Es ist ja ein offenes Geheimnis: Auf kaum einem anderen Gebiet sind die Einsparexzesse der etablierten Parteien mit so fatalen Folgen für unser aller Zukunftsperspektiven verbunden wie in der Bildungspolitik, die auch in direkter Wechselwirkung mit dem Arbeitsmarkt und dem Lehrstellenmarkt steht. Die Zahlen dazu liegen – für jedermann nachprüfbar – auf dem Tisch. Nach Angaben des Mitteldeutschen Rundfunks sind allein zwischen Oktober 2004 und März 2005 an den sächsischen Schulen sage und schreibe 500 000 Unterrichtsstunden ausgefallen.
Gleichzeitig wird es wegen der immer desolater werdenden gesamtwirtschaftlichen Lage für die Schulabgänger immer schwieriger, eine Lehrstelle zu ergattern. Zu Beginn des jetzt angelaufenen Schul- und Ausbildungsjahres 2005/2006 kommen in Sachsen auf einen Ausbildungsplatz statistisch dreieinhalb Bewerber, in einigen Regionen Sachsens sogar fünf. Nach Angaben des ver.di
Vorstandes haben Ende Juli bundesweit de facto 276 000 Ausbildungsstellen gefehlt – das sind 30 000 weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dass die amtlich angegebene Lücke der fehlenden Ausbildungsplätze deutlich kleiner ausfällt, liegt schlicht und ergreifend daran, dass viele Schulabgänger in völlig unbefriedigenden Überbrückungsmaßnahmen landen und somit die Statistik massiv geschönt wird.
Mit Fug und Recht kann man deshalb in diesem Land von einem Bildungs- und Ausbildungsnotstand sprechen – ein Notstand, für den alle etablierten Parteien gleichermaßen verantwortlich sind. So stellte am 31. August dieses Jahres die „Frankfurter Rundschau“ kurz und knapp fest – ich zitiere: „Die Rezepte gegen die Lehrstellenmisere unterscheiden sich bei Schwarz-Gelb und Rot-Grün kaum.“
Auch deshalb wäre es in Berlin nur konsequent, die Fahne Jamaikas über dem Reichstag zu hissen, würde eine solche Koalition doch die ganze Konzeptionslosigkeit und programmatische Austauschbarkeit der etablierten Parteien auf erfrischende Weise bloßlegen, und eine Verlegenheitskoalition à la Jamaika wäre zusätzlich einfach eine Zierde für diese Bananenrepublik.
Die genannten Zahlen zur Bildungs- und Ausbildungsmisere fallen ja nicht vom Himmel, und wenn die Zahlen nicht gut sind, dann kann auch die dahinterstehende und dafür verantwortliche Politik nicht gut sein, sondern müsste für die dringend erforderliche neue Weichenstellung sorgen, denn auch auf dem Ausbildungsmarkt machen sich die Versäumnisse der etablierten Politik folgenschwer bemerkbar.
Das Problem hat dabei zwei Seiten: Einerseits wird es Unternehmen immer schwerer gemacht, die dringend benötigten Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Dies liegt einmal an der eigentlich nur noch rezessiv zu nennenden Wirtschaftslage; dies liegt zum anderen – auch wenn das in diesem Haus keiner gerne hören möchte – gerade für das Handwerk an den Wettbewerbsfolgen durch die EU-Osterweiterung. Und es liegt auch daran, dass Schulabgänger immer weniger auf das Berufsleben und dessen Anforderungen vorbereitet sind.
Wie die Unternehmensberatung „GSConsult“ im Juni bei einer bundesweiten Befragung herausgefunden haben will, hält ein Großteil der befragten Unternehmen die meisten Lehrstellenbewerber nämlich für unqualifiziert, und das, obwohl in den nächsten Jahren eher mit steigenden als mit sinkenden Anforderungen zu rechnen ist. Auch daher kommt es, dass Unternehmen weniger Ausbildungsplätze anbieten.
Andererseits liegt eine große Verantwortung für bzw. eine große Schuld an der Ausbildungsmisere bei den Unternehmen; denn der einst so viel beschworene Ausbildungspakt ist gescheitert, weil viele Unternehmen, gemessen an der Belegschaftszahl, zu wenig für den Nachwuchs tun und teilweise sogar in eine Art Ausbildungsstreik eingetreten sind. Auch hier zeigt sich, dass im Umgang mit der Wirtschaft das Prinzip Freiwilligkeit
oftmals nicht weiterhilft und viele Unternehmen – natürlich nicht alle – ihrer sozialpolitischen Verantwortung gegenüber der Jugend zu wenig Rechnung tragen.
Meine Fraktion hat sich seit ihrem Einzug in den Sächsischen Landtag vor einem Jahr immer wieder mit Nachdruck gegen den Kahlschlag der Regierung in der Schulpolitik gewandt. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, so auch in der Haushaltsdebatte, dass wir die Sparpolitik der Staatsregierung nicht mittragen; dass wir nicht der Meinung sind, dass in dem beobachtbaren Maße Schulen geschlossen werden müssen; dass wir nicht dafür sind, dass Schulwege verlängert werden; und dass wir dagegen sind, dass die schulische Versorgung auf dem Land immer weiter ausgedünnt wird. Angesichts dieser Verhältnisse darf man sich nicht wundern, wenn es mit der viel beschworenen Wissensgesellschaft in diesem Land nicht klappen will.
Jetzt möchte ich schließen. – Wir als NPD-Fraktion werden auch zukünftig mit Nachdruck klarmachen, dass wir für die Jugendlichen im Freistaat eine Interessenpolitik betreiben. Wir werden weiterhin deutlich machen: Es gibt eine Alternative zum Rotstift! Es gibt eine Alternative zur Misere im Bildungssektor und auf dem Ausbildungsmarkt!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Start des neuen Schuljahres steht unter keinem guten Stern. Das war auch nicht zu erwarten; denn es gibt Anlaufprobleme. Herr Colditz hat es auch zugegeben: Man spürt den Frust bei Schülern, bei Eltern und bei Lehrern. Ich muss aber auch sagen: Die uns heute vorliegenden Zahlen zur Unterrichtsabdeckung sind eine Momentaufnahme. Insoweit gebe ich dem Kultusminister Recht. Wir werden erst Ende September/Anfang Oktober genau sehen können, wie die Realität aussieht.
Zwei Problembereiche bestehen aber unabhängig von den aktuellen Zahlen: Zum einen haben wir im gesamten Freistaat deutlich längere Schulwege. Verantwortlich dafür ist die Schulschließungspolitik von CDU und SPD.
In einigen Schularten haben wir auf absehbare Dauer eine unzureichende Stundenabdeckung. Verantwortlich dafür ist die Haushaltspolitik, der Rotstift von CDU und SPD. Verantwortlich ist aber auch der abgeschlossene Teilzeittarifvertrag. Er nimmt uns die Flexibilität, auf Bedarfsschwankungen zu reagieren. Gerade bei den Schulwegen ist in einigen Fällen die Grenze des Zumutbaren längst überschritten.
Anfahrtszeiten von über einer Stunde sind keine Einzelfälle mehr. Was bedeutet das für die Kinder? Es gibt heute eine Menge Kinder, die kurz nach fünf aufstehen müssen, um rechtzeitig in der Schule zu sein. Es fahren Busse durch das Land, in denen sardinenbüchsenähnliche Zustände herrschen. Ich empfehle dazu die Lektüre der „Sächsischen Zeitung“. Es reicht aus meiner Sicht nicht aus, dass wir nur den Landkreisen den schwarzen Peter zuschieben, nach dem Motto: Die sind unfähig, den Schülertransport zu organisieren!
Wir haben Probleme; das haben wir vorhergesagt. In der Stadt ist die Ausdünnung des Schulnetzes noch einigermaßen zu verkraften, auf dem Land, insbesondere in dünn besiedelten Regionen, ist das ein Riesenproblem.
Noch ein Wort zum Thema „Doppelhaushalt und Teilzeitvereinbarung“. Es ist kein Wunder, dass wir bei der Unterrichtsversorgung eine Problemlage haben. Angesichts von weniger Geld, weniger Personalressourcen und weniger Flexibilität kann man doch nicht ernsthaft daran glauben, das Schulsystem zu verbessern. Allein von Oktober 2004 bis März 2005 sind 463 000 Stunden ausgefallen. Ursachen dafür sind zu knappe Ressourcen, aber auch eine planwirtschaftliche Lehrerzuteilung. Ich habe nicht das Vertrauen, dass es den Regionalschulämtern gelingen wird, auf die Probleme zu reagieren. Wir haben das in der Vergangenheit gesehen. Nicht mehr Planwirtschaft wird das Problem lösen, sondern wir brauchen mehr Freiheit und Flexibilität beim Lehrereinsatz, um schneller reagieren zu können, wenn es zu Ausfällen wegen Krankheit oder Schwangerschaft kommt. All das ist im bestehenden System nicht zu verwirklichen.
Von dem Anspruch, der einmal gestellt worden ist, dass wir uns bemühen wollen, die Schüler individueller zu fördern, weil auch die Zusammensetzung der Schülerschaft heterogener ist, ist wenig übrig geblieben. Die Schulen werden durch die CDU-/SPD-Regierung nicht zukunftsfähig gestaltet, sondern der Mangel wird planwirtschaftlich optimiert verwaltet. Das ist alles, was jetzt übrig bleibt.
Ich will gern noch etwas zum Thema „Ausbildungsmarkt“ sagen. Herr Brangs, die Realität, die sich einem bietet, wenn man aus dem Gewerkschaftsglaspalast nach draußen schaut, ist von derjenigen, die man erfahren hat, wenn man einmal in einem Ausbildungsunternehmen gearbeitet hat, sehr verschieden.
Die Anzahl der Ausbildungsverträge allein im IHKBereich in Sachsen bewegt sich fast exakt auf dem Niveau des Vorjahres. Ihre Behauptung, es herrsche eine riesengroße Ausbildungsunwilligkeit, stimmt überhaupt nicht. Die Probleme haben wir zum größten Teil im Handwerk, dort wiederum zum größten Teil im Bauhandwerk. Was denken Sie denn, warum die Unternehmen nicht ausbilden? Weil sie sich aus der Verantwortung stehlen? Herr Brangs, lesen Sie einmal IHK-Umfragen!
Sind Ihnen Zahlen über das Umlageverfahren in der Bauwirtschaft bekannt, nach denen die Ausbildungsquote in diesem Bereich höher als in allen anderen Branchen der Republik liegt?
Herr Brangs, wenn ich mir die Bauwirtschaft ansehe, stelle ich fest, dass wir noch einen großen Sockel mit uns umherschleppen. Die Entwicklung insbesondere in den nächsten Jahren ist als sehr pessimistisch einzuschätzen; die Anzahl der Auszubildenden wird massiv fallen.
Das Problem Nummer eins für ausbildende Unternehmen ist die Ausbildungsunfähigkeit der Bewerber. Wir werden wiederum offene Stellen nicht besetzen können. Das ist kein Märchen, sondern Realität. Erkundigen Sie sich bei den Unternehmen!
Was ist mit den Unternehmen, die derzeit nicht ausbilden? Für diese ist die wirtschaftliche Unsicherheit der entscheidende Hinderungsgrund. Wenn Sie von Verantwortung sprechen, Herr Brangs, dann haben Sie offensichtlich noch nie selbst in einem Unternehmen Verantwortung für Ihre Mitarbeiter, für Ihre Auszubildenden getragen. Es ist nämlich auch ein Stück Verantwortung, jemandem eine Perspektive zu geben. Ohne gefüllte Auftragsbücher, ohne dass Sie wissen, ob Sie Ihre Mitarbeiter halten können bzw. ob Ihre Auszubildenden eine Zukunft in Ihrem Unternehmen haben, werden Sie nicht aus freien Stücken einstellen.
Lassen Sie mich ein Drittes ergänzen; auch das betrifft die SPD in Sachsen. Die Ausbildungsförderungsrichtlinie kam viel zu spät. Das ist keine Kritik, die nur von uns kommt; die IHK und die Ausbildungsverbünde kritisieren es ebenfalls. Hier wurde Bürokratie geschaffen. Ein Unternehmen muss bei der SAB einen Antrag vom Umfang eines Kreditantrags stellen. Das ist doch absurd! Sie werfen den auszubildenden Unternehmen weitere Knüppel zwischen die Beine.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue Schul- und Ausbildungsjahr hat unter schwierigen Bedingungen begonnen. Die Schulnetzplanung führt dazu, dass wir mehr als 80 Schulschließungen in zwei Schuljahren zu vertreten haben und dass über 100 Schulen mit Mitwirkungsentzü
Wir haben einen Teilzeittarifvertrag, der sich drastisch auswirkt. Es gab offenbar einen Lehrerüberhang, wenn wir es uns leisten konnten, beim Stundenvolumen um 15 % herunterzugehen. Mich wundert es doch sehr, dass wir nicht in der Lage sind, eine hundertprozentige Unterrichtsabdeckung zu realisieren. Die Gymnasien, nicht die Mittelschulen – darauf lege ich Wert – bekommen 3 % Lehrer zusätzlich zugeteilt. Auch dass der Ergänzungsbereich nur zu ungefähr einem Drittel abgedeckt werden kann, ist kein Merkmal für Lehrermangel. Wir haben eine Unterrichtsversorgung, die äußerst problematisch ist.
Vorhin haben wir gehört, wir seien im PisaLändervergleich sowohl innerstaatlich als auch international dennoch erfolgreich gewesen. Was macht denn eine erfolgreiche Bildungspolitik aus? Eine erfolgreiche Bildungspolitik macht aus, dass die Absolventen in der Lage sind, sich im Berufsleben zu bewähren. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie in der Lage sind, nach Abschluss ihrer Schulausbildung eine Lehre ohne Zwischenlandung, beispielsweise in einem Berufsvorbereitungsjahr, anzutreten.
Das können Sie nach wie vor nicht sicherstellen. In Sachsen verlassen immer noch 10 % der Schüler pro Jahrgang die Schule ohne Schulabschluss. In Sachsen haben wir ungefähr 25 % Risikogruppe, das heißt also Schülerinnen und Schüler, die unsere Schulen verlassen, ohne in ausreichendem Maße lesen, schreiben und rechnen zu können. Das sind schwierige Bedingungen. Hier müssen wir endlich aktiv werden. Wir fordern diese Aktivitäten vom Kultusminister ein. Sie sind verpflichtet, Sie haben die Notwendigkeit, in Qualitätsoffensiven einzusteigen. Qualitätsoffensive bedeutet, dass Sie eine Förderung der schwachen Schüler vorantreiben, dass Sie kleinere Klassen ermöglichen, dass Sie individuelle Förderung machbar werden lassen.
Der allgemein bildende Bereich, so haben wir festgestellt, ist mit Stunden und Lehrern heftig unterversorgt.
Wie sieht es denn im berufsbildenden Bereich aus? Berufsschulen sind seit Jahr und Tag das Stiefkind der sächsischen Bildungspolitik. Wir haben es vorhin gehört: 5 % geplanter Unterrichtsausfall. Können Sie sich eigentlich vorstellen, was das bedeutet? Wir haben Berufsschüler, die auf der einen Seite bis zum 18. Geburtstag ihre Berufsschulpflicht erfüllen, und auf der anderen Seite sind sie Partner im dualen Ausbildungssystem. Was würden wir denn machen, wenn die Betriebe auf einmal daherkämen und sagen würden, 5 % unserer geplanten Ausbildungszeit lassen wir erst einmal unter den Tisch fallen? Das geht einfach nicht! Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, dann müssen wir hier neue Lehrerstellen schaffen.
Wir haben Bewerberinnen und Bewerber, die in die vollzeitschulische Ausbildung in die Berufsschulen gehen. Wir haben in der vergangenen Woche festgestellt: Wunder gibt es immer wieder. In Görlitz gibt es einen Tourismusassistenten-Ausbildungsgang. Herr Bandmann hat es möglich gemacht, dass dort eine Klasse mit 13 Schülerinnen und Schülern starten kann. Ich frage mich, ob Herr Bandmann inzwischen das pädagogische Prinzip der individuellen Förderung und der Leistungsfähigkeit in kleinen Gruppen verstanden hat oder ob es hier um plumpe Wahlwerbung ging.
Der Vollständigkeit halber muss man sagen, das Regionalschulamt hatte verfügt, es bedarf 16 Schüler. Herr Bandmann hat gesagt, es reichen 13. Er hat es möglich gemacht. Ich danke dem Kultusminister, dass er das unterstützt hat. Ich hoffe, dass es in Zukunft diese Wege auch in anderen Bereichen geben wird.