Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Auf dem Strommarkt gibt es keinen Mangel. Wir verfügen über hinreichende Kapazitäten. Jede Nachfrage kann befriedigt werden. Kommt mehr Strom herein, muss der Preis auf die Höhe der Grenzkosten fallen. Hier liegt wirklich der Verdacht nahe, dass die Vattenfall Europe AG als Herrin der Netze und Kupplungsstellen unliebsame Wettbewerber bei der Stromerzeugung vom Markt halten soll. Hier ist die von Herrn Rauscher angesprochene Transparenz gefragt.

Herr Wirtschaftsminister, wir hoffen, Sie unterstützen unseren Antrag; denn Sie haben gesagt, dass Sie in diesem Jahr ein neues Energieprogramm vorlegen wollen. Wir stehen insoweit hinter Ihnen – auch, damit Sie nicht wieder umkehren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Lehmann spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kürzlich war in der amerikanischen „Newsweek“ ein Artikel über die „wilting greens“, die „welkenden Grünen“ Deutschlands, zu lesen. Es wurde dort festgestellt, dass die Partei in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung in Berlin etliche ihrer alten Ideale dem puren Machterhalt geopfert hat.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nicht alle, Herr Lichdi!

Insbesondere in der Energiepolitik halten sie weiterhin an ihren inzwischen etwas altbacken daherkommenden Prinzipien fest. In ihren Gründungsjahren waren die GRÜNEN nur gegen die Stromerzeugung aus Atomkraft. Die Verstromung fossiler Brennstoffe erschien gerade noch tolerabel.

Nun ist die Klimaforschung – im Gegensatz zu den GRÜNEN – weiter vorangeschritten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Ausstoß riesiger Mengen an Kohlendioxid der Menschheit mittelfristig mehr Schwierigkeiten machen könnte als die inzwischen weiterentwickelte Atomkraftwerkstechnologie inklusive Endlagerung. Dazu kommen nun noch der Preisanstieg bei Öl und Gas und die damit verbundenen Abhängigkeiten; wir sprachen heute bereits darüber.

Eigentlich müssten Sie sich konsequenterweise von allen herkömmlichen Energieträgern verabschieden und ganz auf erneuerbare Energien sowie Energieeinsparung setzen. Das geht aber den inzwischen etwas älter, bequemer und damit wärmebedürftiger gewordenen GRÜNEN zu weit. Also versucht man, das grüne Gewissen mit CO2-Zertifikaten zu beruhigen, und man postuliert, man könne binnen 20 Jahren – das entspricht der Restlaufzeit der Kernkraftwerke – bis zu 50 % des Energiebedarfs der

deutschen Volkswirtschaft durch heftiges Energiesparen und durch erneuerbare Energien decken.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Oder durch einen Neubau in der Lausitz!)

Ideologisch ist alles klar. Blöd ist nur, dass bisher die Physik nicht mitspielt. Daneben gibt es ein weiteres Problem, das Ihnen zunehmend Sorge bereitet: Ein Umsteuern in der Energiepolitik nach grüner Fasson kostet die Wirtschaft und die Stromkunden sehr viel Geld,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Na, na, na!)

Geld, das die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, ja der deutschen Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen könnte. Das will man nun auch wieder nicht riskieren.

Da man strukturell keinen Ausweg bieten kann, will man wenigstens versuchen, die Schuld für die sich anbahnende Misere anderen in die Schuhe zu schieben. Genau das ist das Ziel des Antrags, der uns heute zur Beratung vorliegt. Die Staatsregierung soll ergründen, ob es nicht vielleicht doch die nach Maximalprofit strebenden Energiemonopole – man sprach von Vattenfall – sind, die den Preisauftrieb verantworten. Sie soll herausfinden, ob Preisabsprachen oder überzogene Gewinnmargen hinter den hohen Strompreisen stecken. Sie soll ermitteln, ob die Wurzel allen Übels nicht etwa bei der Leipziger Strombörse zu suchen ist. Sie soll den Handel mit CO2-Zertifikaten unter die Lupe nehmen. Sie soll nach Falschdarstellungen in den Kalkulationen der EVUs fahnden.

Wir wissen natürlich, dass der Antrag der GRÜNEN am eigentlichen Problem vorbeizielt. Wir sind aber trotzdem daran interessiert, was die Staatsregierung ans Licht und nicht ans Lichdi bringen wird.

(Heiterkeit – Antje Hermenau, GRÜNE: Gewagtes Wortspiel! – Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Darum, meine Damen und Herren, werden wir den Antrag der „wilting greens“ nicht auf den Komposthaufen der Geschichte werfen, sondern ihm zustimmen.

(Beifall bei der CDU – Antje Hermenau, GRÜNE: Jetzt haben Sie aber die Kurve gekriegt!)

Für die Linksfraktion Frau Dr. Runge, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die meisten Sachverhalte, über die Sie mit Ihrem Antrag, Frau Hermenau, die Staatsregierung berichten lassen wollen, haben wir heute Morgen ausführlich debattiert. Insofern kann ich mich relativ kurz fassen.

Die Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses sind vom Wirtschaftsministerium mit Grafiken zu Struktur, Handelstätigkeit und Börsenaufsicht in Bezug auf die Leipziger Strombörse unterrichtet worden.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist doch schön für Sie!)

Richtig!

Außerdem gab es eine Aussprache zur Arbeitsweise der Strombörse, zur Aufsicht und auch hinsichtlich der im Raum stehenden Preismanipulationen.

Die Börse spiegelt naturgemäß die Marktstrukturen im Stromsektor wieder, wie Herr Flaskamp richtigerweise ausführte. Wenn aber 80 % des an der Leipziger Börse gehandelten Stroms von den vier großen Energiemonopolisten stammt, ist klar, wer die Einstiegspreise an der Börse bestimmt. Daher ist es grotesk, wenn Sie, Frau Hermenau, die Strompreisdebatte vom Schwanz her, also vom Ende der Handelskette, aufzäumen wollen. Immerhin gibt es an der Börse Transparenzpflichten, die außerhalb der Börse überhaupt nicht existieren. Auch wenn nur 15 % des Stromes insgesamt an der Börse gehandelt werden, werden Preise auch dort von Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Börsenhandel mit Strom folgt wie jeder andere Börsenhandel mit Geld, Aktien, Wertpapieren und CO2-Zertifikaten der unkontrollierbaren Psychologie der Spekulation. Deshalb ist es auch gar nicht verwunderlich, wenn Sie einen Händler fragen, woran diese Preissteigerung an der Börse denn nun liege.

Das ist eben rational nicht erklärbar. Deshalb heißt das Spekulation, Frau Hermenau. Deshalb haben auch die dort gehandelten Strompreise einen Spekulationsanteil von zurzeit rund 10 %, was sich jederzeit durch zusätzliche Verknappung, durch steigende Nachfrage oder durch Steigerung der Einstiegshandelspreise ändern kann.

Das betrifft eben auch den Handel mit CO2-Zertifikaten. Daher hat die Handelsüberwachungsstelle die wichtige Aufgabe, die Vorgänge dort zu kontrollieren.

Ich denke, es war richtig, die CO2-Zertifikate an die Unternehmen kostenlos auszugeben. Herr Trittin hat sich dabei sehr viel gedacht.

Es ist geradezu abenteuerlich, wenn Sie, Frau Hermenau, heute Morgen fordern, die CO2-Zertifikate künftig wie die UMTS-Lizenzen zu versteigern. Ich sage Ihnen auch, warum.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist vernünftig!)

Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass CO2-Zertifikate an der Börse physisch gehandelt werden. Natürlich müssen die Händler ein geldwertes Äquivalent für die CO2-Zertifikate finden, um damit überhaupt in Austausch, also in Handel, treten zu können. Würden die Zertifikate versteigert, hätten wir es statt mit Preissteigerung mit einer Preisexplosion zu tun. Das wollen Sie doch nicht ernsthaft, Frau Hermenau.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das unterstellen Sie!)

Erst nachdenken, dann sprechen!

Damit Sie diesen marktwirtschaftlichen Vorgang besser verstehen, empfehle ich Ihnen, sich einfach einmal die

Werttheorien und Analysen zur einfachen und entfalteten Wertform anzueignen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich hoffe, dann verstehen Sie die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge möglicherweise besser.

Was die Handelsüberwachungsstelle tun kann und muss, liegt für meine Begriffe in der Möglichkeit, exorbitante Spekulationsgewinne an der Börse zu verhindern und so dämpfend auf die Strompreisentwicklung einzuwirken.

Zusätzliche Gewinne aus dem Börsenhandel mit CO2-Zertifikaten, Windfall Profits genannt, sind nicht vollständig zu verhindern. Das liegt in der Natur der Sache. Aber gegen einen Berichtsantrag, dass die Staatsregierung darüber einmal berichten soll, kann natürlich auch die Linksfraktion.PDS nichts haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die SPDFraktion spricht Herr Abg. Nolle.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Das habe ich eben nicht so verstanden, hier sechs oder sieben Minuten zu sprechen und am Schluss zu sagen, wir stimmen dem doch zu. Das kann man doch kürzer machen.

Ich gebe meine Rede zu Protokoll, weil wir selbstverständlich dem Anliegen der GRÜNEN zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Für die NPD-Fraktion ist Herr Kollege Paul gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die grundsätzliche Ursache sowohl der explodierenden Energiepreise als auch der einseitigen Ausrichtung der gesamten Energiewirtschaft liegt einzig und allein in der Machtkonzentration einzelner Monopolisten – das ist heute mehrfach angesprochen worden –, die ihre Vorherrschaft durch ihre unermüdliche Lobbyarbeit sichern und weiter ausbauen. Der Staat traut sich nicht, diesen Monopolisten, die die Abhängigkeit der Verbraucher der Energieversorgung gnadenlos ausnutzen, wirksam entgegenzutreten. Mit dem Zauberwort „Liberalisierung“ sollte der Markt für alle geöffnet werden, damit mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt stattfindet, angeblich zum Wohle der Verbraucher. Doch was ist nun tatsächlich geschehen?

Die alten Monopolisten haben darauf mit einer Welle von Fusionen reagiert und damit einen Großteil der Konkurrenz ausgeschaltet. Damit nicht zu Ende: Getreu dem alten Motto der Kapitalisten: „Wir wollen alles und das recht bald!“ versuchen die Stromriesen nun alles gezielt vom Markt fernzuhalten, was im Entferntesten eine Konkurrenz darstellt oder darstellen könnte.

Damit sind wir beim Knackpunkt angekommen, der Verteilung über das Verteilungsnetz. Das Verteilungsnetz liegt ausschließlich in der Hand der Stromriesen und mit Hilfe überhöhter Nutzungsentgelte wird der lästigen in- und ausländischen Konkurrenz der Zugang zum Markt versperrt. Damit der Staat seiner Pflicht nachkommen kann, die Versorgung der Menschen mit Energie zu einem gerechtfertigten Preis sicherzustellen, sollte die gesamte Energieversorgung nach Meinung meiner Fraktion unter der Zuständigkeit des Staates stehen. Zumindest der Netzbetrieb, der heute über Tochtergesellschaften zum Schein von den Konzernen getrennt ist, gehört in die Hand des Staates.