Protokoll der Sitzung vom 16.03.2006

Meine Damen und Herren, seit gestern Abend ist uns bekannt, dass in einem Betrieb mit Nutztierbestand ein positiver Befund vorliegt, der von Riems bestätigt wurde. Fest steht, und das sage ich hier ganz deutlich, dass dies nicht das hochpathogene Virus H5N1 ist, sondern ein so genanntes niedrigpathogenes Virus. Unsere Leute sind im Moment vor Ort, um zu entscheiden, welche Maßnahmen adäquat zu veranlassen sind. Sobald wir Näheres wissen, werden wir heute im Hohen Hause dazu noch informieren.

Als weiteren Risikobereich, meine Damen und Herren, betrachten wir nach wie vor die illegale Einfuhr von Geflügelprodukten. Landesweit gibt es weiterhin verstärkte Grenzkontrollen. Mit diesen Kontrollen werden illegale Einfuhren von Geflügelfleisch und Geflügelfleischerzeugnissen aus betroffenen Ländern, wie zum Beispiel der Türkei, Rumänien, Russland, China, Thailand und weiteren, unterbunden. Bisher wurden 300 Kilogramm Fleisch und Fleischerzeugnisse sowie 300 Gramm Vogelfedern auf den Flughäfen in Sachsen und durch mobile Zolleinsatzgruppen gefunden und unschädlich gemacht. Darüber hinaus sind die Geflügelhalter verpflichtet, bei gehäuften Todesfällen oder sichtbarem Leistungsrückgang in ihren Tierbeständen besonders wachsam zu sein und der Ursache gezielt auf den Grund zu gehen. Für die Diagnostik von Geflügelpest steht die Landesuntersuchungsanstalt mit dem erforderlichen Spezialwissen und ihrer technischen Ausrüstung zur Verfügung.

Die am 17.02.2006 bundesweit eingeführte Stallpflicht wird in Sachsen strikt umgesetzt. Die 18 200 sächsischen Geflügelhalter zeigen dabei eine hohe Eigenverantwortung. Die Anträge auf Ausnahmegenehmigung sind geringer als im Vorjahr. Sie betreffen insbesondere Lauf

vögel, wie Strauße und Emus, sowie Zoovögel. Alle Geflügelhaltungen unterliegen jetzt seuchenhygienischen Schutzmaßnahmen. Die Ställe müssen regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Unbefugten ist der Zutritt verwehrt. Größere Stallanlagen dürfen nur in Schutzkleidung betreten werden. Geflügelmärkte, Ausstellungen und Ähnliches sind zunächst bis zum 30.04.2006 verboten.

Ich habe Ihnen bis hierher die Maßnahmen aufgezählt, meine Damen und Herren, mit denen die sächsischen Haus- und Nutzgeflügelbestände vor Ansteckung geschützt werden. Darüber hinaus müssen wir natürlich für den Fall des Falles gerüstet sein, wenn also die Geflügelpest bei Wild- und Haustiergeflügel in Sachsen auftreten sollte.

Ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern: Auch dann sind die zuständigen Behörden in Sachsen gut vorbereitet. Zuständig sind die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter vor Ort, die Regierungspräsidien, das Sächsische Staatsministerium für Soziales als oberste Veterinärbehörde sowie zur Mithilfe die Städte und Gemeinden.

Die materiell-technische Ausstattung vor Ort, wie zum Beispiel Desinfektionsmittel, Desinfektionsanlagen oder Absperrbänder, wurde komplettiert. Es wurden Absprachen mit Feuerwehr, Polizei und Technischem Hilfswerk getroffen. Spezielle Schutzkleidung steht allerorts bereit. Übungen wurden ebenfalls durchgeführt.

Die Gebietskörperschaften wurden und werden fachlich und informatorisch durch mein Haus unterstützt. Selbstverständlich gibt es eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit meines Hauses mit dem Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft und dem Innenministerium sowie natürlich auch mit den Landkreisen und Kreisfreien Städten.

Sollte es einen Fall von H5N1-infizierten Wildvögeln geben, wird ein Drei-Kilometer-Sperrbezirk im Radius um den Fundort sowie ein Beobachtungsgebiet mit zehn Kilometern Radius eingerichtet. Aus dem Sperrbezirk dürften dann 21 Tage lang kein Geflügel, keine Vögel, keine Eier und kein Geflügelfleisch verbracht werden. Geflügelhaltungen dürfen ausschließlich nur von Befugten betreten werden. Die gleiche Regelung gilt für Geflügel im Beobachtungsgebiet für 15 Tage.

Wegen des Nachweises des H5N1-Virus bei Katzen sind während dieser Zeiten sowohl im Sperrbezirk als auch im Beobachtungsgebiet Hunde an der Leine zu führen und Katzen im Haus zu halten.

Wird H5N1 in einem Nutzgeflügelbestand festgestellt, wird der Bestand sofort getötet und unschädlich beseitigt. Die Ställe werden gereinigt und desinfiziert. Darüber hinaus wird ermittelt, wie der Virus in den Bestand kam und ob er möglicherweise in andere Bestände verschleppt worden sein könnte.

Auch in diesem Fall werden ein Sperrbezirk und ein Beobachtungsgebiet eingerichtet, in denen ein absolutes

Verbringungsverbot für Geflügel, Vögel und deren Fleisch und Erzeugnisse für mindestens 21 Tage gilt.

Darüber hinaus wird eine weitere 15 bis 20 Kilometer reichende Pufferzone eingerichtet, in der das Verbringen von Geflügelfleisch und Eiern für 30 Tage nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist.

An den großen Zufahrtsstraßen werden Desinfektionsanlagen eingerichtet. Die Einhaltung der Verbote wird in diesen Gebieten besonders kontrolliert. Sollte also die Geflügelpest festgestellt werden, wird ohne Zeitverzug mit den entsprechenden Bekämpfungsmaßnahmen begonnen werden.

Meine Damen und Herren! Geflügelpest ist eine Tierseuche. Mir ist bekannt und auch verständlich, dass es in der Bevölkerung Ängste gibt. Wir kennen diese Ängste aus vielen Telefonaten mit besorgten Bürgerinnen und Bürgern. Ich will deshalb noch einmal meine Hinweise vom Beginn wiederholen: Die Geflügelpest stellt unverändert keine größere Gefahr für die Menschen dar. Es gibt weltweit keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass diese Tierseuche eine Grippepandemie beim Menschen auslösen könnte.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort.

(Kerstin Nicolaus, CDU: Die SPD!)

Bitte, die SPD-Fraktion. Frau Deicke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte in meinem heutigen Beitrag zur Vogelgrippe über die Gefahren sprechen, die tatsächlich oder vermeintlich von dieser Tierseuche ausgehen.

Zunächst ist klar: Deutschland ist von dieser Seuche betroffen und Sachsen wird möglicherweise davon nicht verschont bleiben. Bei der Bekämpfung der Vogelgrippe müssen wir uns wegen der Verbreitung des besonders gefährlichen H5N1-Virus über Wildvögel auf eine völlig neue Situation einstellen. Mit früheren Seuchen ist diese Art der Geflügelpest kaum zu vergleichen.

Die verendeten Wildvögel, bei denen dieser Virus nachgewiesen werden konnte, sind in unterschiedlichen, weit auseinander liegenden Teilen der Bundesrepublik gefunden worden, was die Schwierigkeiten einer Eindämmung drastisch verdeutlicht. Wir werden uns höchstwahrscheinlich auch über einen längeren Zeitraum mit dieser Seuche befassen müssen. Die Gefahr kann aber verringert werden. Das Wichtigste sind dabei risikoorientierte Vorsorgemaßnahmen, mit denen das Übergreifen der Seuche auf Nutztierbestände verhindert werden muss.

Eines muss man aber hier noch einmal ganz deutlich betonen: Die Vogelgrippe ist eine Vogelgrippe. Deshalb heißt sie auch Vogelgrippe. Sie ist also eine Tierseuche,

die wir in den Griff bekommen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Virus bei uns auf den Menschen übergreift, schätzen Fachleute dagegen als sehr gering ein.

Die Bevölkerung braucht vor allem sachliche Informationen, damit Panikmache entgegengewirkt werden kann. Jeder Bürger sollte wissen, welche gesundheitlichen Risiken bestehen und welche Vorsorgemaßnahmen er selbst treffen kann.

Beispielgebend sind die Landkreise, die bereits Vogelgrippeinformationen im Netz bereitstellen, wie zum Beispiel der Landkreis Delitzsch, aus dem ich stamme.

Auf einer solchen Informationsplattform werden neben wesentlichen allgemeinen Informationen auch wichtige Rufnummern bereitgestellt. Auch die Verbraucherzentralen spielen bei der Aufklärung der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Dort wurde dieses Thema mit dem Ziel aufgegriffen, die notwendige Sachlichkeit herzustellen, um vor Panikmache und unseriösen Geschäftemachern zu warnen, die schon jetzt die Angst der Bevölkerung ausnutzen und zum Beispiel Nothilfepakete gegen die Vogelgrippe anbieten.

Im Zusammenhang mit den aufgeregten Diskussionen über die Bevorratung mit antiviralen Medikamenten wie zum Beispiel Tamiflu muss man feststellen: Hier sind Hysterie und populistische Forderungen fehl am Platze. Die Weitergabe des H5N1-Virus von Mensch zu Mensch ist derzeit kein Thema. Die Diskussion darüber muss jedoch Anlass sein, über die Bekämpfung von Pandemien insgesamt ernsthafter als bisher nachzudenken. Denn auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Pandemieplanungen bereits seit 1992.

Sehr geehrte Damen und Herren! Einen Plan in der Schublade zu haben ist aber nur die halbe Miete. Auch das Handeln der Länder untereinander muss gut abgestimmt sein. Fakt ist auf jeden Fall, dass sich kleinstaatliches Denken nicht zur Seuchenbekämpfung eignet, weil es sich bei der Vogelgrippe nicht um ein regional begrenztes, sondern um ein über Staatsgrenzen hinweg auftretendes globales Problem handelt.

In diesem Zusammenhang muss noch ein Wort zur Föderalismusreform gesagt werden. Auf Landesebene sehen wir uns mit dem Reformvorschlag vor etliche schwierige Fragen gestellt. So kann zum Beispiel nicht abgeschätzt werden, wie sich künftig das Auseinandertriften von Lebensmittel- und Futtermittelrecht sowie von Tierseuchen- und Chemikalienrecht in einem solchen Fall auswirken wird.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse bezüglich der Vogelgrippe kann einem vor unklaren Rechtsfragen in diesem Bereich angst und bange werden. Dazu werden in Zukunft noch erhebliche Diskussionen zu führen sein.

Meine Schlussfolgerung aus all dem: Behalten wir einen kühlen Kopf! Vermeiden wir jede Panikmache und informieren die Bürgerinnen und Bürger sachlich. Der Freistaat ist auf den Ernstfall gut vorbereitet.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kerstin Nicolaus, CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung, mit der ich an einen gestrigen Beitrag anknüpfen muss.

Ich denke, wir sollten uns überlegen, ob es künftig in diesem Hause üblich wird, dass die Staatsregierung in Aktuellen Debatten zuerst das Wort ergreift. Ich denke, es ist zu überlegen, ob dies so sein sollte. Ansonsten war ich bisher der Annahme, dass Regierungserklärungen vorher angekündigt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Zum Thema selbst: Die Vogelgrippe hat inzwischen Deutschland erreicht. Noch vor Monaten hätte man sich dies kaum vorstellen können. In Antworten, die ich auf Kleine Anfragen erhielt, bestätigte mir die Staatsregierung, dass die Gefahr, dass diese Tierseuche nach Deutschland bzw. nach Sachsen eingeschleppt werden könnte, relativ gering sei.

Ich sage ausdrücklich – darin schließe ich mich der Frau Staatsministerin an –: Wir haben alles zu diskutieren, was die Gefahren abwendet. Das heißt in keinem Falle, dass wir uns bestimmter Panikmache anschließen. Das weisen wir, sollte es unterstellt werden, weit von uns. Aber man könnte so sagen: Wir dürfen die Gefahren, die bestehen, weder unter- noch überschätzen. Deswegen, meine ich, muss man die Frage beantworten oder zumindest stellen: Sind wir ausreichend auf den Ernstfall eingestellt? Auch hierzu möchte ich ausdrücklich Fragen stellen, um zum weiteren Überlegen anzuregen.

Erstens. Ich bitte die Staatsregierung zu überprüfen, ob sie Tamiflu nicht rascher beschaffen kann, damit wir auf die inzwischen angesagten 20 % kommen und dies nicht erst 2007 erreicht ist. Denn wenn wir – Frau Deicke hatte es erwähnt – solche Dinge über dubiose Anbieter auf dem Markt erhalten, muss es auch möglich sein, dass die staatlichen Behörden rascher mit der Beschaffung vorankommen.

Zweitens. Ich denke, wir sollten die Frage stellen: Sind wir, was den Katastrophenschutz betrifft, ausreichend aufgestellt? Es kommt äußerst selten vor, dass ich die Bemerkung eines CSU-Abgeordneten und Ministers zu überlegen gebe. Aber wenn Bundesminister Seehofer die Frage stellt, ob der Bund in dieser Angelegenheit nicht mehr Kompetenzen haben müsste, dann sollten wir dies zumindest überlegen. Frau Deicke hat völlig Recht: Diese Geflügelpest macht nicht an Ländergrenzen halt, und wir dürfen uns hier nicht in Kleinstaatereistreit begeben.

Drittens. Wir müssen die Frage stellen: Können wir uns gegenwärtig eine Umstrukturierung und gegebenenfalls

Personalabbau in der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen leisten? – Das können Sie. Ich bezweifle es ernsthaft; denn wir haben keinerlei personelle Reserven, wenn es wirklich ernst werden sollte. Es geht nicht um die Verwaltung. Sie wissen genau, dass beispielsweise eine Zentralisierung im Gange ist, die ich prinzipiell ablehne und die zu Neustrukturierungen führt, die sich erst einarbeiten müssen und die die Probleme eher verschärfen.

Viertens. Ich denke, wir können die Dinge nicht allein auf die Kommunen abwälzen. Sie haben immer wieder in der Beantwortung von Anfragen deutlich gemacht, dass die kommunalen Lebensmittel- und Veterinärämter gegenwärtig nicht ausreichend personell besetzt sind. Hier erwarte ich, dass es zu einer Novellierung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst kommt, in der die jetzigen Empfehlungen gesetzlich festgeschrieben sind. Das bedeutet, dass wir dann entsprechend unmittelbar in die Verantwortung genommen werden müssen.

Fünftens. Ich bitte darum, dass die Staatsregierung prüfen möge, ob über das, was im Internet steht, vielleicht auch – bei den vielen Broschüren, die herausgebracht werden – eine Aufklärungsbroschüre veröffentlicht wird, in der den Menschen an die Hand gegeben wird, wie sie sich in dieser komplizierten Situation zu verhalten haben.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Paul, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, dass im Mittelpunkt der Problematik die Vorbereitung auf den Ernstfall stehen sollte, das heißt die rechtzeitige Eruierung dessen, was notwendig ist, sollte es zu einer so genannten Pandemiesituation kommen, oder auch Maßnahmen, die helfen können, ein derartiges Szenario zu verhindern.