue. Unser Vorschlag wäre, wieder Patenschaften zwischen Unternehmen und Schulen einzuführen. Sicher, das wäre ein Rückgriff auf die DDR, doch schließlich werden auch in der Schule wieder die Kopfnoten und im Gesundheitsbereich wieder die Polikliniken eingeführt.
Die Förderrichtlinien müssen erstens viel eher erlassen werden. Die Bewerbungen der zukünftigen Auszubildenden laufen doch seit Januar, seit die Schüler ihr Halbjahreszeugnis in den Händen halten. Sie bewerben sich eben nicht erst im August.
Es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer. Wir konnten gestern lesen, dass Herr Jurk in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, den Kammern und den Wirtschaftsverbänden Neuerungen erarbeitet hat. Endlich wird auch die Problematik der Altbewerber berücksichtigt. Dafür aber werden die Unternehmen, die erstmals ausbilden, nicht mehr gefördert. Das ist für mich ein falscher Weg.
Grundsätzlich ist festzustellen: Eigentlich ist jedes staatlich geförderte Ausbildungsprogramm, jede vollzeitschulische Ausbildung ein Eingeständnis des Versagens des Systems. Aber darauf werden wir später im Zusammenhang mit unserem Änderungsantrag zu sprechen kommen.
Sie, meine Herren von den Koalitionsfraktionen, haben ebenfalls festgestellt, dass es in Sachsen wesentlich mehr kleine Unternehmen als in den alten Bundesländern gibt. Diese können eben oftmals eine komplexe Ausbildung nicht alleine leisten. Deshalb muss die Verbundausbildung stärker gefördert werden. Ich finde es löblich, dass Sie das in Ihren Reden schon erwähnt haben.