Ich sage klar: Würde der Antrag beschlossen werden – wir werden ihn nicht unterstützen –, verstößt das gegen § 28 SGB XII. Man kann nicht willkürlich erhöhen, denn im § 28 – Sie haben nur einen Teil vorgetragen – steht: Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbraucherstichprobe.
Es gibt seit der ersten Berechnung, die vorlag und die als Grundlage derzeit besteht, seit 1998 keine neue Stichprobe.
Es gibt eine von 2003. Sie wird aller fünf Jahre erstellt. Aber sie ist nicht veröffentlicht, Herr Dr. Pellmann. Das ist der große Unterschied. Wir haben als Landtag, wie Sie wissen, nicht das Recht, dem Statistischen Bundesamt Anweisungen zu geben.
Wie gesagt, solange die Ergebnisse nicht vorliegen, erübrigt sich Ihr Antrag. Er hat keinen Sinn. Das Gleiche gilt für den NPD-Änderungsantrag. Es braucht keinen Antrag, denn die Anpassung erfolgt nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Das steht bereits im SGB XII.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es denn der PDS eigentlich? Es gibt ja verschiedene Forderungen und Sie haben uns das heute wieder sehr schön dargelegt. Im Antrag stehen 345 Euro. Und dann haben Sie darauf verwiesen, was die Bundestagsfraktion Ihrer Partei fordert, nämlich 420 Euro. Dann sagt die sozialpolitische Sprecherin im Bundestag, Frau Kipping, die auch einmal bei uns zu Gast war, sie möchte einen Grundbetrag von 750 Euro ohne Bedarfsprüfung, ohne dass man arbeiten muss. In dem Zusammenhang wird von den Befürwortern dieses Grundeinkommens auch sehr gern der Begriff des Rechts auf Faulheit gebraucht im positiven Sinn. – Für uns gibt es natürlich kein Recht auf Faulheit.
Andere Vorschläge in der PDS gehen bis zu 1 000 Euro, manche sogar bis 1 500 Euro. Da frage ich mich, wenn jemand 1 500 Euro erhält, ohne dafür zu arbeiten, ob das noch etwas mit dem Realitätssinn in unserer Gesellschaft zu tun hat. Ich frage mich, ob irgendjemand einmal auf die Idee kommt, durchzurechnen, ob das überhaupt zu bezahlen ist. Und diese Forderungen sind einfach unbezahlbar, die mit diesem Grundeinkommen aufgemacht werden.
Nun glaube ich nicht und gar nicht bei Herrn Dr. Pellmann, dass Sie so dumm sind und das nicht durchgerechnet haben oder sich nicht denken können, dass diese Forderungen irgendwann unbezahlbar sind. Ich glaube schon, dass es diesen Realitätssinn gibt. Man kann das auf dem Papier feststellen.
Die wahren Motive hat zum Beispiel Frau Kipping in „Jungle World“ sehr klargemacht, einer Zeitung aus dem linksextremen Spektrum; dort spricht man ja ein bisschen mehr Klartext als in anderen Medien. Frau Kipping schreibt dort: „Das Grundeinkommen greift ganz real eine entscheidende Voraussetzung der kapitalistischen Ausbeutungs- und Herrschaftsmechanismen an.“ Weiter schreibt sie: „Das Grundeinkommen hat das Zeug dazu, den Kapitalismus von innen zu zerstören.“
In einem anderen Beitrag gebraucht sie das Bild eines trojanischen Pferdes, das dazu da ist, die derzeitige Gesellschaftsordnung von innen heraus zu sprengen.
Kurzum, es geht, wenn Sie solche unrealistischen Forderungen stellen, darum, die Gesellschaftsordnung aufzulösen und zu zerstören. Mit Ihrem Antrag wollen Sie auch in diese Richtung gehen. Sie wollen, dass das Gemeinwesen bankrott geht.
Ich bedanke mich, Herr Krauß. – Können Sie mir bitte erklären, weshalb Sie in völliger Abweichung vom Ursprungsantrag hier eine Debatte, die es ohne Zweifel in meiner Partei gibt, reflektieren, die aber sehr wenig zum Sinngehalt der Abstimmung heute beitragen würde?
Ich habe ganz deutlich darauf hingewiesen, Herr Pellmann, dass Sie sich eigentlich auch nicht so ganz sicher sind, was Sie denn genau wollen.
Sie haben jetzt nicht von Ihrer 345-Euro-Geschichte gesprochen, sondern Sie haben dann kräftig von 420 Euro geredet. Deshalb schien es mir notwendig zu sein, darauf hinzuweisen, in welche Richtung Sie eigentlich wollen. Deswegen bin ich dezidiert darauf eingegangen.
Klar ist, Sie wollen den Staat mit unbezahlbaren Forderungen gegen die Wand fahren. Da können Sie mit unserer Unterstützung nicht rechnen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag auch ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn der Diskussion über die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld hat sich die sächsische SPD für eine Angleichung zwischen Ost und West auch auf diesem Gebiet eingesetzt.
Deshalb haben wir auch vor der Wahl zu diesem Landtag unsere Forderung auf einen einheitlichen Satz beim Arbeitslosengeld II erhoben, die nun nach einigen parlamentarischen Umwegen umgesetzt wurde. Dabei war uns immer klar, dass diese Angleichung – und das ist wichtig, Herr Dr. Pellmann – kein Armutsbekämpfungsprogramm im Sinne des europäischen Armutsbegriffes sein wird und sein kann. Es handelt sich um eine Grundsicherung.
Hier beginnt die Problematik: Was ist Grundsicherung? Was ist Bedarfssicherung? Sie schreiben in Ihrer Begründung auch von Bedarfsdeckung. Ist es das, was meine
Eltern darunter verstehen, die mit solchen Beträgen leben können? Oder wird sehr viel mehr darunter verstanden? Gehört ein Betrag X für Benzin, für Telefon, für Kabelanschluss für TV und Internet, einen oder mehrere Theaterbesuche usw. usf. dazu? Ja oder nein?
Es gibt dazu keine Übereinkunft der Betroffenen und der politisch Entscheidenden. Es gibt auch zwischen den Betroffenen sehr unterschiedliche Ansichten.
Die Linksfraktion.PDS hat sich mit ihrem Grundeinkommen festgelegt. Mein Kollege Krauß hat das alles schon vorweggenommen, das kann ich jetzt sein lassen. Ich habe mich hier argumentativ sehr oft mit Frau Kipping zu dieser Problematik unterhalten oder auseinander gesetzt.
Das bundesdeutsche System der sozialen Sicherung hat sich über Jahrzehnte zu einem System der Alimentierung entwickelt. Das Fordern, das Stimulieren, das Wecken von Potenzen, die in jedem stecken, spielte vor den HartzReformen kaum eine Rolle. Aber bei allem Fordern, bei allem Stimulieren usw. gibt es Menschen, die auch das nicht oder nicht mehr können. Für diese Menschen sieht unsere Gesellschaft ein Existenzminimum vor, mit dem es allen ermöglicht wird, in einer Wohnung und mit ausreichender Nahrung zu existieren. Ich habe bewusst dieses Wort gewählt, weil das Leben mit dem Existenzminimum für viele kein erfülltes Leben ist. Bei nicht wenigen auch deshalb, weil man das Leben nur als eine Anhäufung von materiellen Dingen sieht, das durch gelegentliche Abwechslung – wir sprechen heute von Events – etwas aufgelockert wird. Damit haben wir die Armut, wie wir sie in Europa definieren, nicht beseitigt und werden das auch nicht mit diesem Instrument leisten können.
Was nun die Anhebung der Regelsätze durch den Freistaat betrifft, so wäre der eindeutig bessere Weg der gewesen, doch erst einmal über eine Datenabfrage festzustellen, wie viele Betroffene wir denn nach der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II wirklich in Sachsen haben. Das Statistische Landesamt wird demnächst die offiziellen Daten für 2005 veröffentlichen. Wir wissen, dass es große Verschiebungen nach der Einführung des Arbeitslosengeldes II gab. Man spricht davon, dass zirka 90 % der Sozialhilfeempfänger des Jahres 2004 nun Arbeitslosengeld II erhalten. Erst mit den genauen Daten wissen wir, welche Leistungen wir von den Kommunen abfordern. Denn diese müssen die von Ihnen geforderten höheren Leistungen bezahlen.
Die gewünschte Entlastung der Kommunen ist zumindest flächendeckend im Osten durch die hohe Anzahl der ehemaligen Sozialhilfeempfänger nicht eingetreten. Jetzt sollen die Kommunen noch einmal drauflegen? Dann werden Sie sagen: Nun muss eben das Land mehr Geld bei den Umlagen bereitstellen. Das kann man ja machen. Aber bevor wir das wirklich ernsthaft mit allen seinen finanziellen Belastungen diskutieren können, brauchen wir belastbare Daten. Wir haben als Landtag die Verantwortung dafür, Folgen für alle – und das ist wichtig –
Beteiligten abzuschätzen, nicht nur für die Kommunen, sondern auch für die Steuerzahler, die das am Ende bezahlen.
Eine belastbare Schätzung der Kosten, die auf die kommunalen Haushalte und/oder den Landeshaushalt zukommen, ist das Mindeste, was wir vor einer solchen Entscheidung brauchen. Die haben wir nicht. Sie haben die heutige Behandlung Ihres Antrages auch so angelegt, dass wir diese Daten nicht haben werden, bevor wir hier abstimmen. Es schleicht sich also der Verdacht ein, dass es zumindest einigen von Ihnen mehr um den Öffentlichkeitseffekt als um die Lösung des Problems geht.
Wir sind gern bereit, dieses Thema dann noch einmal ernsthaft zu diskutieren; natürlich mit dem Koalitionspartner zuerst. Das gehört sich einfach in einer Koalition. Aber so wie Sie es heute angelegt haben, kann man dem nicht zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die so genannten Hartz-Gesetze, vor allem das SGB II, sind die Bezieher von Arbeitslosengeld II in den Mittelpunkt vieler Diskussionen gerückt. Vieles hat sich seit dem 1. Januar 2005 für diese Personengruppe verschlechtert. Doch der angekündigte Durchbruch auf dem Arbeitsmarkt ist natürlich ausgeblieben.
Eine Wirkung der neuen Gesetzgebung ist die Verringerung der Zahl der Sozialhilfeempfänger nach dem SGB XII. Ihre Zahl ist kräftig gesunken. Dennoch erhalten heute noch ganze Bevölkerungsgruppen Sozialhilfe, auch wenn diese Gruppen aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind.
Aus dem Blickwinkel ist dabei auch geraten, dass viele Sozialhilfeempfänger zu den Leistungen von Sozialversicherungsträgern keinen direkten Zugang mehr besitzen, weil oft kein Versicherungsverhältnis besteht oder die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung noch nicht bzw. nicht mehr erfüllt werden. Dabei handelt es sich oftmals um Kinder und Jugendliche, aber auch um Rentenbezieher bzw. allgemein ältere Menschen. Meine Damen und Herren, das ist sicher nur ein Problem von vielen.
Doch nun zur Diskussion über die Regelsätze, die schon vor dem 1. Januar 2005 eingeführt wurden. Aufgrund des niedrigen Niveaus der bestehenden Regelsätze in der Sozialhilfe ist das Bedarfsdeckungsprinzip bereits ausgehebelt. Sozialhilfe schützt daher schon lange nicht mehr vor Armut.
Bereits zu Beginn der neunziger Jahre wurden die Regelsätze nach einem sozialwissenschaftlich fragwürdigen Verfahren viel zu niedrig angepasst. 1993 erfolgte eine
Deckelung der Sätze unabhängig vom Bedarf. 1997 wurden sie an die Rentenanpassung angekoppelt. Doch durch die bisherige Anbindung an die Rentenentwicklung wurde die Steigerung der realen Lebenshaltungskosten nur unzureichend abgebildet. So wird die defizitäre Entwicklung der letzten zehn Jahre fortgeschrieben.
Nach Meinung von Experten hinken die Regelsätze inzwischen 10 bis 20 % hinter den steigenden Lebenshaltungskosten hinterher.
Nach § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII soll die Bemessung des Eckregelsatzes anhand der neuen Ergebnisse der Einkommens- und Verbraucherstichprobe vorgenommen werden. Diese Erhebung wird aller fünf Jahre durchgeführt und die Fortschreibung in der Zwischenzeit an die Entwicklung des Rentenwertes angekoppelt. Schon in den letzten Jahren wurden die Regelsätze aufgrund der verhaltenen Rentenentwicklung unzureichend fortgeschrieben. Die für 2004, 2005 und nun auch 2006 verordneten bzw. in Aussicht gestellten Nullrunden bei der Rentenanpassung zeigen, dass die Entwicklung der Rente von politischen Faktoren wie der Senkung der Lohnnebenkosten abhängt. Als Richtwert für die Fortschreibung eines halbwegs menschenwürdigen Existenzminimums ist er daher völlig ungeeignet.
Die Fortschreibung des Regelsatzes muss deshalb nach einem Verfahren vorgenommen werden, das die tatsächliche Entwicklung der Verbrauchspreise abbildet, vor Armut schützt und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Umso gravierender ist der Mangel, dass im Zuge der Sozialhilfe nicht schon damals die längst fällige Neufestsetzung der Regelsätze auf der Grundlage eines Statistikmodells und einer aktuellen, methodisch sauber aufbereiteten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aufgenommen wurde.
Meine Damen und Herren! Sicher ist das Verfahren der EVS umstritten und kann auch infrage gestellt werden. Das verwendete Material für die Festlegung des heutigen Regelsatzes stammte damals nach Expertenmeinung von 1998. Es war also schon veraltet, als es als Datengrundlage aufbereitet und zur Festlegung des Regelsatzes verwendet wurde.
Dem schnellen Wandel des Verbraucherverhaltens hinkt die EVS vor allem bei der Entwicklung in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnik oder bei den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen hinterher. Außerdem sind die Intervalle bei den Erhebungen so groß, dass die jährliche Fortschreibung unter fiskalischen Prämissen stets zu unzureichenden Anpassungen der Regelleistungen führt.
Um bei der Ermittlung der Verbrauchsausgaben Zirkelschlüsse zu vermeiden, müssen neben den Haushalten mit Sozialhilfebezug konsequenterweise auch die Haushalte von Beziehern der Grundsicherung im Alter und der Grundsicherung von Arbeit Suchenden aus den unteren Einkommensgruppen herausgerechnet werden. Auch diese Gruppen erhalten nämlich ähnliche Leistungen auf
dem Niveau der Sozialleistungen. In der damaligen Bemessung des Regelsatzes kamen sie nicht vor und wurden auch nicht berücksichtigt. Dies müsste nun allerdings erfolgen, damit der Regelsatz durch unsaubere Ausweitung nicht weiter abgesenkt werden kann. Diese Gefahr sehen wir nämlich durchaus.