Herr Morlok, ist Ihnen die Studie des Umweltbundesamtes – sie ist mittlerweile schon drei oder vier Jahre alt, immer wieder neu aufgelegt worden – bekannt, die ausweist, dass es ohne Probleme möglich ist, unter den Bedingungen des Atomausstieges und unter den Bedingungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien den Energiebedarf Deutschlands ohne weiteres zu decken?
infrage gestellt, dass es zum selben Preis möglich ist. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie das auch gemerkt.
Das sind eben die Feinheiten, die grüne Umweltideologen gar nicht zur Kenntnis nehmen. Es ist eben nicht nur die Frage, ob man etwas kann, sondern auch, zu welchem Preis man etwas kann, und wir tragen hier auch eine sozialpolitische Verantwortung. Deswegen müssen wir diese Dinge in unsere Entscheidungsfindung einfließen lassen.
Wir sprechen auf der einen Seite von Klimaschutz, wollen den CO2-Ausstoß senken, und gleichzeitig schalten wir die Energieträger, die kein CO2 erzeugen, wie die Kernkraftwerke, ab. Das ist eine Inkonsequenz in der Energiepolitik.
Wir haben hier in Sachsen eine starke Konzentration auf Braunkohle; das ist bereits in der Debatte angesprochen worden und das halten wir auch für sinnvoll. Sie wissen alle: Es gibt neue Technologien, die es ermöglichen, CO2freie Kohlekraftwerke zu errichten. Es muss unser Ziel sein, in Sachsen an diesen Technologien zu partizipieren; dafür zu sorgen, dass entsprechende Kraftwerke in Sachsen errichtet werden, damit wir hier entsprechende Wertschöpfung haben, damit wir hier Arbeitsplätze haben. Wir wissen aber auch, dass das nicht von heute auf morgen geschehen kann. Deswegen brauchen wir auch kein kurzfristiges Umsteuern in der Energiepolitik in Sachsen, sondern wir müssen den eingeschrittenen Weg konsequent vorangehen und Kurs halten.
Frau Kipping, wenn Sie die Anhörung im Wirtschaftsausschuss verfolgt hätten, dann hätten Sie auch gemerkt, dass ein ganz wichtiger Punkt der dort anwesenden Vertreter gewesen ist, gerade nicht ständig etwas zu ändern, sondern endlich mal eine klare Linie zu verfolgen, da besonders Entscheidungen im Energiebereich äußerst langfristig getroffen werden und eine Investitionssicherheit brauchen, und Investitionssicherheit schafft man nur dann, wenn man eine Politik über einen bestimmten Zeitraum durchhält und nicht ständig etwas daran ändert.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lämmel, Sie haben soeben behauptet, dass ein Staatssekretär im Bundesumweltministerium den Weg der erneuerbaren Energien desavouiert hätte, der zugleich Geschäftsführer eines Windenergieunternehmens ist. Es gibt nur einen männlichen Staatssekretär im Bundesumweltministerium: Herrn Rainer Baake. Wir haben uns
gerade noch einmal vergewissert. Ihre Aussage ist falsch; sie ist eine Lüge, ich weise sie ausdrücklich zurück.
Im letzten Plenum wurden wir Zeuge, wie nicht irgendein Hinterbänkler, sondern kein Geringerer als Sie, Herr Lehmann – der Parlamentarische Geschäftsführer der größten Fraktion dieses Hauses –, den Bau eines neuen Atomkraftwerkes an der Neiße forderte.
Die meisten Mitglieder dieses Hauses und die Presse hielten dies wohl für einen Ausrutscher in der Hitze des Gefechts. Tatsächlich war es aber doch wohl eher ein freudscher Versprecher.
Ich möchte nun wirklich nicht die Laufzeit Ihres imaginären AKWs an der Neiße verlängern, aber doch darauf hinweisen, dass die lehmannschen Neubaupläne keineswegs aus dem politischen Nichts auf uns herabgestürzt sind. Herr Milbradt hat sich vor einer Woche für die Weiternutzung des „billigen“ Atomstroms ausgesprochen. Auch Frau Merkel möchte die Laufzeit der AKWs verlängern und die Atomkonzerne – allen voran Herr Rauscher von Vattenfall – ziehen jetzt offen ihre Unterschrift unter dem Atomkonsens zurück.
Der Wiedereinstieg in die Atomwirtschaft ist seit langem erklärte Politik der CDU. Herr Gerlach, ich weiß, Sie kennen es, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, ich zitiere diesen Satz –: „Die Option der Kernenergienutzung muss als technologische Variante für die Zukunft offen gehalten werden. Die Kernenergienutzung hat weltweit große Bedeutung für die Sicherung der Elektrizitätsversorgung und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.“ – So das Energieprogramm 2004. Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Weltweit bestreiten die AKWs etwa 8 % der Energieproduktion. Derzeit sind zirka 440 Reaktoren in Betrieb.
Atomstrom könnte nur dann einen nennenswerten Beitrag für die notwendige drastische Einsparung von CO2 leisten, wenn in den nächsten Jahren mehrere tausend Reaktoren neu gebaut würden. Und dann, Herr Lehmann, würde Ihr Reaktor an der Neiße nicht ausreichen. Wir bräuchten dann auch mehrere an der Elbe, der Mulde oder der Spree. Tatsächlich baut aber niemand ein AKW, weil sich der Bau wirtschaftlich einfach nicht lohnt. Auf eine Zukunft der Atomenergie zu setzen angesichts der Sicherheitsprobleme, der fehlenden Endlager und des Umstandes, dass die Uranvorräte in wenigen Jahrzehnten erschöpft sind, ist einfach nur irrational. Im Übrigen sagt das kein Geringerer als das CDU-Mitglied und Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge.
Die Staatsregierung ist aber nicht nur für den Wiedereinstieg in die Atomkraft, sondern zugleich für den Ausstieg aus den erneuerbaren Energien. Dies sind zwei Seiten derselben Medaille. Im Energieprogramm fordern Sie die Abschaffung des Kraftwärmekopplungsgesetzes, des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des Gesetzes zur ökologischen Steuerreform. Dort haben Sie sich ja jetzt eines Besseren besonnen. Sie fordern damit genau die Liquidierung der Instrumente, die für eine effizientere
Energieversorgung und einen beispiellosen Boom bei den Arbeitsplätzen gesorgt haben und die den Weg in eine Energieversorgung der Zukunft jenseits von Öl, Kohle und Atom bahnen. Tatsächlich ist das die Entscheidung, um die es hier geht, und das sind auch die energiepolitischen Verwirrungen, die diese Debatte ausgelöst haben: erneuerbare Energien oder Atomstrom und Braunkohleverbrennung. Wir machen uns als GRÜNE keine Illusionen: Die CDU, allen voran die sächsische Union, plant nichts weniger als den Wiedereinstieg in die Atomwirtschaft und die Liquidierung der unliebsamen Konkurrenz der erneuerbaren Energien. Herr Gerlach, es tut mir Leid für Sie: Da nützt Ihnen Ihr Koalitionsvertrag auch nichts. Sie trauen sich zwar nicht, dies im Wahlkampf klar zu sagen, aber die Tendenzen sind eindeutig belegt. Nein, meine Damen und Herren, Herr Lehmann hat nicht fantasiert, Herr Lehmann ist nur vorgeprescht und hat zur Unzeit ausgeplaudert, was die Union plant, wenn sie im September in Berlin an die Macht kommen sollte. Vielen Dank.
Herr Präsident! Ich möchte gern eine Zurückweisung erklären: Herr Lichdi hat mich vom Pult aus der Lüge bezichtigt. Ich möchte bitte, dass das Protokoll kontrolliert wird, denn ich habe gesagt: „Es war ein ehemaliger Staatssekretär, der heute Geschäftsführer einer Windkraftfirma ist.“ Ich bitte Sie, wenn das Protokoll das entsprechend aussagt, dass Herr Lichdi – in Ihrem Ermessen liegend – einen entsprechenden Ordnungsruf oder Verweis bekommt.
Herr Lämmel, wenn Sie einen ehemaligen Staatssekretär genannt haben, dann ziehe ich meine Aussage zurück. Ich habe Sie allerdings so verstanden, dass Sie von dem aktuell amtierenden Staatssekretär im Bundesumweltministerium ausgehen. – Dann bitte ich das zu entschuldigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem diese Verwirrung aus der Welt geschafft worden ist, kommen wir noch einmal zu einer anderen Verwirrung. Herr Morlok ist ja hier schon ins Schwärmen geraten über die Vorzüge der Atomenergie
und dieses Verständnis von Energiemix, was jetzt wahrlich nicht meins ist, hat wahrscheinlich Herrn Lehmann dazu gebracht, ins Schwärmen über ein mögliches Atomkraftwerk bei Zittau zu geraten. Später hieß es, es habe sich allein um ein gedankliches Experiment ohne realen Hintergrund gehandelt. Doch ich muss natürlich die Frage stellen: Ist dieses Experiment tatsächlich stillgelegt? Herr Lehmann, Sie haben gegenüber der Zeitung wenige Tage danach verkündet, der Verzicht auf Atomkraftwerke sei doch eine moderne Form der Maschinenstürmerei. Im Umkehrschluss bedeutet das: Sie meinen, wer modern und kein Maschinenstürmer sein möchte, sollte sich für den Bau von Atomkraftwerken einsetzen. – Nein, dieses Verständnis von Modernität kann ich nicht teilen.
Wenn wir schon über Maschinenstürmerei reden, meine Damen und Herren von der CDU – wissen Sie, was ich als altmodisch und technikfeindlich empfinde? Das, was Sie als Angriff auf das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien planen. Das ist eine Form von Maschinenstürmerei!
Herr Lehmann, weiterhin führen Sie als Argument an, es gäbe kein ausreichend großes Wasserreservoir bei Zittau. Spätestens an diesem Punkt muss man misstrauisch werden. Es ist schließlich bekannt, dass die Tagebauseen im ehemaligen Lausitzer Braunkohlenrevier vom Bund in das Eigentum des Freistaates übernommen werden sollen. Das Lausitzer Seenland würde dann mit 15 000 Hektar Wasseroberfläche eine der größten künstlichen Wasserflächen Europas darstellen. Von einem fehlenden Wasserreservoir kann dann also nicht mehr die Rede sein.
Ich hoffe, Herr Lehmann, dass wir uns damit täuschen. Das Problem ist nur, dass es noch einige weitere Indizien gibt. Von Herrn Staatsminister Tillich kam sofort ein Dementi. Herr Tillich, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung drei Argumente angeführt, warum es Ihrer Meinung nach sicher sei, dass in Sachsen kein Atomkraftwerk geplant ist. Als Erstes führen Sie an, die gegenwärtige Rechtslage auf Bundesebene spräche dagegen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ihre Partei plant, genau diese Rechtslage auf Bundesebene zu verändern.
Als zweites Argument führen Sie an, dem Projekt stünde das Desinteresse potenzieller Investoren entgegen. Das ist interessant! Woher wissen Sie denn vom Desinteresse potenzieller Investoren? Haben Sie also Erkundigungen eingezogen? Wozu zieht man Erkundigungen über mögliches Desinteresse ein, wenn es sich nur um ein gedankliches Experiment ohne realen Hintergrund handelt? Oder hat Herr Lehmann vielleicht doch nur verfrüht aus dem Nähkästchen geplaudert?
Wenn Sie mit dieser Aussage das grundsätzliche Interesse von Firmen meinen, hier in Deutschland ein Atom
kraftwerk zu bauen, dann wissen Sie, dass Ihre Aussage falsch ist; denn Siemens würde nur zu gern bis zum Jahre 2020 fünf neue Atomkraftwerke bauen.
Schließlich, Herr Staatsminister Tillich, führen Sie das Energieprogramm Sachsen als Kronzeugen an. Wenn das Ihr einziger Kronzeuge ist, dürfen Sie nicht enttäuscht sein, wenn sich unser Vertrauen in Grenzen hält. Das Energieprogramm spricht sich klar dafür aus – ich zitiere –, „alle technologischen Optionen offen zu halten“. Weiter heißt es in diesem Landesprogramm: „Die Option der Kernenergienutzung muss als technologische Variante für die Zukunft offen gehalten werden. Die Kernenergienutzung hat weltweit große Bedeutung für die Sicherung der Elektrizitätsvorsorge und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.“
Wer solche klaren, positiven Worte zu erneuerbaren Energien im Energieprogramm sucht, der kann lange suchen.