Ähnliches gilt für die angekündigte Einführung von Ganztagsschulen. In der letzten Wahlperiode hat Kollege Hatzsch von der SPD noch die schnellstmögliche Einführung von hundert Ganztagsschulen in Sachsen gefordert.
Jetzt, da man an der Regierung ist, will man davon am liebsten nichts mehr wissen. Wir können es Ihnen jedoch nicht ersparen, Herr Dulig, Sie daran zu erinnern.
Wir machen in unserem Gesetzentwurf Nägel mit Köpfen. Wir haben einen konkreten Vorschlag für den Einstieg. In jeder Kreisfreien Stadt, in jedem Landkreis wenigstens eine Ganztagsschule, das ist unser konkreter Vorschlag. Wir sind sehr gespannt, wie sich die SPD heute bei der Abstimmung zu dieser Frage verhalten wird.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt unseres Gesetzentwurfs hinweisen. Wir wollen eine größere Eigenständigkeit der einzelnen Schule ermöglichen und die demokratischen Mitbestimmungsgremien stärken. Zu diesem Zweck weiten wir zum Beispiel die Mitbestimmungsrechte der Schulkonferenz ganz deutlich aus, bis hin zur Einflussnahme auf die Wahl des Schulleiters. Natürlich wollen wir auch die spezifischen Rahmenbedingungen von Schulen, also die Mindestschülerzahlen- und Zügigkeiten verändern. Die Klassengröße in der Primarstufe, also im bisherigen Grundschulbereich, muss daher mindestens zehn und darf nicht mehr als 25 Schüler betragen. Ab Klasse 5 gilt eine Mindestschülerzahl von 13. Die Klassenobergrenze liegt auch hier bei 25.
Nach entsprechendem Beschluss des Schulträgers sollen künftig einzügige Regelschulen und zweizügige Gymnasien zulässig sein, nicht als Regel, aber doch als Möglichkeit.
Unser Gesetzentwurf sieht ferner eine weitgehende Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen in die Regelschulen vor. Für ganz spezifische und Schwerst-Mehrfachbehinderungen soll es auch künftig noch Förderschulen geben, allerdings als Ausnahme. Die integrative Beschulung soll eindeutig den Vorrang haben. Der Pisa-Sieger Finnland hat damit überaus gute Erfahrungen, wie der Schulausschuss bei seinem Besuch in Helsinki feststellen konnte. Hier und anderswo sollten wir durchaus auch von den skandinavischen Ländern lernen.
Insgesamt steht unser Gesetzentwurf unter zwei zentralen Prämissen, nämlich Modernisierung und Demokratisierung. Deswegen ist es nur konsequent, dass wir auch dem sorbischen Volk einen besonderen Schutz gewähren, wie dies eigentlich die Sächsische Verfassung gebietet. Mit jeder sorbischen Schule, die dicht gemacht wird, stirbt auch ein Teil der Zukunft und der Kultur der Sorben. Aus diesem Grund regelt unser Gesetz, dass gegen den Willen der Domowina und des Rates für sorbische Angelegenheiten künftig keine sorbische Schule geschlossen werden darf.
Ich bin betroffen darüber, dass die legitime Forderung der Sorben bei der Abstimmung im Ausschuss außer den Stimmen der Linksfraktion keine weitere Unterstützung gefunden hat. Noch besteht die Chance, dies zu korrigieren. Schauen Sie in das Protokoll, was das Abstimmungsverhalten angeht! Ich finde das bedauerlich.
Als eigentlich selbstverständlich sehen wir unsere Forderung an, die im Entwurf verankert ist, dass der Religionsunterricht künftig nicht mehr von irgendwelchen Kirchenvertretern, sondern von ordentlich ausgebildeten Religionslehrern vorgenommen wird. Unsere grundsätzlichen Bedenken gegen den Religionsunterricht an staatlichen Schulen, erst recht, wenn er konfessionsgebunden erteilt wird, bestehen unverändert. Aber wir nehmen die verfassungsrechtliche Lage zur Kenntnis und haben versucht, einen vernünftigen Lösungsweg aufzuzeigen.
Schließlich wollen wir einen ganz praktischen Beitrag zur Verwaltungs- und Regionalreform leisten, indem unser Gesetzentwurf die Auflösung der derzeitigen Regionalschulämter und die Übertragung der Aufgaben auf die Landkreise und Kreisfreien Städte sowie bei der Schulaufsicht auf das zuständige Ministerium vorsieht.
Lassen Sie mich abschließend auf die Ausschussberatung und die dazu stattgefundene Expertenanhörung eingehen. Die CDU, Herr Hähle – das zeigte sich im Ausschuss –, will überhaupt nichts verändern. Sie agiert im Bildungsbereich bewegungs- und konzeptionslos wie in den letzten Jahren. Die offiziell vorgetragenen Argumente gegen
Die SPD-Fraktion, das will ich durchaus einräumen, hat Interesse an durchgreifenden Korrekturen am geltenden Schulgesetz, aber sie darf wegen der Koalitionszwänge nicht „dürfen“, erst recht nicht, wenn es sich um einen Vorschlag aus der Opposition handelt. So werden denn andere Gründe für die Ablehnung gesucht und Argumente vorgeschoben. Ich will nur zwei nennen, nämlich die angeblich zu große Regelungswut und die Kostenfrage. Das spielte auch bei den ablehnenden Stellungnahmen der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eine Rolle, deshalb dazu nur so viel: In der Tat ist bei uns sehr viel ausgeregelt und auch wir wünschen uns deutlich mehr Spielräume für die einzelne Schule, aber nicht für den derzeitigen Kultusminister. Wir mussten unser Gesetz so gestalten, dass es im Falle einer Annahme nicht durch die Kultusbürokratie wieder ausgehebelt werden kann. Alles, was im Gesetz nicht klar geregelt ist, unterliegt der Auslegung durch das SMK. Dass wir diesbezüglich in den amtierenden Kultusminister nur wenig Vertrauen haben, wird niemanden ernsthaft verwundern, ihn selbst auch nicht.
Bezüglich der Kosten, meine Damen und Herren, gibt es in unserem Entwurf klare Aussagen. Wir stehen dazu, dass das von uns vorgeschlagene Schulsystem Mehrausgaben erfordert. Die Politik muss Prioritäten setzen, und wir tun dies bei der Bildung. Im Übrigen stellt Sachsen im bundesweiten Vergleich immer noch viel zu wenig finanzielle Mittel für den Schulbereich zur Verfügung. Deckungsvorschläge, meine Damen und Herren, weil auch das angesprochen wurde, gehören nicht in ein Fachgesetz, sondern in die Haushaltsdebatte. Dort haben wir entsprechende Vorschläge vorgelegt und werden dies auch bei der nächsten Haushaltsberatung tun.
Dass schließlich die NPD-Fraktion unseren Gesetzentwurf ablehnt, weil ihr darin zu wenig deutscher Nationalismus enthalten ist und weil sie die Förderung der sorbischen Sprache nicht möchte – wir haben das alles im Ausschuss gehört –,
In der Anhörung kamen verschiedene, auch kritische Hinweise, das will ich durchaus einräumen. Aber selbst von der CDU-Fraktion benannte Sachverständige kamen nicht umhin, sich lobend über unseren Entwurf zu äußern. So erklärte zum Beispiel Prof. Ipfling von der Universität Regensburg und so steht es auch im Protokoll: „Das dreigliedrige Schulsystem wird immer mit dem Verweis auf die Trichotomie der Begabungen legitimiert. Diese gibt es nicht. Die Dreigliedrigkeit ist nichts anderes“, so der Professor, „als die Entsprechung gegenüber einer
dreischichtigen Gesellschaft. Deshalb funktioniert dieses System seit 15 bis 20 Jahren nicht mehr.“ Er fügte hinzu: „Sachsen hat eine im Vergleich zu Bayern akzeptable Lösung mit der Zweigliedrigkeit gefunden. Ich schränke allerdings ein, die Verteilung nach der Klasse 4 gefällt mir nicht.“ Er resümiert: „Der PDS-Vorschlag geht in Richtung einer stärkeren Horizontalisierung. Ich als Schulpädagoge sage dazu grundsätzlich Ja.“
Meine Damen und Herren, wenn das schon ein bayerischer Experte über einen PDS-Entwurf sagt, dann sollten Sie hier im Landtag erst recht zustimmen können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bildung braucht in besonderer Weise Leistungsfähigkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit, aber keine Experimente, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf vorschlägt. Dies betrifft insbesondere die Schulstrukturen. Der Gesetzentwurf stellt diese seit Jahren gewachsenen und bewährten Strukturen leichtfertig infrage und strebt die Vereinheitlichung an, so wie es Kollege Hahn gerade dargestellt hat.
Herr Porsch, gerade in Auswertung des nationalen PisaVergleichs ist das falsch, haben diese Ergebnisse doch eindrucksvoll deutlich gemacht, dass das gegliederte Schulsystem sowohl im nationalen Vergleich leistungsfähiger als auch im internationalen Vergleich durchaus wettbewerbsfähig ist. Gesamtschulen nach der vorgesehenen Struktur des Gesetzentwurfes wären für die Leistungsfähigkeit unseres sächsischen Schulsystems ein deutlicher Rückschritt, ganz abgesehen, meine Damen und Herren, von der Tatsache, dass auch Verstöße gegen KMK-Vereinbarungen die Folge wären. Ein völliger Verzicht auf eine Differenzierung in den Klassen oder Gruppen nach Klasse 7 widerspricht zum Beispiel der KMK-Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich. Der Gesetzentwurf trifft keine Aussage zu einer zweiten Fremdsprache während der Sekundarstufe. Die entsprechende KMK-Vereinbarung sieht für die gymnasiale Ausbildung eine zweite Fremdsprache und generell einen bestimmten Stundenumfang in der Sekundarstufe I vor.
Einige Anmerkungen, meine Damen und Herren, möchte ich zur sonderpädagogischen Förderung und zu den Förderschulen machen. Die sonderpädagogische Förderung soll nach den Vorstellungen des Gesetzentwurfes auf
Schüler mit Entwicklungsauffälligkeiten ausgedehnt werden, was immer damit gemeint sein mag. Integration soll zum Regelfall erhoben werden. Die damit verbundene Festlegung, die sonderpädagogische Kompetenz an jeder Schule vorhanden sein zu lassen, lässt sich kaum umsetzen, da zum einen mehrere sonderpädagogische Fachrichtungen jeweils an der Einrichtung vertreten sein müssten und zum anderen ein erheblicher Mehrbedarf an Personal entstünde.
Abgesehen von den damit verbundenen Personalkosten, wäre dies auch vom Arbeitsmarkt her kaum leistbar. Die vorgesehene Integration ist weder personell noch finanziell darstellbar.
Wenn zum Beispiel darüber hinaus für schwerstmehrfachbehinderte Kinder Hausunterricht erteilt werden soll, führt das nicht nur personell und materiell zu nicht leistbaren Verhältnissen, sondern auch zur individuellen sozialen Ausgrenzung der Betroffenen. Jugendlichen wird ein Anspruch auf den Besuch einer geschützten Einrichtung oder eines Bildungswerkes zum Erwerb einer Berufsausbildung gegeben. Unklar bleibt jedoch, Herr Kollege Hahn, gegen wen sich Ansprüche richten, da der Freistaat nicht der Betreiber dieser Einrichtungen ist. Damit entstehen durch den Wegfall von beruflichen Förderschulen, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, undefinierbare Kosten zulasten Dritter.
Neben schulstrukturellen Fehlentwicklungen beschreibt der Gesetzentwurf eine Reihe von populistischen Ansprüchen, die so nicht machbar sind bzw. auch an Grenzen des Verfassungsrechts stoßen. Das beginnt bereits mit den in § 2 beschriebenen Ansprüchen an den Freistaat. Ich will sie nur punktuell benennen. Mitwirkungsgremien werden dem pädagogischen Personal gleichgestellt, Zuschüsse für Lernmittelfreiheit deklariert, Zuschüsse für den Schülertransport ausgewiesen, Nachteilsausgleiche im dünn besiedelten Raum für Unterhaltung der Schulanlagen und auch für zusätzliche Aufwendungen der Schulträger für benachteiligte Kinder bzw. Jugendliche mit besonderem pädagogischem Förderbedarf ausgewiesen.
Meine Damen und Herren, teilweise sind diese Kostenfaktoren schon im FAG berücksichtigt bzw. über die Förderrichtlinien bereits in Kraft gesetzt. Ähnlich populistisch sieht die Vorstellung zu den Schulen im sorbischen Schulgebiet aus.
Die Gewährleistung eines zweisprachigen Schulbesuchs geht weit über das Bisherige hinaus. Erhebliche Mehrkosten wären die Folge, ganz abgesehen davon, dass in der Praxis eine ordnungsgemäße Unterrichtsversorgung nicht möglich wäre, zumal die ausgebildeten Fachlehrer nicht zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren, die extreme Ausdehnung von Mitwirkungsmöglichkeiten, zum Beispiel des Landesbildungsrates, mag in der Öffentlichkeit ihre populistische Wirkung nicht verfehlt haben. Sie geht letztlich jedoch an verfassungsrechtlichen Mitwirkungsbestimmungen im Blick auf das Gesamtsystem vorbei. Unverständlich ist auch die Regelungsdichte des Gesetzentwurfes, die die Eigenverantwortung von Schulen nicht ausweitet, sondern eher einschränkt.
Schließlich, meine Damen und Herren, ein Wort zum Religionsunterricht im § 39. Die dort definierte bekenntnisfreie Erteilung des Religionsunterrichtes ist lediglich Information und damit fachlicher Bruchteil eines Ethikunterrichts. Dies ist nicht der Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes bzw. der Sächsischen Verfassung, in der § 105 klar regelt, dass der Religionsunterricht nach den Grundsätzen der Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften zu erteilen ist und die Lehrer dazu einer Bevollmächtigung durch die Kirche bzw. durch den entsprechenden Staatsvertrag bedürfen. Warum die vorgeschlagene Regelung trotzdem verfassungskonform sein soll, erschließt sich dem Leser des Gesetzentwurfes nicht.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Hahn, wir lehnen den vorgelegten Gesetzentwurf ab. Er ist rückwärts gewandt, weil er tot geglaubten, zumindest ineffizienten Strukturen neues Leben einhauchen will.