Meine Damen und Herren! Es gibt noch kein Indiz dafür – vielleicht kann uns Herr Zastrow in seinem Redebeitrag eines nennen –, dass Kombilöhne die arbeitsmarktpolitische Wunderwaffe sind, die Herr Milbradt darin sieht. Empirische wissenschaftliche Studien beweisen das nicht. Selbst der Sachverständigenrat der Wirtschaft – nicht in dem Verdacht, der Linkspartei nahe zu stehen – hat vor der Einführung von Kombilöhnen gewarnt. Kombilöhne schaffen keine Arbeitsplätze, sie sind ein Subventionsfass ohne Boden und sie treiben die Lohnspirale weiter nach unten.
Zu guter Letzt: Die Prämissen der KombilohnBefürworter sind falsch, denn dahinter steht doch: Wir müssen einen Niedriglohnsektor schaffen. Ich sage ganz klar: Nein, das müssen wir nicht; denn erstens haben wir bereits einen Niedriglohnsektor und zweitens hat er sich nicht bewährt, denn wir haben trotzdem eine hohe Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Koalitionsantrag. Ich könnte mitgehen, wenn Sie sagen würden, wir brauchen ein arbeitsmarktpolitisches Konzept. Das finde ich auch. Bislang kann ich nämlich keines erkennen, Herr Jurk, jedenfalls keines für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Der arbeitsmarktpolitische Ansatz Ihrer CDU-MinisterVorgänger lautete sinngemäß: Unternehmen fördern, Unternehmen fördern, Unternehmen fördern und sie dann mit einer Schnellstraße verbinden.
Von Ihnen erwarte ich schon etwas mehr. Wirtschaft bedeutet nicht nur Kapital, sondern es gibt auch den Faktor Arbeit und die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das muss ich einem Sozialdemokraten nicht erklären.
Wenn Sie nun endlich bereit wären, ein Konzept für die Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln, dann wäre ich froh. Aber der Koalitionsantrag vermeidet den Begriff des Kombilohns peinlichst.
Auf der anderen Seite haben wir Presseberichten und dem, was man so hört, längst entnommen, dass es sich nicht um eine ergebnisoffene Diskussion handeln soll. Es soll nicht um eine ergebnisoffene Diskussion aller arbeitsmarktpolitischen Instrumente gehen; für diese wäre ich ja zu haben. Längst scheint hinter den Kulissen entschieden zu sein, dass es in der Tat ein KombilohnModellprojekt geben soll. Das weiß auch die FDP und deswegen haben Sie diesen Antrag gestellt. Vom Mindestlohn hingegen, der Forderung der SPD im Wahlkampf, finden wir darin keine Spur.
Ich vermute, Sie haben sich in der Koalition nicht geeinigt – das wird wohl die Wahrheit dahinter sein – und deswegen verfahren wir nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis. Dieser darf dann, paritätisch mit Vertretern der Koalition besetzt, zwischen der Forderung nach Mindestlohn und der Forderung nach Kombilohn vermitteln. Das ist möglicherweise auch der Hintergrund für die doch sehr „weich“ formulierten Beiträge der Redner von CDU und SPD, die wir heute gehört haben.
Herr Brangs, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich ganz klar gegen die Kombilöhne ausgesprochen haben, auch mit den richtigen Argumenten. Bei Ihnen, Herr Petzold, bin ich etwas skeptischer. Ich denke, dass gerade dort, wo Sie von der Subventionierung des ersten Arbeitsmarktes sprachen, zwischen den Zeilen auch das Kombilohnmodell hindurchscheint. Insofern bleibt dieser Antrag in dieser Frage offen und eröffnet im Grunde auch Tür und Tor für ein Kombilohnmodell, verstanden als öffentlich subventionierter Niedriglohnsektor. Diese Bedingungen können wir natürlich nicht akzeptieren.
Die Linksfraktion, meine Damen und Herren, will keine Dienstbotengesellschaft. Wir wollen eine moderne Dienstleistungsgesellschaft.
Wir wollen qualitativ hochwertige sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Dafür ist es in der Tat notwendig, den bisherigen Niedriglohnbereich neu zu organisieren. Zentrale Fehler, wie beispielsweise die Einführung der Minijobs, müssen rückgängig gemacht werden. Die Linksfraktion hat zahlreiche Vorschläge, die wir gern mit in die Debatte werfen, beispielsweise einen abgesenkten Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen. Wir wollen die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme durch eine Wertschöpfungsabgabe statt durch Lohnnebenkosten,
denn das würde arbeitsintensive Betriebe entlasten und wissens- und kapitalintensive Unternehmen stärker zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme heranziehen.
Ich verstehe gar nicht, warum Sie sich so aufregen, Herr Zastrow, das ist doch wohl selbstverständlich.
Natürlich wollen wir auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und – das ist entscheidend – ein klares Bekenntnis zum zweiten Arbeitsmarkt. Ohne diesen wird es angesichts der Massenarbeitslosigkeit nicht gehen. Ja, auch wir wollen öffentlich finanzierte Arbeit, aber bitte schön im zivilgesellschaftlichen Bereich, im Non-Profit-Bereich, und – das möchte ich noch einmal betonen, Herr Petzold, das ist wirklich der entscheidende Unterschied –
wir möchten öffentliche Gelder nicht den Unternehmen geben, damit diese den Niedriglohnbereich finanzieren und die Löhne weiter herunterdrücken können. Nein, es ist in der Tat richtig: Für das Geld, das wir für Arbeitslosigkeit ausgeben, könnten wir auch reguläre Stellen schaffen. Aber wir wollen sie im gemeinwohlorientierten Bereich, im sozialen Bereich schaffen. Hierzu gibt es von der Linkspartei.PDS, beispielsweise vom Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf, einige gute Vorschläge, was die Kapitalisierung der bisherigen Gelder für ALG II anbelangt.
Meine Damen und Herren! Es bleibt unser Antrag als vernünftiger Antrag noch in der Debatte. Denn ich denke, bevor wir uns in ein neues Kombilohn-Abenteuer stürzen, nachdem das eine oder andere in der Bundesrepublik und auch in Sachsen gescheitert ist, müssen wir vielleicht erst einmal die Erfahrungen auswerten, die man bislang damit gemacht hat. Wir brauchen eine Bilanz der bisherigen Erfahrungen bei Kombilohnmodellen, der Kosten und der arbeitsmarktpolitischen Effekte, darüber, was sie gebracht haben. Wir möchten natürlich auch wissen, wie der Herr Ministerpräsident, der jetzt nicht anwesend ist, die Zahl der Arbeitslosen halbieren möchte.
Wir legen uns, verehrter Herr Kollege Brangs, nicht auf eine Richtung fest, aber in der Tat stellen wir kritische Nachfragen zu dem offensichtlich favorisierten Kombilohnmodell. Insofern meinen wir, dass unser Antrag eine notwendige Ergänzung zu der Diskussion des Antrages der Koalitionsfraktionen ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Anfang des Jahres hält die Debatte um die Kombilöhne die Republik in Atem. Sollte am Anfang des letzten Jahres mit Hartz IV der Durchbruch am Arbeitsmarkt geschafft werden, heißt die neue Zauberformel nun also „Kombilöhne“. Dabei war schon die Einführung von Hartz IV eine Bauchlandung für die Befürworter.
In der Regierungsstudie ist kürzlich das Desaster der Hartz-IV-Reform amtlich geworden und so musste schnell nach etwas Neuem gesucht werden. Herausgekommen ist der Kombilohn, ein alter Hut der Unternehmerverbände.
Die Befürworter von Kombilöhnen wollen weiterhin den Niedriglohnsektor fördern, indem niedrige Löhne durch Steuermittel aufgestockt werden sollen. Angeblich sollen so für die Arbeitnehmer Anreize geschaffen werden, auch niedrig bezahlte Arbeit anzunehmen. Meine Damen und Herren, der fromme Wunsch dürfte sich schon schnell als Bumerang erweisen.
Die NPD-Fraktion teilt daher auch nicht den Enthusiasmus des Ministerpräsidenten, der davon träumt, dass durch Kombilöhne drei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden können. Es mag verlockend sein, auf ein Wunder zu hoffen, wenn man nicht mehr weiter weiß. Aber allein die Zahl drei Millionen hätte für die Union ein Tabuthema sein sollen, denn wir alle erinnern uns sicherlich noch gut daran, wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder diese Zielvorgabe für den Arbeitsmarkt vollmundig in die Welt hinausposaunte und erbärmlich baden ging.
Hätten Sie doch nur, meine Damen und Herren von der Union, auf den Chef des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, tatsächlich auch im Detail gehört, denn dann wüssten Sie, was der Wirtschaftsforscher für die angebliche Wunderwirkung des Kombilohns alles voraussetzt. So fordert Hans-Werner Sinn zum Beispiel, dass das Arbeitslosengeld II um gut 30 % gesenkt werden soll. Wörtlich: „Es ist das Niveau der Sozialtransfers, das das Entstehen von Jobs im Niedriglohnsektor verhindert.“
Ist es das, meine Damen und Herren, was Sie wollen, die weitere Senkung des Sozialniveaus auf dem Rücken der Schwächsten der Gesellschaft?
Entgegen dem zweifelhaften Wunsch von Herrn Sinn nach Bildung eines Niedriglohnsektors ist die Existenz eines solchen leider längst traurige Realität. Rund 2,7 Millionen Vollzeitbeschäftigte erhalten für ihre Arbeit weniger als 50 % des durchschnittlichen Bruttoeinkommens, also weniger als 1 400 Euro brutto. Auf die meisten freien Arbeitsplätze kommen mehr Bewerbungen – ungeachtet dessen, wie niedrig sie entlohnt werden. Aufgrund der verheerenden Arbeitsmarktlage würde die Ausweitung des Niedriglohnsektors deshalb auch nicht zu neuen Arbeitsplätzen führen. Profitieren würden von diesem milliardenteuren Instrument der Kombilöhne vielmehr wieder einmal nur die Arbeitgeber, die die Löhne weiter senken könnten, da der Staat für die Differenz aufkäme.
Nüchtern betrachtet muss man feststellen, dass Kombilöhne eine Subvention für die Unternehmer, nicht aber für die Arbeitnehmer darstellen. Es würde traurige Realität werden, dass die Unternehmen Subventionen kassieren, Arbeitslose einstellen und bisher zu teure Beschäftigte entlassen könnten. Der Kombilohn macht es den Unternehmen leicht, einen Teil der Gewinnmöglichkeiten mitzunehmen. Der Mitnahmeeffekt beruht auf der formell geringeren Einschätzung der Arbeitskraft der Beschäftigten zum Vorteil des Unternehmers. Früher, meine Damen und Herren, wurde so etwas Ausbeutung der Arbeiter genannt. Aber da der Arbeitnehmer nicht mehr direkt geschädigt wird, führt dieses System letztendlich zur Ausbeutung des Steuerzahlers.
Kombilöhne setzen damit zwangsläufig eine Lohnspirale nach unten in Gang. Dies schwächt die Nachfrage und wird zu weiteren Arbeitsplatzverlusten führen. Neben den horrenden Kosten dieser neuen Subvention besteht die
Gefahr, dass die Unternehmen zukünftig weniger Anreize verspüren könnten, die Qualifikation ihrer Mitarbeiter zu fördern. Schließlich wird die mangelnde Produktivität durch Staatszuschüsse ausgeglichen. Auf der anderen Seite könnte auch bei Arbeitssuchenden die Einsicht nachlassen, die eigene Arbeitsleistung, Fähigkeit und ihre Qualifikation verbessern zu müssen.
Wenn der Freistaat nun sein eigenes Kombilohnmodell prüft, kann man auf das Ergebnis gespannt sein, denn alle bisherigen Modelle sind erbärmlich gescheitert. Das vermeintlich großartige „Mainzer Modell“, das von einigen Vorrednern bereits angesprochen wurde, aber seinerzeit bundesweit als Allheilmittel eingeführt wurde, ist wegen Erfolglosigkeit wieder eingestellt worden. Bundesweit haben damals gerade einmal 15 000 Arbeitgeber die staatlichen Zuschüsse in Anspruch genommen. Dieses Modell scheiterte damals vor allem daran, dass es gar nicht genug Stellen im Billiglohnsektor gegeben hat.
Auch die Idee, dass man die Arbeit fördern müsse, wenn Sie eine geringfügig entlohnte Tätigkeit anbieten, ist nicht der Stein der Weisen. Das gab es schon einmal. Es hieß Saar-Modell und wurde im Jahr 2000, auch in Sachsen, ausprobiert. Arbeitgeber erhielten Lohnkostenzuschüsse, wenn sie Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte einstellten. Schon damals konkurrierte dieses Modell mit viel attraktiveren und einfacheren Förderinstrumenten. Das Ergebnis war, dass es in Sachsen sage und schreibe zwei Arbeitgeber gab, die das Saar-Modell benutzten. 2001 wurde es sang- und klanglos wieder beerdigt.
Dies, meine Damen und Herren, ist der große Pferdefuß ihrer Prognosen. Kombilöhne schaffen eben keine Arbeitsplätze. Kein Unternehmer beschäftigt mehr Arbeitnehmer, weil sie billiger oder teurer sind, sondern nur dann, wenn wirklich zusätzliche Arbeit vorhanden ist! Meine Damen und Herren, wenn Sie einen Durchbruch auf dem Arbeitsmarkt vollziehen möchten, dann packen Sie das Problem endlich an der Wurzel. Ihr Rettungsanker Kombilohn ist genauso untauglich wie Hartz I bis IV, die Minijobs oder die Ein-Euro-Jobs. Bisher gelingt es Ihnen nur, die Lohnspirale nach unten zu schrauben und damit immer mehr Arbeitslosigkeit und Armut zu erzeugen. Sie öffnen mit Ihrer Politik Lohndumping Tür und Tor und möchten auch noch den Steuerzahler als Finanzier Ihrer Kahlschlagpolitik missbrauchen.
Stattdessen sollten wir uns die Frage stellen, warum es eigentlich zu Lohndumping kommt. Warum sehen wir uns gezwungen, uns mit der Problematik der Kombilöhne auseinander setzen zu müssen? Solange Deutschland als Nationalstaat halbwegs selbstbestimmt war, gelang es, in überschaubaren Märkten den Marktmechanismus durch einen ordnungspolitischen Rahmen sozial funktionsfähig zu erhalten. Indem sich der Markt aber mit dem zunehmenden Verlust der wirtschaftspolitischen Selbstbestimmung immer expansiver ausweitet, wird er immer weniger dem grundgesetzlich verankerten Anspruch gerecht, ein sozialer zu sein. Die Entgrenzung des Heimatmarktes und der damit verbundene globale Verdrängungswettbe
Meine Damen und Herren! Globalisierung und soziale Marktwirtschaft schließen einander aus. Hier liegen die Ursachen des Arbeitslosenproblems in unserem Land. Nehmen Sie dies zur Kenntnis und betreiben Sie nicht länger Flickschusterei!
Fassen wir noch einmal zusammen: Kombilöhne sind anderenorts bereits gescheitert. Es gibt keinen Grund, Sachsen zum Versuchsobjekt für die Ausbeutung durch Kombilöhne zu machen. Kombilöhne schaffen keine Arbeitsplätze. Sie sind allein für das Großkapital ein Anreiz, Löhne zu senken und sich dies auch noch staatlich subventionieren zu lassen. Unternehmen werden durch den Staat von ihrem Finanzierungsanteil entlastet. Der Steuerzahler muss diese Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse auch noch bezahlen.
Der Schritt ist nur klein, um allein in den am Profit orientierten multinationalen Konzernen reguläre Arbeitsplätze zu billigen Kombilohn-Plätzen umzuwandeln. Auch wenn sich am Nettolohn der Beschäftigten nichts ändert, führt dies zu Mehrausgaben, die letztlich der Steuerzahler finanzieren muss, ohne dass es zur spürbaren Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt kommen würde.
Meine Damen und Herren! Der Mensch muss endlich wieder in den Mittelpunkt der Politik zurückkehren. Die Ökonomie an sich schafft beileibe keine Werte. Kann sie ungehemmt ihre Kräfte entfalten, werden in Deutschland und in Sachsen soziale Flächenbrände entstehen. Die Menschen erwarten Antwort auf die zerstörerischen Kräfte des liberal-kapitalistischen Marktes.
Sie haben ein Recht darauf, dass sich die Politik wieder das Primat von der Ökonomie zurückholt. Eine vernünftige Arbeitsmarktpolitik muss vor allem drei Kriterien erfüllen: Schutz vor Lohndumping, branchendifferenzierte Mindestlöhne und die Berücksichtigung der Tarifautonomie.
Meine Damen und Herren, Sachsen braucht keine weiteren Niedriglohnstrategien, da diese den Druck auf die Arbeitnehmer erhöhen und so mehr sozialen Grundstandard abbauen. Sachsen ist nicht das Experimentierfeld wild gewordener Globalisierungsfetischisten. Durchschnittlich 400 000 Menschen sind hierzulande arbeitslos. Die derzeitig diskutierten Kombilöhne sind allerdings der völlig falsche Weg, diese Menschen in Arbeit zu bringen. Aus diesem Grund werden wir die Anträge von FDP und Regierungskoalition ablehnen.