Herr Krauß, ich möchte Sie fragen, ob Ihnen aktuelle Zeitungsberichte bekannt sind, denen zufolge insbesondere durch Hartz IV in Mitteldeutschland mittlerweile jeder vierte Jugendliche in Armut lebt. Weiter möchte ich Sie fragen, welche politischen Rückschlüsse die CDU daraus zum Thema Jugendarbeitslosigkeit und Jugendverarmung in Sachsen zieht.
Ich bin gerade dabei, Ihre zweite Frage zu beantworten. Ich bin erst am Anfang meiner Rede. Wenn Sie sich ein bisschen gedulden und zuhören, werden Sie erfahren, welche Rückschlüsse wir daraus ziehen wollen. Die erste Frage hatte ich in meinem ersten Satz beantwortet.
Mit Arbeitslosen ist eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Auch das steht im SGB II. Wir begrüßen das, weil damit passgenau auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch den individuellen Hilfebedarf der Jugendlichen eingegangen wird. Wenn die ARGEs erst mit 62 % der Jugendlichen eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen haben, dann scheint mir diese Quote zu gering zu sein. Hier gibt es noch Handlungsbedarf.
Klar ist, wer einen Ausbildungsplatz hat, der hat wesentlich bessere Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Es ist wie beim Impfen. Eine Ausbildung vermindert deutlich das Risiko, arbeitslos zu werden. Eine Zahl mag das verdeutlichen. Mehr als die Hälfte der Menschen im Osten, die keinen Berufsabschluss haben, sind arbeitslos. Bei Facharbeitern und Akademikern ist diese Quote weit geringer. Ich halte es deshalb für fatal, wenn gesagt wird, dass es keinen Sinn hätte, sich in der Schule anzustrengen und eine Ausbildung zu machen, weil man danach ohnehin arbeitslos wäre. Diese Einstellung ist grundfalsch. Wer solchen Pessimismus verbreitet, der versündigt sich an der jungen Generation.
Ein guter Schulabschluss und eine ordentliche Ausbildung sind das beste Rüstzeug für das künftige Leben.
Die beste Ausbildung ist eine duale Ausbildung. Sie hat sich bewährt. Die duale Ausbildung erleichtert den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. In Ländern, in denen es
keine duale Ausbildung gibt, ist die Jugendarbeitslosigkeit weit höher. Ich denke da an Frankreich, Italien, Griechenland oder Spanien.
Umso trauriger ist es, dass die duale Ausbildung in Deutschland derzeit eine Schwächephase durchlebt. Waren vor zehn Jahren noch 70 % der Ausbildungsplätze im dualen System, so sind es gegenwärtig nur noch 40 %.
Gerade im Bereich des Handwerks gehen Ausbildungsplätze verloren. Diese Entwicklung ist beunruhigend.
Wenn junge Menschen ihre Ausbildung abgeschlossen haben, dann ist es dennoch nicht leicht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Ich sage es noch einmal, damit es verständlich wird: Wenn junge Menschen die Ausbildung abgeschlossen haben, ist es dennoch nicht leicht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, insbesondere wenn sie eine überbetriebliche Ausbildung hatten. Für sie ist es schwer in die Festung der Arbeitsmarktbesitzer vorzustoßen. Wer einmal in dieser Festung ist, hat es in der Regel geschafft. Wer draußen ist, hat Pech gehabt. Deswegen sind gerade junge Menschen die Leidtragenden von starren Kündigungsregelungen, die leider das Gegenteil von dem bewirken, wozu sie einst geschaffen wurden, nämlich den Menschen zu dienen.
In der Bundesrepublik wurden Jahr für Jahr die Mauern höher gebaut, damit die Arbeitnehmer besser geschützt werden. Man hat aber vergessen, dass außerhalb der Festung Menschen sind – Arbeitslose, Jugendliche –, denen es umso schwerer fällt, die Festungsmauern zu überwinden, je höher diese Mauern sind. So verhindern gut gemeinte Regelungen Beschäftigung. Deswegen muss die Mauer der Festung Arbeitsmarkt um ein paar Reihen abgetragen werden, damit junge Leute es leichter haben, einen Job zu bekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Kollege Morlok gestern bereits gesagt hat, sollten die Betriebe an morgen denken und Ausbildungsplätze anbieten. Die meisten Unternehmen tun das auch. Aber manchen fehlt leider diese Weitsicht.
Der Präsident des Bundesinstitutes für Berufsbildung sagte kürzlich in einem Interview ganz richtig: „Nach 2007 werden die Unternehmen den Jugendlichen den roten Teppich ausrollen, weil ihnen wegen des Geburtenrückgangs Fachkräfte fehlen.“
Freya-Maria Klinger hatte gestern bereits auf die Studie der Universität Jena hingewiesen, wonach ab 2010 in der
Region Chemnitz-Zwickau 10 000 Fachkräfte im verarbeitenden Gewerbe fehlen werden. Kluge Unternehmen bauen deswegen vor und bilden aus. Ich kann deshalb nur an jeden Unternehmer appellieren: Bilden Sie aus! Das sollten Unternehmer nicht aus Großherzigkeit tun, sondern aus wohlverstandenem Eigeninteresse.
So wie der Bäcker seine Brötchen nicht aus Mitleid verkauft, sondern – ganz legitim – um Geld zu verdienen, so soll der Unternehmer nicht aus Mitleid junge Leute ausbilden, sondern weil sein Unternehmen sonst keine Zukunft hat.
(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD – Beifall bei der CDU – Stefan Brangs, SPD: Jetzt habt ihr aufgepasst!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns geht es darum, dass junge Menschen Ausbildung und Arbeit haben.
Ich habe das Gefühl, es hören zu wenige zu, wenn immer nur Herr Brangs Applaus spendet. Aber er versteht meine Argumente, das freut mich.
Uns geht es darum, dass junge Menschen Ausbildung und Arbeit haben. Dann werden sie auch keine Hartz-IV-Empfänger. Diesen Perspektivwechsel würde ich mir auch bei der PDS wünschen. Es kann doch nicht in erster Linie darum gehen, dass sich der Landtag mit der Frage beschäftigt, wie Jugendliche mit Hartz IV leben, wie sie also außerhalb der Festung Arbeitsmarkt zurechtkommen. Es muss uns in erster Linie darum gehen, dass Jugendliche Ausbildung und Arbeit haben und gar nicht erst zu Hartz-IV-Empfängern werden.
Herr Kollege Krauß, in der Forderung, die Sie eben aufgestellt haben, sind wir uns sicher alle einig. Aber ich möchte Sie fragen, ob es nicht so ist, dass, wenn es Hartz-IV-Empfänger gibt und darunter junge Leute sind, dann das Parlament die Pflicht hat – und zwar auch die Opposition –, sich der konkreten Probleme dieser Menschen anzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass die größten Schwierigkeiten aus dem Weg geschafft werden. Gibt es solche Schwierigkeiten oder gibt es sie nicht?
Es ist legitim, dass sich der Landtag mit der Frage beschäftigt, wie die Hartz IVEmpfänger leben und wie dieses Niveau verbessert werden kann. Aber ich würde mir wünschen, dass Sie sich mit der gleichen Anstrengung und vielleicht ein bisschen mehr mit der Frage beschäftigen: Wie bekommen wir diese Leute aus Hartz IV heraus, sodass sie in Ausbildung und Arbeit kommen? Da höre ich von der PDS relativ wenig.
Deswegen und weil der Antrag aus unserer Sicht auch einige handwerkliche Fehler hat, werden wir ihn ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst habe ich mit Genugtuung wahrgenommen, dass die Linksfraktion.PDS den Wahlkampf erst einmal beendet hat; denn ich kann mich erinnern, dass der einzige Slogan in ihrem Wahlkampf „Hartz IV muss weg!“ war. Jetzt ist es so, dass sich die Linksfraktion.PDS mit diesem Thema intensiv befasst und in dem Antrag, der uns hier vorliegt, Vorschläge unterbreitet, wie man aus Hartz IV ihrer Meinung nach das eine oder andere eventuell noch besser machen kann.
Sehr geehrte Frau Kollegin! Können Sie sich daran erinnern, dass die Linksfraktion.PDS im Sächsischen Landtag sehr wohl beantragt hat, dass Initiativen ergriffen werden, dass Hartz IV wegkommt, dass aber alle anderen diesen Antrag abgelehnt haben und es seitdem in der Tat keine andere Fraktion in diesem Hohen Hause gibt, die sich mit so viel Sorgfalt und so viel Engagement einer Nachbesserung von Hartz IV widmet, selbstverständlich, um im Interesse der Betroffenen die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern?
Ich kann hier meine Wahrnehmung wiedergeben, die folgendermaßen ist: Sie ist genauso, wie Sie es eben gesagt haben: dass natürlich Hartz IV von Anfang an für Sie ein totgeborenes Kind war, Sie Hartz IV nie akzeptiert haben und jetzt im Sächsischen Landtag – es mag sein, dass Sie da vielleicht eine andere
Position einnehmen als Ihre Bundespartei – versuchen, doch an Hartz IV das eine oder andere zu korrigieren.
Aber unabhängig von diesen parteipolitischen Betrachtungsweisen macht doch die Debatte heute deutlich – ich denke, dass alle Fraktionen sich darin einig sind, wir haben es auch gestern in der Debatte zur Berufsorientierung gehört –, dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit oberstes Ziel ist und wir, die Koalition, dieses Ziel mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln natürlich unterstützen und begleiten werden.