Die Gesetzesflut, meine Damen und Herren, bürdet sowohl der Wirtschaft als auch den Kommunen immense Lasten auf. Sie werden sich noch wundern! Das westdeutsche Wirtschaftswunder wäre unter solchen Bedingungen niemals möglich gewesen. Wenn man an die Debatten hier im Hause erinnert zum Thema Ladenöffnungszeiten, Sonntagsöffnungszeiten – auch hier war eine Blockade im Hause festzustellen. Der Hamburger Senat ging dabei mutig voran. Er stellte Überlegungen an, Immobilienmaklern, Buchmachern, Gärtnereien, Videotheken und vielen anderen die Sonntagsarbeit auch ohne Sondergenehmi
gung zu gestatten. Auch Call-Center sollen an Sonn- und Feiertagen arbeiten dürfen, um die Verlagerung in andere Länder zu verhindern.
Doch seien Sie unbesorgt, liebe Freunde der Sonntagsruhe: Selbst mit einer Öffnungsklausel, die einer größeren Anzahl von Unternehmen die Sonntagsarbeit gestattet, wird der Sonntag nicht zum sächsischen Wochentag. Aber diese Öffnungsklausel schafft Voraussetzungen, um Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Wem kann schließlich daran gelegen sein, dass die Sonntagsruhe von immer mehr Arbeitslosen genossen wird, sehr geehrte Damen und Herren?
(Beifall bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das haben wir vor zehn Jahren schon gehabt!)
Das sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, zur Kenntnis nehmen. In seinem Buch „Go, Deutschland, go“ beschreibt Martin Gillo, wie man erfolgreich Wirtschaftspolitik macht. Ich empfehle es Ihnen allen als Lektüre, und damit es schneller Eingang in das Regierungshandeln finden kann, möchte ich es Ihnen, Herr Jurk, gern schenken.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Es ist ja auch nichts wert, ich habe es gelesen!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An der Tür einer Gaststätte hoch in den Südtiroler Bergen steht zu lesen: „Essen Sie bei mir, sonst verhungern wir beide!“ – Die Logik dieser Einladung hat mich derart beeindruckt, dass ich prompt eingekehrt bin.
Ihr Debattenthema „Schwindende Wirtschaftsdynamik in Sachsen als Gefahr für den Arbeitsmarkt“ ist weder originell noch professionell.
Es ist schlicht kontraproduktiv und damit im Grunde verzichtbar. Herr Zastrow, Sie hätten heute die einmalige Chance gehabt, Ihren flotten Sprüchen auch einmal flotte Taten folgen zu lassen.
Mit dem Verzicht auf die Debatte hätten Sie einen Beitrag zur Verkürzung der Plenarsitzung geleistet – übrigens Ihren ersten.
Wir brauchen keine Debatten, welche die Menschen im Lande verunsichern. Wir brauchen Debatten, die Mut machen.
Unsere Aufgabe ist mitzuhelfen, die Stärken zu stärken. Eine Stärke der Sachsen war, ist und bleibt ihre Industrie. Diese ist – gegen den allgemeinen Trend – auch im letzten Jahr stabil gewachsen. Daran ändert auch Ihr tendenziös zusammengeschusterter Zahlensalat, Herr Morlok, überhaupt nichts, –
und das trotz der Probleme des bekannten Autobauers in Wolfsburg, trotz der unfairen Praktiken von Intel auf dem Chipmarkt, trotz der hohen Energie- und Stahlpreise, trotz der zunehmenden Konkurrenz aus dem Osten, trotz des Skalennachteils unserer noch jungen Firmen, trotz Basel II und trotz der starren Arbeitsmarktregeln in Deutschland.
Wenn Sie diesen erfreulichen Befund mit den nach wie vor vorhandenen Problemen am Bau und im Handel zu einem diffusen Bedrohungsszenario zusammenrühren, dann ist dies zumindest nicht sachgerecht, wenn nicht sogar unredlich.
Die Lebens- und Standortqualität eines Bundeslandes ergibt sich aus dessen Fähigkeit, Finanzströme auf sich zu ziehen. Bisher haben wir in hohem Maße vom Finanzzustrom öffentlicher Mittel aus nationalen und europäischen Quellen profitiert.
Ein Höhepunkt war die nationale Solidarität bei der Beseitigung der Hochwasserschäden. Dieser Zustrom ist bereits geringer geworden, und er wird weiter abnehmen. Die so unweigerlich drohende Lücke kann nur durch höhere Zuflüsse geschlossen werden, die die sächsische Wirtschaft mit der sächsischen Industrie – mit dem verarbeitenden Gewerbe an der Spitze – generieren muss. Nur die Industrie mit ihrem überregionalen und internationalen Geschäft ist in der Lage, Gewinne zu erwirtschaften, die den Sachsen auch in Zukunft ein auskömmliches Einkommen ermöglichen und den hiesigen Unternehmen die Investitionskraft erhalten werden. Nur wenn die Industrie wächst, liebe Kollegen von der FDP, werden Bauleistungen stärker nachgefragt und die Sachsen werden mehr konsumieren können.
Genau dort müssen wir unsere politischen Akzente setzen. Die Wirtschaftspolitiker der CDU-Fraktion waren vorige Woche in Brüssel, um für eine stärkere Fokussierung der EU-Fördermittel auf einzelbetriebliche Wachstums- und Innovationshilfen zu werben. Wir wollen, dass Sachsen auch in der nächsten Förderperiode vorn bleibt, zumindest unter den neuen Bundesländern. Dazu brauchen wir die nötige Flexibilität beim Einsatz der europäischen Fonds.
Wir können uns in dieser Frage nicht an Sachsen-Anhalt oder an Mecklenburg-Vorpommern orientieren, die EUFördermittel für Programme ausgeben, wie etwa: „Fit für die Rente!“ Wer sich an den Falschen orientiert, wird mittelfristig den Kontakt zur Spitze verlieren.
Diese Erkenntnis sollte inzwischen auch bei der sächsischen FDP angekommen sein. Vom Schwinden der sächsischen Wirtschaftsdynamik zu palavern ist weder sachgerecht noch hilfreich. Im Übrigen ist es auch die schlechteste Standortwerbung für Sachsen, die ich mir nur vorstellen kann. In Anlehnung an den Spruch in Südtirol sollte auch unter den härteren Bedingungen des globalen Wettbewerbs unsere Botschaft bleiben: „Investieren und wachsen Sie hier in Sachsen, dann gewinnen wir alle!“
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, Herr Morlok, Sie haben mit Ihrem Thema ein Scheinproblem auf die Tagesordnung gesetzt, und ich werde Ihnen sagen, warum es ein Scheinproblem ist:
Sie sitzen dieser von Medien produzierten Scheinwelt auf. Daran kräftig mitgerührt haben natürlich die „Wirtschaftswoche“, aber auch ein gewisses Institut für neue soziale Marktwirtschaft, das nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 gegründet worden ist und vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall sowie von Hans-Olaf Henkel und Hans Tietmeyer finanziert wird. Die besten Redner dieses Institutes werden als Emissäre in die Welt hinausgeschickt – der Grüne Oswald Metzger und der CDUBundestagsabgeordnete Friedrich Merz –, um sozusagen neoliberale Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie die damit zusammenhängenden Reformvorstellungen für die sozialen Sicherungssysteme zu verbreiten und die Bevölkerung in Deutschland endlich in ihrem Sinne reformfähig zu machen.
Was hat dieses Institut getan? Rechtzeitig zur Landtagswahl 2004 wurde eine Studie in Köln in Auftrag gegeben, die in einem Länderranking nachweisen soll, wie Sachsens Wirtschaft zu bewerten ist. Was stellt nun diese vorgeblich wissenschaftliche Studie fest? Sie stellte fest, dass Sachsen zwischen 2002 und 2004 die höchste Wachstumsrate hatte – ohne natürlich hinzuzufügen, dass 4,3 Milliarden Euro Flutgelder die hohe Investitionsquote bewirkt und damit das Wachstum angetrieben haben.
Nun ist völlig klar: Dieses Institut hat Herrn Milbradt eine Woche vor der Landtagswahl zum „Ministerpräsidenten des Jahres“ gekürt, um sozusagen eine kleine Wahlkampfhilfe und -unterstützung zu geben, damit die CDU in Sachsen wiedergewählt wird.