Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

Die Staatsregierung begrüßt den Antrag der Koalitionsfraktionen. Inhaltlich ist die Staatsregierung bereits tätig geworden. In Ziffer 1 des Antrages sprechen Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. Juli 2004 an. Insoweit hat Sachsen auf Bundesebene die Initiative ergriffen. Das Kabinett hat in seiner Sitzung am 21. März 2006 eine Bundesratsinitiative des Freistaates zur Überarbeitung der §§ 113 und 113a der Bundesnotarordnung beschlossen. Die Paragrafen betreffen die Organisation und die Aufgaben der Notarkasse München und der Ländernotarkasse Leipzig. Dabei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Anstalten, die mit der Versorgung der Notare und weiteren Aufgaben auf dem Gebiet des Notarwesens betraut sind.

Die Ländernotarkasse Leipzig ist dabei für die Notare in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Sachsen und Thüringen zuständig.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juli 2004 die bestehenden Regelungen in der Bundesnotarordnung aufgrund einer unangemessenen Beteiligung der Notare bei der Organisation der Kassen für teilweise verfassungswidrig erklärt und dem Bundesgesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2006 eine Neuregelung zu treffen. Sachsen hat sich daraufhin mit den anderen neuen Bundesländern abgestimmt und Anfang 2005 einen eigenen Gesetzentwurf für eine Neuregelung vorgelegt.

Die Föderalismuskommission will nunmehr allerdings das Recht des Notariats künftig in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen lassen. Die Bundesregierung, die bereits einen Gesetzentwurf erarbeitet hatte, will im Hinblick auf die Föderalismusreform das Vorhaben nicht

weiter betreiben. Eine bundesgesetzliche Regelung ist aber unbedingt wünschenswert. Ohne sie wäre nach InKraft-Treten der Föderalismusreform die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nur noch auf kompliziertem Wege möglich. So müssten allein für den Sachsen betreffenden Bereich der Ländernotarkasse Leipzig sämtliche beteiligten neuen Bundesländer bis zum 31.12.2006 eigene, inhaltlich übereinstimmende landesgesetzliche Normen schaffen und einen Staatsvertrag über die Ländernotarkasse schließen, da diese länderübergreifend arbeitet. Ein solcher Prozess könnte kaum rechtzeitig bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden.

Mit der Bundesratsinitiative sollen diese Probleme vermieden und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts rechtzeitig umgesetzt werden. Der sächsische Gesetzentwurf wird in der Sitzung des Bundesrates am 7. April 2006 eingebracht werden. Die Vorlage ist besonders eilbedürftig und es ist geplant, einen sofortigen Sachentscheid darüber herbeizuführen. Wenn der Gesetzentwurf durch Bundestag und Bundesrat zeitnah beschlossen wird, kann die geplante Neuregelung noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Die Staatsregierung will damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes rechtzeitig umsetzen und so den Bestand der Ländernotarkasse langfristig sichern.

Auch das in Ziffer 2 des Antrages enthaltene Anliegen findet bereits seit Längerem die Aufmerksamkeit der Staatsregierung. Die demografische Entwicklung im Freistaat Sachsen wird angesichts des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs mittel- und langfristig zu einem Sinken des Bedarfs an notariellen Dienstleistungen führen. Bereits derzeit sind bei uns mehr Notare bestellt, als dies zur Deckung des Bedarfs erforderlich wäre. Zuständig für die Einziehung und Neubesetzung von Notarstellen ist das Sächsische Staatsministerium der Justiz. Es entscheidet nach Beteiligung der Notarkammer Sachsen und der Ländernotarkasse Leipzig. Das Staatsministerium der Justiz verfolgt im Einvernehmen mit der Ländernotarkasse und der Notarkammer perspektivisch das Ziel einer Reduzierung der Notarstellen im Freistaat Sachsen, das durch Altersabgänge und Einziehung frei werdender Stellen erreicht werden soll. Dabei muss einerseits weiterhin eine angemessene, insbesondere ortsnahe Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen, andererseits auch die Einträglichkeit der verbleibenden Notariate sichergestellt werden. Damit einhergehen soll die Übertragung zusätzlicher Aufgaben auf die Notare, um deren Auslastung und die Wirtschaftlichkeit kleinerer Notariate zu erhöhen. Zu dem Projekt der Aufgabenübertragung auf Notare haben unter maßgeblicher Beteiligung Sachsens auf Bundesebene bereits Abstimmungen stattgefunden, die jedoch noch nicht abgeschlossen sind.

Unabhängig davon ist allerdings durch die vom Staatsministerium der Justiz verfolgte Stellenpolitik der Bestand eines gesunden Notarstandes und damit auch eine entsprechende Versorgungssicherheit der Bevölkerung vor Ort für die Zukunft gegeben.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Uwe Leichsenring, NPD, meldet sich zu Wort.)

Sekunde noch, wir machen erst einmal die Abstimmung, Herr Leichsenring.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Herr Schiemann, möchten Sie für die Koalition noch ein Schlusswort halten?

(Marko Schiemann, CDU: Ich verzichte!)

Sie verzichten. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle die Drucksache 4/4770 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wir machen die Gegenprobe. – Wer enthält sich der Stimme? –

(Marko Schiemann, CDU: Einstimmig!)

Ja, einstimmige Annahme. Das war nach der Debatte nicht ganz zu erwarten. Ich bedanke mich.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Meine Damen und Herren! Es gibt einen Antrag der NPDFraktion zum Ablauf des heutigen Tages. Das ist nach Geschäftsordnung möglich. Ich erteile Herrn Leichsenring das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kam gerade die Internetmeldung, dass das erste Mal in Deutschland der H5N1Virus in einem Nutztierbestand aufgetreten ist, und das in Sachsen. Diese Meldung ist von Frau Orosz bestätigt worden.

Wir stellen den Antrag, Frau Orosz herbeizurufen, damit der Landtag nicht erst morgen oder übermorgen aus der Presse den genauen Sachstand erfährt, sondern dass wir heute berichtet bekommen.

Danke schön. – Zu diesem Antrag kann Stellung genommen werden. Herr Staatsminister Winkler hat gebeten, das Wort zu bekommen. Ich erteile es ihm hiermit.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte sagen, dass der Antrag hinfällig ist, weil es richtig ist, dass das erste Mal in einem Nutztierbestand der Virus H5N1 in Wermsdorf im Freistaat Sachsen aufgetreten ist. Kollegin Orosz ist 14 Uhr zu einer Pressekonferenz vor Ort gewesen. Sie ist direkt auf dem Weg hierher und wird in wenigen Minuten eintreffen. Ich habe eben mit ihr telefoniert. Deshalb ist dieser Antrag nicht notwendig. – Danke.

Dann frage ich noch den Vertreter der NPD-Fraktion, ob sein Antrag unter diesen Bedingungen aufrechterhalten wird.

Herr Präsident, der Antrag ist gestellt. Wir werden abwarten, bis sie hier ist und dazu spricht. Wenn sie es nicht tut, werden wir den Antrag neu stellen.

Wenn sie da ist, ist sie da.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Sie hat als Ministerin wie jeder Vertreter der Staatsregierung das Recht, jederzeit das Wort zu bekommen. Ich gehe davon aus, dass sie das möchte. Also verschieben wir dies und fahren in der Tagesordnung fort.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 6

Anhebung des Regelsatzes und weiterer Leistungen der Sozialhilfe nach SGB XII

Drucksache 4/4755, Antrag der Linksfraktion.PDS

Herr Dr. Pellmann erhält für den Antragsteller als Erster das Wort, danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Baier als Fraktionsloser spricht am Ende.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ab 1. Juli dieses Jahres wird nun endlich die Angleichung des Regelsatzes in Ost und West nach Sozialgesetzbuch II oder – mit anderen Worten – derer, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, erfolgen. Wir haben sehr lange mit dafür gekämpft, dass es wenigstens zu diesem kleinen Schritt kommt. Zugleich, meine sehr verehrten Damen und Herren, halten wir diesen Regelsatz – und wir haben das hier häufig dargestellt – nicht für ausreichend. Wir meinen, es müsste, um zumindest einigermaßen eine Bedarfsdeckung zu erreichen, einen Regelsatz von 420 Euro geben. Wir bleiben bei unserer diesbezüglichen Forderung.

Es kommt hinzu, dass diese kleine Angleichung um 14 Euro nun auch für die Betroffenen in Ostdeutschland teuer erkauft worden ist. Das wurde und wird leider auch in den Medien viel zu wenig betont und dargestellt, denn im Endeffekt spart der Staat weit mehr als zwei Milliarden Euro im Jahr ein. Ich sage Ihnen warum: Er spart etwa 600 Millionen Euro ein, indem er – das hat heute Vormittag schon eine Rolle gespielt – eine härtere Gangart gegenüber den unter 25-Jährigen anschlägt. Und – auch das hat nicht wenig mit der familienpolitischen Debatte von heute Vormittag zu tun – er verschärft die Vorprogrammierung von Altersarmut, indem für die betroffenen Empfänger von Arbeitslosengeld II nicht mehr wie bisher 78 Euro ab 01.01. nächsten Jahres, sondern nur noch 40 Euro eingezahlt werden. Das führt, wenn pro Monat ein Jahr lang eingezahlt wird, zu einer Rentensteigerung von 2,18 Euro, bringt aber gegenwärtig der Bundesrepublik eine prognostizierte Einsparung von zwei bis drei Milliarden Euro.

Das wollte und musste ich voranstellen, um deutlich zu machen, dass wir mit dem, was jetzt bereits erreicht ist, keineswegs zufrieden sein können und dass es im Ringen darum weitergehen muss – Hartz IV ist sowieso gescheitert –, dass das Scheitern von Hartz IV zur Kenntnis genommen wird.

Zu unserem Antrag speziell: Es ist in der Tat eine Landesangelegenheit nach SGB XII. Über die Regelsatzhöhe der dort Anspruchsberechtigten entscheidet das Land. Insofern beantragen wir, dass dies zum 1. Juli auch erfolgen möge. Wir meinen zugleich, dass dies ein erster Schritt ist.

Im zweiten Punkt unseres Antrages gehen wir über diese erste Forderung hinaus und meinen, dass es schrittweise – möglichst schnell, aber wir haben es bewusst nicht terminiert – möglich sein muss, einen Regelsatz und Eigenleistungen auch im Land zu beschließen, die ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen. Das ist gegenwärtig nicht gegeben.

Ich füge allerdings hinzu, es wird möglicherweise heute den Einwand geben, der Freistaat kann ja den Regelsatz jetzt für SGB-XII-Betroffene gar nicht erhöhen, weil dies doch nach bisherigem Sozialhilferecht an eine Rentensteigerung gebunden ist und diese Rentensteigerung zum wiederholten Male nicht stattfinden wird, wie wir wissen und was wir kritisieren.

Dennoch sage ich, es ist der politische Wille möglich. Es ist auch gesetzlich möglich, denn wir haben es mit einem Ausnahmetatbestand zu tun, der nicht in die normale Situation des Gesetzes hineinpasst. Ansonsten hätte es ja auch vom Gesetzgeber her nicht zur Angleichung des Regelsatzes nach SGB II kommen dürfen. Das ist erfolgt. Wir begehren nicht mehr und nicht weniger als eine Gleichbehandlung der Betroffenen nach SGB XII mit denen, bei denen es jetzt erfolgt ist und nach SGB II in Kraft treten wird. Wenn wir das nicht tun, laufen uns die Fristen bis zum 1. Juli davon. Dann werden wir künftig auch in Sachsen eine Zweiklassengesellschaft bei Sozialhilfeempfängern haben. Das kann hier im Hause niemand wollen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dass es sich dabei – damit wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Vorstellung haben –, um eine relativ überschaubare Gruppe von Betroffenen handelt, ist offensichtlich. Es geht um jene, die deshalb nicht unter das SGB II fallen, weil sie nicht arbeitsfähig sind oder auch nicht als Minderjährige einer Bedarfsgemeinschaft

nach SGB II angehören. Es geht vor allem – das ist eine größere Gruppe, die in Zukunft erheblich wachsen wird – um jene, die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung erhalten. Also, ich kann nur an Sie appellieren: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

Bevor ich es im Schlusswort vergesse: Wir plädieren selbstverständlich für eine punktweise Abstimmung.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Krauß, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es scheint wieder das alte Spiel auf uns zuzukommen. Die PDS stellt eine Forderung, die mehr Geld verlangt. Die Politiker, die in der Verantwortung stehen, können nur sagen: Das können wir nicht machen, weil wir nicht der Weihnachtsmann sind, der ständig nur Geld verteilt, sondern wir können nur das Geld ausgeben, das da ist. Die PDS inszeniert sich dann wieder als das soziale Gewissen und weint große Krokodilstränen.

Aber einmal zum Verfahren: Ich glaube, man sollte klarstellen, weil das bei Herrn Dr. Pellmann nicht ganz so rübergekommen ist: Die Höhe der Sozialhilfe wird anhand der Einkommens- und Verbraucherstichprobe des Statistischen Bundesamtes bemessen. Das ist eine sehr große Untersuchung, bei der 60 000 Haushalte in ganz Deutschland nach ganz verschiedenen Faktoren befragt werden, wo genau hingeschaut wird: Wie viel gibt jeder Haushalt für Nahrungsmittel, für Getränke, für Zigaretten, für Kleidung, für Schuhe aus, wie viel kostet der Strom, wie viel wird für Möbel ausgegeben, was kostet ein Radio oder ein Fernseher, was gibt man für Straßenbahn, für Telefon, für Gaststättenbesuche und Zeitungen aus? Dann schaut man sich das untere Fünftel an: Wie viel geben diese aus? Man zieht die Sozialhilfeempfänger ab und hat eine Stichprobe, aus der man den Satz der Sozialhilfe berechnet. Ich halte dieses Verfahren für durchdacht und sinnvoll. Und dieses Verfahren wird sich auch nicht regionalisieren lassen. Der Freistaat Sachsen hat nicht einen so großen Anteil an dieser Stichprobe, als dass man damit ein repräsentatives Ergebnis erzielen könnte.

Was macht die PDS nun? Sie verlangt eine Erhöhung. Das ist klar. Herr Pellmann, es hat mich ein bisschen gewundert, weil Sie von 420 Euro gesprochen haben. Im Antrag stehen noch 345 Euro. Das ist eigentlich sowieso egal. Es soll mehr sein. Mit dem Realismus nehmen Sie es ja sowieso nicht so genau.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Wir sind wirklich flexibel!)

Ich sage klar: Würde der Antrag beschlossen werden – wir werden ihn nicht unterstützen –, verstößt das gegen § 28 SGB XII. Man kann nicht willkürlich erhöhen, denn im § 28 – Sie haben nur einen Teil vorgetragen – steht: Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbraucherstichprobe.