Was gehen die Vorgänge den Landtag an?, frage ich. Abgesehen davon, dass der, der am tiefsten drin ist in diesen ganzen großen Wirtschaftsvorgängen, der Bescheid weiß mit ZMD, der Bescheid weiß mit anderen Verfahren – –
Na, selbstverständlich, ich weiß doch, wie der Gang ist. Herr Eggert, das ist nicht erwiesen. Da wäre ich sehr vorsichtig, da die Verleumdung nicht geschützt ist. – Das ist ja wohl noch nicht erwiesen. Das würde ich jetzt mal nicht so laut in das Plenum rufen.
Zur Frage 1: Was gehen die Vorgänge den Landtag an? Das hier noch einmal zusammenfassend geschilderte, in der Realität wesentlich verästeltere Procedere greift eklatant in die durch Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes und im Übrigen auch durch die Sächsische Verfassung, wie vorhin schon gesagt, wortgleich geschützte Pressefreiheit ein. Und da lesen wir eben in der Kommentierung von Sachs zum Grundgesetz: „Gerade die Pressefreiheit ist schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Presse ist unentbehrliches Medium und essenzieller Faktor der öffentlichen Meinungsbildung“ – nachzulesen in zwei Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen.
Und dort werden Sie auch lesen, dass zu dem Kernbereich der Pressefreiheit die so genannte Informationsgewinnungsfreiheit gehört. Nun sind wir alle doch lange genug in der Politik, dass wir genau wissen, dass die Kontrollfunktion der Presse, nämlich Politik, Wirtschaft, Macht zu kontrollieren und die Öffentlichkeit zu informieren, nie wieder funktioniert, nie gehen kann, wenn es keinen Informantenschutz gibt.
Wie hoch der Preis ist, dazu sage ich etwas. Das hat nämlich das Verfassungsgericht definiert. Und darum haben Sie vorhin vornehm herumgeredet, Herr Staatsminister. Das werde ich Ihnen jetzt gleich belegen. Ich verlange schon, dass auf der Ebene des Staatsanwalts in Chemnitz, auf der Ebene des Leitenden Oberstaatsanwalts in Chemnitz, auf der Ebene des LOStA in Dresden, des Generalstaatsanwalts und des Justizministeriums in der Reichweite der Verhältnismäßigkeit exakt das Problem mitgedacht wird. Nun haben wir tatsächlich diese unglückliche Formulierung in § 100g, der zwei Alternativen aufmacht, der zunächst sagt: „… soweit bestimmte Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass jemand Täter oder Teilnehmer einer Straftat von erheblicher Bedeutung war“, und dann sagt das Änderungsgesetz vom 27. Dezember 2001, verkündet am 1. Januar 2002 und in Kraft getreten: „… oder mittels einer Endeinrichtung nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 des Telekommunikationsgesetzes“ – da sind die Endanschlüsse, Handys usw. gemeint – „begangen worden ist“. Die Alternative, das hineinzubasteln, ist ja noch schlüssig, weil das Wort „oder“ zum Beispiel für den Fall gemeint ist, wo ich Stalkingtäter erkunden will oder wo ich Nötigung oder Bedrohung erkunden will. Aber wenn ich das Wort „oder“ hineinbastle, dann muss
ich als Bundesgesetzgeber natürlich an die Reichweite des Schutzes der Pressefreiheit mit denken, dann muss ich wenigstens eine Vorkehrung treffen, dass jedenfalls bei dem „oder“, sprich: bei der Erhebung von Enddaten, nicht automatisch die Tür völlig offen ist – darauf haben sich ja nachher die Staatsanwaltschaften Chemnitz und Dresden gestützt –, dass durch das Wort „oder“ nicht mehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung die Rede ist, sondern nur noch von der Verwendung von Enddaten. Das hat der Bundesgesetzgeber 2001, wie ich hoffe, nicht kalkuliert, nicht gewollt, denn dann wäre es die direkte, flagrante Aushöhlung des Presserechts durch den Bundesgesetzgeber. Dann ist es das, was man klassisch verfassungswidriges einfach gesetzliches Recht nennt, und darauf dürfen Sie sich nachher nicht stützen. Das ist ja das Problem. Herr Staatsminister, es hätte schon zur Objektivität gehört, ganz kurz Bezug zu dem wesentlichen Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 2003 zu nehmen – wenn Sie mitschreiben wollen: Az. 1 BVR 330/96 und 1 BVR 348/99. Ich sage einmal vorab: Dort ging es darum, dass zwei Journalisten gegen die Verletzung ihrer Rechte aus den Artikeln 5 und 10 der Verfassung geklagt haben, weil ihre Daten ausgelesen worden sind, weil sie zum einen mit dem Baulöwen Jürgen Schneider, der sich im Ausland aufhielt, in telefonischem Kontakt gewesen sind, und zum anderen ging es um die Telefondaten einer „Stern“-Journalistin, die mit dem ExTerroristen Hans-Joachim Klein, der wegen mehrfachen Mordes, versuchten Totschlags usw. gesucht wurde, in Verbindung war; beide waren flüchtig, beide waren im Ausland. Bei der Gelegenheit der Auslesung der Telefondaten, die nicht erfolgt ist, um zu wissen, wer der Informant war, sondern um zu wissen, wo sie sind, um die Strafverfolgung anzusetzen, hat das Verfassungsgericht definitiv und unmissverständlich formuliert – und das war jenseits des In-KraftTretens des Gesetzes –: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können sich zum Schutz der Vertraulichkeit der Informationsbeschaffung und der Redaktionsarbeit auf das Fernmeldegeheimnis aus Artikel 10 und insoweit auf die Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz berufen. Richterliche Anordnungen gegenüber Telekommunikationsunternehmen, im Rahmen der Strafverfolgung, Auskunft über Abrechnungszwecke bereits vorhandener oder Durchführung einer Zielwahlsuche zu ermittelnden Verbindungsdaten zu erteilen, greifen in das Fernmeldegeheimnis des von der Auskunft Betroffenen ein.“ Dann folgt der Satz: „Derartige Eingriffe sind nur gerechtfertigt, wenn sie zur Verfolgung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich sind, hinsichtlich der ein konkreter Tatverdacht besteht und wenn eine hinreichend sichere Tatsachenbasis für die Annahme vorliegt, dass durch die Anordnung Betroffene mit dem Beschuldigten über Telekommunikationsanlagen in Verbindung stehen.“ In dem Verfassungsgerichtsurteil wimmelt es nur so von weiteren Passagen, in denen das Gericht definitiv sagt, ihr dürft es nur machen, wenn Straftaten von erheblicher Bedeutung vorliegen, und es
handelt es ab an dem Beispiel, als es darum ging, nicht einmal Informanten auszuforschen, sondern nur den Aufenthaltsort. Da hat es das Gericht durchgehen lassen im Maßstab der Konkordanz entsprechend der Abwägung gegen die Pressefreiheit. Das muss man wirklich einmal mit sagen. Insofern haben wir es eindeutig mit verfassungswidrigem Gesetzesrecht zu tun, und das kann ich nicht anwenden, dann muss ich schon das Urteil mit lesen, wenn ich die Passage hinter dem „und“ nehmen will. Ja, sicher muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Es hat entschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat doch entschieden, es hat gesagt, die gesetzeskonforme Auslegung des § 100g ist nur möglich bei Straftaten mit erheblicher Bedeutung. Es ist doch definitiv gesagt worden – 2003 entschieden durch das Bundesverfassungsgericht. Es ist doch oft so, dass unsere Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht ausgelegt werden, zuletzt beim Verfassungsschutzgesetz, bei dem sie sagen, nur bei der und der Auslegung, bei der und der Anwendung ist es verfassungskonform. Und genau das war es auch hier. Insofern haben Sie in dem Punkt auf jeden Fall die Rechte der Presse verletzt. Zweitens ganz kurz zu der Problematik mit der Staatsanwaltschaft: Ich bin kein Anhänger der jetzigen Stellung der Staatsanwaltschaft, da bin ich absolut kein Fan. Aber es ist halt so, dass sie jetzt momentan laut Kommentar besteht – ich verweise auf Meyer-Goßner, konkret auf den § 141 Gerichtsverfassungsgesetz – unter der Überschrift „Weisungsgebundenheit, Verhältnis zur dritten Gewalt und parlamentarische Verantwortlichkeit“: „Der Staatsanwalt ist weisungsgebunden, er übt schon deshalb keine rechtsprechende Gewalt aus. Daher gehört die Staatsanwaltschaft zur Exekutive, über sie und den Justizminister ist im Bereich der Strafrechtspflege“ – jetzt hören Sie zu! – „das Grundprinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit realisiert.“
Und genau das machen wir jetzt, wir realisieren das Grundprinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit. Die Staatsanwaltschaft unterliegt als Bestandteil der Exekutive natürlich der Kontrolle des Parlaments und dient dessen verfassungsmäßigem Auftrag. Dann können Sie uns doch nicht vorwerfen, dass wir in Rechte der Staatsanwaltschaft eingreifen.
Ist das Rabulistik? Das ist Rechtsprechung, aber das ist natürlich weit weg von Zahlen und Verstand eines hoch gebildeten Finanzspezialisten.
Zum Loyalitätsprinzip will ich nur Folgendes sagen: Ich frage Sie, Herr Staatsminister: Ist es richtig, dass nach dem Legalitätsprinzip die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren stets einleiten muss? Ist gegen Herrn Staatsminister de Maizière im Dezember 2004 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, als er im Kontext mit dem Sondereinsatzkommando – Vorfall in
Loschwitz – Daten, die er nur aus der Akte haben konnte, der Öffentlichkeit preisgegeben hat, bis hin zu Namen?
Wo anders als aus Dienstgeheimnissen konnte er die Daten herhaben, die Namen, die Abläufe etc.? Die hatte er der allgemeinen Presseöffentlichkeit bekannt gegeben. Gab es die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens? Nein. Ist gegen mich, ist gegen die anderen Mitglieder des Bewertungsausschusses dieses Hohen Hauses ein Ermittlungsverfahren wegen Verrats von Geheimnissen eingeleitet worden, nachdem am selben Tag, an dem der Bewertungsausschuss entscheidet, nachdem er ein Vierteljahr lang – ich denke, ich bin im falschen Film – in abhörsicheren Räumen tagt und berät, in denen immer, wenn ich ein Blatt umblättere, das Licht ausgemacht wird vor lauter Geheimhaltungsdrang und in dem immer zwei Mann von den anderen Fraktionen mit drin sein müssen, wenn ich ein Blatt lesen will; da bin ich kaum wieder raus aus dem Raum, da ist die Entscheidung des entsprechenden Ausschusses schon in der Presse? Ist schon ein Ermittlungsverfahren im Gang, sonst mache ich jetzt hier Selbstanzeige von Amts wegen?! Das ist doch alles eine Augenauswischerei, dass hier noch ohne Ansehen der Person ermittelt wird. Hier wird nur nach politischer Opportunität eingeleitet.
Und von wegen voyeuristische Fotos von Schommer! Was ist denn mit den voyeuristischen Fotos von Porsch, worin sich alle weidlich ertun, wenn sie irgendwo einen Schnappschuss haben, die Frau eingeschlossen und die Familie? So viel zum hehren Funktionieren des Legalitätsprinzips im Freistaat Sachsen.
Niemand fordert – das will ich hier noch einmal eindeutig sagen; Sie werden es in dem Antrag auch nicht finden –, dass Sie es als Justizminister in dem Fall hätten per Weisung unterbinden müssen. Ich wünsche mir nur, dass Sie dafür eintreten, dass die Staatsanwaltschaft endlich eine Stellung bekommt, in der sie tatsächlich frei ist von indoktrinären Einflüssen aus politischen Machtetagen, indem sie eine unabhängige Stellung bekommt, indem sie tatsächlich einem Richteramt gleich mehr oder weniger für sich und aus der Sachkompetenz heraus und fernab von Politik entscheiden kann, was sie in welchem Fall ermittelt, mit welcher Vehemenz und mit welchen Mitteln. Dann funktioniert das, aber nicht so, wie sie jetzt angebunden ist auf der Weisungsebene. In dieser Frage bin ich sehr bei den Berufsverbänden, die auch das, was heute im Hohen Haus stattfindet, kritisch beargwöhnen. Das ist mir völlig klar. Na selbstverständlich beargwöhnen die es kritisch, wenn wir als Parlament da herumkurven!
Aber nichtsdestotrotz geht es um die Frage, dass wir einen Weg zur unabhängigen Staatsanwaltschaft finden müssen. Und Letztens. Sie wollten uns allen Ernstes erklären, dass bei den Mitarbeitern von INES, die das hinter sich haben, was in den letzten drei Monaten im Umfeld dieser Sache passiert ist, noch die Überzeugung da ist, dass sie der Dienstherr in dem schwierigen Kampf, in der schwierigen Aufgabe, in Korruptionszusammenhänge einzudringen, in irgendeiner Form unterstützt. Als das Sondereinsatzkommando schon, erweislich durch Gerichtsentscheid – nur noch einen Satz –, als rechtswidrig betrachtet war, hat sich de Maizière noch hingestellt und gesagt: Ich schütze meine Polizisten, ich schütze meine Kriminalisten, ich schütze meine Leute, die in Gefahr sind!
Hat er aber gar nicht; einmal abgesehen davon. Und in der Konstellation hier, was INES anbetrifft, wollen Sie mir doch nicht allen Ernstes erklären, dass, wenn ich erwäge, mich wegen einer solchen Sache – die ist für mich wieder Rechtsverletzung, ist nicht okay, die muss man wieder reparieren, die muss man in Gang bringen, die muss man benennen –, wegen des Morgenmantels des Ministers, 29 Kriminalisten und 19 Mitarbeiter von INES auf das volle Ballett des prozessualen Eingriffsrechts zu stützen, dann bei den Leuten von INES noch die Überzeugung da ist, dass sie frei und unbeeindruckt von den Einflüssen ermitteln können. Mitnichten! Insofern ist der Antrag, den wir heute vorbringen, ad eins im Kernbereich der Verantwortung des Parlaments, ad zwei ist er dringend und aktuell notwendig, weil nämlich das, was hier geschieht, sich jeden Tag wiederholen kann. Es gab schon 2003 eine Kleine Anfrage meines damaligen Fraktionskollegen Steffen Tippach eben schon zur Erfassung von Telefondaten. Da hat sich die Staatsregierung noch herausgeredet und gesagt, konnte sie sich herausreden: Die gab es nicht in dem Fall; da ging es um die Polizeifachschule. Das kann sich jeden Tag wiederholen, und jeden Tag stehen Journalisten und stehen diejenigen, die über Missverhältnisse, auch in Korruptionszusammenhängen, informieren wollen, jetzt im Freistaat Sachsen auf dem Tablett, dass die Sache jederzeit kippen kann, wenn derjenige, den sie gewissermaßen anpinkeln wollen, in der Hierarchie höher gestellt ist – wie in diesem Falle Schommer. Das kann letzten Endes im Interesse des Ansehens dieses Freistaates keinen Tag länger angehen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesem Redebeitrag habe ich fast den Eindruck, dass die PDS-Fraktion ihren Antrag zurückziehen will.
Sie haben uns auch davon überzeugt, dass Sie Ihren Antrag nicht wirklich wollen, und haben das mit Ihrer Rede auch zum Ausdruck gebracht.
(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Bitte habe ich noch an Sie, Herr Kollege Bartl. Sie haben natürlich wenig Mitleid mit den Mitgliedern dieses Hohen Hauses, Sie sollten aber ein bisschen Mitleid mit den Stenografen haben. Ihre Sprechgeschwindigkeit ist nicht ganz so einfach zu erfassen.
(Vereinzelt Beifall – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir haben gute Stenografen! Sind sogar Weltmeister darunter!)
(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja, warum denn? – Lachen bei der Linksfraktion.PDS – Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Steht alles drin!)
Was wollen Sie mit dieser Debatte hier im Hohen Haus letztendlich Einfluss nehmend – ich betonte: Einfluss nehmend – bewirken?
Ich habe nicht feststellen können, dass Sie den Rechtsstaat in Gefahr gesehen haben. Das habe ich aus Ihrer Rede nicht ersehen. Und deshalb frage ich mich auch:
(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Weitere Zurufe von der Linksfraktion.PDS)
Wenn man jetzt mit dem vom Staatsminister genannten „Mäntelchen“ argumentieren würde, dann gehe ich einmal davon aus, dass die PDS-Fraktion – oder jetzt die Linksfraktion – ihr Mäntelchen nicht nur nach dem Wind hängt, sondern sie hat für jede Situation ein Mäntelchen parat. Wir sollten nicht vergessen, dass das Mäntelchen der SED noch im Schrank hängt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube dennoch, wir hätten uns diese Sondersitzung hier ersparen können.
(Zurufe von der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das Mäntelchen hängt in der Vitrine!)