Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Colditz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gesetzgeber in diesem Land ist und bleibt der Landtag. Insofern mutet es schon ein Stück weit sonderbar an, dass wir eine Debatte über einen Referentenentwurf führen, der offensichtlich nie in die Beratung dieses Hohen Hauses eingebracht werden wird.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass es nicht nur darum geht!)

Ich kann und will meine zum Teil auch öffentlich geäußerten Aussagen zum Referentenentwurf an dieser Stelle nicht mehr relativieren. Dennoch, meine Damen und Herren, kann man der Staatsregierung nicht unterstellen, das System der freien Schulen pauschal infrage gestellt zu haben. Schauen Sie sich die Entwicklung und die Investitionen, die in diesem Bereich in den letzten Jahren stattgefunden haben, an. Sie sprechen eine andere Sprache. Ich gehe davon aus, dass es nicht Absicht der Staatsregierung war und ist, diese Entwicklung und diese Investitionen im Nachgang infrage zu stellen.

Meine Damen und Herren! Der Staatsregierung eine Bedrohung der Schulen in freier Trägerschaft zu unterstellen, geht an den Problemlagen, die im Rahmen der Diskussion im Referentenentwurf aufgeworfen sind, vorbei.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Keiner, meine Damen und Herren – auch Sie, Herr Kollege Hahn, haben es nicht getan –, kann die Notwendigkeit der Anpassung schulischer Angebote an die demografische Entwicklung leugnen. Dass dabei beide Systeme, nämlich das staatliche und das freie Schulsystem, ihre Daseinsberechtigung erhalten müssen, muss ebenso unstrittig sein. Darauf muss auch eine gesetzliche Rege

lung, die, wie gesagt, aussteht und noch zu realisieren ist, Bezug nehmen.

Nun kann man sicher nicht zum Gegenstand dieser Debatte den Gesetzentwurf, der, wie gesagt, schon nicht mehr in der öffentlichen Diskussion ist, machen und ihn inhaltlich diskutieren. Handlungsbedarf gibt es dennoch, auch gesetzgeberischen. Ziele, die auch von freien Trägern im Rahmen der Diskussion im Referentenentwurf benannt wurden, bleiben aktuell und bedürfen einer gesetzgeberischen Lösung. Ich will sie nur stichpunktartig benennen:

die Sicherung und Erweiterung der Gestaltungs- und Handlungsspielräume der freien Schulen und ihrer Träger,

die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung auch von Schulen im freien Bereich,

die Gewährleistung gleicher Wettbewerbschancen freier und öffentlicher Schulen,

die ganz wichtige Frage der Schaffung von Rechtssicherheit für beide Seiten, und zwar für die staatliche und für die Seite der freien Träger und

schließlich geht es auch in diesem Bereich um Deregulierung und Entbürokratisierung.

Mit der Tatsache, dass Schülerzahlen im freien Schulbereich tendenziell ansteigen, während sie im staatlichen Bereich absinken, werden wir politisch leben müssen, nur darf diese Entwicklung strukturelle Anpassungsprozesse, die wir im staatlichen Bereich schmerzvoll vollziehen, nicht konterkarieren. Das geschieht aber genau dann, wenn freie Angebote staatliche Angebote, deren Mindeststandards nicht mehr erfüllt werden, substituieren wollen. Dem entgegenzuwirken halte ich für gerechtfertigt.

Besonders spannungsreich – es wurde schon angesprochen – erscheint mir die Situation im berufsbildenden Bereich. Aufgrund der angespannten Ausbildungssituation waren die freien Träger bisher willkommene Partner, um dieser Situation entgegenzuwirken. Diese Situation wird sich absehbar vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ändern. Dem jetzigen Defizit an Ausbildungsplätzen werden dann mögliche Überangebote entgegenstehen. Die Entwicklung kehrt sich also gewissermaßen um.

Nun ist es meines Erachtens falsch, dem zu begegnen, indem wir den Markt von freien Trägern bereinigen. Wettbewerbschancen müssen auch unter diesen Bedingungen zwischen freien und staatlichen Einrichtungen erhalten bleiben.

(Beifall des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Insbesondere wird dem Rechnung zu tragen sein, wo es bisher für freie Schulen keine staatlichen Alternativen gibt. Ich denke hier insbesondere an den Sozialbereich.

Meine Damen und Herren! Die Gestaltungshoheit für die Schaffung von Rahmenbedingungen, um diese und andere Probleme lösen zu können, liegt bei der Staatsregierung und beim Landtag. Voraussetzung dafür, dass diese

Probleme gelöst werden, ist die Anerkennung vielfältiger Rahmenbedingungen. Insofern geht es nicht um die Bedrohung der Existenz von freien Trägern oder um fantasielose Kürzungsprobleme, sondern um die Abwägung vorhandener Beteiligungsmöglichkeiten bei der Lösung von anstehenden Problemen im Schulbereich.

Unabdingbar bleibt deshalb eine Novellierung des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft auf der Tagesordnung. Deshalb danke ich auch dem Staatsminister für Kultus trotz aller stattgefundenen Kontroversen, sich dieses schweren Themas angenommen zu haben. Zudem war und bin ich auch dankbar, dass es nach der Anhörung des Referentenentwurfes Nachbesserungen für diesen Referentenentwurf seitens der Staatsregierung gegeben hat. Wir hatten keine Gelegenheit, darüber inhaltlich tiefer zu diskutieren.

Meine Damen und Herren! Ich habe die Gewissheit, dass auch zukünftig freie Schulträger die Beteiligung an der Erfüllung ihres Bildungsauftrages wahrnehmen können. Ich gehe zudem davon aus, dass wir gemeinsam, also gemeinsam zwischen Landtag und Staatsregierung, einen Gesetzgebungsakt einleiten, der auch den Problemen der freien Träger gerecht wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die PDS entdeckt als Fraktion die freien Schulen, denen ihre Mitglieder im SLV und in der GEW gern an die Existenz wollen. Damit sich keiner zu Unrecht getroffen fühlt: Ich weiß sehr wohl, dass es einigen der Abgeordneten der PDS ernst war und ist mit den freien Schulen, etwa Frau Schneider, aber als Fraktion hat es die PDS noch nie so richtig interessiert, was mit freien Schulen passiert.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist doch Unsinn! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wer sagt denn so was!)

Der beste Ausweis dafür ist, dass es in den Jahren seit Bestehen des Landtages nicht einen einzigen Antrag zu diesem Thema von Ihnen gab, und das, obwohl Sie insgesamt bald 1 400 Anträge gestellt haben und durchaus nicht zimperlich mit diesem parlamentarischen Instrument umgegangen sind. Es hat Sie bisher auch nicht interessiert, dass die freien Schulen im allgemein bildenden Bereich wenigstens seit 1995 unterfinanziert sind. Es hat Sie auch wenig interessiert, dass wir mit der Finanzierungsverordnung seit 1999 noch mehr als vorher Fehlsteuerungen im berufsbildenden Bereich provozierten, die sich jetzt zu einem Problem entwickelt haben.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Ja!)

Es war Ihnen vor allem auch egal, dass den freien Trägern ihre Freiheit genommen werden sollte, denn das ist für Sie

gar kein Problem. Sie haben ja mit dem letzten Schulgesetzentwurf gezeigt, dass Sie selbst die staatlichen Schulen noch mehr verregelt sehen würden. Ich weiß nicht, worin die PDS vor diesem Hintergrund die Bedeutung der freien Schulen sieht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Die einzige Chance über die Opposition!)

Anders, wenn Sie sich die Aktivitäten der SPDLandtagsfraktion anschauen; denn für uns haben freie Träger deshalb einen hohen Wert, weil sie ein inhaltliches Korrektiv zum staatlichen Schulwesen darstellen und weil sie uns nicht nur einen Spiegel vorhalten, sondern auch praktisch zeigen, wie es anders gehen kann. Sie machen uns im allgemein bildenden Bereich vor, wie eine verantwortliche Schule arbeitet. Sie machen uns vor, wie erfolgreich eine schülerorientierte Lernkultur ist. Sie machen uns vor, wie Schule in hoher Qualität auch effizient betrieben werden kann. Sie machen damit auch Schluss mit den typisch deutschen Ausreden, was alles nicht geht. Sie zeigen, dass es geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn sich die Aktuelle Debatte mit dem Zurückziehen des Gesetzentwurfes eigentlich erledigt hat,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nein!)

so haben sich die Probleme dennoch nicht erledigt, und zwar insbesondere im berufsbildenden Bereich. Die prekäre Lehrstellensituation der letzten Jahre hat auch dazu geführt, dass eine Vielzahl freier Träger beitrug, das Defizit zu verkleinern. Freilich haben sich im berufsbildenden Bereich damit Trends ergeben, die kritisch zu hinterfragen sind. Insbesondere der Schülerrückgang im Sek-II-Bereich drängt natürlich, diesen Bereich zu gestalten. Wenn heute etwa ein Viertel der jungen Menschen in freien Schulen eine Berufsausbildung erhält, so wäre das in drei Jahren bei gleicher Kapazität die Hälfte. Abgesehen davon, dass dann die Kapazitäten der Berufsschulzentren nicht mehr ausgelastet wären, ist doch auch fraglich, ob dann das Verhältnis von dualer und vollzeitschulischer Ausbildung noch unseren Vorstellungen entspricht und ob nicht auch Wettbewerbsverzerrungen bestehen. Das Letztere ist dort der Fall, wo sich Arbeitgeber aus der dualen Ausbildung zurückgezogen haben und sich diese nicht über eine überbetriebliche Einrichtung, sondern über eine freie Schule in Vollzeit realisieren lassen. Anstatt dass junge Menschen in diesen Branchen einen Lehrvertrag und vielleicht etwas Entgelt erhalten, müssen sie Schulgeld zahlen und stehen den Betrieben dann praktisch ab und zu einmal als Praktikanten zur Verfügung.

Dieses Problem lässt sich aber nicht mit einer generellen Kürzung der Zuschüsse freier Träger im berufsbildenden Bereich lösen. Es gibt eben auch Berufe, die traditionell über freie Schulen ausgebildet werden und für die es gar kein staatliches Angebot gibt. Das ist auch durch das Berufsbildungsgesetz festgelegt. Da die Zuschusssätze in der Finanzierungsordnung pauschal und nicht branchen

spezifisch und nicht nach den tatsächlichen Schulstunden berechnet sind, konnten sich in der Folge einige Träger entwickeln, die so viel Geld angespart haben, dass sie nunmehr die vierjährige Wartezeit für eine neue Schule damit überbrücken. Wenn es dann noch Träger gibt, die ihr Personal schlecht bezahlen oder fast nur auf Honorarkräfte zurückgreifen, scheint es wirklich fraglich, ob die Genehmigungsvoraussetzungen überhaupt noch vorliegen.

Diese Probleme könnten wir also durch eine genaue Rechts- und Fachaufsicht sowie durch eine relativ schnelle Änderung der Zuschussverordnung nach geltendem Gesetz überwinden.

Bei dieser Gelegenheit könnten auch die Zuschüsse der allgemein bildenden Schulen unter Nutzung der vorliegenden Gutachten angepasst werden, so wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Das Problem verzerrten Wettbewerbs und des Ausstiegs aus der dualen Ausbildung lässt sich dagegen kaum über die Kürzung der Zuschüsse, sondern vielmehr über die Änderung der entsprechenden Schulordnungen erreichen. Dies wird in Angriff genommen. Wenn so Fehlentwicklungen im Bereich der beruflichen Bildung korrigiert sind, dann habe ich keinen Zweifel, dass sich der Anteil freier Schulen an der Ausbildung junger Menschen konstant oder rückläufig entwickelt und die Berufsschulzentren keine unlautere Konkurrenz haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Ich sehe derzeit keine Möglichkeit, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das dem Anspruch einer Reform genügt.“ So wird Staatsminister Flath in der Pressemitteilung seines Ministeriums vom 9. März dieses Jahres wiedergegeben. Damit ist der Referentenentwurf zu Privatschulen in Sachsen gescheitert, weil der kleine Koalitionspartner die Einsparideen nicht mittragen wollte. Auch wenn die Kürzungspläne des Kultusministeriums nun an innerem Widerstand gescheitert sind, sollte man hinsichtlich der Privatschulen aber einige grundsätzliche Überlegungen anstellen.

Die Zahl der Schüler an Schulen in freier Trägerschaft ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. In Sachsen besuchen derzeit 11 % der Schülerinnen und Schüler eine der 295 Privatschulen. Die Schülerzahlen stiegen von knapp 4 400 im Schuljahr 1992/93 auf derzeit 58 500. Mit 43 000 Jugendlichen besucht die Mehrzahl dieser Schüler eine der 183 Privatschulen im berufsbildenden Bereich, was einem Viertel aller sächsischen Schülerinnen und Schüler im berufsbildenden Bereich entspricht. In Gesamtdeutschland beträgt der Anteil von Schülern auf berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft durch

schnittlich 7 %; in Sachsen liegt der entsprechende Anteil bei nahezu 25 %.

Was bringt nun Eltern in der heutigen Zeit dazu, ihre Kinder auf eine Privatschule zu schicken? Die knappe Antwort: das oftmals miserable staatliche Schulwesen. Der bildungspolitische Kahlschlag der schwarz-roten Staatsregierung hat zu diesem beklagenswerten Zustand der öffentlichen Schulen das Seine beigetragen. Unterrichtsausfall, durch schulpolitische Zumutungen demotivierte Lehrer, überlange Schulwege und oftmals zerfledderte soziale Strukturen prägen heute das Bild der sächsischen Schullandschaft und haben bei vielen Eltern das Vertrauen in die staatlichen Schulen erschüttert. Deshalb ist es nur natürlich, dass private Schulen gerade dort aus dem Boden sprießen, wo staatliche Schulen geschlossen werden.

Privatschulen als solchen steht die NPD mit gemischten Gefühlen gegenüber. Deren zunehmende Bedeutung ist einerseits bedenklich, weil hier eine soziale Selektion droht, da sich viele Eltern eine Privatschule für ihre Kinder nicht leisten können. Hier muss nicht, aber hier kann das bildungspolitische Gerechtigkeitsideal auf der Strecke bleiben, nach dem jedem Jugendlichen unabhängig von der Einkommensstärke der Eltern bestmögliche Bildungschancen einzuräumen sind.

Andererseits können Privatschulen im Sinne von Ersatzschulen aber auch eine Bereicherung der Schullandschaft darstellen. Die NPD-Fraktion sagt deshalb ganz deutlich, dass ihr Privatschulen viel lieber sind als gar keine Schulen. Wenn sich der Staat durch Schulschließungen aus seiner Verantwortung stiehlt, dann gilt es im Interesse der Eltern und natürlich der Schülerinnen und Schüler dagegenzuhalten und Alternativkonzepte zu entwickeln. Dazu gehört in unserer Situation auch das private Schulwesen.

Die NPD-Fraktion begrüßt es deshalb, dass Kultusminister Flath, wenn auch erst auf massiven Druck hin, von seinem Referentenentwurf Abstand genommen hat. Dieser wäre unserer Auffassung nach nicht tragbar gewesen, weil er das bisherige Netz freier Schulen finanziell hätte ausbluten lassen. Die angedachten Einsparungen hätten in der Endkonsequenz zur Schließung von vielen gut besuchten freien berufsorientierten Schulen geführt.