Protokoll der Sitzung vom 07.09.2005

Diese Aussage wage ich – obwohl die Gerichte in diesem Fall noch kein abschließendes Urteil gefällt haben –, weil für mich außer Frage steht, dass es der Staatsanwaltschaft an der gebotenen Sensibilität im Umgang mit der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit eindeutig gefehlt hat. Genau aus diesem Grunde bat ich Herrn Staatsminister Mackenroth, den ich als Menschen, als Demokraten und als Fachmann außerordentlich schätze, den Betroffenen eine Geste des Bedauerns zukommen zu lassen, nicht als Schuldeingeständnis, aber als Geste der Verständigung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur wegen des schönen Spätsommerwetters werde ich es Ihnen und mir ersparen, meine Redezeit voll in Anspruch zu nehmen. Es macht, wie ich schon eingangs sagte, einfach keinen Sinn, mitten in der aufgeheizten Phase des Bundestagswahlkampfes im Plenum des Sächsischen Landtages einen derart komplizierten Sachverhalt zu behandeln. Da bleibt, wie wir schon gemerkt haben, die gebotene Sachlichkeit oft genug auf der Strecke. Umso wichtiger ist es jedoch, den Fall auf der Fachebene in den zuständigen Ausschüssen und – wenn die Zeit dafür reif ist – auch noch einmal im Plenum zu behandeln. Wir müssen selbstverständlich die Fehler analysieren und notwendige

Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wir müssen weiteren Schaden von der Behörde INES abwenden und eine erfolgreiche Korruptionsbekämpfung im Freistaat Sachsen sicherstellen, weil unser Land schlagkräftige Instanzen zur Korruptionsbekämpfung braucht – im Gegensatz zu der aus wahltaktischen Gründen anberaumten Sondersitzung. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Antrag der SED hat uns heute, nur zwei Wochen vor den regulär stattfindenden Plenarsitzungen, zu einer Sondersitzung zusammengeführt.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Als mich letztens am Infostand das Telefonat erreichte und mir mitgeteilt wurde, dass die PDS eine Sondersitzung beantragt hat, habe ich mir gedacht: Respekt, jetzt wollen sie endlich den Fall Porsch vom Tisch haben. Aber nein, es ging um die Korruptionsbekämpfung in Sachsen und um die Pressefreiheit.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Unabhängig von einigen handwerklichen Fehlern im Antrag, über die ich nicht weiter sprechen will, denke ich, ist hier niemand so naiv zu glauben, dass es der SED tatsächlich um die Bekämpfung von Korruption und um die Verteidigung von Pressefreiheit geht. Ich denke, hier haben wir nur mit einem wahltaktischen Manöver – –

(Zurufe der Abg. Dr. Cornelia Ernst und Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Herr Dr. Hahn, wollen Sie mir schriftlich geben, wie Ihre Partei in zwei Jahren heißt? Das wissen Sie selbst noch nicht, so oft, wie Sie sich umbenennen.

(Heiterkeit bei der NPD, der CDU und der FDP – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Ausgerechnet Sie!)

Wir haben uns seit 1964 nicht umbenannt. Es tut mir Leid, Frau Ernst, da müssten Sie einmal nachschauen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Aber Sie sind, was Sie sind: Nazis!)

Sehen Sie, aber Sie fordern Zwischenrufe.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich denke, niemand wird annehmen, dass durch diese inszenierte Sondersitzung heute Nachmittag die Korruption in diesem Land beendet sein wird.

(Zurufe der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch und Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Ich denke, dass wir uns diese Sitzung nicht leisten können. Korruption kostet viel Geld, zerstört Vertrauen. Das ist alles gesagt worden.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Auch wenn Sie noch so dazwischenquaken, Frau Ernst: Diese Sondersitzung, die Sie heute inszenieren, kostet sehr viel Geld und Vertrauen. In Ihrem Fall ist keines da. Insofern kann man das nicht zerstören. Sie sollten sich schämen, dass Sie hier die Saubermänner spielen in blütenweißen Westen. Ich halte – –

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS)

Sie waren es doch, die auf die Menschen wie auf Karnickel geschossen habe, als sie von Deutschland nach Deutschland wollten. Das war doch Ihre Partei. Da brauchen Sie mir nicht den Vogel zu zeigen. Oder gibt es die 1 000 Mauertoten nicht? Die stehen auf Ihrem Konto.

(Zurufe der Abg. Heinz Eggert, CDU, und Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Ja, das sind wir, obwohl wir in der Presse nun am allerschlechtesten von allen wegkommen, aber trotzdem sind wir für Pressefreiheit. Meine Damen und Herren! Das Thema Korruption begleitet uns in Sachsen nicht erst seit gestern. Ich will es ganz kurz machen, weil ich das hier alles für Wahlkampfklamauk der SED halte. Lassen Sie mich trotzdem Folgendes sagen: Die Korruption begleitet uns in Sachsen nicht erst seit gestern. Deswegen wurde am 20. April 2004 diese Behörde INES gegründet; denn es häuften sich spektakuläre Korruptionsfälle in solcher Zahl, dass sogar der CDU-Justizminister de Maizière am 3. März 2004 erklären musste: Sachsen wolle sich nicht nachsagen lassen, dass es ein Land sei, in dem Filz und Korruption blühten. Das war ein Zitat von Ihnen. Ende Oktober 2003 hatte Ihr Sprecher abgewiegelt und gesagt, die Zahl der Korruptionsfälle sei in Sachsen so gering, dass für die Einrichtung von spezialisierten Staatsanwaltschaften kein Bedarf bestehe. Ich denke, da ist die Zeit drüber hinweggegangen. Der ungeschmälerte Einsatz dieser auf Korruptionskriminalität spezialisierten INES ist aus unserer Sicht wichtig. Das zeigt die Landesbankaffäre, das zeigt auch die Affäre um den Dresdner Oberbürgermeister und jetzt um den ehemaligen Wirtschaftsminister. Verwundert haben mich nur die nervösen Kommentare von sächsischen CDU-Größen und das Zitat von Herrn Dr. Hähle von der „politischen Hexenjagd", das schon gefallen ist. Das hat mich dann doch etwas stutzig gemacht. Unmittelbar nach dem Einsatz von INES bei Herrn Schommer wurde der Leiter von INES öffentlich an den Pranger gestellt, muss aber der Kritik von Reinhard Schade, Chef des Richtervereins, zugestimmt werden – ich zitiere –: „Wer eine unabhängige und effektive Strafverfolgung will, darf die Autorität der Justiz nicht durch so unangemessene Attacken gefährden."

Selbstverständlich, Frau Dr. Ernst, bekennt sich die NPD-Fraktion vorbehaltlos zu dem Grundrecht auf Pressefreiheit, was völlig zu Recht in Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS, lacht.)

Ihre Heiterkeit an dieser Stelle verstehe ich nicht, aber anscheinend sind Sie sehr leicht zu belustigen. Grundrechte haben jedoch nur dann Sinn, wenn sie für etwa alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen gelten ohne Ansehen der Person, der Konfession, des Geschlechts, des Berufes und der politischen Überzeugung. Herr Mackenroth, gestatten Sie mir eine Bemerkung zu Ihrer Erklärung am Anfang. Sie haben sinngemäß gesagt, dass es korrekt sei, wenn der Staat die Verbindungsdaten recherchiere. Ich sage Ihnen ganz klar: Wenn ein Staat mit seinen Organen recherchiert, wer wann mit wem telefoniert hat, dann ist das Bespitzelung, auch wenn Sie vorhin das Gegenteil behauptet haben. Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass das Ausspionieren von Verbindungsdaten, wer mit wem wann telefoniert hat, keine Bespitzelung sei, dann sage ich Ihnen: Wenn Sie in der DDR aufgewachsen wären, dann wären Sie sicherlich ein würdiger Mitarbeiter eines berühmten Ministeriums gewesen. Wenn das Ihre Rechtsauffassung ist – –

(Beifall bei der NPD – Zurufe von der CDU)

Ich erteile einen Ordnungsruf. Ich bitte, dass Sie das zurücknehmen.

(Beifall bei der CDU)

Den Ordnungsruf nehme ich gern zur Kenntnis.

(Heinz Eggert, CDU: Dummheit kann man nicht bestrafen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wir sagen zum Abschluss Ja zu INES, Ja zur Pressefreiheit und Nein zum SED-Bock als Pressefreiheitsgärtner! Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Sondersitzung möchte auch ich vorab anmerken: Es scheint auch mehr Wahlkampftheater zu sein, was die PDS hier veranstaltet, als wirkliches Streben nach einer differenzierten Auseinandersetzung über rechtspolitisch schwierige Fragen, zugegebenermaßen wie das Verhältnis von Pressefreiheit und Strafermittlungsbehörden, deren Kompetenzen oder der Telefonüberwachung.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das Thema ist dringend!)

Das Thema ist dringend, aber nicht so dringend, dass wir hier eine Woche vor der Plenarsitzung

eine Sondersitzung des Landtages machen müssten. Das ist sicherlich nicht notwendig.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig! – Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Prof. Porsch, wissen Sie, bei dem Thema Telefonüberwachung – gerade wenn es von der PDS gespielt wird – beschleicht mich bisweilen der Eindruck, als ob manche in der PDS gegen Überwachung als solches eigentlich gar nichts einzuwenden haben, sondern es höchstens bedauern, dass sie nicht mehr an der richtigen Seite der Leitung sitzen.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Auch den allgemeinen Rundumschlag des Kollegen Bartl gegen INES als Sondereinheit zur Korruptionsbekämpfung kann ich so nicht nachvollziehen. Korruption ist in hohem Maße schädlich. Wir müssen ihr entgegentreten – so auch die Auffassung der FDP-Fraktion –, da sollten wir keine Luft heranlassen. Das gilt aber auch, was die Strafverfolgung betrifft, für den Verrat von Amtsgeheimnissen. Jetzt wird es spannend, denn es kommt wie immer auf die Frage an: Was kann man wo noch einsetzen? Wir vertreten nämlich nicht die Auffassung, dass jeder Einsatz, jeder Zweck die Mittel heiligt und dass man auch nicht, wenn man es gern möchte, auf ein hohes Gut wie die Pressefreiheit mit der Brechstange losgeht, so wie es hier der Fall gewesen zu sein scheint, meine Damen und Herren. Die Staatsregierung, genauso wie Kollege Schiemann, sagt, dass diese Telefonüberwachung, das Abfragen von Daten, rechtmäßig gewesen sei. Wenn man sich dies genau anschaut, Herr Kollege Schiemann, kommt man zu dem Ergebnis, dass hier durchaus Zweifel bestehen können – insbesondere dann, wenn ganz wichtige Fakten, die eigentlich notwendig sind, bisher überhaupt nicht auf den Tisch gelegt worden sind. Nach § 100g Abs. 2 StPO darf eine solche Überwachung nur angeordnet werden, wenn sie nach dem Subsidiaritätsprinzip unentbehrlich ist, wenn auf andere Weise ein Ermittlungserfolg nicht zu erlangen ist.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Zu dieser Frage haben wir weder von der Staatsregierung noch von Herrn Schiemann irgendeine Aussage gehört. Sie ist auch im Ausschuss bisher nicht gekommen. Deswegen haben wir durchaus noch Aufklärungsbedarf und sind nicht bereit, jetzt bereits Persilscheine auszustellen und zu sagen: Es ist alles in Butter, es ist völlig rechtmäßig gelaufen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister, das Parlament darf sich ruhig anmaßen, solchen Fragen nachzugehen, ohne sich einer flagranten Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips schuldig zu machen. Die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde – –

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Die laufenden Verfahren?)

Herr Ministerpräsident, auch in einem laufenden Verfahren ist die Staatsanwaltschaft an Recht und