Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

Es kommt ein weiterer Punkt hinzu. Das durchaus angesehene Ifo-Institut hat im Februar dieses Jahres einen Bericht vorgelegt. Unter dem Titel „Gibt es noch eine sächsische Industrielandschaft? Mini-Leuchttürme und Mini-Global-Player“ ist dort zu lesen: „Die Koalitionsvereinbarung wird positiv bewertet. Vor allem der Ansatz, nicht nur die großen Leuchttürme, sondern auch verstärkt den Mittelstand zu fördern, ist der richtige Weg.“

Eine der Hauptbefürchtungen vieler Mittelständler lautet, die Fokussierung auf die Chip- und die Autoindustrie könne dazu führen, dass zwar die Zentren gefördert, aber die Fläche vernachlässigt würde. Dazu heißt es, die

praktizierte Förderpolitik sei der richtige Ansatz, um diese Befürchtungen zu zerstreuen. Das sagen laut IfoBericht zumindest die Mittelständler.

Insofern muss ich für die SPD-Fraktion, wie meine Vorredner, den Antrag der GRÜNEN ablehnen. Wir können eine Einschränkung machen; mein Kollege aus der Koalition hat sie bereits vorgetragen. Unter Punkt 1 erkennen wir durchaus einen positiven Ansatz, weshalb wir ihm zustimmen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Danke schön. – Für die NPD-Fraktion Herr Abg. Delle.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich gemäß der Reihenfolge der Antragstellerin kurz zum Antrag äußern. Der Besetzung des Beirates der Sächsischen Aufbaubank mit Vertretern der Wirtschaft – das ist meines Erachtens der wichtigste Punkt in dem Antrag – wird die NPD zustimmen. So wie die Antragstellerin gehen auch wir davon aus, damit eine weitaus effektivere Gestaltung der Förderprogramme erreichen zu können. Anders sieht dies meine Fraktion schon beim nächsten Punkt, der geforderten Vereinheitlichung der Fördersätze der GA. Dies käme der Aufgabe jeglicher regionaler Strukturpolitik gleich.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Quatsch!)

Sie wollen mit dieser Forderung die Leuchtturmregionen zulasten der sächsischen Peripherie fördern, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Wann begreifen Sie endlich, dass genau diese undifferenzierte Leuchtturmpolitik zu den strukturpolitischen Problemen im Lande geführt hat?

Sie führen als Begründung für Ihre ohnehin die wachstumsstärkeren Regionen bevorzugende Politik an, dass diese weniger stark vom Bevölkerungsrückgang betroffen seien. Bemerken Sie eigentlich, dass Sie damit den Abwanderungsdruck in den übrigen Teilen Sachsens nur erhöhen? Ich hoffe, dass Sie im anstehenden Wahlkampf, so er denn kommen sollte, so ehrlich sind und den Bürgerinnen und Bürgern in diesen Regionen auch sagen, dass Sie diese strukturpolitisch längst abgeschrieben haben.

Im Übrigen sprechen Sie von der Schaffung tragfähiger Strukturen angesichts zurückgehender Strukturmittel. Das ist natürlich zu bedenken; da haben Sie Recht. Wenn einem jedoch Sachsen in seiner Gesamtheit am Herzen liegt – für die NPD-Fraktion trifft dies natürlich zu –, dann folgt für uns aus einem Rückgang der GAMittel gerade die Konzentration auf schwächere Regionen. Die wachstumsstarken Regionen müssten nach Ihrer Logik längst eine tragfähige Struktur bilden. Tun Sie das nicht, dann sollte die Politik, Sie, dem Volke reinen Wein einschenken und ihre Bankrotterklärung abgeben.

Ihr Vorschlag einer mehr branchendifferenzierten Förderung der Gemeinschaftsaufgabe wäre eines eigenen Antrags und konkreterer Ausführungen würdig gewesen. Doch in der Tendenz ist klar, dass Sie auch hier den

Schwerpunkt auf Wachstumsfelder legen wollen. Diesbezüglich wollen wir jedoch kritisch hinterfragen, inwieweit sich dies mit dem Aufbau einer vielfältigen, durchwachsenen Wirtschaftsstruktur verträgt und ob dabei nicht einseitig Schwerpunkte auf die Exportorientierung gelegt werden, deren ökonomische Nachhaltigkeit wir ernsthaft infrage stellen. In der vorliegenden Form, zumal mit der gelieferten Begründung, ist in diesem Punkt von unserer Seite nicht mit Zustimmung zu rechnen.

Punkt 4 stellt ebenfalls eine Form der politischen Bankrotterklärung dar. Wenn man keine Problemlösungen hat, begnügt man sich eben mit Anpassungsstrategien. Man kann zwar durchaus über Mittelumschichtungen im Zusammenhang mit Technologieförderung sprechen; aber wenn Sie sich erinnern, wissen Sie, dass wir in der Haushaltsdebatte auch Ihrem Antrag auf Anhebung der GVFG-Mittel zugunsten einer stärkeren Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs zugestimmt haben. Doch einen infrastrukturellen Rückgang mit der Hilflosigkeit gegenüber dem Bevölkerungsrückgang zu rechtfertigen, findet unsere schärfste Missbilligung.

Von daher wird die NPD-Fraktion Punkt 1 des Antrags zustimmen und den anderen Punkten nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Ich rufe den Sprecher der FDP-Fraktion auf. Herr Morlok.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN macht es uns nicht leicht, weil er richtige Ansätze enthält, aber auch Punkte, die man so überhaupt nicht umsetzen kann. Unter den Punkten 2 und 3 geht es letztlich um die Frage, in welchem Maße wir regional oder branchenmäßig fördern wollen. Man muss fairerweise beide Punkte im Sachzusammenhang sehen. Es ist richtig, dass wir gegen Marktkräfte nicht dauerhaft an einer Strukturförderung in einer Region festhalten können. Wenn das Ihre Aussage ist, Frau Hermenau, dann sind wir bei Ihnen. Aber zwischen der grundsätzlichen Erkenntnis, dass man nicht dauerhaft gegen den Markt Förderpolitik betreiben kann, und den Realitäten in Sachsen gibt es noch ein paar Unterschiede.

Der Verzicht auf eine verstärkte regionale Förderung würde dazu führen, dass Regionen von der Entwicklung abgekoppelt würden. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal. Wenn wir uns im Rahmen der Ausschussberatungen, insbesondere in Vorbereitung auf den nächsten Doppelhaushalt, überlegen sollen, wie wir die Förderkulisse anders justieren können, um zu anderen Schwerpunktsetzungen zu kommen, dann kann das von uns mitgetragen werden. Ich möchte die Regierungsfraktionen aufrufen, ohne parteipolitische Scheuklappen zu versuchen, hinsichtlich dieser Frage andere Schwerpunktsetzungen zu erreichen. Ein genereller Verzicht auf die differenzierte Förderkulisse, das heißt auf die höheren Fördersätze in den Regionen, ist aber noch nicht machbar.

Ähnlich problematisch ist es mit den Wachstumsbranchen. Wir sind bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass wir

nicht jede Branche gleichermaßen fördern können. Es hat keinen Sinn, an Branchen, in denen es ohnehin Überkapazitäten gibt, die in angemessener Zeit auch nicht verschwinden werden, weitere Fördergelder zu geben.

Es ist allerdings sehr schwer, Wachstumsbranchen zu identifizieren bzw. festzulegen. Wir müssen uns in Vorbereitung des nächsten Doppelhaushalts intensiv darüber Gedanken machen, was unter Umständen zu korrigieren ist; ich denke, da gibt es einige Punkte.

Weil das so ist, werden wir uns zu den Punkten 2 und 3 Ihres Antrags der Stimme enthalten. Wir erkennen durchaus Ihre Intention, dass wir hier etwas verändern müssen, geben aber zu bedenken, dass es so, insbesondere so kurzfristig, wie der Antrag es suggeriert, nicht geht.

Gestatten Sie mir eine leicht ironische Reaktion auf den Beitrag von Herrn Delle. Ich glaube, die GRÜNEN würden es den Menschen auf dem flachen Land nicht erklären können, weil sie dort überhaupt nicht vorhanden sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der NPD)

Darauf werden Sie leider vergeblich warten. Vielleicht haben Ihre besondere Wahrnehmung in den Städten und der Umstand, dass Ihnen die Problemlagen auf dem flachen Land nicht so bekannt sind, dazu geführt, dass Sie den Antrag so pointiert und mit einer so kurzen Fristsetzung eingebracht haben.

Hinsichtlich des Punktes 1 haben Sie unsere volle Unterstützung. Wir werden ihm selbstverständlich zustimmen.

Wenn wir aber – ich denke, das tun wir im Hause ganz allgemein – Probleme hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur in den Regionen sehen, dann kann ich es nicht verstehen, warum Sie Mittel aus dem Straßenbau wegnehmen wollen. Wenn man versuchen möchte, gerade in den Regionen Wertschöpfung anzusiedeln, dann ist eine Grundvoraussetzung, damit das mit dem Markt und nicht gegen ihn passiert, dass diese Regionen auch erreichbar sind. Deswegen ist Umsteuern hier der falsche Weg.

Wir als Abgeordnete haben von der Bertelsmann-Stiftung das aktuelle Handbuch über den Standortwettbewerb 2005 in die Hände bekommen. Dort wird zu den Themen „Sachsen“ und „Haushalt“ einiges Positive ausgeführt. Unter anderem heißt es, dass die Haushaltsmittel weiterhin für investive Zwecke verwendet werden sollen. Der letzte Satz lautet – ich zitiere –: „Dass dies weiterhin notwendig ist, zeigt der unterdurchschnittliche Wert von 1,98 Punkten bei dem Wirkungsfaktor Verkehrsinfrastruktur, obwohl die Schäden auf Straßen und Brücken inzwischen zum größten Teil behoben sind.“

Das heißt, die Bertelsmann-Stiftung attestiert uns sehr wohl im Freistaat einen erheblichen Nachholbedarf im Straßenbau. Weil das so ist, können wir leider Ihrem Punkt 4 nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das war die erste Runde der Fraktionen. Weiteren Aussprachebedarf seitens der Fraktionen sehe ich nicht. Die Staatsregierung? – Der Staatsminister der Justiz Herr Mackenroth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe die Rede, die ich in Vertretung des derzeit verhinderten Staatsministers Jurk halten soll, zu Protokoll.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Danke schön. – Demzufolge kommen wir zum Schlusswort; Frau Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Mackenroth, ich kann Sie natürlich verstehen, dass Sie die Rede lieber zu Protokoll geben wollen. Aber es ist schade, dass wir die tollen Argumente von Herrn Jurk nicht hören können. Es ist schon ein bisschen auffällig, wenn ich hier beobachten muss, dass sich die Strukturkonservativen zusammenrotten, wenn Herr Zais, Herr Petzold und Herr Brangs in derselben Art und Weise argumentieren und so tun, als würden wir ländliche Regionen abschreiben. Das ist mitnichten der Fall.

Wir haben von einheitlichen Fördersätzen sachsenweit gesprochen. Wir haben nicht davon gesprochen, strukturschwachen Regionen gar nichts zu geben, um das deutlich zu machen. Aber die Fehlallokationen sind auffällig. Wir sehen uns ja hier alle in den nächsten Monaten und Jahren wieder. Wir können das immer weiter diskutieren. Erkenntnisse kommen ja auch manchmal schubweise. Eines ist klar: Ein zentraler Standortfaktor, der deutlich wichtiger ist als die Frage der Verkehrsinfrastruktur: das ist die Frage der Fachkräftesituation. Da können Sie mir über den ländlichen Raum erzählen, was Sie wollen – für bestimmte Branchen gibt es eigentlich nicht genügend Möglichkeiten, die Fachkräfte heranzuziehen, dort zu halten bzw. zu entwickeln. Insofern muss man genau überlegen, wie man mit dem Problem umgeht. Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Wir kommen ja auch zu Haushaltsdiskussionen in diesen Landtag. Dort werden wir uns darüber unterhalten, inwieweit wir es bis 2007 geschafft haben, weiter unabhängig von Fördermitteln zu werden, von denen wir in so starkem Maße abhängig sind. Mein wichtigstes Ziel ist es, dass wir so schnell wie möglich, so weit wie möglich damit vorankommen, nicht mehr so abhängig davon zu sein, was andere uns überweisen müssen. Denen geht es nämlich auch nicht so gut, und es kann gut sein, dass wir dann Abhängigkeiten haben, mit denen wir später nicht mehr klar kommen. Je mehr wir es schaffen, aus eigener Substanz und eigener finanzieller Kraft zu leben, desto mehr Möglichkeiten haben wir, unser Land selbst zu gestalten. Deswegen ist es ein wichtiger Punkt.

Wenn man wie Sie, Herr Zais, die große Revolution oder „Aleksa.“ oder den großen Wurf machen will – ich kenne mich damit aus –: Die werden meist angekündigt, bleiben als Ladenhüter im Regal liegen und niemand

packt etwas an, weil kein erster Schritt gemacht wird. Das ist immer das Ende eines großen Wurfes. Davon halte ich nichts. Ich bin ein Mensch, der der Meinung ist, man muss anfangen, erste Schritte unternehmen und weiterentwickeln. Nur so kommt man voran. Ansonsten bleibt man sitzen, wo man ist, sinniert und philosophiert über den so genannten großen Wurf. Wie gesagt, wir sehen uns hier Monat für Monat und Jahr für Jahr immer wieder und können das weiter lebhaft diskutieren. Davon gehe ich nach der heutigen Debatte auch aus. Erkenntnisschübe sind nicht ausgeschlossen, und zwar nach allen Seiten des Hauses.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war das Schlusswort, meine Damen und Herren. Wir kommen zur Abstimmung. Es hat sich herumgesprochen, dass wir punktweise abstimmen, und wir haben vier Punkte. Somit rufe ich als Erstes den Punkt 1 auf. Wer diesem Punkt zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Sehr viele. Die Gegen

probe! – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.

Ich rufe den Punkt 2 auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Wenige. Die Gegenprobe! – Sehr reichlich. Die Stimmenthaltungen! – Bei Stimmenthaltungen und Pro-Stimmen ist dem Punkt mit großer Mehrheit nicht gefolgt worden.

Ich rufe den Punkt 3 auf. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das fängt bekannt an. Wer ist dagegen? – Das setzt sich fort. Wer enthält sich? – Es gibt gleiches Abstimmungsverhalten und der Punkt ist damit mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Punkt 4. Wer Punkt 4 folgt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Es gibt Varianten. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Eine Stimmenthaltung, aber mit übergroßer Mehrheit trotzdem abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.