Protokoll der Sitzung vom 14.07.2005

Herr Ministerpräsident, es ist sehr bedauerlich, dass Sie keine Anfragen in der Debatte zugelassen haben, wobei der Tagesordnungspunkt durchaus den Charakter einer Debatte trägt, sodass ich mich jetzt noch einmal zu Wort melden muss. Ich frage Sie einfach, ob es eine Falschmeldung der Presse ist, wenn Sie noch am 10. Mai im Gespräch mit Frau Merkel und Herrn Althaus zitiert würden, dass die Mehrwertsteuer angehoben werden müsse, was Herr Böhmer verlangt hatte: „Dagegen sprechen sich seine Kollegen aus Thüringen und Sachsen, Dieter Althaus und Georg Milbradt, heute gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer aus“ mit der Begründung, „ich lehne eine Mehrwertsteuererhöhung strikt ab, weil dadurch zusätzlich zu der Wachstumsschwäche eine Konsumschwäche organisiert werden würde.“ Persönlich werden Sie später noch einmal zitiert: „Eine Mehrwertsteuererhöhung kommt nicht infrage.“ Wir haben jetzt Juli desselben Jahres. Das ist eine derart kurze Spanne, sodass ich wirklich die Frage habe, wie beliebig Äußerungen von Politikern sich noch entwickeln werden.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, bitte.

Ich habe das doch eben deutlich gesagt. Ich bin gegen eine Mehrwertsteuererhöhung zur Konsolidierung der Haushalte.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war auch der Zusammenhang des Kollegen Böhmer. Sie haben ihn ja freundlicherweise zitiert. Der hat nämlich nicht von irgendwelchen Entlastungen geredet, sondern der wollte das Geld für den Bundes- und die Landeshaushalte haben. Dagegen bin ich gewesen, und ich bin immer noch dagegen. Ich habe immer gesagt, dass ich eine isolierte Erhöhung der Mehrwertsteuer ablehne. Dem Vorschlag der Umfinanzierung im Sinne einer Neujustierung unserer Steuer- und Abgabensysteme kann man sich doch nicht entziehen. Darüber reden wir. Wenn die Bedingungen gegeben sind, da gebe ich Frau Hermenau Recht, zeit- und wirkungsgleich zu erhöhen bzw. zu senken, dann kann man es meines Erachtens vertreten. Damit ist meine Position unverändert geblieben. Dann entstehen auch keine Entzugseffekte, denn dasselbe Geld, was Sie durch die Steuer entziehen, geben Sie in Form von Beitragsermäßigungen weiter. Das heißt, die Kaufkraft bleibt dieselbe.

(Rico Gebhardt, PDS: Bei Rentnern?)

Völlig richtig! Es gibt natürlich Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen. Wenn aber die Priorität darin besteht, Arbeit zu fördern, dann muss ich in erster Linie die entlasten, die arbeiten oder die Arbeit zu vergeben haben.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Wenn ich eine Politik mache, die sich den Schein des Sozialen und Gerechten gibt, aber keine Lösung für die

Arbeitslosen findet, dann ist sie nach meiner Meinung im Ergebnis ungerecht.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das unterscheidet mich von Ihnen. Noch einmal zu Frau Hermenau. Unterstützen Sie mich doch in meiner Position eines strikten Zusammenhanges zwischen der Mehrwertsteuer und der Umfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme!

(Bettina Simon, PDS, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Ministerpräsident!

Dann kämen wir, glaube ich, insgesamt zu einer besseren Lösung in Deutschland. Ich befürchte, – –

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Nein, die Kollegin kann sich zu Wort melden. Ich befürchte, wenn wir so etwas nicht tun, nur Parteipolitik in den Vordergrund stellen und das verdammen, was wir vorher für gut befunden haben und umgekehrt, dass wir dann nicht zu einer guten Lösung in Deutschland kommen werden. Ich habe in der Mehrwertsteuerfrage und in der Frage der Umfinanzierung immer dieselbe Position vertreten. Das will ich noch einmal betonen. Das war vor dem CDU-Programm so, das ist nach dem CDU-Programm so und ich werde das auch vertreten, wenn die Nagelprobe kommt, nämlich die Abstimmung im Bundesrat irgendwann im Spätherbst dieses Jahres. Denn wenn die Maßnahmen zum 01.01.2006 in Kraft treten sollen, muss eine Abstimmung im November stattfinden. Dann werden wir in der Koalition versuchen, eine gemeinsame Position für Sachsen im Bundesrat zu formulieren. Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Morlok von der FDP-Fraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich habe immer gesagt, dass wir uns darüber einig sind – das haben Sie auch bestätigt –, dass wir den Faktor Arbeit entlasten müssen. Darüber gibt es keinerlei Differenz. Das, was seitens der CDU vorgeschlagen wird, ist die Entlastung des Faktors Arbeit durch die Belastung des Faktors Konsum. Ich bin nicht dafür, dass wir bei den Transferleistungen der Arbeitsagentur an den Menschen sparen. Aber ich dachte immer, dass auch Sie der Auffassung sind, dass

die Staatsquote grundsätzlich gesenkt werden muss. Ich meine sehr ernsthaft, dass wir in der Bundesagentur, in diesem riesigen bürokratischen Moloch, erhebliche Einsparungspotenziale haben, die wir zuerst heben müssen, bevor wir über eine Mehrwertsteuererhöhung nachdenken können.

(Beifall bei der FDP)

Wer die Mehrwertsteuererhöhung jetzt schon im Munde führt, nimmt genau den Druck weg, hier zu Reformen zu kommen. Ich meine deshalb, wenn wir uns gemeinsam darauf verständigen würden, hier zu Reformen zu kommen, hätten wir eine Entlastung des Faktors Arbeit, ohne die Bürgerinnen und Bürger weiter belasten zu müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Simon, PDSFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde heute einmal das Novum versuchen, das letzte Wort zu behalten. Herr Ministerpräsident, es sind Zahlen genannt worden. Diese gehen von 18 Milliarden Euro Belastung und von acht Milliarden Euro Entlastung aus Ihrem Vorschlag aus. Das ergibt für jeden, der rechnen kann, ein Defizit von zehn Milliarden Euro. Die Aussage, dass ganze Bevölkerungsgruppen, wie Freiberufler, Selbstständige, Rentner und Arbeitslose, von jeder Art Entlastung ausgeschlossen werden, konnten Sie auch nicht entkräften, sodass ich zum Schluss nur sagen möchte: Gebetsmühlenartig ist immer wieder auch hier im Sächsischen Landtag gesagt worden, die Binnenkonjunktur möge anspringen. An die Bürger wurde appelliert zu konsumieren, weil dies die ideale Ergänzung zum Motor Export sei. Ich bin mir sicher, dass mit den heutigen Maßnahmen verhindert werden wird, dass die Binnenkonjunktur überhaupt anspringt. Denn Sie haben völlig Recht gehabt: Diese Maßnahme führt zu einer Konsumschwäche und das ist das Allerwenigste, was dieses Land braucht.

Frau Simon, es gibt den Wunsch zu einer Zwischenfrage. Gestatten Sie diese?

Herr Prof. Bolick.

Ist Ihnen bewusst, dass Sie bei Ihrer Rechnung den Arbeitgeberanteil vergessen oder vernachlässigt haben? Dieser wird doch auch marktwirksam.

Die Arbeitgeber – das hatte ich in meiner Rede gesagt – sind inzwischen durch die Senkung der Körperschaftsteuer um Milliarden Euro entlastet worden mit dem Ergebnis, dass die großen Unternehmen 35 000 Arbeitsplätze abgebaut haben. Der

Mittelstand läuft nicht ohne Grund Sturm gegen diese Maßnahme, weil er dadurch belastet wird.

(Beifall bei der PDS)

Herr Dr. Porsch, bitte.

Frau Kollegin Simon, stimmen Sie mir zu, dass Unternehmer nicht dann Arbeitsplätze schaffen, wenn sie vielleicht Geld dafür haben, sondern nur dann, wenn Nachfrage nach ihren Produkten besteht? Stimmen Sie mir zu, dass nur die, die sehr wenig Geld haben, zusätzliches Geld vollständig in den Konsum stecken, während die, die relativ viel Geld haben, zusätzliches Geld auf die Börsen und die Banken bringen und dieses Geld somit nicht unmittelbar dem Konsum zuführen?

Ich stimme Ihnen nicht nur zu, sondern ich hoffe, dass diese Worte endlich Eingang in die Politik der Sächsischen Staatsregierung finden. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zur Aktuellen Debatte. Doch, Herr Ministerpräsident.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Er hat doch das letzte Wort!)

Frau Kollegin, merken Sie denn nicht, dass Sie sich ständig widersprechen? Wenn ich den Faktor Arbeit entlaste, entlaste ich doch nicht die großen Unternehmen. Wo ist denn der Arbeitskostenanteil am größten? In den kleinen Betrieben, in den Mittelbetrieben!

(Beifall bei der CDU)

Im Gegensatz zur Körperschaftsteuerreform, die die Großen entlastet hat und über deren Wirkung man auch unterschiedlicher Meinung sein kann, wirkt die Entlastung bei den Lohnnebenkosten eben genau umgekehrt: Die kleinen Betriebe haben wesentlich mehr davon als die großen Betriebe.

(Zurufe von der PDS und der CDU)

Das Zweite, Herr Porsch: Wenn es so wäre, dass Nachfrage Arbeit schaffen würde, dann müsste in Ostdeutschland eine Boomsituation herrschen. Nur die letzten Zahlen: In Ostdeutschland gibt es eine kaufkräftige Nachfrage von 380 Milliarden Euro, es werden aber nur 260 Milliarden Euro produziert.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Das Problem ist also nicht, dass etwa ein Defizit an Kaufkraft im Osten vorhanden wäre, sondern unser Problem ist, dass wir auch unsere Produkte an den

Mann oder an die Frau bringen müssen. Das heißt, wir müssen wettbewerbsfähig sein.