(Heftige Proteste der Abg. Klaus Bartl, Prof. Dr. Peter Porsch und Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)
hätte es diese Leute ja nicht geben können. Das müssen Sie schon ertragen. Sie unterschätzen die Lernfähigkeit der Bevölkerung – das ist meine Meinung –, wenn Sie glauben, dass man es erzwingen oder verordnen könnte, so und nicht anders zu denken.
Als Jugendliche wurden einige inflationär und wahrscheinlich einmal zu oft zur Mahnung nach Buchenwald geschickt. Der gute Wille wurde durch das inflationäre Wiederholen oft infrage gestellt. Dieser Debatte haben wir uns nie gestellt, ob man vielleicht einmal zu oft nach Buchenwald im jugendlichen Alter geschickt werden könnte. Aber der Debatte, dass man natürlich emotional gut sein muss und die Nazis sind schlecht, damit ist die ganze Sache klar, so einfach ist es einfach nicht.
Die Politik steht vor viel größeren Herausforderungen. Es müssen ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um die Staatsziele zu erreichen, die schon drinstehen, anstatt den Katalog der Staatsziele noch zu verlängern, während die ersten noch gar nicht abgearbeitet sind, zumal Sie mit dem Vorschlag im Gesetzentwurf, wie Sie es formuliert haben, ja infrage stellen, ob denn die Sächsische Verfassung nicht überhaupt schon ein antifaschistisches Ziel beinhalten würde. Genau diese Infragestellung macht das, was Sie hier veranstalten, politisch so brisant.
Sie stellen die Sächsische Verfassung infrage und meinen, es gäbe dort kein klares Bekenntnis zu natürlich auch antifaschistischem Verhalten, in dem man die freiheitlichdemokratische Rechtsordnung unterstützt. Ich halte das schon für einen politischen Vorgang, wie Sie sich hier aufführen. Sie haben nicht argumentiert, Herr Bartl, und meinten, man wolle der NPD keine Möglichkeit geben, hier zu diskutieren, deswegen vertragen wir uns alle.
Sie selbst haben den Apfel der Eris in die Runde geworfen; Sie haben den Streit begonnen, und zwar ganz unmotiviert, Sie wollten das einfach so haben. Jetzt haben wir ihn.
Wenn Ihnen die Nazis zu stark sind, dann sind die Demokraten ja offensichtlich zu schwach. Eine andere Begründung kann es nicht geben – nicht, weil es vielleicht nicht als Staatsziel in irgendeiner Verfassung stünde, sondern die Frage ist, ob wir alle stark genug sind, für diese Freiheit zu kämpfen, auf die es uns ankommt.
Da nehme ich Sie beim Wort und sehe das ganz genauso: Diese Freiheit kann man nicht passiv verordnen, meine Damen und Herren Kollegen von der PDS, die muss man sich erstreiten und erkämpfen.
Machen wir es gleich am praktischen Beispiel. Der Abg. Apfel hat sich hier am Pult gefallen und gemeint – und er war sehr vorsichtig dabei –, die NPD sei demokratisch legitimiert. Ein Schlitzohr vor dem Herrn!
Jetzt beginnt die politische Meinungsbildung der demokratischen Parteien. Er weiß genau, dass sie nach demokratischen Verfahrensregeln, die in diesem Lande Usus sind, gewählt worden sind – völlig korrekt. Wenn man sich aber die Reden, die hier in diesem Parlament von ihnen und ihren Kollegen gehalten worden sind, die Programme und die Homepages anschaut, dann merkt man, dass sie in ihren Auffassungen elementaren demokratischen Grundrechten widersprechen.
Deswegen sind sie auch keine demokratische Partei, nur weil sie es über ein demokratisches Verfahren – das wir die Größe haben zuzulassen – in den Landtag geschafft haben.
Das ist überhaupt kein Argument, sie reinzuwaschen, und wahrscheinlich gilt das, was seit Jahrtausenden gilt: An ihren Taten sollt ihr sie alle erkennen!
Wünscht noch jemand von den Fraktionen das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung, ob es Redebedarf gibt. – Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will an das anknüpfen, was Frau Hermenau zum Schluss gesagt hat. Wir dürfen uns in der Tat nicht der Illusion hingeben, dass der Rechtsextremismus mit einer Verfassungsänderung beseitigt wird. Dies ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und letztlich kann und wird erst die Summe aller gesellschaftlichen Schritte konkrete Beispiele für den Umgang mit Rechtsextremismus setzen.
Wir müssen dabei natürlich, Herr Abg. Bartl, die zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel gebrauchen – sei es das Strafrecht in Pömmelte oder anderenorts, das Hausrecht oder auch das Schulrecht. So rechtfertigen es das Hausrecht und der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen, das Verteilen verbotener Musik auf dem Schulgelände zu unterbinden – im Interesse der Aufrechterhaltung des Schulbetriebes und zur Sicherung des Auftrages, die sächsische Jugend auch zum Frieden, zu Gerechtigkeit und zur Achtung der Überzeugung des Anderen zu erziehen –, wie es Artikel 101 Abs. 1 unserer Verfassung postuliert.
Dem gleichen Ziel fühlt sich auch der vorliegende Gesetzentwurf verpflichtet, der neben den genannten rechtlichen Mitteln nun auch Verfassungsrecht einsetzen will. Im Vorblatt Ihres Antrages wird konstatiert, dass im Freistaat Sachsen wie in anderen Bundesländern auch im wachsenden Maße rechtsextremistische, ausländerfeindli
che, antisemitische und neofaschistische Kräfte provokant und organisiert öffentlich in Erscheinung treten. Darüber besteht in der Wirklichkeit kein Zweifel.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es allerdings über den zu verfolgenden Weg. Meines Erachtens ist die Verfassungsänderung nicht der richtige Weg. Sie würde zum einen zunächst einmal die Rechtsextremen aufwerten, wenn wir ihretwegen zum ersten Mal die Verfassung änderten.
Zudem – und dies ist der wesentliche Punkt – ist eine Verfassungsänderung wohl auch überflüssig. Diese Sächsische Verfassung ist – darauf ist mehrfach von Herrn Schiemann und anderen hingewiesen worden – bereits jetzt eindeutig und vorbildlich in der Ablehnung von jeglichem Extremismus und jeglicher Willkürherrschaft. Sie nimmt nicht nur in der Präambel, aber besonders dort, Bezug unter anderem auf die leidvollen Erfahrungen nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und bekennt sich zur Schuld an der Vergangenheit. Damit bietet sie als konkrete Auslegungsrichtlinie in Verbindung mit den Bestimmungen über die Grundrechte und die Grundlagen des Staates – insbesondere die Menschenwürde und das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip – ein, wie ich finde, eindrucksvolles Beispiel verfassungsrechtlichen Bekenntnisses gegen Rechtsextremismus, ausländerfeindliche, antisemitische und eben auch neonationalsozialistische Kräfte.
Aus diesem Grund – das haben offensichtlich die Sachverständigen ebenso gesehen – haben diese Sachverständigen den Gesetzentwurf in der Anhörung vor dem Verfassungs- und Rechtsausschuss überwiegend nicht befürwortet.
Der Gesetzentwurf – und da bin ich ganz nah bei Frau Hermenau – geht von der irrigen Vorstellung aus, die Verfassung könne selbst ihren Fortbestand sichern. Die Verfassung überträgt die Verantwortung für ihr Fortbestehen jedoch nicht dem Recht, sondern mündigen Bürgern durch deren Handeln. Das Recht verkörpert ein Ideal und ist damit eine Fiktion, die nur deshalb zur Realität wird, weil sich Menschen von ihr leiten lassen.
Nein, meine Damen und Herren, nicht die Sächsische Verfassung ist verbesserungsbedürftig, sondern unser aller Handeln!
Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Einzelberatung eintreten, frage ich noch einmal den Berichterstatter des Ausschusses, Herrn Prof. Schneider. – Er wünscht nicht das Wort.
Damit kommen wir entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung zu dem Vorschlag meinerseits, über
den Gesetzentwurf artikelweise zu beraten und abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das kann ich nicht erkennen. Dann verfahren wir so.
Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist das Gesetz zur Einfügung eines weiteren Staatszieles in die Verfassung des Freistaates Sachsen (Artikel 12a, „Antifaschistische Klausel“) in der Drucksache 4/1238, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS. Wir stimmen über den Gesetzentwurf ab. Es gibt dazu einen Änderungsantrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/4107. Dieser steht zur Abstimmung. – Herr Bartl, möchten Sie ihn noch einmal einbringen?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen uns – das hatte ich vorhin bereits erläutert – in Aufbereitung der Anhörung die Position zu Eigen machen, die speziell der Sachverständige Dr. Maslaton vertreten hat, und schlagen deshalb vor, dass das Gesetz einen anderen Titel bekommt, nämlich weil wir nicht eine direkte Staatszielnorm neu einfügen wollen, wie der Artikel 12a nach dem Gesetzentwurf gedacht war, sondern wir wollen jetzt dem Vorschlag von Dr. Maslaton folgen, dass diese Regelung direkt an den Artikel 7 anschließen sollte, der in Abs. 1 Satz 1 lautet: „Das Land erkennt das Recht eines jeden Menschen auf ein menschenwürdiges Dasein, insbesondere auf Arbeit, auf angemessenen Wohnraum, auf angemessenen Lebensunterhalt, auf soziale Sicherung und Bildung, als Staatsziel an.“ Wir wollen dort einen Satz hinzugefügt haben, der da lautet: „In diesem Rahmen ist es Pflicht des Landes und Verpflichtung aller im Land, rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Aktivitäten sowie eine Wiederbelebung und Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes nicht zuzulassen.“
Welcher Gedanke dahinter steht, hatten wir erläutert. Es geht also um die Problematik, diesen Programmsatz mit aufzunehmen und just an die Stelle, an der mehr oder weniger gekennzeichnet wird, dass Handlungsweisen, wie sie hier im Satz gewissermaßen als Verantwortung für jedermann diesem zu begegnen beschrieben werden, unmittelbar in das Recht eines jeden Menschen auf menschenwürdiges Dasein anknüpfen. Deshalb die Regelung dort und deshalb an dieser Stelle unsere Bitte, dass Sie noch einmal überlegen wollen, ob nicht doch, eben weil der Verfassungsbürger die Verantwortung hat, nach der Verfassung zu handeln, ein entsprechender programmatischer appellarischer Ansatz des Verfassungsgebers viele Haltungen im Lande in diese Richtung weiterbefördern könnte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und des BÜND
NIS 90/DIE GRÜNEN haben deutlich gemacht, dass das von der Linksfraktion.PDS vorgetragene Ansinnen schon längst in die Sächsische Verfassung Aufnahme gefunden hat. Die Präambel wiederholt das Schuldbekenntnis, sagt aber auch deutlich, was in Zukunft zu tun ist. Da dies in die Präambel aufgenommen worden ist, bedarf es des Änderungsantrages der Linksfraktion.PDS nicht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf hinweisen, dass der jetzt vorgeschlagene Wortlaut mit der ursprünglichen Gesetzesfassung übereinstimmt. Es soll lediglich statt Artikel 12a ein neuer Artikel 7 eingefügt werden. Damit ändert sich aber rechtlich überhaupt nichts. Es handelt sich lediglich um eine andere systematische Einordnung. Von daher bleibt es bei den von uns vorgetragenen Bedenken, die zur Ablehnung führen. – Danke.
Meine Damen und Herren! Dann stimmen wir über den Entwurf Gesetz zur Einfügung eines weiteren Staatszieles in die Verfassung des Freistaates Sachsen (Artikel 12a, „Antifaschistische Klausel“) ab.