Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an den Anfang der Debatte zurückkommen. Da standen einmal 2,5 Milliarden Euro Entlastung für die Kommunen. Zirka 100 Millionen sollten dabei auf die

sächsischen Kommunen entfallen. Das war letztlich der Grund dafür, dass sich der Bund mit 29,1 % an den Kosten der Unterkunft beteiligt hat. Es sollte eine Nettoentlastung der Kommunen stattfinden. Das gerät oft in Vergessenheit. Es hat auch keine Kostenexplosion im Bereich des ALG II gegeben.

Herr Albrecht, Sie haben schon zu Recht darauf hingewiesen, dass das Arbeitslosengeld II 2005 zirka 26 Milliarden Euro ohne Wohnkosten ausmacht. Wenn wir uns anschauen, dass wir 2004 für Arbeitslosenhilfe 27,6 Milliarden Euro gezahlt haben, dann kann man nicht von einer Kostenexplosion sprechen. Wenn man 14 Milliarden Euro einstellt und weiß, dass man für Arbeitslosenhilfe 27,6 Milliarden Euro zahlt, hat man es auf Bundesebene schöngerechnet. Man muss einfach festhalten,

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

dass eine Schönrechnung auf Bundesebene stattgefunden hat und keine Kostenexplosion.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Da hat er mal Recht gehabt!)

Wir haben öfter mal Recht. Das werden Sie im Laufe der Zeit noch mitbekommen.

Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften ist ganz drastisch angestiegen. Herr Pecher hat schon auf die Ursachen hingewiesen, die zu diesem Anstieg geführt haben. Das ist auch die Ursache für die unterschiedlichen Zahlen. Der Bund sagt, dass all das, was wir an Arbeitslosengeld II über die Sozialhilfe hinaus zahlen, eine Entlastung für die Kommunen darstellt. Das würde aber bedeuten, dass diejenigen, die jetzt Arbeitslosengeld II beziehen und früher nicht Arbeitslosenhilfeempfänger waren, bei den Kommunen Sozialhilfe bezogen hätten. Genau das ist nicht der Fall. Neben den Gründen, die Herr Pecher angeführt hat, gibt es auch viele Menschen, die aus psychologischen Gründen den Gang zum Sozialamt gescheut haben und jetzt Arbeitslosengeld II empfangen. Diese Leute betrügen nicht. Sie nehmen nur eine Leistung in Anspruch, die ihnen zusteht. Deswegen haben wir hier einen Anstieg bei den Kosten. Das hat auch nichts damit zu tun, dass die Kommunen etwas schönrechnen würden. Wir haben hier tatsächlich erhebliche Mehrausgaben. Allein in Leipzig rechnet man mit 18 Millionen Euro im Haushalt. Ich gehe davon aus, dass Herr Pellmann noch genauer darauf eingeht, welche dramatischen Konsequenzen das für den Leipziger Haushalt haben würde.

Wenn wir uns anschauen, was unser eigenes Statistisches Landesamt ausgerechnet hat, stellen sich schon ein paar Fragen. 57 Millionen Euro Entlastung im 1. Halbjahr, das ist nicht so weit weg von 100 Millionen Euro insgesamt, die einmal angedacht waren. Wenn diese Zahlen richtig sind – wir kennen die Zahlen aus Leipzig, wir kennen auch Zahlen aus anderen Großstädten –, dann kann hier irgendetwas nicht stimmen. Wir benötigen für eine sachliche Diskussion mit dem Bund eine verlässliche Datenbasis. Deswegen haben wir einen entsprechenden Berichts

antrag als ersten Punkt in unserem Antrag gestellt. Die Kollegen von der Linksfraktion.PDS gingen einen anderen Weg. Sie hatten eine Kleine Anfrage eingebracht, um diese verlässlichen Zahlen zu erheben, damit wir pro Landkreis und pro Kreisfreie Stadt wissen, was passiert ist. Wir brauchen diese Daten, um in der Diskussion mit dem Bund sattelfest sein zu können. Es könnte ja sein, dass wir an mancher Stelle eine Mehrbelastung und woanders eine Entlastung haben. Vielleicht haben wir sogar in Sachsen diese unterschiedlichen Entwicklungen, vielleicht aber auch zwischen Ost und West.

Diese Daten müssen auf den Tisch und wir sind der Meinung, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen zu kurz greift, weil die Ermittlung einer verlässlichen Datenbasis nicht Gegenstand des Antrages ist. Sie formulieren ganz lapidar und allgemein, es sollen keine Nachteile entstehen. Auch das greift zu kurz, denn es waren einmal Entlastungen zugesagt. Wir wollen nicht nur den Status quo erreichen, wir wollen, dass die zugesagten Entlastungen für die Kommunen erreicht werden. Das müssen wir fordern und nicht nur keine Nachteile. Deswegen greift der Antrag der CDU/SPD-Koalition zu kurz und wir empfehlen Ihnen unseren Antrag zur Annahme.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Die Fraktion der GRÜNEN kommt an die Reihe. Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es in der Debatte schon gehört, auch hier schwirren die unterschiedlichsten Zahlen zu den Kostensteigerungen, zu Kostenexplosion und Kosteneinsparungen im Zusammenhang mit Hartz IV durch den Raum. Die alte Bundesregierung hatte zugesagt, dass die zweite, ursprünglich für Oktober geplante Revisionsrunde auf die Zeit nach den Koalitionsgesprächen verschoben wird. Wir halten das für vernünftig und angemessen. In den Koalitionsgesprächen wird auch zu dem uns heute vorliegenden Thema „Kosten der Unterkunft“ verhandelt. Dabei sitzen sowohl seitens der CDU als auch der SPD wichtige Teilnehmer aus Sachsen mit am Tisch. Deshalb macht es aus unserer Sicht Sinn, mit diesen Anträgen, die sich auf die Kosten der Unterkunft beziehen, für politischen Rückenwind bei diesen Verhandlungen zu sorgen.

Wir unterstützen insbesondere den Punkt 1 des Antrages der FDP-Fraktion, die einen Bericht über die aktuellen Ent- und Belastungen durch Hartz IV für die sächsischen Kommunen in eine Bewertung einbeziehen will und auch eine Bewertung der Kompensationszahlungen aus den SoBEZs mit diesem Antrag fordert. Die vorliegenden Zahlen aus den Kommunen sind kaum vergleichbar. Es ist fast nicht möglich, die Weitergabe der eingesparten Wohngeldmittel des Landes an die Kommunen zu überprüfen. Es ist nicht klar, welche Kosten bei den Kosten der Unterkunft einbezogen werden und welche nicht.

Ohne Zweifel, liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr Transparenz ist für die Debatte unverzichtbar.

Darüber hinaus scheint es uns aber ebenso wichtig, nicht nur die Be- und Entlastungswirkungen auf die Kommunen zu erfassen, sondern vor allem die auf die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Die Debatte ist eben nicht nur eine finanzpolitische, sondern auch eine sozial- und familienpolitische. Der tatsächliche Anstieg der Kosten hat verschiedene Gründe. Auch darauf wurde schon eingegangen. Flaue Konjunktur, bisher verdeckte Armut, die jetzt sichtbar wird, die Niederschwelligkeit von Angeboten sowie Schwächen im Gesetz sind zu nennen. Sozialmissbrauch spielt dagegen keine große Rolle. So sollte dieses Thema auch nicht diskutiert werden, sondern wir müssen, wenn wir dieses Thema diskutieren, auch die Wirkungen auf demografische Entwicklungen einbeziehen.

Viele der Hartz-IV-Empfänger haben Kinder oder bekommen Kinder. Wenn diese Kinder mit ihren Familien eine Chance bekommen sollen, dann brauchen wir für die Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze eine familienpolitische Dimension, die allerdings nicht als Repression verstanden werden darf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich in der Praxis umhört, dann gibt es eine Reihe von Entwicklungen, mit denen vorher niemand so recht gerechnet hat und die die kommunalen Kosten für Heizung und Unterkunft in die Höhe treiben. Es lohnt sich daher, genauer hinzusehen. Das sind zum einen die Jungen, die jetzt ermutigt werden, nicht länger im „Hotel Mama“ zu leben. Wenn wir aber die Perspektive wechseln, weg von Hartz IV und hin zu Familienpolitik und Geburtenrate, dann lässt sich feststellen: Je länger junge Leute im „Hotel Mama“ leben, umso später gründen sie eine eigene Familie und umso später bekommen sie Kinder und dann eben auch weniger Kinder. Deswegen liegt das so traditionelle Italien in der Geburtenrate ähnlich niedrig wie Deutschland.

Wenn junge Frauen schwanger werden, dann haben sie das Problem, dass sie unter Umständen in Abhängigkeit zum Kindesvater geraten, und sie müssen es sich dreimal überlegen, ob sie wirklich mit ihm zusammenziehen wollen, denn eine Grundsicherung bekommen sie nur, wenn sie eine eigene Wohnung haben. Bilden sie eine Bedarfsgemeinschaft, bekommen sie keinen Euro, wenn der Kindesvater ausreichend verdient. Für viele mag das eine normale Familienperspektive sein; für junge Frauen, die noch nicht lange in einer Partnerschaft leben, ist dies eine Überforderung. Die Zukunft solcher Familiengründungen steht auf äußerst wackligem Boden. Von Beginn an werden diese jungen Frauen nicht nur ökonomisch von ihren Noch-nicht-Ehemännern, sondern auch beruflich abgekoppelt, nämlich von der Unterstützung zum beruflichen Einstieg. Damit wird aber das Ziel von Hartz IV, eine aktivierende Sozialpolitik zu sein, für eine zukunftssichernde Gruppe, nämlich junge Frauen mit Kindern, die in Partnerschaft leben, geradezu umgekehrt. Gerade diese Frauen geraten in eine deaktivierende Abhängigkeit.

Hier haben wir einen politischen Zielkonflikt zwischen dem traditionellen Bild der Familie als Ernährermodell auf der einen Seite und einer modernen Familienpolitik, die die Erfüllung von Kinderwünschen ermöglicht, auf der anderen Seite.

Was wir also brauchen, sind viel flexiblere und lebensnahere Regelungen. Dadurch können wir sinnvoll in eine nachhaltige Familienpolitik investieren. Wir können es uns gar nicht leisten, allein aus dem Blickwinkel eines Ressorts eine so komplexe Lebenswirklichkeit politisch zu bewerten. Es ist an der Zeit, zum Wohle der Familie und unserer Geburtenraten eine Individualisierung der Ansprüche auf Arbeitslosengeld II durchzusetzen. Wir teilen in diesem Fall die Forderung der Gesellschaftspolitischen Kommission des Katholischen Deutschen Frauenbundes.

In der Realität suchen Betroffene schon heute entsprechende Auswege und werden so unter anderem als Missbraucher beschimpft. So mancher Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnte eingespart werden, wenn der Bezug von Arbeitslosengeld II eben nicht mit dem Auszug in eine eigene Wohnung verknüpft würde. Wenn Hartz IV ursprünglich viel Geld sparen sollte und das heute nicht in dem gewünschten Maß eingetreten ist, so muss es trotzdem kein Scheitern sein. Wenn verdeckte Armut nun sichtbar ist und der Staat Geld zu ihrer Linderung ausgibt oder sich familienpolitische Gesichtspunkte stärker Geltung verschaffen, ist das sozialpolitisch in Ordnung, wenn auch haushaltspolitisch ein Problem. Die Anpassung der Regelungen sollte flexibel darauf reagieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen die Anträge der demokratischen Fraktionen. Zu dem PDSAntrag wurde schon punktweise Abstimmung angekündigt.

Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Gibt es aus den Fraktionen noch Redebedarf? – Für die CDU-Fraktion Herr Albrecht, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von einigen Rednern ist in der Sache Konsens signalisiert worden. Ich denke, wenn man darauf aufbaut, muss man sich darüber verständigen, was dieser mögliche Konsens beinhalten soll.

Wichtig ist mir, dass wir uns zum Beispiel darüber einig sind, dass das Projekt Hartz IV – man kann den Namen zwar als „verbrannt“ bezeichnen und ihm in Zukunft einen neuen Namen geben – richtig und nicht, wie es Herr Dr. Friedrich bezeichnete, Unsinn ist. Das möchte ich hier ganz deutlich klarstellen. Sinn und Zweck dieser Reform können nicht strittig sein.

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS und der NPD: Doch!)

Des Weiteren halte ich es für wichtig, dass wir, wenn wir über die Angleichung von ALG II oder, wie Sie es ausgeführt haben, über den Grundregelsatz sprechen, dennoch die Gesamtsituation nicht aus den Augen verlieren. Damit meine ich nicht unbedingt die Situation der Haushalte im Bund oder im Land, sondern auch die Situation für die Betroffenen selbst, für die Betroffenen im engeren Sinne, sprich die Empfänger, aber auch für diejenigen, die im Moment einer Erwerbstätigkeit nachgehen, von keinerlei Förderung im positiven Sinne betroffen sind und im Vergleich zu demjenigen, der auf diese Leistung Anspruch hat, am Ende weniger in der Tasche haben.

Stellen Sie sich folgende Situation vor, die Sie möglicherweise alle kennen: eine Verkäuferin, die über ein sehr niedriges Einkommen verfügt, allein für ihre Mietkosten aufkommt und am Ende des Monats 800 Euro oder etwas mehr zur Verfügung hat, und denjenigen, der beim ALG II anspruchsberechtigt ist, eventuell noch aus anderen Kassen gefördert wird, und am Ende 900 Euro übrig hat. Ich denke, das kann nicht der richtige Weg sein, sondern es sollten diejenigen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, nicht schlechter gestellt werden als diejenigen, die gefördert werden.

Ich frage weiterhin: Warum soll der Wohnungswechsel ausgeschlossen werden? Ich kann das nicht nachvollziehen, Kollege Friedrich. Ich meine damit nicht das kleinkarierte Nachrechnen von ein oder zwei Euro oder von zwei oder drei Quadratmetern Wohnfläche.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: So läuft es aber!)

Das obliegt aber dann Ihrer kommunalen Verantwortung vor Ort, Herr Kollege.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir haben leider keine mehr!)

Ich meine, dass sich jemand, der über dieses Gesetz gefördert wird, auch fragen lassen muss, ob er in einem angemessenen Wohnraum lebt oder nicht. Das ist auch in der Gegenüberstellung zu demjenigen, der für die Kosten seiner Wohnung allein aufkommt, zu sehen.

Ich teile die Meinung, dass die Auswirkungen von Hartz IV kein ostdeutsches Problem sind. Ich werbe im Gegenteil dafür, das Ganze als Regionalproblem zu sehen. Dabei denke ich beispielsweise an die Unterschiede der Wirkung dieses Gesetzes zwischen Kreisfreien Städten und Landkreisen. Das ist nicht nur auf Sachsen beschränkt. Schauen Sie sich die Entwicklung im Ruhrgebiet an. Es ist dort so, dass die großen Kommunen mit dem Gesetz weitaus weniger zufrieden sind und die Entlastungswirkung in den Landkreisen erheblich ist.

„Keine Nachteile für Kommunen“ ist und bleibt die Kernaussage unseres Antrages. Das heißt nicht, dass wir in der gegenwärtigen Haushaltssituation gegenüber dem Bund aufsatteln können. Es gilt das, was ausgemacht ist, in beide Richtungen. Deshalb werbe ich dafür, dass es jetzt im Nachgang nicht dazu führen kann, wenn wir diese

Diskussion in diesem Haus ehrlich führen, dass wir quasi die „Chance“ nutzen, gegenüber dem Bund neue Forderungen zu stellen. Das halte ich auch im Sinne des fairen Miteinanders der Ebenen für nicht gerechtfertigt.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Von der SPDFraktion ist mir kein Redner mehr gemeldet worden. Dann, bitte, für die Linksfraktion.PDS Herr Dr. Pellmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Albrecht, ich muss mich schon sehr wundern. Als Leipziger sind Sie weit davon entfernt, die reale Situation unserer gemeinsamen Stadt zu erkennen. Ich muss das hier wirklich so deutlich sagen.

Ich habe das deutlich verspürt, als Sie in Ihrem Redebeitrag mit Zahlen hantierten und ausführten, dass ein ALG-II-Empfänger am Monatsende nach allen Abzügen noch 900 Euro übrig hätte und die Verkäuferin nur 800 Euro. Ich bin gern bereit, Ihnen eine Rechnung zu präsentieren, um zu zeigen, wie es wirklich aussieht. So, wie Sie es hier dargestellt haben, ist es weitab von der Realität.

Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten auch ein paar Dinge dargestellt, wie sie sich in Leipzig gegenwärtig vollziehen. So Leid es mir tut, ich muss das, was Herr Dr. Friedrich angedeutet hat, unterstreichen. Leipzig ist die Armutshauptstadt und auch die Hartz-IV-Hauptstadt von Sachsen. Das ist einfach so. Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass Kollege Tiefensee jetzt seinen Wohnsitz nach Berlin verlagern wird.

Ich kann Ihnen das mit konkreten Beispielen begründen. Wenn es zu der Rückforderung käme, die die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat, dann würde das schlicht und ergreifend – da male ich keinen Teufel an die Wand – den Bankrott der Stadt Leipzig bedeuten. Ich werde das noch anhand von Zahlen deutlich machen. Um bei den Fakten zu bleiben, heißt das Folgendes: Ende 2004 hatte die Stadt Leipzig die höchste Arbeitslosenquote und die höchste Zahl an Sozialhilfeempfängern in Sachsen. Es geht weiter: Leipzig hatte am Anfang des Jahres 32 000 Bedarfsgemeinschaften nach SGB II. Es war völlig klar, dass das nicht der Jahresdurchschnitt sein wird. Im Stadtrat haben wir deshalb im Haushalt bereits 38 000 Bedarfsgemeinschaften angesetzt, die es im Verlauf des Jahres geben wird. Aber selbst das hat sich als nicht realistisch erwiesen. Heute sind es bereits zirka 47 000 Bedarfsgemeinschaften. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch in diesem Jahr die Schwelle von 50 000 Bedarfsgemeinschaften überschreiten werden.

Ich mache deutlich: In diesen von mir genannten Bedarfsgemeinschaften sind zirka 80 000 Leipzigerinnen und Leipziger unmittelbar betroffen. Das ist keine geringe Zahl.

Das alles hat logischerweise Auswirkungen auf die finanzielle Situation. Von der Zeit, als Wolfgang Tiefensee vor der vorletzten Bundestagswahl als Mitglied der damaligen Hartz-Kommission noch verkündete, die Stadt Leipzig könnte vielleicht mit einem Gewinn oder einer Einsparung von 30 Millionen Euro im Jahr rechnen, spricht heute niemand mehr.

Die Realität sieht anders aus. Das, was in diesem Jahr allein an Kosten für Unterkunft durch die Stadt zusätzlich zu bezahlen ist, liegt bei etwa 30 Millionen Euro. Dabei ist noch nicht berücksichtigt – und das wird ohnehin ein Problem, dem wir uns in diesem Hause künftig noch wesentlich stärker stellen müssen –, dass es etwa acht Millionen Euro zusätzliche Betriebskosten für die Betroffenen aus den Jahren 2003 und 2004 gibt, für die selbstverständlich auch die Kommune aufkommen muss.

Wenn man sich nun fragt, wie hoch denn die Rückforderungen sein würden, wird in Leipzig gegenwärtig mit 43 bis 45 Millionen Euro gerechnet. Wenn Sie das alles zusammenrechnen, dann kommen Sie auf die zirka 80 Millionen Euro zusätzliche Haushaltsbelastung, wie sie dankenswerterweise Kollege Morlok – der im Unterschied zu Kollegen Albrecht die Zahlen genau wie ich kennt – hier genannt hat.