Protokoll der Sitzung vom 15.03.2006

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Herr Jurk hat selbst gesagt, wie er sich in seiner Partei dafür eingesetzt hat. Wir wollen nichts anderes, als dass wir als Landtag des Freistaates Sachsen die Regierung auffordern, dies auch weiterhin zu tun. Ich kann mir nicht vorstellen, Frau Hermenau, wie man ernsthaft dagegen sein kann.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das zweite Schlusswort hat Frau Mattern für die Linksfraktion.PDS. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Frau Hermenau hat man den Eindruck, sie sei nach wie vor Mitglied des Haushaltsausschusses des Bundestages und nicht Abgeordnete des Sächsischen Landtages. Oder muss man die Reden, die sie hier zu Gehör bringt, vielleicht als ihre persönliche Empfehlung auffassen, sich zur Finanzministerin dieses Landes zu machen? Das verwundert mich dann schon sehr. Wenn es die GRÜNEN nicht einmal mehr in eine einzige Landesregierung schaffen, dann ist der Auftritt hier etwas sehr verhoben.

(Widerspruch bei den GRÜNEN – Antje Hermenau, GRÜNE: Das schon wieder! – Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben im Bundestag, als sie noch Einfluss auf die Vergabe dieser Mittel hatten, jederzeit dafür gestanden, dass die Mittel für den Aufbau Ost, die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe usw. für den Osten gekürzt werden. Ich kann Ihnen reihenweise Anträge vorlegen, die eindeutig die westdeutsche Klientel bedient und den Osten aus den Augen verloren haben. Das war allerdings noch zu einer Zeit, als sie nicht in Landtagen vertreten waren, zumindest nicht hier in Sachsen. Das spricht eine sehr deutliche Sprache. Ich habe Ihren Redebeitrag, Frau Hermenau, so verstanden, dass Sie der Kürzung der GA-Mittel zustimmen und das für in Ordnung halten.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist falsch! Sie interpretieren das nicht richtig!)

Ich habe allerdings von den anderen Fraktionen nichts gegen das eigentliche Anliegen der beiden hier vorliegenden Anträge gehört. Jeder, der hier gesprochen hat – –

(Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich weiß nicht, warum Sie sich so aufregen, Herr Brangs.

Ich habe hier keine Argumente gegen das Anliegen beider Anträge gehört, die abwenden wollen, dass diese Mittel gekürzt werden. Auch wenn Sie der Auffassung sind, dass beide Anträge überflüssig sind, können Sie über Ihre jeweilige Partei Ihre Abgeordneten doch persönlich auffordern, im Deutschen Bundestag für die Beibehaltung der bisherigen Höhe der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe zu sorgen. Wenn dort abgestimmt wird, können solche Anträge vorgelegt werden. Wir brauchen dann auch in keine Sachsenvertretung zu ziehen.

Ich denke, dass unser Antrag hinsichtlich unserer Forderung, den Planungsausschuss erneut einzuberufen, bewusst in ein schlechtes Licht gerückt worden ist. Sie wissen doch selbst, wenn dieser Planungsausschuss erneut zusammentritt, wäre das ein einmaliger Vorgang, der allein durch seine personelle Besetzung so viel Gewicht hat, dass der Deutsche Bundestag an seiner gemeinschaftlichen Aussage überhaupt nicht vorbeikommen würde.

(Zurufe des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Herr Jurk hat starke Befürchtungen geäußert, dass er, wenn er im Planungsausschuss Kreuz bewiesen hätte, von den anderen Regierungsvertretern geschnitten worden wäre. So habe ich Sie jedenfalls verstanden.

(Staatsminister Thomas Jurk: Da haben Sie mich falsch verstanden!)

Ich muss tatsächlich fragen, ob das nicht merkwürdige Demokraten sind, die sich in diesem Ausschuss zusammenfinden, wenn es so ist, dass jemand, der für die Interessen seines Landes eintritt, dort kein Bein mehr auf die Erde bekommt. Das ist schon sehr merkwürdig.

Zum Schluss möchte ich den Ministerpräsidenten wörtlich zitieren. Er sagte: „Wir lassen uns nicht erpressen. Sachsen stimme einer Absenkung der GA-Förderung nicht zu und bestehe auf der Erfüllung der Zusagen aus dem Koalitionsvertrag und den folgenden Regierungsbeschlüssen.“ Der FDP-Antrag verlangt, diese Aussage zu unterstützen. Ich wüsste nicht, was dagegen spräche. Wir sollten es einfach tun.

Herr Jurk, wenn Sie so etwas wie Liebesentzug spüren und sich unwohl in Ihrer Haut fühlen, holen Sie einfach das Geld heran! Dann werden Sie von uns allen auch wieder gelobt werden und wir könnten über die Verteilung dieser Mittel – über die Inhalte der GA – sprechen und vielleicht über die Modernisierung dieses 35 Jahre alten Instruments.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das waren die Schlussworte, meine Damen und Herren. Wir kommen zur Abstimmung. Wir haben über zwei Anträge zu befinden.

Ich beginne mit dem Antrag der FDP-Fraktion, Drucksache 4/4448. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Bei sehr wenigen Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Pro-Stimmen ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf den Antrag der Linksfraktion.PDS, Drucksache 4/4548. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Fast ähnliches Stimmverhalten, nur in anderen Kombinationen: einige Enthaltungen, einige Zustimmungen und mehrheitliche Ablehnungen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 16

Privatisierung kommunalen Wohnungseigentums

Drucksache 4/4409, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die GRÜNE-Fraktion als einreichende Fraktion beginnt. Herr Dr. Gerstenberg, danach die normale Reihenfolge.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es war am vergangenen Donnerstag, 19:45 Uhr, als unter höchster, auch internationaler Aufmerksamkeit im Dresdner Stadtrat eine Entscheidung fiel: die Entscheidung über den Totalverkauf der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft. Es gab Jubel bei den Befürwortern der Entscheidung. „Geld, richtiges Geld“, jubelte der Fraktionsvorsitzende der CDU. Dresdens Oberbürgermeister Roßberg – persönlich arm an Erfolgen, aber reich an Skandalen – sprach mit glänzenden Augen von der ersten schuldenfreien Großstadt in Deutschland.

Die Versuche zur Nachahmung durch andere sächsische Städte liegen auf der Hand. 981 Millionen Euro auf einen Schlag in die Stadtkasse – das entwickelt eine Eigendynamik in der Diskussion. Erste Zeichen aus Leipzig waren schon zu vernehmen. Die Frage, die vor dieser Debatte steht, ist: Gibt es denn Grund zum Jubeln?

Auffallen dürfte doch jedem, welche skeptischen bis hochkritischen Stellungnahmen von bundesweiten, objektiven Beobachtern gekommen sind. Die Kritik reicht selbstverständlich vom Mieterbund über die GdW bis zum Deutschen Städtetag.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Wieso denn?)

Das politische Spektrum der kritischen Kommentare reicht vom SPD-Bürgermeister Uhde in München bis zum Plauener Stadtoberhaupt mit FDP-Parteibuch. Es gibt wenige Ausnahmen in dieser Diskussion, die das anders sehen. Es sind wenige Vertreter eines Modells der „schlanken Stadt“ – zu der ich auch den Dresdner Finanzbürgermeister zählen würde –, einer schlanken Stadt, die sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren soll. Dazu gehört nach Aussage dieser Vertreter nicht die Wohnungsversorgung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche „schlanke Stadt“ wird eine kranke Stadt, denn sie leidet an Magersucht.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das Wohnen, insbesondere für sozial Schwache, zu sichern gehört aus Sicht unserer Fraktion unverzichtbar zur kommunalen Daseinsvorsorge. Darin bin ich mir einig mit Kommunalpolitikern aus anderen politischen Lagern. An dieser Stelle komme ich auf die CDU zu sprechen. Ole von Beust war es, der in einem bemerkenswerten Interview Ende vergangenen Jahres darüber gesprochen hat, wie er in das Amt des Ersten Bürgermeisters der Hansestadt Hamburg gekommen ist: mit ordnungspolitischen Vorstellungen der Entstaatlichung und der Liberalisierung. Inzwischen hat er erkannt, dass ein Staat in Zeiten der Globalisierung gewisse Schutzfunktionen wahrnehmen muss. Deshalb kann er nur warnen vor dem Verkauf kommunaler Wohnungen an renditeorientierte Investoren.

Wenn wir diese Diskussion jetzt führen, muss dies mit Ehrlichkeit geschehen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist gut!)

Dazu gehört die Tatsache, dass kaum eine Kommune ihre Wohnungsbestände aus neoliberaler Ideologie verkauft. Keine Kommune verkauft sie aus Jux und Tollerei, aber viele stehen aus blanker finanzieller Not vor dieser Entscheidung. Zu dieser Ehrlichkeit gehört, den Zielkonflikt zu benennen, der zwischen der Erhaltung des kommunalen Wohnungseigentums und der notwendigen Haushaltssanierung besteht, um kommunale Handlungsfähigkeit zu erhalten oder erst einmal herzustellen. Das heißt, Wohnungspolitikerinnen und -politiker wie ich und meine Fraktion, die sich für den Erhalt der Wohnungsbestände einsetzen, sind aufgefordert, Alternativen zu präsentieren. In Dresden ist dies im Rahmen des Bürgerbegehrens mit dem Modell eines Teilverkaufs in breitem Maße geschehen.

Zur Frage der Ehrlichkeit gehört weiterhin die Feststellung, dass ein Verkauf einer gesamten kommunalen Wohnungsgesellschaft – des gesamten Bestandes einer Großstadt – kein Grund zum Jubeln ist. Es ist auch kein Grund zum Jubeln aus finanziellen Gründen; denn die Strukturprobleme des Haushaltes bleiben auch nach einem Verkauf erhalten und sie holen die Kommunen kurzfristig wieder ein.

Es gibt aber einen gewaltigen Unterschied. Wenn das Tafelsilber verkauft ist, ist diese Suppe künftig nur noch mit Alu auszulöffeln. In der Landeshauptstadt Dresden – mein Beispiel – ist ein großer Teil der Schulden bereits in der ersten Phase zwischen 1990 und 1995 entstanden. In blinder Marktgläubigkeit wurde investiert. Ein Tunnel spielte damals schon eine Rolle. Für alle ist ein großer Teil des Dresdner Haushaltsloches in Höhe von 150 Millionen Euro vor dem Dresdner Hauptbahnhof zu besichtigen. Aber bis heute halten die Probleme an. Bis heute hält der blinde Glaube an überdimensionierte Verkehrsprojekte an. Bis heute gibt es keine Haushaltskonsolidierung, die wirklich zukunftsfähig wäre.

Zu einer ehrlichen Debatte im Sächsischen Landtag gehört, die Verantwortung, die Bund und Land für die finanzielle Notlage der Kommunen in Deutschland tragen, zu benennen. Der Bund hat unter Rot-Grün erste Schritte einer Gemeindefinanzreform getan. Sie waren nur kurz und weitere müssen folgen. Im Land gebührt aus meiner Sicht Herrn Staatsminister Buttolo aller Respekt und meine Zustimmung, wenn er den Verkauf kompletter Wohnungsunternehmen als völlig unsinnig bezeichnet. Aber, Herr Buttolo, Sie sind auch für die kommunalen Finanzen zuständig. Ich erwarte von Ihnen eine Stärkung der kommunalen Finanzsituation über den kommunalen Finanzausgleich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über Verkäufe von Wohnungsunternehmen zu sprechen heißt auch, über die Käufer zu sprechen. Es geht dabei nicht um Mieterprivatisierung, die uns viele Jahre beschäftigt hat und weiter beschäftigen wird. Es geht auch nicht um wünschenswerte Genossenschaftsgründungen. Es geht um internationale Fondsgesellschaften, die sich geradezu auf den deutschen Mietwohnungsmarkt stürzen. Schätzungsweise sind es eine Billion Dollar, die international in diesen Fonds zurzeit zur Verfügung stehen. In den letzten fünf Jahren wurden in Deutschland zirka 600 000 Wohnungen bereits erworben. Wenn Franz Münteferings Worte von den Heuschrecken zutreffen, dann auf diese Gesellschaften.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Herr Dr. Gerstenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt bitte nicht. – Sie betreiben Geschäftsmodelle, die mit Sicherheit nicht auf das Gemeinwohl der Kommune orientiert sind,

sondern auf maximale Rendite. Diese lässt sich jetzt schon aus den niedrigen Zinsen ziehen, aber mit wachsenden Leitzinsen der Banken wird auch die Ausschöpfung des Mieterhöhungsspielraumes immer wichtiger werden. Dann folgen Aufteilung und Weiterverkauf. Dieses Modell ist heute schon deutschlandweit zu verfolgen. Es ist das Standardverfahren dieser Gesellschaften.

Eines sind sie deshalb mit Sicherheit nicht: Sie sind keine sozialen Partner für die Wohnungsprobleme einer Kommune. Deshalb reicht es nicht aus, über eine Sozialcharta zu diskutieren – so gut diese sein mag. Auch ich sage, es ist besser eine Sozialcharta zu haben als keine, obwohl ein großer Teil der Dresdner Sozialcharta ohnehin der Rechtsprechung oder der Gesetzgebung entspricht. Stattdessen ist vor dem Verkauf eine Frage zentral zu klären: Wer soll den sozialen Auftrag weiterführen, wenn die kommunale Wohnungsgesellschaft total veräußert ist?