Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Wir sind alle zur Schule gegangen. Bei mir ist das noch nicht so lange her. Ich habe dieses dreigliedrige Schulsystem durchlaufen.
Ich erinnere mich an Freunde, die auf diesem Weg aussortiert worden sind. Es geht um die gemeinsame Schulzeit. Ich möchte einfach einmal den konkreten Punkt dieses Antrages grundsätzlich begründen.
Schule hat bezüglich der Definition zwei Aufgaben. Sie soll Wissen und Kompetenzen vermitteln und die jungen Menschen in ihrer Entwicklung unterstützen. Sie soll das an allen und für alle Menschen leisten, sie soll soziale Unterschiede ausgleichen und Chancengerechtigkeit herstellen. Gerechtigkeit ist etwas anderes als Gleichheit, meine Damen und Herren.
Die Vielzahl der Chancen und in welchem Bereich jemand sie braucht hängt ganz klar davon ab, vor welchem Hintergrund ein Kind in die Schule kommt, ob die Familie täglich Zeitung liest und akademisch gebildet ist oder eher bildungsfern ist und bei den Hausaufgaben nicht helfen kann. Deshalb müssen die Kinder entsprechend ihren Voraussetzungen. die sie mitbringen, gefördert werden, direkt und individuell.
So weit werden Sie mir hoffentlich zustimmen. Dann muss sich aber eben auch das Verständnis von Organisation von Schule und Unterricht ändern, denn für diesen Inhalt muss man die entsprechende Struktur schaffen. Dann muss sich eben nicht mehr der junge Mensch der Schule anpassen: Entweder du schaffst es, was ich dir vorsetze, oder schlechte Note.
Das ist die Realität, meine Damen und Herren. Mehr als 10 % eines Jahrgangs verlassen die Schule ganz ohne Abschluss. Das heißt, dass sich nicht immer Schüler der Schule anpassen müssen, sondern dass sich die Schule den Schülerinnen und Schülern bezüglich dieser individuellen Förderung anpassen muss.
Das hat auch nichts mit Kuschelpädagogik zu tun, sondern mit einem anderen pädagogischen Ansatz, der in anderen Ländern längst verinnerlicht wurde, aber dem Denken deutscher Schullogik einfach noch fremd ist. Wenn ich aber anerkenne, dass Kinder keineswegs in gut, schlecht oder ganz schlecht einzuteilen sind, dann kann ich sie auch nicht in die entsprechenden Schularten einsortieren. Das gegliederte Schulsystem erbringt die Leistung, mit der Sie es begründen, einfach nicht. Es schafft keine homogenen Lerngruppen, es verstärkt aber soziale Unterschiede.
Im Sinne einer individuellen Förderung aller Kinder und Jugendlichen müssen die jungen Menschen also zusammenbleiben. Mit Gleichmacherei hat das nichts zu tun. Diese individuelle Förderung muss innerhalb des grundsätzlichen gemeinsamen Lernens natürlich gemäß Fähigkeiten und Neigungen stattfinden. Aber das ist durch Binnendifferenzierung im Unterricht und im Schulleben notwendig und möglich und nicht durch vorherige soziale Selektion.
Nun zeigt die im Koalitionsvertrag verankerte Gemeinschaftsschule den guten Willen der SPD. Das ist schon einmal besser, als wenn er nicht da wäre, auch wenn ich sagen muss, dass ich als Landesschülersprecherin die SPD und die Jusos immer als Partner im Streit für eine bessere Schulkultur und -struktur wahrgenommen habe und einfach auch mehr von der Argumentation erwarte – wie man sein Verhalten erklärt –, als ich es jetzt erlebt habe.
Das Problem der Gesamtschule – in die Richtung geht ja die Gemeinschaftsschule – war immer in den Ländern, in denen es sie gab, dass es das Gymnasium, dass es das gegliederte System noch daneben gab und die ehrgeizigen, sozusagen besseren Hintergrundeltern ihre Kinder dorthin schickten. Wenn die Leistungsstreuung fehlt, die das Schulleben zum Vorteil erwiesenermaßen aller bereichert, dann wird eine solche Gemeinschaftsschule zur besseren Mittelschule. Das kann das Ziel nicht sein, es diskreditiert auch die Idee der Gemeinschaftsschulen. Darum, meine Damen und Herren, brauchen wir die flächendeckende und konsequente Einführung des gemeinsamen Lernens bis zur 8. Klasse. Deshalb brauchen wir diesen Antrag. Ich werbe deswegen um Ihre Unterstützung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich muss eine Frage an die PDS richten. Wenn man differenziert nach acht Jahren, würde das bedeuten, dass ein Hauptschüler noch ein einziges Jahr separaten Unterricht hat und ein Realschüler zwei Jahre. Lediglich bei den Gymnasialschülern wären es noch vier Jahre. Aus meiner Sicht wäre das wirklich unmöglich, wenn man nicht konsequent „Gesamtschule“ sagte. Das ist in Ihrem Antrag nicht enthalten. Dazu hätte ich gern eine Erläuterung. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Dinge, die hier in der Diskussion als Forderungen genannt wurden, stehen im Koalitionsvertrag. Da können wir gern nachlesen und diskutieren, wie wir zum integrativen Ansatz stehen, wie wir zu Förderschulen stehen, wie wir zur Lehrerausund -fortbildung stehen, wie wir die Veränderung der Schulaufsicht organisieren wollen. Dinge, die Sie angesprochen haben, haben wir dort niedergeschrieben, weil wir eine gemeinsame Problemlage erkannt haben und Handlungsbedarf sahen. Ich glaube, wir werden uns auch ganz schnell einig, dass das der richtige Weg ist. Ich möchte an der Stelle auch noch einmal deutlich sagen: Das Ziel einer Gemeinschaftsschule mit längerem gemeinsamen Lernen, zum Beispiel acht Jahre gemeinsamen Lernens, ist weiterhin auch unser Ziel.
Jetzt können wir uns darüber streiten, ob man diesen Weg per Gesetz beschreitet, entweder so, wie Sie es in Ihrem Antrag gefordert haben und wie es Finnland umgesetzt hat, oder so, wie wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass es von unten her wachsen kann und es damit, Herr Herbst, die generelle Öffnung gibt. Wir reden nicht von Modellschulen, sondern es ist möglich, dass jeder Schulträger beantragen kann, eine solche Gemeinschaftsschule zu werden. Nun steht die Frage, wie man vor Ort mit dieser Möglichkeit umgehen kann.
Es ist kein Modell, sondern die generelle Öffnung. Es ist nun unsere Aufgabe zu sehen, dass diese neue Form von Schule, diese neue Art gemeinsamen Lernens auch Erfolg hat. Denn wenn wir eine Gemeinschaftsschule wollen, brauchen wir dafür auch eine Mehrheit. Wir haben eine Mehrheit für den Weg, dass es von unten wächst. Das Ziel bleibt dasselbe. Wir wollen eine andere Bildung, wir wollen eine Gemeinschaftsschule, an der man länger gemeinsam lernen kann.
Hat die PDS-Fraktion noch eine Wortmeldung? – Nein. Ich frage die Staatsregierung. – Nein. Dann bitte ich um das Schlusswort. Herr Dr. Hahn, PDS-Fraktion, bitte.
Müller: Nach unserem Schulgesetz-Modell gibt es keine Hauptschule und auch keine Realschule mehr. Insofern ging Ihre Frage an der Sache völlig vorbei. Zu Herrn Dulig möchte ich sagen: Wenn Sie unseren Schulgesetzentwurf kennen würden, dann wüssten Sie, dass darin von acht gemeinsamen Schuljahren die Rede ist; da brauchten wir nicht bei der SPD abzukupfern. Allerdings haben wir schon angenommen, wir könnten die SPD beim Wort nehmen. Das haben wir allerdings geglaubt!
Ich habe mir den Koalitionsvertrag natürlich sehr genau angesehen. Es ist erklärt worden, dass die SPD im Bildungsbereich hat am meisten durchsetzen können. Ein Blick in den konkreten Wortlaut zeigt: Nichts davon ist wahr. Im Kern soll im Schulbereich so weitergewurstelt werden wie bisher. Von einer echten Weiterentwicklung im Bildungswesen kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein, was wir ausdrücklich bedauern.
Dieser Koalitionsvertrag, meine Damen und Herren, ist ein Vertrag der verpassten Chancen. Er ist eine Aneinanderreihung von halbherzigen Formelkompromissen ohne jede Verbindlichkeit.
Gestern ist schon die erste Luftblase bei den Kita-Zugangsbeschränkungen geplatzt – man muss Herrn Hähle ja für seine klare Aussage, dass es künftig aus der Sicht der CDU sehr wohl zeitliche Beschränkungen geben wird, dankbar sein –; das hatte sich in der Pressekonferenz ganz anders angehört. Das steht eigentlich auch ganz anders im Koalitionsvertrag. Genauso wird es im Schulbereich weitergehen. Es ist mit diesem Papier nicht absehbar, dass es eine längere gemeinsame Schulzeit gibt. Nicht einmal die Weichen dafür sind gestellt; dabei war gerade dies das zentrale Wahlversprechen der SPD. Wir wissen, dass eine 9-%-Partei nicht alle ihre Vorstellungen umsetzen kann, aber das, was herausgekommen ist, ist einfach nur als Enttäuschung zu bezeichnen.
Weder sechs noch acht gemeinsame Jahre – nichts ist verankert worden. Stattdessen irgendwelche Gemeinschaftsschulen, die aber stellenneutral nach den KMK-Bestimmungen gestaltet werden sollen. Das bedeutet, dass im Wesentlichen alles beim Alten bleibt. Herr Dulig, Sie haben gesagt, das sei eine generelle Öffnung. Jeder Schulträger könne einen Antrag stellen. Über Anträge und über die Genehmigung, meine Damen und Herren von der SPD, entscheidet aber allein der Kultusminister, den immer noch die CDU stellt. Das ist genau das Problem, das Sie mit dieser Regelung im Koalitionsvertrag haben. Hier hat sich die SPD eindeutig über den Tisch ziehen lassen.
Fest steht – wenn man sich ansieht, was jetzt dabei herauskommt –: Es sollen auch künftig 99 % der sächsischen Schülerinnen und Schüler nach der 4. Klasse getrennt werden. Das ist für uns völlig inakzeptabel, meine Damen und Herren.
Dies hat im Übrigen auch kein einziger Wähler der sächsischen Sozialdemokraten gewollt. Wir wollen eine längere gemeinsame Schulzeit. Diesem Ziel dient unser An
Ein letzter Satz, Herr Kollege Flath. Ich biete Ihnen als Minister für die nächsten Jahre ausdrücklich eine faire Zusammenarbeit an. In einem können Sie aber sicher sein: Leicht werden Sie es nicht haben!
Meine Damen und Herren, die Aussprache zur Drucksache 4/0079 ist beendet. Wir können zur Abstimmung kommen und ich bitte bei Zustimmung zu dieser Drucksache – eingereicht von der PDS-Fraktion – um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen und einer Reihe von Stimmen dafür ist diese Drucksache dennoch nicht beschlossen worden. Damit beenden wir diesen Tagesordnungspunkt und kommen zu
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde ist folgende: CDU, SPD, PDS, NPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und – falls gewünscht – die Staatsregierung. Ich erteile der einbringenden Fraktion das Wort. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Albrecht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein gutes Gefühl, wenn man zu einem Antrag sprechen kann, der sich im positiven Sinne fast erledigt hat. Ich denke, Frau Dr. Raatz, es ist ein gutes Zeichen, dass wir so über dieses Thema diskutieren können. Die Nachricht über die Schaffung von 10 000 neuen Arbeitsplätzen im Leipziger Norden, in der Region Mitteldeutschland, ist, glaube ich, eine Botschaft, die zum 15. Jahrestag des Mauerfalls von vielen sehnsüchtig erwartet wurde – gerade dann, wenn wir, wie eben, über die Frage von Standortschließungen und den damit verbundenen Wegfall von Arbeitsplätzen sprechen. Ich denke, es ist nicht zu viel verlangt, wenn man an dieser Stelle denen dankt, die für diese positive Entscheidung der Deutschen Post die Vorarbeit geleistet haben.
Das sind der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und natürlich auch der ehemalige Wirtschaftsminister Martin Gillo. Aber auch der Bundesregierung, die sich zu diesem Vorhaben positiv geäußert hat, und nicht zuletzt dem Regierungspräsidium Leipzig, das in einer Rekordzeit das ganze Verfahren gehandled hat, gebührt unser Dank.
Bei der oft negativ geführten Diskussion über die Leistungsfähigkeit unserer Regierungspräsidien – ich kann natürlich nur für Leipzig sprechen – ist ein dickes Lob für die Mannschaft um Herrn Steinbach, den Regierungspräsidenten, angebracht.
Die Philosophie, dass der Staat wieder die Infrastruktur, die notwendigen Voraussetzungen für die Entwicklung der Wirtschaft zur Verfügung stellen muss, hat sich bewiesen. Einmal mehr zeigt die zielstrebige und geräuschlose Vorbereitung der Ansiedlung, wie ernst unser Mi
10 000 dauerhafte Arbeitsplätze sind das eine, aber wenn man das Ganze auf Familien hochrechnet, sind es gesicherte Existenzen für 25 000 Menschen in dieser Region. Die Region Leipzig/Halle gehört nicht unbedingt zur Spitzengruppe, wenn es um dauerhaft geschaffene Arbeitsplätze geht. Sehr oft wird die Ansiedlung von Porsche und BMW hervorgehoben. Dass das Ganze nur zwei große Punkte sind und wir aber trotzdem große Defizite haben, wird oft vergessen.
Was sind nun die herausragenden Punkte sächsischer Ansiedlungspolitik, die sich auch am Beispiel DHL belegen lassen?
1. Das ist zum einen – ich möchte es in vier Punkte gliedern – das klare Bekenntnis eines 24-Stunden-Betriebes dieses Flughafens, des Flughafens Leipzig/Halle, der sich auch in dieser Form in der Koalitionsvereinbarung wiederfindet. Das bedeutet – ich denke, das muss man, wenn man dieses Thema umfassend diskutieren will, natürlich auch sagen – Zumutung für die vom Fluglärm betroffenen Menschen.