Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

(Beifall bei der FDP)

Im Koalitionsantrag hingegen stehen in den ersten beiden Punkten nur Berichtspunkte. Dies können wir überhaupt nicht nachvollziehen; denn die Modelle liegen auf dem Tisch. Sie sind überall öffentlich zugänglich und nachvollziehbar und ich denke, dass wir als Abgeordnete durchaus in der Lage sind, diese Modelle zu vergleichen, ohne dass wir dafür die Hilfe der Staatsregierung benötigen. Zumindest wir von der FDP-Fraktion können das.

(Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Ich glaube auch, Herr Brangs, dass Sie es können; denn Sie haben ein Modell, das Mainzer Modell, heute bereits konkret benannt, das heißt, Sie kennen es auch. Warum Sie dann die Staatsregierung dazu brauchen, Ihnen noch einmal eine Tabelle aufzustellen, um vergleichen zu können, entzieht sich meiner Kenntnis.

Aber wenn wir schon beim Mainzer Modell sind, kann ich Ihnen auch sagen, warum das Modell von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Es war deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es eben einfache Lohnkostenzuschüsse waren, die die Arbeitgeber bekommen haben, und es sich nicht an einen bestimmten Personenkreis richtete, sondern vielmehr dazu geführt hat, dass genau diejenigen, die wir und auch Sie in Ihrem Antrag im Sinn haben, nämlich gering Qualifizierte oder Langzeitarbeitslose, überhaupt nicht proportional beteiligt waren. Dies war der Grundfehler des Modells, und deshalb konnte es auch, so wie es aufgestellt war, von vornherein nicht funktionieren.

Ich denke, und das haben die bisherigen Beiträge gezeigt, wir sind uns insoweit einig, dass es ein Nebeneinander zwischen staatlichen Transferleistungen und Erwerbseinkommen geben muss. Das ist die Grundfrage, die wir in der bisherigen Politik ändern müssen; denn wir müssen erkennen, dass es angesichts der Globalisierung nicht möglich sein wird, dass alle Menschen in unserem Land dauerhaft ein Erwerbseinkommen erzielen können, welches wir gesellschaftlich als ausreichend bzw. befriedigend erachten. Weil dem so ist, muss diese Grenze aufgehoben werden.

Wir als FDP-Fraktion haben daher vor vielen, vielen Jahren bereits vorgeschlagen, ein Bürgergeld einzuführen, in dem sämtliche staatlichen Transferleistungen zu einer Transferleistung, nämlich dem Bürgergeld, zusammengeführt werden. Dies wäre auch ein wesentlicher Abbau von

staatlicher Bürokratie. Dieses Bürgergeld, ergänzt um eine negative Einkommensteuer, würde auch viele Probleme, die wir mit Kombilohnmodellen haben, auf die ich nachher noch zu sprechen komme, lösen. Aber wir befinden uns hier im Sächsischen Landtag und nicht im Deutschen Bundestag, und die Voraussetzung für ein Bürgergeldsystem, die negative Einkommensteuer, müsste auf Bundesebene geschaffen werden. Dies können wir hier nicht tun.

Aber wir können uns in Sachsen natürlich nicht auf den Standpunkt stellen: Nur weil wir das Bürgergeld nicht einführen können, tun wir überhaupt nichts. Deshalb sind wir der Auffassung, dass wir hier das, was wir im Sächsischen Landtag beschließen können und was die Staatsregierung an eigenen Initiativen ohne den Bundesgesetzgeber tun kann, in Angriff nehmen müssen. Wir halten es schon für richtig zu überlegen, ob es nicht in einer bestimmten Region – wir haben die Lausitz genannt, aufgrund ihrer Strukturschwäche, aber auch aufgrund der Arbeitsmarktdaten dieser Region – sinnvoll sein kann, in Sachsen eigene Erfahrungen mit Modellen zu machen und diese von vornherein besser zu justieren als zum Beispiel das Mainzer Modell, das zum Scheitern verurteilt war; um mit diesen eigenen Erfahrungen an der Debatte in Deutschland teilnehmen zu können, aber auch den Menschen vor Ort weiterzuhelfen.

Wir wissen sehr wohl, dass wir bei Kombilohnmodellen immer das Problem von Mitnahmeeffekten haben. Wir wissen auch, dass natürlich Haushaltsrisiken bestehen, und wir wissen, dass eine latente Gefahr besteht, dass dadurch die Arbeitgeber bestrebt sein könnten, das Lohnniveau weiter abzusenken. Wir kennen auch den Verwaltungsaufwand, der damit verbunden sein kann. Nur, meine Damen und Herren, angesichts der Probleme, die wir hier in Sachsen mit der Arbeitslosigkeit haben, können wir nicht sagen: Nur weil es diese Probleme mit den Modellen gibt, probieren wir es gar nicht erst aus.

Wir als FDP-Fraktion meinen – und ich glaube, dass wir aufgrund der Diskussionsbeiträge, die wir bisher gehört haben, mit der Regierungskoalition einig sind –, dass wir Dinge in Angriff nehmen müssen, die wir ausprobieren müssen; selbst wenn wir nach einer Versuchsphase zu dem Ergebnis kommen, dass es falsch war. Aber gar nichts zu tun wäre angesichts der Arbeitslosenzahlen in Sachsen sicher unverantwortlich.

Allerdings darf man auch, wenn man über Kombilohnmodelle spricht, keine falschen Erwartungen wecken. Wenn wir dann hören, dass der Ministerpräsident der Auffassung ist, dass über Kombilohnmodelle in Deutschland drei Millionen Arbeitsplätze entstehen könnten, müssen wir davor warnen, diese Versprechungen zu machen. Diese drei Millionen Arbeitsplätze erinnern mich sehr stark an die zwei Millionen von Hartz, über die wir heute Morgen sprachen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wo sind die denn?)

Die zwei Millionen von Hartz sind überhaupt nicht gekommen, und diese drei Millionen Kombilöhne halte ich ebenfalls für sehr, sehr hoch gegriffen. Ich denke, es wäre besser, dass wir uns der Diskussion sachlich nähern und nicht mit großen Zahlen Erwartungen wecken, die letztendlich nicht erfüllbar sind.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb appellieren wir für eine sachliche Diskussion.

Wir meinen auch, dass im Antrag der Koalitionsfraktionen der Bereich Finanzierung zu kurz gegriffen ist. Sie haben im Antrag formuliert, dass berücksichtigt werden soll, inwieweit diese Projekte in die ESF-Förderstrategie des Freistaates integriert werden können.

Das ist sicherlich eine sinnvolle Sache, aber es gibt nicht nur den ESF, sondern es gibt auch andere Möglichkeiten, diese Projekte zu fördern. Ich denke dabei zum Beispiel an den Eingliederungstitel der Bundesagentur, der unter Umständen herangezogen werden könnte. Ihre Beschränkung auf ein einziges Instrument – ESF – greift uns zu kurz. Deswegen ist der Antrag, so wie Sie ihn eingebracht haben, nicht zielführend, weil die ersten beiden Punkte – wie ich schon sagte – reine Berichtspunkte sind. Der Punkt 4, den ich eben benannt habe, ist zu kurz gegriffen, engt zu sehr ein. Der Punkt 2 beinhaltet im Wesentlichen das, was in unserem Antrag auch schon enthalten ist.

Wir sind auch der Meinung, dass eine Finanzierung durch Kombilohnmodelle durch die entstehenden Steuermehreinnahmen stattfinden kann, wenn die Menschen in Arbeit kommen und Steuern zahlen, und durch Sozialabgaben, die wiederum von Menschen bezahlt werden, die in Arbeit sind, im Gegensatz zu Arbeitslosen.

Von daher würde ich es sinnvoll finden, dass wir uns über diese Dinge im Ausschuss noch einmal unterhalten. Das ist eine zweckmäßige Anregung. Herr Brangs, nur zu sagen, wir beschließen jetzt den einen Antrag und die anderen beiden Anträge verweisen wir in die Ausschüsse, ist der Sache nicht dienlich.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, die Diskussion hat bisher gezeigt, dass wir in unserer politischen Auffassung so weit nicht voneinander entfernt sind. Wenn es uns wirklich darum geht, das Optimum herauszufinden und das Beste für die Menschen im Freistaat zu suchen, dann sollten wir den Mut haben, alle drei Anträge heute an den Ausschuss zu überweisen. Ich bin mir aufgrund des heute Diskutierten sicher, dass wir einen Konsens erzielen könnten. Als Koalition zu sagen, wir beschließen nur unseren Antrag und danach können wir über die anderen Anträge diskutieren, ist nicht zielführend, und das sollten wir auch nicht mitmachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Linksfraktion.PDS ist an der Reihe. Bitte schön, Frau Abg. Lay.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlass der heutigen Debatte sind zweifellos die Vorschläge zur Einführung von Kombilöhnen, wie sie verschiedene Unionspolitiker zum Jahreswechsel gemacht haben.

Ich habe mich gefragt, warum uns die Union diese Debatte zum Jahreswechsel beschert hat. War es, um von der schlechten Hartz IV-Bilanz abzulenken, oder ist Ihnen in der Winterlochdebatte nichts Besseres eingefallen? In jedem Fall sind die Kombilohnmodelle ein alter Hut. Es gab – das haben wir heute mehrfach gehört – das Mainzer Modell, es gab das Saar-Modell. Ersteres ist laut der offiziellen Bilanz gescheitert und sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Letzteres hat man auch in Sachsen versucht, ebenfalls ohne nennenswerten Erfolg.

Kombilohn ist ein unbestimmter Sammelbegriff für die verschiedensten Vorschläge. Ich beziehe mich dabei auf Arbeitsverhältnisse, bei denen mit öffentlichen Subventionen der Löhne oder der Sozialabgaben ein Ausbau von Tätigkeiten im Niedriglohnbereich betrieben werden soll. Ich frage mich schon: Muss das denn sein? Die ARGEn haben in Sachsen allein im letzten Jahr 150 Millionen Euro Bundesmittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ungenutzt an den Bund zurückgegeben, also verschenkt.

Wir haben in Sachsen in Größenordnungen ESF-Gelder für die Arbeitsmarktpolitik in die Wirtschafts- und Infrastrukturförderung EFRE umgewidmet. Jetzt werden die reduzierten ESF-Mittel noch nicht einmal ausgegeben, weil Herr Metz das Geld nicht rausrückt. Es gibt Überlegungen, dass wir das wenige Geld, das wir für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen überhaupt noch zur Verfügung haben, auch noch den Unternehmen zukommen lassen, damit diese den Lohn aus öffentlichen Geldern subventionieren können. Das kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein!

Was ist mit den Missbrauchsmöglichkeiten durch die Unternehmen? Was ist mit den Mitnahmeeffekten, von denen Herr Brangs vorhin schon gesprochen hat? Warum soll sich ein Unternehmer denn noch bemühen, ehrliche Arbeit auch ehrlich zu bezahlen? Da nimmt er doch lieber staatliche Zuschüsse in Anspruch und steckt sich den Rest selbst in die Tasche.

Der Antrag der FDP-Fraktion, Herr Zastrow, ist sicherlich der schwächste Antrag, über den wir heute debattieren – Kombilöhne einführen, einfach so.

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: Das ist meistens so! – Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Welches der 250 Kombilohnmodelle hätten Sie denn gern? Wie soll es finanziert werden? Das hätten wir uns als Linksfraktion.PDS einmal erlauben sollen, einen solch dünnen, populistischen Antrag hier zur Debatte zu stellen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Lachen bei der FDP – Holger Zastrow, FDP: Das machen Sie permanent!)

Darüber können wir gern diskutieren. Ich denke nicht, dass wir uns mit unseren arbeitsmarktpolitischen Anträgen hinter Ihren wenigen verstecken müssen.

(Holger Zastrow, FDP: Das hatten wir bis ’89!)

In Ihrem Antrag gibt es keine Vorschläge zur Ausgestaltung, keine Untersetzung, keine Aussagen über Zielgruppen, über die Höhe, die Finanzierung und ob Sie und wie Sie die Mitnahmeeffekte durch die Unternehmen verhindern wollen. Dabei müssten Sie doch wissen, dass bei Kombilohnmodellen der Teufel gerade im Detail steckt, und dazu machen Sie überhaupt keine Aussagen. So geht es nicht!

Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, muss diesen Antrag ablehnen. Nein, in dieser Frage ist wirklich kein Konsens möglich. Schnellschüsse dieser Art sind das Letzte, was die Arbeitslosen in Sachsen brauchen.

(Holger Zastrow, FDP: Lassen wir alles so, wie es ist!)

Meine Damen und Herren! Von allen mir bekannten Kombilohnmodellen ist das von Hans-Werner Sinn, dem Präsidenten des Ifo-Instituts, mit Abstand das Schlimmste. Er macht auch keinen Hehl aus seinem Ansinnen. Er will Kombilohn ohne Mindestlohn, er will den Kombilohn dauerhaft, ohne zeitliche Beschränkung, und er will das Arbeitslosengeld noch weiter zurückfahren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist der Freund von Herrn Milbradt!)

Da muss selbst ich als Vertreterin der Linkspartei sagen: Gott bewahre uns vor diesem Teufelswerk! Denn eigentlich könnte es uns egal sein, was ein Apologet des Neoliberalismus so von sich gibt,

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

wenn er nicht – Kollege Hahn erwähnte es schon – die Zustimmung des Ministerpräsidenten Georg Milbradt finden würde, der ausgerechnet mit diesem Quatsch zu sympathisieren scheint. Er verkündete frohen Mutes zu Anfang des Jahres, dass sich die Arbeitslosigkeit mit Kombilöhnen halbieren ließe – und das auch noch ohne zusätzliche Kosten.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Millionen!)

Bei solchen vollmundigen Versprechungen verschlägt es selbst mir im ersten Moment die Sprache.

Ich war einen Moment lang geneigt anzunehmen, mit Verlaub, er hätte vielleicht diese Forderung im Rausch formuliert, denn es war kurz nach Silvester. Aber nein, ich komme eher zu der Erkenntnis, dass er dies im bewussten Kalkül formuliert hat. Ich muss sagen, wenn wir das ernst nehmen: Arbeitszwang, ick hör dir trapsen! Wenn es nicht mehr kosten darf und die Arbeitslosenzahl halbiert werden soll, dann kann es doch nur eines bedeuten: Er möchte das Arbeitslosengeld II noch weiter zurückfahren, die Kohle stattdessen Unternehmen zuschanzen, damit diese billige Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich schaffen

können. Wer das nicht mitmacht, der soll dann gar nichts mehr bekommen.

Es wäre schön, wenn der Ministerpräsident anwesend wäre. Ich hätte mich gefreut, wenn er konkretisiert hätte, ob es das ist, was er gerne möchte.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP – Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS: Er sitzt noch beim Rechnen!)

Meine Damen und Herren! Es gibt noch kein Indiz dafür – vielleicht kann uns Herr Zastrow in seinem Redebeitrag eines nennen –, dass Kombilöhne die arbeitsmarktpolitische Wunderwaffe sind, die Herr Milbradt darin sieht. Empirische wissenschaftliche Studien beweisen das nicht. Selbst der Sachverständigenrat der Wirtschaft – nicht in dem Verdacht, der Linkspartei nahe zu stehen – hat vor der Einführung von Kombilöhnen gewarnt. Kombilöhne schaffen keine Arbeitsplätze, sie sind ein Subventionsfass ohne Boden und sie treiben die Lohnspirale weiter nach unten.