Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte hat ja jetzt eine Reihe von Facetten zusammengetragen, die in die grundsätzliche, vorurteilsfreie und ideologiefreie Diskussion über die Energiepolitik der Zukunft einfließen müssten. Insofern ist das, was bisher gesagt wurde, hilfreich.

Lassen Sie mich aber die Debatte noch einmal auf den Kern, also auf die Wirtschaft, zurückbringen. Dazu ein Beispiel: In meinem Wahlkreis gibt es eine Fabrik, die Zierkerzen herstellt, eine Firma mit Tradition, die sich bisher erfolgreich gegen Konkurrenz, insbesondere aus China, gewehrt hat. Die gezahlten Löhne waren immer knapp und die Margen ebenfalls. In der Produktion arbeiteten 20 Frauen. Die 20 Jobs sind jetzt weg. Die Firma konnte die gestiegenen Energiekosten nicht mehr kompensieren. Die üblichen Schlaumeier würden nun fragen: Was sind schon 20 moderat bezahlte Arbeitsplätze in der Oberlausitz? Begünstigt durch die hohen Strompreise und subventioniert durch das Energieeinspeisegesetz konnten in Freiberg und Umgebung zehn- bis zwanzigmal so viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Nur das ist es, was zählt!

Wer die Rede des Präsidenten des VSME – das ist der Verband der Sächsischen Metall- und Elektroenergie, unser Zugpferd – auf dem Neujahrsempfang vor wenigen Tagen gehört hat, weiß, dass man diesem Thema nicht mit einer Milchmädchenrechnung gerecht werden kann. Herr Präsident Heinze ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich die hohen Energiepreise in Sachsen klar zu einem wirtschaftlichen Standortnachteil entwickelt haben. Sie entziehen den sächsischen Unternehmen Liquidität und schwächen deren Konkurrenzfähigkeit im In- und Ausland. Hohe Energiepreise tragen per Saldo eben nicht zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in Sachsen bei, sondern kosten Arbeitsplätze und gefährden weitere.

Die Forderung war ganz klar: Die Wirtschaft erwartet von der Regierung eine rasche Verbesserung dieser Situation. Dabei haben die Firmen – das wurde bereits gesagt – noch den Vorteil, mit den Energielieferanten in gewissen Grenzen verhandeln zu können. Normale Haushaltskunden können das nicht. Sie sind den Steigerungen in direkter Weise ausgeliefert.

Es ist nach meiner Meinung aber zu kurz gegriffen, für all diese Probleme allein den sächsischen Wirtschaftsminister verantwortlich zu machen. Bildlich ausgedrückt: Sie

kritisieren im Rennen um wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise den Jockey Jurk, weil er sein Pferd Regionalversorger nicht genügend antreibt. Sie übersehen dabei aber, dass das Pferd Zusatzgewichte trägt und, verglichen mit der internationalen Konkurrenz, auch nicht das Richtige zu fressen bekommt.

(Heiterkeit)

Zusatzgewichte sind die Ökosteuer inklusive KWK, das Energieeinspeisegesetz und vermutlich die Leipziger Energiebörse. Im Gegensatz dazu ist viel zu viel subventionierte und damit teurere erneuerbare Energie und zu wenig – Herr Lichdi – preiswerter Atomstrom vorhanden.

Wenn wir Champions werden wollen, müssen alle Komponenten stimmen. Die Staatsregierung ist gut beraten, sich die sächsische Energiekonzeption unter diesen Gesichtspunkten noch einmal genau anzusehen. Unbestritten ist: Die Braunkohle gilt als gesetzt; Energie muss nicht nur versorgungssicher und umweltschonend sein, Energie muss auch bezahlbar bleiben.

Wichtig ist, dass der Wirtschaftsminister das tut, was er kann. Er muss den Regionalversorgern penibelst auf die Zahlen schauen, denn der normale Kunde bekommt diese Zahlen niemals zu Gesicht. Ich bekomme immer wieder Briefe von Bürgern, in denen die Weigerung – in unserem Fall des Versorgers in Ostsachsen ENSO – kritisiert wird, irgendwelche Kalkulationen herauszugeben. Herr Minister, Sie tragen hier stellvertretend für alle Bürger, die armen und die reichen, und die Wirtschaft im Lande eine sehr hohe Verantwortung.

Die Linksfraktion.PDS hat mit ihrer heutigen Aktuellen Debatte wieder einmal den Beweis ihrer populistischen Beliebigkeit angetreten. Frau Dr. Runge, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Sie kritisieren die hohen Energiepreise. Sie haben aber niemals den vorzeitigen Atomausstieg abgelehnt oder die Wirkungsweise des EEG kritisch betrachtet. Im Gegenteil, Sie haben in Ihrer Kampagne um Heuersdorf die Verteuerung des einheimischen Braunkohlenstroms zumindest billigend in Kauf genommen.

Wenn Sie sich in die Debatte über die Energiepolitik der Zukunft mit einbringen wollen, dann herzlich willkommen, aber nicht mit dem populistischen Ansatz.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Offensichtlich nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Ja, bitte, Herr Morlok.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verwunderung über die Energiepreissteigerungen in Sachsen ist ja schon Ausdruck verliehen worden. Frau Hermenau, Sie haben es angesprochen.

Sachsen hat überwiegend Braunkohle in der Verstromung. Trotzdem haben wir hier in Sachsen sehr hohe Stromprei

se. Wenn man die Ursache ergründen möchte, muss man sich anschauen, welche Unternehmen in Sachsen die Energie anbieten und wo sie in Deutschland auf welchen Rängen stehen.

Bei Strom auf Platz 1 e.on, auf Platz 2 die Stadtwerke Leipzig, auf Platz 3 Envia.M.

Bei Gas auf Platz 1 die Stadtwerke Leipzig, auf Platz 2 die DREWAG.

Schauen wir uns einmal an, wem die Unternehmen gehören. Die Stadtwerke Leipzig – Platz 2 beim Strom, Platz 1 beim Gas – gehören zu 100 % der Stadt Leipzig.

Envia.M ist mittelbar zu 58 % in kommunaler Hand. Die DREWAG gehört zu 55 % der Stadt Dresden. Die Stadtwerke Chemnitz gehören mittelbar zu 62 % der Kommune. Ich frage mich, ob wir hier nicht eine Scheindiskussion führen, wenn auf der einen Seite in den kommunalen Parlamenten die Mandatsträger, die in den Aufsichtsräten dieser Stadtwerke sitzen, den Preiserhöhungen zustimmen, aber andererseits hier von Vertretern der gleichen Parteien die Staatsregierung angemahnt wird, die in den Aufsichtsräten von diesen Leuten beschlossenen Preise nicht zu genehmigen. Hier müssen wir ein bisschen Ehrlichkeit in die Politik bekommen; denn die Verantwortung für die hohen Energiepreise in Sachsen liegt nicht bei der Staatsregierung, sie liegt nicht im Sächsischen Landtag, sondern sie liegt bei den Vertretern der Kommunalparlamente. Das muss einmal deutlich ausgesprochen werden.

(Beifall bei der FDP – Antje Hermenau, GRÜNE: Sie sind Stadtrat in Leipzig!)

Ich bin Stadtrat in Leipzig, aber nicht im Aufsichtsrat, Frau Hermenau.

Herr Nolle sprach von den großen Energiekonzernen. Dabei habe ich das Wort Mafia gehört, die den Leuten das Geld aus der Tasche zieht. Wenn Herr Nolle dies mafiös nennt, was die Stromkonzerne tun, die noch weit bescheidener sind als unsere kommunalen Energieversorger, dann ist zu fragen, wie Herr Nolle dieses Verhalten nennen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Petzold, ich möchte gern auf einen Punkt eingehen, den Sie vorhin in der Debatte angesprochen hatten. Und zwar ging es darum, ob wir nicht die Zertifikate aus den Bilanzen herausrechnen sollten. Ich halte sehr viel davon. Da sind im Prinzip Windfall Profits entstanden. Das ist ganz richtig. Wir haben das zum Teil in unseren heutigen Antrag aufgenommen und wollen das Thema in den nächsten Monaten weiter verfolgen. Zugespitzt wäre sogar die Frage zu stellen, ob man in Zukunft nicht zu

einem Verfahren kommen will, dass man zukünftig zu vergebende Zertifikate auktioniert, also im Prinzip versteigert, wie das zum Beispiel bei den UMTS-Frequenzen der Fall gewesen ist. Ich halte viel davon, dass man solche Möglichkeiten in Betracht zieht, und freue mich auf die folgenden Debatten zu dem Thema.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann, bitte, Herr Staatsminister Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die klirrende Kälte der letzten Tage hat allen erneut deutlich gemacht, wie sehr wir von einer gesicherten Energieversorgung abhängen. Das gilt nicht nur für die Energieträger selbst, sondern auch für die Infrastruktur bis hin zur technischen Sicherheit der Versorgungssysteme. In diesem Bereich ist Deutschland führend. Dennoch mussten erst im Dezember letzten Jahres zahlreiche Menschen im Münsterland die schmerzliche Erfahrung machen, was es heißt, im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln und in der Kälte zu sitzen.

Für mich als zuständigen Minister hat sich sofort die Frage gestellt, wie sicher die Energienetze bei uns in Sachsen sind. Eines ist klar: Ostdeutschland verfügt heute über modernste Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze. Das liegt daran, dass diese in den vergangenen 15 Jahren umfassend modernisiert worden sind. Zirka 90 % der Hochspannungsmasten wurden seit 1990 erneuert oder von Grund auf saniert. Die entsprechenden Programme der Netzbetreiber dauern noch an. Dafür wurden in Sachsen bereits zirka fünf Milliarden Euro investiert. Das ist gut angelegtes Geld, wie ich meine; denn eine sichere und leistungsfähige Energieversorgung ist ein wesentlicher Standortfaktor, gerade auch für Ansiedlungen im Hightech-Bereich. Ich habe im Dezember alle EVUs aufgefordert, über den Zustand des Netzes in Sachsen zu berichten, um mich davon zu überzeugen, dass die Netze in Sachsen regelmäßig kontrolliert und gewartet werden. Etwaige Mastversprödungen wurden mir bisher nicht angezeigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit spannt sich der Bogen zum Thema dieser Aktuellen Debatte; denn diese Versorgungssicherheit auf modernstem Niveau hat viel Geld gekostet, Geld für Investitionen in leistungsfähige und sichere Netze und deren Wartung und Instandhaltung. Das belastet wiederum die Strom- und Gaspreise. Ich habe aber auch die Erwartung an die Netzbetreiber, dass sie durch Anpassung ihrer betriebswirtschaftlichen Kalkulationen, etwa bei Abschreibungen, diese wendebedingten Kosten in höherem Maße selbst abfangen.

(Beifall des Abg. Karl Nolle, SPD, und bei der Linksfraktion.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was den allgemeinen Preisanstieg im Energiebereich angeht, so

habe ich bereits in der Debatte im letzten Sommer gesagt, dass ich alles mir Mögliche tun werde, um dem Preisanstieg entgegenzuwirken. Die Möglichkeiten, die wir seitens der Staatsregierung haben, lauten: Energieaufsicht, Landeskartellbehörde, Regulierungsbehörde. Dahinter verbergen sich keine riesigen staatlichen Kontrollapparate, sondern nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium. Mit diesen Instrumenten kann die Staatsregierung nicht etwa selbst die Preise festlegen, sondern ihre Aufgabe besteht darin, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, bei dem sich kein Anbieter einen unlauteren Vorteil verschafft. So ist zum Beispiel der diskriminierungsfreie Netzzugang mit fairen und transparenten Netzentgelten die Bedingung für mehr Wettbewerb und damit für niedrigere Preise.

Mit diesen Zielen hat im vergangenen Herbst die Landesregulierungsbehörde in Sachsen ihre Arbeit aufgenommen. Mittlerweile ist die Prüfung der Stromnetzentgelte voll im Gange. 30 Netzbetreiber werden von der Landesregulierungsbehörde selbst geprüft. Soweit die Netzbetreiber länderübergreifend versorgen oder mehr als 100 000 Kunden haben, prüft die Bundesnetzagentur. Das betrifft in Sachsen neun Unternehmen. Ende des Monats werden noch die Anträge auf Genehmigung der Gasnetzentgelte erwartet, für die dann ebenfalls ein halbes Jahr Prüffrist zur Verfügung steht. Über das zu erwartende Ergebnis der Prüfung der Netzentgelte kann und möchte ich hier nicht spekulieren.

Neben der Regulierung der Netzentgelte prüft die Energieaufsicht die Preisanträge der Stromversorger für private Haushalte. Hier haben wir in fast allen Fällen erreicht, dass die Unternehmen bei diesen Preisen erhebliche Abstriche machen mussten und ihre Preise deutlich weniger anheben konnten, als sie wollten.

Was diese jährlichen Preisgenehmigungsrunden angeht, so ist die rechtliche Grundlage für alle Bundesländer gleich. Dennoch ist das Vorgehen unterschiedlich. Auf der einen Seite des Spektrums führt Baden-Württemberg keine Preisprüfung mehr durch. Am anderen Ende der Skala hat Hessen zwar in einer – das muss ich durchaus bestätigen – eindrucksvollen Medienshow Ablehnungen angedroht. Tatsächlich hat es dort aber keine einzige wirksame Entscheidung gegeben. Ich hoffe, dass die Medien das am Ende des Prozesses wieder aufgreifen werden.

Wir in Sachsen haben wie die Verantwortlichen in den meisten anderen Ländern den Weg gewählt, exakt das zu tun, was die Rechtsvorschriften uns vorschreiben. Das heißt, genehmigt wird nach kritischer Prüfung nur, was nach der Bundestarifordnung Elektrizität (BTO Elt) aufgrund der Kostenrechnung der Unternehmen begründet ist. Ungerechtfertigte Anträge werden abgelehnt. Zum Jahresanfang 2006 hatten 32 der 39 Stromversorgungsunternehmen in Sachsen Strompreiserhöhungen beantragt. Inzwischen sind 31 Anträge entschieden. In 29 Fällen sind die beantragten Preiserhöhungen um durchschnittlich mehr als ein Viertel gekürzt worden. Die genehmigte

Strompreisanhebung liegt bei durchschnittlich 3,6 %; beantragt waren im Durchschnitt knapp 5 %. Rechnet man das auf den Verbrauch hoch, so bleiben den Kunden in Sachsen durch die Prüfung der Energieaufsichtsbehörde zumindest Kosten in Höhe von immerhin fast 15 Millionen Euro erspart. Auch das gehört zur Wirklichkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will, dass die interessierten Bürgerinnen und Bürger sich direkt informieren können. Deshalb werden ab heute die Ergebnisse der Preisprüfung für die Haushaltspreise auf der Homepage des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit veröffentlicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

So kann man direkt nachlesen, welche Unternehmen wie viel Preiserhöhung beantragt haben, welche Preiserhöhung genehmigt worden ist und um wie viel die Anträge gekürzt worden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die öffentliche Diskussion und die vielen Briefe – auch Leserbriefe in Zeitungen – zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger wenig Vertrauen in die Energieversorgungsunternehmen haben. Die Menschen erleben und erleiden eine ungeheure Preisspirale und sehen, dass gleichzeitig die Gewinne der Unternehmen in die Höhe schnellen. Mit jeder Preiserhöhung steigt die Dividende. So zumindest ist der Eindruck. Deshalb ist es entscheidend, dass Energieversorgungsunternehmen sich zunehmend bereiterklären, die für die Zusammensetzung des Strom- und Gaspreises wesentlichen Bestandteile, wie zum Beispiel Beschaffungskosten, Netzkosten, Steuern, Vertriebskosten und Vertriebsmargen, öffentlich bekannt zu geben. Zu einer solchen Transparenzoffensive fordere ich auch die Unternehmen auf, die sich momentan noch verweigern.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Der Kunde muss die Möglichkeit bekommen, sich ein Bild über die Rechtfertigung des Preises zu machen und einen Vergleich mit Wettbewerbern anzustellen.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Das wäre ein echter Schritt, um verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen.