Die diesbezüglichen Regelungen werden Sonder- und Härtefälle in Zukunft noch weniger plausibel machen als gegenwärtig. Falls wirklich erforderlich, werden sich problematische Einzelfälle wie bisher in Gesprächen mit dem Innenministerium klären lassen. Der Freistaat Sachsen verfügt mit dem Landesausländerbeauftragten und seinen Mitarbeitern bereits über eine Härtefallkommission, die bisher in Kooperation mit dem Innenministerium Einzelschicksale geklärt hat. Die Installation eines weiteren Gremiums mit gleicher Aufgabenstellung ist deshalb vollkommen überflüssig.
Schließlich das Kostenargument: Bereits der Ausländerbeauftragte und seine sieben Mitarbeiter kosten dem sächsischen Steuerzahler jährlich horrende Beiträge. In Zeiten leerer Kassen ist der Öffentlichkeit die Schaffung weiterer vollkommen überflüssiger Beratungsgremien nicht zuzumuten. Nach Abwägung all dieser Gründe wird es nachvollziehbar sein, dass wir Nationaldemokra
ten eine Härtefallkommission nicht nur für überflüssig und vollkommen fehl am Platze halten, sondern sie geradezu für schädlich erachten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag, die Staatsregierung aufzufordern, eine Härtefallkommission nach § 23a des Zuwanderungsgesetzes einzusetzen, findet die grundsätzliche Zustimmung der FDP-Fraktion. Lassen Sie mich erklären, inwieweit und aus welchen Gründen dies der Fall ist. Mit dem Zuwanderungsgesetz ist das Ausländerrecht endlich da angekommen, wo wir schon sind: im 21. Jahrhundert. Es gibt einige in diesem Haus, die das noch nicht begriffen haben. Die sind nach wie vor noch im 19. Jahrhundert.
Mit dem Vollzug wird natürlich rechtsstaatlichen Grundsätzen Rechnung getragen, aber – das ist in diesem Haus offensichtlich allgemein anerkannt – es gibt auch individuelle Härtefälle, denen das Ausländerrecht mit seinen pauschalen gesetzlichen Normierungen nicht mehr gerecht werden kann.
Ich möchte das Beispiel eines 17-jährigen Mädchens vietnamesischer Herkunft aus Baden-Württemberg geben, das morgens um 4 Uhr aus dem Bett geholt, in ein Auto gesetzt und nach Frankfurt zum Flughafen gebracht wurde. Von dort aus wurde es sofort abgeschoben. Das Mädchen sprach kein Wort vietnamesisch; es lebte seit 16 Jahren in Deutschland, wo es aufgewachsen ist. Drei Monate nach seiner Abschiebung hätte es das Abitur machen können; sie war die Klassenbeste.
Alles Bitten und alle Einsätze der Schule – die Finanzierung ihres Aufenthalts war gesichert – haben überhaupt nichts genützt. Ein Rückkehrvisum zum Ablegen des Abiturs war auch nicht möglich, weil rechtskräftig abgeschobene Ausländer ein solches Visum nicht bekommen.
In diesem und in anderen Fällen sprechen wir von individuellen Katastrophen, die durch die Härtefallregelung verhindert werden sollen. Es ist die Frage: Wie macht man das? Wir setzen uns dafür ein, dass vom § 23a Abs. 2 – Bildung einer Härtefallkommission – Gebrauch gemacht wird, damit hier aufgrund nachvollziehbarer und nachprüfbarer Regelungen dem Einzelfall Rechnung getragen werden kann.
Wir möchten das Problem nicht in der Nebelzone von irgendwelchen Gesprächen zwischen Vollzugsbehörden und Ausländerbeauftragten verschwinden lassen, sondern wir wollen klare Regelungen, die diesem Haus zur Kenntnis gegeben werden sollen und an denen man dann auch die Verwaltungspraxis messen kann. Deswegen stimmt die FDP dem Grundsatz des Antrags zu, das heißt, Ziffer 1 – die Staatsregierung aufzufordern, eine
Rechtsverordnung zur Bildung einer Härtefallkommission vorzubereiten – findet unsere Zustimmung. Kritisch sehen wir allerdings die beiden anderen Punkte von PDS und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezüglich der Zusammensetzung der Kommission. Wir halten es nicht für zwingend geboten, dies hier und jetzt so zu regeln. Genauso halten wir es für bedenklich, automatisch von hier aus zu sagen: Wir setzen alle denkbaren Fälle, bei denen vielleicht § 23a zur Anwendung kommen könnte, außer Vollzug. Diesbezüglich teilen wir die Bedenken des Kollegen Steinbach und sagen, das wäre rechtswidrig. Punkt 3 findet deshalb nicht unsere Zustimmung. Aber – ich denke, das ist mehrheitsfähig, auch bei der CDU-Fraktion – wir bemühen uns und wir fordern die Staatsregierung auf, schnell eine Härtefallkommission zu bilden, denn solange wir das nicht tun, entgeht uns die Möglichkeit, wirklich nachvollziehbar mit Härtefällen umzugehen. Wir wissen nicht, wie lange geprüft werden soll, möglicherweise bis zum Jahre 2009. Nein, es muss jetzt geschehen! Wenn es denn einen anderen, besseren Weg gibt, auf den wir vielleicht später einmal kommen, dann ist es kein Problem, die Rechtsverordnung durch Rechtsverordnung aufzuheben und das bessere Instrument einzufügen. Solange wir das noch nicht haben, bin ich sehr dafür, dass wir die Härtefallkommission einrichten. Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Grundsatz hat Kollege Dr. Martens das Problem exakt beschrieben. Wir sind das Parlament, in diesem Fall das Landesparlament. Vor uns liegt ein Bundesgesetz und nun steht die Frage, wie wir damit umgehen. In einem Punkt gebe ich dem Kollegen Martens nicht Recht. Es steht in unserem Antrag nicht: Die Staatsregierung muss …, sondern es steht drin: Die Staatsregierung wird ersucht, Folgendes zu machen (…) Rechtsverordnung und so weiter (…), die erkennbar unter die Regelung fallenden Fälle momentan nicht abzuschieben, weil eben exakt die Regelung im Schwange ist. Nun geht es um folgende Frage, und die hat eine prinzipielle rechtliche Komponente, auch unter dem Aspekt des Änderungsantrags der CDU-Fraktion. Der Bundesgesetzgeber sagt per Gesetz, dass die Oberste Landesbehörde anordnen darf, dass einem Ausländer usw. – – und dann sagt sie, „… wenn eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht“. Ende. Der Bundesgesetzgeber beschreibt, welches Gremium da sein muss, damit gewissermaßen der § 23a funktioniert. Es ist eine Frage des Respekts vor dem Bundesgesetzgeber, vor dem, was er in das Gesetz hineinschreibt, dass wir dann im Land das exakt ausfüllen, was vom Gesetz vorgegeben ist. Wenn jemand davon schwafelt, es wird das Gesetz gebrochen – wir reden exakt über das Gesetz, das wir umsetzen sollen. Auf den Punkt gebracht: Wir haben den
Spielraum nicht zu sagen, wir machen ein Gremium dritter Art. Es steht schlicht der Fakt drin, eine Härtefallkommission hat das zu entscheiden.
Dann kommt die nächste Frage. Will das Parlament sich so viel Hoheitsrechte vorbehalten, dass es sagt, welche Erwartungen es an diese Härtefallkommission von Zusammensetzung, von Art der Tätigkeit usw. hat, oder wollen wir nur sagen, wir wollen eine und den Rest macht ihr als Exekutive, als die gewissermaßen zu kontrollierende Gewalt in eigener Verantwortung?
Vor der Frage steht der Landtag. Diese beantworten wir so, dass wir sagen: Wir machen das, was der Bundesgesetzgeber will. Wir sind sehr zufrieden, dass die SPD sagt, den § 23a will sie auch, FDP und GRÜNE ohnehin. Bei der CDU erkenne ich gewissermaßen im Änderungsantrag, dass der § 23a gemacht werden soll. Aber wenn wir den Mund spitzen, müssen wir auch pfeifen. Und das ist klipp und klar dann nur die Härtefallkommission.
Alles andere ergibt exakt das, was Kollege Dr. Martens mit „Kungelrunden“ beschreibt, wo man wiederum für irgendein Rechtsmittel keinen Anhaltspunkt hat, denn wie will der Betroffene, der zu Unrecht nicht in die Empfehlung der Härtefallkommission kommt, dann justiziabel das Verfahren angreifen? Wie will er dann letzten Endes sagen: Diese Kommission, die vorgeschaltet ist, hat in einer gerichtlich überprüfbaren Art und Weise zu meinem Fall falsche Ermessensabwägungen getroffen? Alles muss ja in dem Fall, was per Gesetz kommt, nachprüfbar sein. Das ist letzten Endes das kleine Einmaleins der Normenklarheit und der Justiziabelität der Normen, die wir setzen. Wir meinen, den Spielraum, den sich jetzt mehr oder weniger SPD und CDU mit ihrem Änderungsantrag vorstellen, haben wir überhaupt nicht, wenn wir § 23a wollen. Oder wir verbiegen die Auftragsstellung oder die Möglichkeit, die Optionen, die uns der Gesetzgeber eingeräumt hat.
Wir bitten darum, dass über unseren Antrag punktweise abgestimmt wird, weil wir meinen, etwas durchzubekommen ist besser als nichts.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nur nutzen, um als neuer Innenminister dem Hohen Hause meine gute und offene und faire Zusammenarbeit anzubieten.
Das gilt für alle Fraktionen, für einige mehr, für andere weniger. So halte ich zum Beispiel das Geld, das der Ausländerbeauftragte mit seinen Mitarbeitern ausgibt, Herr Abg. Apfel, für gut angelegtes Geld.
Zu der Sache selbst will ich mich jetzt nicht weiter äußern. Herr Abg. Bartl, nur einen Satz. Natürlich gibt es einen gewissen gedanklichen Widerspruch zwischen Härtefällen und transparenter Justiziabelität. Das muss ich einmal sagen. Ein Härtefall zeichnet sich gerade dadurch aus, dass man ihn nicht im Vorhinein klar regeln kann. Das ist ja gerade der Sinn einer solchen Härtefallregelung. Nun bin ich einige wenige Stunden im Amt und die Regierung etwas mehr als 24 Stunden. Geben Sie uns ein bisschen Zeit. Das ist auch der Antrag der Koalition, dass wir darüber etwas nachdenken, ohne es auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Da werden wir sicher eine für alle Seiten bzw. für die meisten Seiten vertretbare Lösung finden. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir dürfen nicht vergessen, dass die Union im Bundesrat dem Zuwanderungsgesetz in Gänze zugestimmt hat. Sie hat auch dem § 23a zugestimmt und damit auch der Möglichkeit der Einführung einer Härtefallkommission. Im Vorfeld der Verabschiedung dieses Gesetzes gab es langwierige Schlichtungsverhandlungen. Ich denke, in dieser Zeit war genügend Zeit, die einzelnen Punkte des Gesetzes gründlich zu prüfen. Ich glaube nicht, dass Sachsen jetzt in der Notwendigkeit steht, diese Punkte noch mal zu prüfen. Das Gesetz sieht die Härtefallkommission vor. Wie schon gesagt wurde, ist sie eine Voraussetzung, um Aufenthaltstitel vergeben zu können. Deshalb werben wir für die Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag. Eine weitere Prüfung kostet nur Zeit, die wir nicht haben. Das Gesetz soll am 1. Januar 2005 in Kraft treten. Wir wünschen uns, dass auch eine Härtefallkommission zu diesem Zeitpunkt arbeitsbereit ist. Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang kann ich auch noch etwas zum Änderungsantrag von CDU und SPD sagen. 1. Es gab viele Anhörungen im Bundestag zu diesem Thema. Es bestand eine Kampfzone zwischen beiden Fraktionen und Parteien. Die sind da auch durch. Das sage ich einmal ganz einfach so. Sie sollten es auch hier sein. Ich wüsste nicht, was da noch geprüft werden sollte. 2. Um eine Härtefallkommission kommen wir nicht herum, Herr Staatsminister, weil der Fakt so ist, entweder Härtefallkommission oder man kann Härtefälle de
facto nicht mehr lösen. Das funktioniert nicht. Man wird immer Härtefälle haben, wie man sie auch in der Gesundheitspolitik und in anderen Bereichen hat. Auch dafür gibt es Regularien, Kommissionen und dergleichen. Ich denke, das muss passieren.
3. Es kommen viele Leute auch zu uns Politikern und sagen: Ich bin ein Härtefall. Was mache ich da? Dann komme ich zu Ihnen und frage: Herr Staatsminister, was machen wir denn hier? Ich möchte das nicht. Ich möchte, dass es eine solche Kommission gibt, mit der man zusammenarbeiten kann, zu der die Leute hingehen können. Das, denke ich, ist wichtig.
Ich weiß auch, dass ein Härtefall so etwas wie ein Gnadenakt ist. Das ist es. Es gibt die Situationen. Es ist auch rechtlich, dass man da nichts mehr machen kann. Man macht die Augen zu und sagt, es ist rechtlich alles getan, keine Frage, aber es ist eigentlich unmöglich, diese Leute abzuschieben. Wir wissen alle, dass es diese Fälle gibt. Deswegen meine ich, dass das Geregeltste, das es überhaupt gibt, eine solche Kommission ist, in der noch ein paar andere Leute sitzen. Herrgott, dann suchen Sie die von mir aus noch zusammen!
Uns ist die Entscheidung Härtefallkommission heute wichtiger als die Details, das muss ich sagen. Deswegen bin ich auch für die punktweise Abstimmung, dann kann man sich dafür entscheiden. Das muss meines Erachtens jetzt her. Damit habe ich eigentlich alles gesagt.
Meine Damen und Herren! Mir liegt zum Antrag ein Änderungsantrag der CDU- und SPD-Fraktion in der Drucksache 4/0192 vor. Bei Annahme würde das die Punkte 1 und 2 des Ursprungsantrages ersetzen. Ich bitte jetzt um Einbringung. Herr Abg. Lehmann, bitte.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Steinbach und Herr Staatsminister Dr. de Maizière haben den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen hinreichend begründet. Ich bitte um Annahme.
Gibt es dazu Diskussionsbedarf von den anderen Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich jetzt den Änderungsantrag der CDU- und SPD-Fraktion in der Drucksache 4/0192 auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist dem Änderungsantrag der CDUund SPD-Fraktion mehrheitlich zugestimmt worden. Das heißt, dass wir jetzt beim Ursprungsantrag nur über den Punkt 3 der PDS-Fraktion abstimmen.
Ich rufe auf die Drucksache 4/0105, Punkt 3 – das ist der PDS-Antrag – und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür ist der Punkt 3 des Antrages der PDS dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.
Die Reihenfolge der Diskussion: PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der PDS-Fraktion als Einreicherin das Wort; Herr Abg. Bartl, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Beschluss – das wollen wir einmal voranstellen – wollen wir nicht nur den platten Appell zur alternativlosen Liquidierung von Hartz IV. Er hat ein seriöses Anliegen, nämlich dass nach der Verfassung des Freistaates Sachsen der Landtag, auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger von Sachsen verpflichtet, die Staatsregierung auffordert, mit ihren Mitteln und Möglichkeiten aktiv zu werden, dass Hartz IV und die Vollziehung aller weiteren darauf basierenden Verordnungen, Rechtsakte etc. logischerweise so lange ausgesetzt wird, bis die eklatanten Kritiken an der Verfassungsmäßigkeit von Regelungen, die dort beinhaltet sind, geklärt worden sind. Wir sind am Beginn einer neuen Legislatur des sächsischen Parlaments; der 4. Sächsische Landtag wurde in seiner heutigen Zusammensetzung in einer Periode – zurückhaltend ausgedrückt – scharfen gesellschaftlichen Disputs über den Weg, den diese Republik mit den Agenda-2010-Gesetzen, speziell mit Hartz IV, nimmt, gewählt; und in diesen Disput haben sich nicht nur die Teilnehmer der auch gerade in Sachsen massenhaft stattgefundenen neuen so genannten Montagsdemonstrationen, die Träger sonstiger Protestaktionen der Bevölkerung, von Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen und Vereinen eingemischt, sondern eben auch ausgewiesene Verfassungs- und sonstige Rechtsexperten, die den verschiedensten Parteien und Konfessionen angehören.