Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

Ich bitte um Unterstützung des NPD-Antrages.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Das war die einbringende Fraktion. Die CDU hat in dieser Runde keinen Redebedarf angemeldet; das bleibt so, Herr Dr. Hähle? – Die Linksfraktion hat auch niemanden angemeldet; das bleibt so, oder? – Dann spricht Herr Kollege Bräunig für die Koalition.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es macht mich zutiefst betroffen, dass es eine Partei oder Fraktion in diesem Hause gibt, die nicht einmal davor zurückschreckt, das Martyrium von Kindern, die Opfer von Sexualstraftätern geworden sind, für ihre parteipolitischen Zwecke zu missbrauchen.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es war vom Stil, in dem Ihr Antrag geschrieben ist, nicht anders zu erwarten; es war von vornherein abzusehen, aber Ihr Redebeitrag, Herr Apfel, hat, glaube ich, noch den letzten Zweiflern die Augen geöffnet: Der NPD geht es hier nicht um eine ernsthafte rechtspolitische Debatte. Allein der Ruf nach Wiedereinführung der Todesstrafe ist Ausdruck Ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung.

(Beifall bei der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Holger, Apfel, NPD: Dann ist der überwiegende Teil des Volkes verfassungsfeindlich!)

Die Forderung – ich zitiere aus Ihrem Antrag – nach einer drakonischen Verschärfung der Bestimmungen des Strafrechts offenbart eine oberflächliche und fragwürdige Geisteshaltung, die nicht die Opfer in den Mittelpunkt stellt, sondern reiner Aktionismus ist.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich dennoch einige Argumente zur Todesstrafe loswerden. Das grundgesetzliche Verbot der Todesstrafe ist eine unmittelbare Reaktion auf den Missbrauch dieses Sanktionsmittels durch den nationalsozialistischen Führerstaat gewesen. Schon vor diesem Hintergrund kann das, was Sie hier fordern, nur verurteilt werden.

(Jürgen Gansel, NPD: Gab es in den USA auch Nationalsozialismus?)

Auch trägt das Verbot dem Umstand Rechnung, dass der ohnehin schon fragwürdige Nutzen der Todesstrafe im Vergleich zur lebenslangen Freiheitsstrafe derart gering ausfällt, dass die Vernichtung des höchsten Rechtswertes, nämlich des menschlichen Lebens, sich nicht rechtfertigen lässt.

Ich will gar nicht die Diskussion eröffnen, ob die Todesstrafe eine wirksamere vorbeugende Wirkung als das gegenwärtige Strafsystem entfaltet oder wegen ihrer endgültigen Wirkung einem Rechtsstaat überhaupt angemessen ist.

Eine Tatsache muss in diesem Hohen Hause aber immer wieder gesagt werden, nämlich dass die NPD Kernaussagen unserer Verfassung – und wen mag das wundern – nicht begriffen hat oder auch nicht begreifen will.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN)

Ich möchte Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, der mit Artikel 14 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung wortgleich ist, vortragen – Sie alle kennen den Wortlaut –:

(Jürgen Gansel, NPD: Die Würde des Kinderschänders ist unantastbar, oder was?)

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Das Verbot der Todesstrafe ist verfassungsrechtlich nichts anderes als eine Konkretisierung des Schutzes der Menschenwürde aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Anders gesagt: Die Wiedereinführung der Todesstrafe ist mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbar und damit verfassungsrechtlich unzulässig.

Die Sätze, die ich soeben vorgetragen habe, haben wegen solcher Leute, die mit dem Begriff „Menschenwürde“ nicht umgehen können, Eingang in unsere Verfassung gefunden. Daher kann man sie, glaube ich, nicht häufig genug wiederholen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP und den GRÜNEN – Alexander Delle, NPD: Kein Wort zum Thema! – Jürgen Gansel, NPD: Kinderschänderparteien!)

Für die FDPFraktion spricht Herr Abg. Dr. Martens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel des Antrags, mit dem wir uns hier beschäftigen müssen, ist zu offensichtlich. Jetzt wird die strategische Biertischbombe gezündet. Auf Verbrechen, die in der Tat alle erschüttern

(Alexander Delle, NPD: Anscheinend nicht!)

und die eine nachdenkliche Diskussion darüber erfordern, wie wir Gewalttaten, insbesondere solche an Kindern, verhindern können, kommt ein solcher Vorschlag. Er ist inhaltlich schlecht, handwerklich und politisch falsch und dient einzig und allein Ihrem Bemühen, jene dumpfen Ressentiments salonfähig zu machen, denen wir uns hier ein um das andere Mal entgegenzustellen versuchen.

Meine Damen und Herren! Um mit der Behauptung, die Todesstrafe würde Verbrechen verhindern, aufzuräumen: Sie verhindert keine Verbrechen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Das sagt doch keiner! – Weiterer Zuruf von der NPD: Aber sie schreckt ab und stoppt Wiederholungstäter!)

Die Strafdrohung selbst – das ist ein altbekanntes Phänomen – hat keine generalpräventive Wirkung. Die Todesstrafe schreckt auch nicht ab. Das ist eine schöne, immer wiederholte Mär. Auch durch ewige Wiederholung wird sie nicht richtig.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Die Erde ist keine Scheibe. Die Generalprävention verhindert keine Verbrechen. Sie erreicht zum Beispiel nicht Affekttäter, Täter im Rausch von Drogen oder Alkohol. Erst recht erreicht sie keine Täter mit psychischen Defekten, also kranke Menschen, die so etwas tun, von dem wir hier reden. Die Strafdrohung erreicht diese Menschen bereits anfänglich nicht.

Herr Dr. Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Dr. Ernst.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Dr. Martens, sind Sie mit mir der Auffassung, dass die Einführung der Todesstrafe für Sexualstraftäter sogar eine erhöhte Gefahr für die Opfer von Sexualstraftaten darstellen würde?

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist rote Dialektik!)

Das wäre der nächste Punkt, den ich angesprochen hätte. Sie haben Recht: Es gibt in der Tat das Phänomen des so genannten Verdeckungsmordes. Jemand, der im Affekt eine Sexualstraftat oder eine andere Straftat begangen hat, wird sich auf einmal

bewusst, was er angerichtet hat, und möchte nun auf keinen Fall erwischt werden. Dann geht er daran, den einzigen Zeugen zu beseitigen. – Sie können sich vorstellen, dass dieser Wunsch unter Umständen stärker wird, wenn eine Strafe, wie Sie sie verlangen, droht. Sie helfen damit auch den möglichen Opfern nicht. Was Sie hier tun, ist schlicht unüberlegt.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN – Alexander Delle, NPD: Dann verfolgen wir gar keine Straftäter mehr!)

Diejenigen – wenigen! –, die Tötungsdelikte nach genauer Planung ausführen, haben sich auch in Kenntnis der Strafdrohung zur Tat entschlossen. Die Strafdrohung erreicht sie deshalb nicht, weil sie entschlossen sind, die Tat in dem trügerischen Bewusstsein auszuführen, möglicherweise nicht erwischt zu werden. Die Gefängnisse sind voll von Leuten, die glauben, sie seien schlauer als die Polizei.

Meine Damen und Herren! Statistiken, die die Wirkung der Todesstrafe belegen, gibt es nicht. Selbst in dem bunten Umfeld ganz weltbedeutender Forscher, die bei der NPD zu allen möglichen Fragen historischer oder anderer Art normalerweise immer wieder auftauchen, findet sich niemand, der auch nur behaupten könnte, die Todesstrafe hätte irgendwelche Verbrechen verhindert. Nicht einmal Herr Freisler hat das behauptet.

Es gibt aber andere Statistiken. Solche aus Kanada belegen, dass nach der Abschaffung der Todesstrafe bestimmte Verbrechensraten sogar gesunken sind. Natürlich gibt es keinen Kausalzusammenhang zwischen Abschaffung der Strafdrohung und dem Rückgang der Zahl der Straftaten. Im Umkehrschluss folgt aber daraus, dass die Einführung der Todesstrafe bestimmte Verbrechensraten mit Sicherheit nicht senkt.

Meine Damen und Herren! Der Antrag, den Sie hier vorlegen, ist rechtspolitisch mehr als fragwürdig und handwerklich extrem schlecht gemacht. Artikel 102 Grundgesetz abzuschaffen geht nicht. Herr Kollege Bräunig hat es bereits gesagt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dieser Artikel nichts weiter als eine Präzisierung des Schutzes der allgemeinen Menschenwürde. Dass Sie da bisweilen herangehen wollen, glauben wir Ihnen. Wir werden es aber nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Der nächste Punkt betrifft die Verabschiedung aus der Europäischen Konvention für Menschenrechte. Das hätten Sie gern! Das wird es aber mit uns nicht geben. Wir in Deutschland wissen genau, welche Errungenschaften in der Europäischen Konvention für Menschenrechte erreicht worden sind. Im Übrigen haben sich gerade die Bürger in der ehemaligen DDR auf diese Konvention berufen, um gegenüber den Mächtigen verschiedene Freiheiten immer wieder einzufordern.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Glauben Sie ja nicht, dass wir uns, nur weil Sie das gern hätten, aus der Gemeinschaft der zivilisierten europäischen Völker verabschieden und als einziges Land in Europa neben Weißrussland die Todesstrafe wieder in das Arsenal der Strafrechtspflege aufnehmen. Mit uns sicherlich nicht!

(Jürgen Gansel, NPD: Nehmen Sie einmal eine Beruhigungstablette!)