Protokoll der Sitzung vom 13.07.2005

Das wäre in jedem Fall für das Klima fatal. Letzter Satz, meine Damen und Herren. Anstatt immer die Kosten für den Umweltschutz zu beklagen, sollten wir uns damit beschäftigen, wie viel Geld eine gute Umweltpolitik sparen und einbringen kann. Dann können wir Sachsen ökonomisch und ökologisch sinnvoll gestalten und die Märchenbücher im Regal lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von der Fraktion der PDS noch das Wort gewünscht? – Frau Kipping, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lämmel, den Wettbewerb für den schnellsten verbalen Missgriff haben Sie hier gewonnen. Sie haben auch den Wettbewerb gewonnen: Wer ist am meisten gegenüber Fachargumenten resistent? Überzeugendes habe ich von Ihnen nicht gehört.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Herr Staatsminister Jurk und Herr Staatsminister Tillich, ich hatte Sie aufgefordert, das Energieprogramm neu auszurichten. Für diese ohnehin notwendige Neuausrichtung möchte ich Ihnen folgende Vorschläge unterbreiten:

Sachsen braucht keinen Atommeiler, Sachsen braucht einen ausgewogenen Energiemix. Ein solcher Energiemix bedarf der stärkeren Förderung erneuerbarer Energien. Natürlich müssen bei Windrädern die Bedürfnisse der Anwohner berücksichtigt werden. Aber anstatt Windräder als Gelddruckmaschinen zu diffamieren, könnten wir als Land das Modell des Bürgerkraftwerks fördern.

Die Grundidee ist einfach. Menschen, die zugleich etwas für die Umwelt und für ihren Geldbeutel tun wollen, finden sich zusammen, investieren in eine Fotovoltaikanlage oder in ein Windrad, was sich über Jahre rechnet. Dieses Modell wurde schon an sächsischen Schulen praktiziert und es hat gute Erfahrungen gegeben. Es bestand sogar so viel Bedarf, dass die Dachfläche an der Schule nicht mehr reichte. Bei diesem Projekt könnte doch das Ministerium helfen.

Weiterhin kommt es darauf an, das Potenzial der Biomasse zu stärken. Biomasseanlagen können nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern auch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein für die Land- und Forstwirte werden. Meine Fraktion war vor Ort in den Regionen. Wir haben uns mit Vertretern der Landwirtschaft unterhalten, die klar gesagt haben, dass sie zunehmend mehr Interesse haben, da sie auch nach neuen wirtschaftlichen Standbeinen schauen. Die Förderung muss nicht immer viel Geld kosten. Sie könnten mit Rat und Tat und mit der Expertise Ihrer Fachämter den Landwirten zur Seite stehen.

Zur Förderung von regenerativen Anlagen gehört natürlich auch, dass man die Schikanen, die es jetzt bei Genehmigungsverfahren gibt, abbaut. Wartezeiten von über einem Jahr bei Genehmigungsverfahren sind für uns einfach nicht hinnehmbar.

Herr Morlok, da Sie immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die erneuerbaren Energien der treibende Kostenfaktor sind, und sich gleichzeitig schützend vor die Gewinne der Konzerne stellen, kann ich Ihnen folgende Tabelle nicht ersparen. Hier ist aufgelistet, wie groß jeweils die Anteile von Umweltstrom und Netzdurchleitungskosten sind. Noch einmal für Sie zum Mitschreiben: Die Kosten von Umweltstrom belaufen sich auf 0,8 Cent pro Kilowattstunde. Die Kosten für Netzdurchleitung und all das, was direkt an den Energiekonzern geht, belaufen sich auf das Zehnfache. Das ist doch der Punkt, wo es sich lohnt anzusetzen, wenn man die Strompreise senken möchte!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Minister.

Frau Kollegin Kipping, lesen Sie gewöhnlich auch Zeitungen? Wissen Sie, wie ich mich in der Vergangenheit zur Biomasse geäußert habe?

Ich weiß, dass Sie sich positiv dazu geäußert haben, Herr Tillich. Wir haben darüber auch schon gemeinsam diskutiert. Das Problem dabei ist, dass es sich um eine verbale Aussage Ihrerseits handelt, die aber leider nicht verbindlich im Energieprogramm steht. Dort stehen eben keine Förderziele. Das ist nicht nur die Kritik der PDS, der Linkspartei, nein, das war auch Kritik der Sachverständigen bei der Anhörung.

(Beifall bei der PDS – Vereinzelt Gelächter bei der CDU)

Doch zurück zu Herrn Morlok. Sie wollen den Leuten weismachen, dass wir für Kostentreiberei stünden, und stellen sich dabei schützend vor die Gewinne der Konzerne. Sie sollen mich nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen Gewinne von Konzernen. Das Problem ist nur, wenn diese Gewinnexplosion mit einer Explosion der Strompreise einhergeht und wenn man tatsächlich etwas gegen Preisexplosion machen will, dann muss man an dieser Stellschraube drehen. Hier ist das Staatsministerium als Aufsichtsbehörde gefragt.

Besten Dank.

(Beifall bei der PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich den Minister. Herr Jurk, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Steigende Strom-, Gas-, Heizöl- und Kraftstoffpreise erhitzen die Gemüter, fallende Energiepreise – ja, auch so etwas gab und gibt es, beispielsweise vor einigen Jahren nach der Liberalisierung des Strommarktes bei der Elektroenergie – machen kaum noch

eine Meldung aus. Dabei haben diese Erregungskonjunkturen oft wenig zu tun mit einer langfristigen Analyse der Kräfte, welche man anstellt, nämlich jener Kräfte, die die weltweiten Energiemärkte bestimmen. Die nachhaltige Versorgung aller Menschen mit Energie ist eine große globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2000 betrug der weltweite Energieverbrauch zirka 410 Exajoule. Das sind 14 Milliarden Tonnen Steinkohleneinheiten. In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Energieverbrauch damit nahezu verdoppelt. Der Bedarf, meine sehr verehrten Damen und Herren, steigt weiter, zum einen, weil die Bevölkerung der Erde zunimmt, und zum anderen, weil die Schwellen- und Entwicklungsländer unaufhaltsam zu den alten Industriestaaten aufholen. Dazu ein Vergleich, der vieles deutlich macht: Ein Einwohner eines Schwellen- und Entwicklungslandes verbraucht gegenwärtig noch durchschnittlich sechsmal weniger Energie als ein Einwohner eines Industriestaates.

Die Internationale Energieagentur prognostiziert deshalb in ihrem World Energy Outlook 2002 für 2030 einen Anstieg des weltweiten Energiebedarfs von 65 % gegenüber 2000. Der größte Zuwachs liegt dabei im asiatisch-pazifischen Raum. Wie schnell sich die Prognose gerade in diesem Punkt bestätigt, zeigen Meldungen des letzten Jahres über den Rohstoff- und Energiehunger in den Wachstumsländern China und Indien. Auch diese Länder haben ein Recht auf wirtschaftliche Entwicklung. Sie ist Voraussetzung für die Bekämpfung von Hunger, Armut und Unwissenheit. Dazu braucht man eben auch Energie. Der drastische Anstieg des weltweiten Energiebedarfs führt nicht nur zu einem stärkeren Verbrauch endlicher Ressourcen, sondern auch zu einer Belastung für Klima und Umwelt.

Angesichts der damit verbundenen Gefahren ist es unabdingbar, dieser Trendentwicklung entgegenzusteuern. Deshalb ist Energiepolitik und Energiewirtschaft ohne Berücksichtigung von Klimaschutz und Ressourcenschonung undenkbar geworden.

Diese Entwicklungen sind es und nicht die vielen kurzfristigen Einflüsse, weshalb die Energiepreise auf mittlere und lange Sicht nicht fallen können und nicht fallen werden. Den Preis dafür zahlt im wörtlichen Sinn der Verbraucher. Darauf müssen wir uns einstellen, darauf muss sich der Verbraucher mit seinem Lebensstil einstellen, darauf muss sich aber auch die Politik einstellen.

Wichtig ist, dass es mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz zu mehr Wettbewerb kommen wird. Es muss Schluss sein mit Extraprofiten der großen Energieunternehmen zulasten der privaten Verbraucher, zulasten des Handwerks, zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Auch die Sächsische Staatsregierung stellt sich der Herausforderung langfristig steigender Energiepreise. Ich möchte unsere drei wichtigsten Strategien vorstellen:

An erster Stelle steht für mich die Steigerung der Energieeffizienz. In den vergangenen Jahren hat sich gerade in Deutschland gezeigt, dass Wirtschaftswachstum in einem modernen Land auch möglich ist, ohne dass

gleichzeitig der Primärenergieverbrauch ansteigt. Auch in Sachsen bestehen noch erhebliche Potenziale für eine kostengünstige Energieeffizienzsteigerung bei der Energieanwendung. Diese reichen von den so genannten Stand-by-Verlusten elektronischer Geräte über den privaten Gebäudebestand bis hin zu unnötigem Energieverbrauch in Industrie und gewerblicher Wirtschaft. Wissenschaftler rechnen hier mit Einsparungen bis zu 30 %.

Hinzu kommt, dass Kostensenkungen durch wirtschaftliche Maßnahmen der rationellen Energieanwendung den Unternehmen auch die Chance bieten, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern. Deshalb wird gegenwärtig in Zusammenarbeit zwischen Umweltministerium, Wirtschaftsministerium und Vertretern der sächsischen Wirtschaft ein Maßnahmenkonzept zur Erhöhung der Energieeffizienz in der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft erarbeitet.

Darüber hinaus sind energieeffiziente Technologien aber auch ein ausgesprochener Exportschlager. Wir unterstützen deshalb Exportinitiativen im Energiebereich, so zum Beispiel den Sächsischen Treuhandfonds bei der zur Weltbankgruppe gehörenden International Finance Corporation Moskau. Das Projekt „Energy Efficiency“, „Energieeffizienz“ auf gut Deutsch, soll als erstes im Rahmen dieses Treuhandfonds noch in diesem Jahr starten.

Auch wenn es uns gelingt, sparsamer und effizienter als bisher mit Energie umzugehen, bleibt natürlich die Notwendigkeit, Energie zu erzeugen und bereitzustellen. Kein Energieträger genügt allen Aspekten einer nachhaltigen Energieversorgung – Sicherheit der Versorgung, günstige Kosten, geringe Belastung der Umwelt, soziale Sicherung – gleichermaßen. Deshalb ist ein ausgewogener Mix der Energieträger zu gewährleisten.

Wie dieser Mix aussehen kann und muss, ist auch eine Frage des betrachteten Zeithorizonts. Langfristig gibt es zu einer weltweiten Energieversorgung überwiegend auf der Basis von erneuerbaren Energien keine vernünftige Alternative. Das ist auch gut für Sachsen. Ich habe mich jüngst in Freiberg, einem der Zentren der deutschen Solarenergiewirtschaft, informiert, dass dort die Kapazitäten im Solarbereich ausgebaut werden. Das ist gut für Sachsen.

Kurz- und mittelfristig ist aber die möglichst umweltschonende Nutzung von fossilen Energieträgern unabdingbar, um eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU)

Die Braunkohle hat in der Energiewirtschaft Sachsens kurz- und mittelfristig in den kommenden Jahrzehnten einen festen Platz – zum einen, um die Sicherheit, Kalkulierbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung nicht nur in Sachsen, sondern deutschlandweit zu gewährleisten. Dafür gibt es viele Gründe. Dazu gehören:

Die Importenergieträger Erdöl und Erdgas sind mit tendenziell zunehmenden Unwägbarkeiten hinsichtlich Versorgungssicherheit und Preisstabilität verbunden. Die Kernenergie findet, beispielsweise wegen der ungelösten Endlagerungsfrage und der Anfälligkeit gegenüber dem

internationalen Terrorismus, auf gesellschaftlicher und politischer Ebene zu Recht keine Akzeptanz.

(Zuruf des Abg. Andreas Lämmel, CDU)

Die Nutzung der deutschen Steinkohle ist eben nur mit staatlichen Subventionen möglich und die erneuerbaren Energien haben – zumindest mittelfristig – noch nicht das Potenzial für eine wirtschaftliche Stromerzeugung in der Grundlast.

Zum anderen sichert die Nutzung der Braunkohle Investitionen und Wertschöpfung und damit Tausende Arbeitsplätze im Land, besonders in strukturschwachen Regionen, und das – ich betone das ausdrücklich – ohne jede staatliche oder staatlich verordnete Subvention.

(Beifall des Abg. Andreas Lämmel, CDU)

Neben der Braunkohlennutzung müssen in zunehmendem Maße erneuerbare Energien einen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Auch sie sind heimische Energieträger. Sie verringern das Risiko, welches eine hohe Importabhängigkeit der Energieversorgung in sich birgt. In Sachsen beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch mittlerweile rund 9 %. Wir haben damit jetzt nahezu den bundesdeutschen Durchschnittswert erreicht. Staatsminister Tillich hat es erwähnt: Bei der weiteren Nutzung erneuerbarer Energien setzt die Sächsische Staatsregierung besonders bei der Biomasse einen Schwerpunkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Forschung und Entwicklung im Energiebereich ist die dritte wesentliche Strategie für eine zukunftsfähige Energiewirtschaft. Sie schafft die Basis für wirtschaftliche und soziale Entwicklung künftiger Generationen. In Sachsen existiert eine leistungsstarke und traditionsreiche Energieforschungsinfrastruktur. Diese reicht von der konventionellen Kraftwerkstechnik über die Sicherheitsforschung für kerntechnische Anlagen bis hin zur Nutzung erneuerbarer Energien.

Deutschlandund europaweit eine Spitzenstellung nimmt das sächsische Know-how im Bereich der Vergasungstechnologie ein. Zentrum ist dabei Freiberg. Hier wurde Anfang des Jahres das Deutsche Zentrum für Vergasungstechnik gegründet. Mit Hilfe von Vergasungstechnologien ist es möglich, aus festen kohlenstoffhaltigen Materialien – das kann Kohle, können aber auch Biomasse und Abfälle sein – mit hohem Wirkungsgrad Energie und Energierohstoffe herzustellen. Die Herstellung von hochreinem synthetischen Kraftstoff aus Biomasse ist im großtechnischen Maßstab in Freiberg bereits erfolgreich gelungen. Auch dieses Vorhaben ist mit finanziellen Mitteln des Freistaates Sachsen gefördert worden.

Bis Mitte nächsten Jahres wird die Staatsregierung das Energieprogramm aus dem vergangenen Jahr im Lichte neuer Erkenntnisse und neuer Bewertungen überarbeiten.

(Beifall der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD, und Katja Kipping, PDS)

Ich habe dazu mit großem Interesse auch die Anhörung im Landtag verfolgt. Wir werden Bilanz ziehen und Per

spektiven deutlich machen, besonders für die erneuerbaren Energiequellen und für die rationelle Erzeugung und Anwendung von Energie.