Protokoll der Sitzung vom 22.09.2005

Herr Lichdi, ich möchte noch etwas Inhaltliches sagen, deswegen lasse ich mich jetzt auf Ihre Parlamentsgymnastik nicht ein.

(Heiterkeit bei der NPD)

Ich möchte noch einmal die Kardinalzahlen nennen. Mit sächsischen Steuergeldern wird vom Landtag ein Kalender aufgelegt, in dem wirklich in „Stürmer“-Manier auf eine demokratisch gewählte nationale Partei eingedroschen wird.

(Widerspruch bei der CDU)

Nach Angaben der CDU-Bundestagsfraktion hat die rotgrüne Bundesregierung seit dem Jahr 2000 154 Millionen Euro im Kampf gegen Rechts ausgegeben. Das Geld ist teilweise in vermeintlich zivilgesellschaftlich-pazifistische Organisationen geflossen, in teilweise de facto offen autonome, linksfaschistische Organisationen.

(Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion.PDS – Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Mit diesem ganzen politischen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Frau Kollegin! Sie haben immer noch nicht das Kunststück fertig gebracht, mir die Frage in der Körperstellung zu stellen, die Sie uns normalerweise zuwenden. Lassen Sie doch bitte den Klamauk!

(Heiterkeit bei der NPD – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Die Zahlen, die hier auf den Tisch gehören – –

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Nein. Ich gebe hiermit kund, dass ich keine weiteren Zwischenfragen zulasse, weil ich inhaltlich noch etwas anbringen möchte, auch wenn es Sie schmerzen wird.

Die Zahlen liegen doch auf dem Tisch. Sie versuchen die Schulen unter massivem Einsatz von Steuergeld zu instrumentalisieren, um eine Opposition madig zu machen, die die einzige ist, die die Missstände in diesem Land anspricht. Diese Missstände sind mit kleinen Unterschieden mal im Bund durch Rot-Grün, mal im Land durch Schwarz-Rot verschuldet. Ich habe gestern gesagt, dass nach Angaben der Gewerkschaft ver.di in diesem Land mittlerweile 276 000 Ausbildungsstellen fehlen. Ich habe die UNICEF zitiert, die gesagt hat, dass in diesem Land 1,5 Millionen Kinder in Armut leben. Ich habe gestern den Paritätischen Wohlfahrtsverband zitiert, der festgestellt hat, dass durch die Hartz-IV-Unreform – jetzt können sich die legendären Hartz-IV-Parteien mal an die Nase packen – mittlerweile in Mitteldeutschland jedes vierte Kind in Armut lebt.

Das ist Ihre Versagerbilanz. Diese Versagerbilanz wollen Sie durch billige Ablenkungsmanöver kaschieren, indem Sie sogar mit Steuergeld den Kampf gegen Rechts, gegen die NPD, führen. Ich kann Ihnen nur sagen, mit dieser Masche werden Sie nicht durchkommen, denn es ist für jeden in diesem Land, der ein bisschen nachdenkt, allzu offensichtlich, dass das die letzten Rückzugsgefechte einer politischen Klasse sind, die am Ende ist, die nicht mehr weiter weiß, nicht mehr zurück, nicht mehr nach vorn kann, die jetzt möglicherweise über dem Reichstag – das habe ich gestern auch schon gesagt – die JamaikaFahne hissen wird, eine politische Klasse, die abgewirtschaftet hat.

Jetzt möchte ich ausnahmsweise – das wird vielleicht die Herrschaften zu meiner Linken freuen – ein Lenin-Zitat anbringen. Lenin sagte im Frühjahr 1917: „Der vorrevolutionäre Zustand ist erreicht, wenn die da oben nicht mehr können und die da unten nicht mehr wollen.“ Diesen Zustand haben wir in der Bundesrepublik dank Ihrem Versagen erreicht. Die da oben können nicht mehr – das sind Sie – und die da unten wollen nicht mehr.

Sie werden mit Ihren antifaschistischen Ablenkungsmanövern, für die Sie sich sogar noch erdreisten, Steuergeld zu missbrauchen, nicht durchkommen. Das Wahlverhalten der jungen Sachsen und der jungen Deutschen bei den U18-Wahlen und auch bei der Landtagswahl hat gezeigt, dass Ihnen diese Jugend immer weniger auf den Leim geht.

(Beifall bei der NPD)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Herr Schön, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich direkt an den verantwortlichen Minister wenden und zum Thema Erziehungsauftrag an den Schulen etwas sagen. Ich will einmal ein Beispiel nennen. Meine Frau und ich sind mit einer ukrainischen Familie befreundet. Sie wohnen im Nachbarhaus. Die Mutter ist zurzeit für mehrere Wochen in Hannover arbeiten. Die beiden Kinder, Mädchen und Junge, 11 und 13 Jahre, sind mit ihrem 73-jährigen Großvater – übrigens ist er Jude, und mit dem bin ich befreundet – allein. Ich habe sie besucht, weil der Großvater krank ist. Am Dienstag war ich bei diesen in der Wohnung, da saßen die zwei Kinder vor dem Computer und sahen sich ein ganz grässliches Kriegsspiel an.

(Stöhnen bei der CDU, der SPD und der FDP)

Deshalb appelliere ich auch an Sie, Herr Minister, dass Sie ihren Einfluss geltend machen, dass man in den Schulen mehr aufklärt, dass man solche Spiele nicht an Kinder weitergibt.

(Unruhe bei der CDU)

Dort beginnt der erste Schritt zur Gewalt. – Danke.

(Heinz Eggert, CDU: Ich möchte noch mehr Geschichten hören!)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der NPD, zum Thema „Erziehungsauftrag an sächsischen Schulen“ beendet.

(Stefan Brangs, SPD: Das war eine starke Nummer!)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

2. Aktuelle Debatte

Umgang mit rechtsextremer Propaganda an sächsischen Schulen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zuerst hat die Fraktion GRÜNE das Wort, danach CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Frau Günther-Schmidt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Antikriegstag am 1. September verteilt die NPD in Sachsen so genannte Schulhof-CDs als Ouvertüre zu ihrem Bundestagswahlkampf. Diese Musik-CD wird an Jugendliche und junge Erwachsene verteilt, nach Angaben der NPD insgesamt 200 000 Stück in der Bundesrepublik. Auf der NaziMusik-CD befinden sich insgesamt 14 Lieder, Rockmusik, Balladen und die deutsche Nationalhymne mit allen Strophen. In gut verständlichen Texten – und das ist etwas Besonderes; wer sich mit Nazimusik auskennt, weiß, dass die Gesinnung häufig auf das Artikulationsvermögen schlägt – werden hier die rechtsextremistischen Botschaften an die Jungwähler ausgeteilt: soziale Demagogie, Rebellion, Stimme des „kleinen Mannes“.

Interessant ist, dass dieser CD auch ein kleines Booklet beigefügt ist, in dem als Comic die Geschichte von Alexander und Tina erzählt wird. Alexander steht vor dem Arbeitsamt und Tina betreut einen NPD-Wahlkampfstand. Es wird zur Teilnahme an der Wahl aufgerufen: „Die NPD ist nicht nur eine Protestpartei, die populistische Themen nach Bedarf aufgreift, sondern eine Partei mit einem konsequenten Weltbild. Die NPD ist eine wirkliche Alternative, nicht nur eine kleine Schönheitskorrektur.“

(Beifall bei der NPD)

Man wird also sehr deutlich. Das konsequente Weltbild beschreibt nämlich das Ziel der NPD: Abschaffung der Demokratie und Errichtung einer Diktatur

(Holger Apfel, NPD: Wo steht denn das?)

nach dem Vorbild der NSDAP.

(Matthias Paul, NPD: Ihr Lügner!)

Die Texte – –

Ich möchte mich hier von Rechtsextremisten nicht als Lügner bezeichnen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Uwe Leichsenring, NPD: Bist du aber!)

Und ich möchte mich auch nicht von Rechtsextremisten im Plenum duzen lassen.

Die Texte und Interpreten sind in der rechten Szene relativ bekannt. Dort ist zuweilen sogar der Name der Band Programm. Von „Faustrecht“ beispielsweise ist „Die Macht des Kapitals“ zu hören. Dieser als Kapitalismuskritik daherkommende Titel ist deutlich antisemitisch motiviert. Es wird das klassische Vokabular verwendet: „verschlagen, raffiniert, von Habgier getrieben“. „Nordwind“ bringt eine Kampfansage an die Demokratie und an die demokratisch gewählten Regierungen. Das Lied Nr. 4 „Rebellion“ suggeriert das stete Anwachsen der rechtsextremen Bewegung. Es wird deutlich, dass es nicht um einen Politik-, sondern um einen Systemwechsel geht. Das fünfte Lied wird von einem „Faktor Widerstand“ zum Besten gegeben. Das neunte Lied „Ein Krieger“ bringt die Gruppe „Nahkampf“. Was in den vorherigen Liedern eins bis acht möglicherweise nur indirekt ausgedrückt wurde, kommt hier mit aller Deutlichkeit zum Tragen: Es geht um Gewaltverherrlichung. Die Interpreten kommen zu dem Schluss, dass unsere demokratische Gesellschaftsordnung durch einen völkischen, antidemokratischen Staat ersetzt werden muss.

Schließlich das Highlight der CD, das 13. Lied, wird von Frank Rennecke dargeboten. Wir haben gestern Zitate gehört. Das erspare ich uns heute. Frank Rennecke ist ein rechtsextremistischer Liedermacher, der niemals in der Szene missverstanden wird. Rennecke war Mitglied der Wiking-Jugend, nach dem Vorbild der Hitlerjugend gegründet und 1994 verboten. Rennecke tritt gern und häufig im Umfeld der NPD auf. Mit seinen seit 1984 veröffentlichten Musik-CDs und -Kassetten hat er einen relativen Ruhm erreicht. Zehn dieser CDs und Kassetten sind indiziert. Rennecke wurde am 15. Oktober 2002 wegen achtfacher Volksverhetzung und wegen des Verstoßes gegen das Gesetz zur Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu 17 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Also, die NPD weiß ganz genau, was sie tut. Sie weiß, dass Nazimusik der Einstieg in die rechte Szene ist. Dort werden die Gedanken formuliert, die die Jugendlichen sonst nicht zusammenkriegen können. Es ist eine Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS, der SPD und des Abg. Sven Morlok, FDP)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. – Nicht. Dann bitte die Fraktion der SPD für die Koalition. War das so korrekt? Sie sprechen für die Koalition? – Dann ist es korrekt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das gibt es nicht! Wir haben keine gemeinsame Koalition wie CDU/CSU!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! „Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“, so lautet ein Leitspruch der Nazis.