Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 31. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt:

Frau Nicolaus, Herr Hilker, Herr Dr. Jähnichen und Herr Prof. Dr. Weiss.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 4 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU-Fraktion 80 Minuten, Linksfraktion.PDS 60 Minuten, SPD- und

NPD-Fraktion jeweils 35 Minuten, FDP- und GRÜNEFraktion jeweils 25 Minuten, Staatsregierung 60 Minuten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redezeiten können von den Fraktionen wie immer entsprechend dem Redebedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Ich bitte Sie, aus der Ihnen vorliegenden Tagesordnung den Punkt 15, Kleine Anfragen, zu streichen.

Ich frage, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung noch Ergänzungen oder Anträge gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung als von Ihnen für unsere Beratung bestätigt.

Wir kommen damit gleich zu

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Aktuelle Debatte

EU-Verfassung – grundgesetzkonform?

Antrag der Fraktion der NPD

Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU-Fraktion 18 Minuten, Linksfraktion.PDS 13 Minuten, SPD-Fraktion 6 Minuten, NPD-Fraktion 11 Minuten, FDP-Fraktion 6 Minuten, GRÜNE-Fraktion 6 Minuten, Staatsregierung 10 Minuten, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der NPD, das Wort zu nehmen. Herr Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsentwurf der Europäischen Union wird zu einer weiteren Entmündigung der Bürger Europas führen – falls diese Verfassung je in Kraft treten sollte. Es ist ein Skandal, dass die Staatsregierung der EUVerfassung im Bundesrat zugestimmt hat, ohne im Landtag eine ordentliche Debatte mit den vom Volk gewählten Abgeordneten geführt zu haben, und dies, obwohl es hier um das Staatsverständnis der Bundesrepublik Deutschland und die von Ihnen so oft zitierte freiheitlichdemokratische Grundordnung geht.

Um die Vereinbarkeit des deutschen Zustimmungsgesetzes mit dem Grundgesetz zu überprüfen, fand in der letzten Woche auf unsere Initiative hier im Landtag eine Expertenanhörung statt. Als Experte sprach dort unter anderem der bekannte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Schachtschneider, der die Verfassungsbeschwerde von Peter Gauweiler vertritt, die bis dato – Gott sei Dank, muss man sagen – dafür sorgte, dass der Bundespräsident den Vertragsentwurf noch nicht unterzeichnet hat.

Schachtschneider erklärte, dass die EU spätestens mit InKraft-Treten der Verfassung eine existenzielle Staatlichkeit beanspruchen werde und die EU-Verfassung damit auf verfassungswidrige Weise gegen elementare Prinzipien des Grundgesetzes verstoßen würde.

Auffällig war bei der Anhörung das Desinteresse der etablierten Parteien, obwohl dieses Thema wie kaum ein anderes elementare Bedeutung für die Zukunft unseres Landes hat. Ihre Fraktionen dürften hierfür zwei Gründe haben: Zum einen ging es bei dem behandelten Antrag um ein Tabuthema, nämlich den grundgesetzwidrigen Abbau deutscher Eigenstaatlichkeit. Zweitens kam der Antrag von der NPD, und als pseudodemokratische Pharisäer haben Sie ja artig vereinbart, keine Sachdiskussion mit der NPD-Fraktion zu führen. Herr Dulig untermauerte erst jüngst sein faschistisches Selbstverständnis, indem er erklärte: Beantragen Sie in diesem Hause, was Sie wollen – wir werden es ablehnen!

Trotzdem wollen wir noch einmal unsere Bedenken gegen eine EU-Verfassung einbringen, die die meisten Abgeordneten nicht einmal kennen, wie nicht zuletzt das Nachrichtenmagazin „Panorama“ bei einer Befragung unter Bundestagsabgeordneten am Tag der Beschlussfassung feststellen musste.

Mit der EU-Verfassung werden elementare Grundregeln ausgehebelt; denn nach Artikel 146 darf das Grundgesetz durch eine Verfassung nur abgelöst werden, wenn diese vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen wurde. Dies ist beim Verfassungsentwurf der EU definitiv nicht geschehen.

Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich noch an die Umfrage der „Bild“-Zeitung? 96 % der Leserinnen und Leser lehnten die Zustimmung ab. Wenig später stimmten 94 % der Bundestagsabgeordneten dem Verfassungsentwurf ungerührt zu. Welch politische Ignoranz gegenüber dem eigenen Volk!

Es bedurfte erst der Volksabstimmungen in Frankreich und Holland, um den Verfassungsentwurf zumindest bis Juni 2006 auf Eis zu legen, wenngleich klar ist, dass dann ein neuer Taschenspielertrick praktiziert werden soll und die Verfassung gültig wird, wenn sich weniger als fünf EU-Mitgliedsstaaten verweigern. Das überwältigende Nein der Franzosen und Holländer ist eine Ohrfeige für die volksfeindliche Politik der Technokraten in Brüssel, die die Mitgliedsländer längst in unselbstständige Protektorate der Brüsseler Bürokratie umgewandelt haben. Es ist traurig, aber wahr, meine Damen und Herren: Ganz offensichtlich vertreten die Holländer und die Franzosen auch die Interessen unseres eigenen, des deutschen Volkes, und zwar besser als die vermeintlichen Volksvertreter im Deutschen Bundestag!

Wir Nationaldemokraten wollen, dass auch das deutsche Volk das Recht erhält, in freier Wahl über die Verfassung mitzuentscheiden!

Wie notwendig eine solche Abstimmung wäre, zeigt sich daran, dass diese EU immer mehr die Züge eines undurchsichtigen Molochs annimmt. Einer, der die Funktionsweise des Brüsseler Ladens so gut wie kaum ein anderer kennt, ist der Luxemburger Jean-Claude Juncker. Er erklärte – ich möchte kurz zitieren –:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt!“

Unsere Fraktion wird Ihren Verrat unseres Volkes auf dem Altar der Brüsseler EU-Diktatur immer und immer wieder in den öffentlichen Diskurs einbringen; denn Sie, meine Damen und Herren, sollen nicht behaupten können, dass Sie von alledem nichts gewusst hätten.

Wir möchten festgestellt wissen, dass zumindest unsere Fraktion der EU-Diktatur die Stirn geboten und sich konsequent gegen die Verfassung ausgesprochen hat. Wir dürfen nicht zulassen, dass zukünftig 80 % aller Entscheidungen in Brüssel und Straßburg getroffen werden.

In Ihrer Hand liegt es mit, ob unser Volk, ähnlich wie andere Völker, selbstständig über die Verfassung entscheiden kann oder ob Sie das deutsche Volk für unmündiger und dümmer als andere Völker halten. In diesem Fall, meine Damen und Herren, offenbaren Sie einmal mehr Ihr fragwürdiges Demokratieverständnis. Es wird deutlich: Sie haben einfach Angst vor einer wirklichen Herrschaft des Volkes. Anders ist Ihre Verweigerungshaltung nicht zu erklären.

(Beifall bei der NPD)

Wir Nationaldemokraten wollen ein demokratisches Sachsen, ein freies, selbstbestimmtes Deutschland. Aber wir wollen auch ein demokratisch legitimiertes Europa. Die Europäische Union und der EU-Verfassungsvertrag mögen alles Mögliche sein, mit Sicherheit aber nicht konform mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon verwunderlich, wie viel Müll mein Vorredner soeben auf die Bundesrepublik Deutschland und die deutschen Länder ausgekippt hat.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich schäme mich langsam, dass Deutschland so, wie es von meinem Vorredner getan worden ist, beschimpft wird.

(Jürgen Gansel, NPD: Wir schämen uns für Ihresgleichen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Raum steht die Frage: Ist das Vertragswerk zur EU-Verfassung grundgesetzkonform? Es ist schon sehr verwunderlich, dass das deutsche Grundgesetz jetzt für die Art der Europapolitik, so wie sie mein Vorredner abgehandelt hat, herhalten muss.

Apropos Europa: Ihren Anhängern erklären Sie stets, wie schlecht alles in Europa sei. Wenn es aber darum geht, ein Europa ohne Grenzen für sich selbst auszunutzen, dann vergessen Sie Ihre Reden und lassen Ihre Zeitungen außerhalb Sachsens, außerhalb Deutschlands, ja in Europa drucken!

(Zuruf von der NPD: Weil wir keine deutsche Druckerei gefunden haben!)

Nun zum deutschen Grundgesetz: Es ist schon anmaßend, dass das Grundgesetz, das die NPD-Fraktion stets abschaffen will, jetzt bemüht wird, um das Vertragswerk zur Europäischen Verfassung infrage zu stellen. Es ist eine Anmaßung, wie hier das Grundgesetz missbraucht wird. Ich frage Sie: Wer soll Ihnen glauben? Niemand, glaube ich, in diesem Haus.

Am 12. Mai 2005 hat der Deutsche Bundestag das Vertragswerk ratifiziert. Im Bundesrat erfolgte die Ratifizierung am 27. Mai 2005. Die Staatsregierung des Freistaates Sachsen hat mit zur Zweidrittelmehrheit im Bundesrat beigetragen. Sie hat zugestimmt.

Zur Frage der Zulässigkeit einer abstrakten Normenkontrollklage der Sächsischen Staatsregierung bestehen keine Bedenken aus rechtlicher Sicht. Der Freistaat Sachsen ist

antragsberechtigt und das Zustimmungsgesetz möglicher Prüfungsgegenstand. Die Staatsregierung müsste allerdings jetzt das Zustimmungsgesetz für verfassungswidrig halten. Welche neuen Gründe würden die Verfassungswidrigkeit begründen?

Am 26. September 2005 wurden diese Fragen ausgiebig und eindeutig in der Anhörung diskutiert. Es ergeben sich daraus keine neuen Erkenntnisse, die eine Verfassungswidrigkeit begründen würden. Die SPD- und die CDUFraktion, für die ich jetzt spreche, sieht sich in ihrer Auffassung des rechtsstaatlichen Handelns der Staatsregierung bekräftigt. Das heißt, die Staatsregierung kann kein neues Argument finden, dass es formal eine Verfassungswidrigkeit gibt.

Die formelle Verfassungsmäßigkeit kann nicht angezweifelt werden. Bundestag und Bundesrat haben mit Zweidrittelmehrheit entschieden und damit die Anforderungen der Artikel 23 und 79 Grundgesetz erfüllt. Zu prüfen wäre die materielle Verfassungswidrigkeit. Der Prüfmaßstab beurteilt Inhalt und Wirkung des Vertrages. Wenn der Vertrag einen europäischen Bundesstaat begründet und damit die Bundesrepublik Deutschland im völkerrechtlichen Sinne beseitigt, wäre dies nicht nur ein Verstoß gegen Artikel 20 Grundgesetz, sondern gegen die Souveränität der deutschen Bundesrepublik. Keine deutsche Regierung hätte das Recht, so zu handeln, und auch die Bundesregierung hat so nicht gehandelt. Sie hat auf der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland bestanden. Welchen Grund muss es also noch geben, dass der Freistaat Sachsen seine Position ändern kann?

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich glaube, es gibt kein Argument, neu zu überlegen, dass das Handeln verfassungswidrig gewesen ist. Es gibt kein Argument, einer Klage eines Bundestagsabgeordneten beizutreten. Es gibt keine Not, dass der Freistaat Sachsen hier einen Weg beschreitet, der gegen das Land gerichtet ist und letztlich Deutschland ins Abseits führt. Deshalb, glaube ich, sollten wir die Debatte auch nicht weiterführen. Der Staatenbund ist der richtige Weg für Deutschland in ein einiges Europa.

Vielen Dank.