Herr Krauß, ich sage Ihnen eines: Sie haben einiges durcheinander gebracht. Ich habe gesagt, dass es wünschenswert wäre, wenn wir 420 Euro als Eckregelsatz für SGB XII und SGB II hätten. Das haben wir aber nicht beantragt. Wo steht denn das? Wir haben lediglich die Regelsatzangleichung in beiden Sozialgesetzbüchern beantragt, nicht mehr und nicht weniger. Und im Übrigen: Auch die 420 Euro sind nicht aus der Luft gegriffen, wie Sie vielleicht glauben, sondern hier stützen wir uns insbesondere auf Berechnungen, wie sie vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und auch von der Volkssolidarität und anderen Wohlfahrtsverbänden vorgelegt worden sind.
Meine Damen und Herren von der CDU, wir zitieren auch gelegentlich aus einem Artikel, in dem vielleicht jemand aus Ihrer Partei einen Diskussionsstand wiedergegeben hat. Das spielt heute aber überhaupt keine Rolle. Ich will Ihnen Folgendes deutlich sagen: Wir haben in der Linkspartei einen völlig unterschiedlichen Diskussionsstand zum Problem Grundeinkommen. Der Diskussionsprozess, an dem sich seit vielen Jahren viele andere beteiligen, ist nicht abgeschlossen. Stellen Sie sich deshalb bitte nicht hier hin und verkünden das als Parteibeschluss. Ich persönlich meine, dass diese Option eines Grundeinkommens bis auf Weiteres nicht möglich ist. Ich sage das für mich als Teilnehmer an der Debatte. Diese Option ist
Völlig klar, da stimmen wir überein. Aber dann stellen Sie sich nicht hier hin und tun so, als ob Sie Ihre Nichtzustimmung zu einem ganz wesentlichen Antrag, der manche Menschen betrifft, mit solchen Debatten verklausulieren könnten. Insofern, meine ich, haben wir wirklich genügend Diskussionsstoff. Aber heute sollten wir im Interesse derer, die es betrifft, entscheiden, sollten diesen ganz kleinen Schritt gehen.
Gibt es daraufhin noch Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Während Frau Staatsministerin Orosz auf dem Weg nach vorn ist, teile ich Ihnen mit: Sie hat vorhin signalisiert, dass sie am Ende dieses Tagesordnungspunktes eine Erklärung aus aktuellem Anlass abgeben wird. Frau Staatsministerin, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Forderung nach der Anpassung des Regelsatzes erscheint auf den ersten Blick folgerichtig. Es ist nicht plausibel, dass ausgerechnet diejenigen, die anerkanntermaßen nicht in der Lage sind, sich etwas dazuzuverdienen, weniger Leistungen erhalten sollen als die Erwerbsfähigen.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen hier weitere Aspekte berücksichtigen. Die Anhebung des sächsischen Regelsatzes auf 345 Euro lässt sich nicht mit dem in der Regelsatzverordnung vorgesehenen Berechnungsverfahren begründen. Darin sind wir, glaube ich, d’accord. Die Länder können nach dieser Verordnung bestimmen, ob sie bundeseinheitliche oder regionale Auswertungen der Einkommens- und Verbraucherstichprobe zugrunde legen. Die 345 Euro ergeben sich aus einer Auswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe für Westdeutschland; sie sind also weder Ergebnis einer bundeseinheitlichen noch einer regionalen
Auswertung, die auch Sachsen umfasst. Damit ist dieser Wert für den sächsischen Eckregelsatz zumindest vom Sinn der Regelsatzverordnung nicht gedeckt.
Noch einen weiteren Gedanken müssen wir dabei berücksichtigen. Über die Einführung des so genannten Statistikmodells ist sehr lange – etwa anderthalb Jahrzehnte – diskutiert worden. Ich hielte es deswegen für sehr unbefriedigend, wenn diese Regelungen nun nicht mehr beachtet würden, nachdem das Verfahren erst seit knapp zwei Jahren normiert ist. So kritisch man zu den einzelnen Berechnungsschritten des Verfahrens zur Bemessung des Regelsatzes stehen mag, eine Abweichung davon wäre ein methodischer Rückschritt.
Die Linksfraktion.PDS stellt nun in ihrem Antrag darauf ab, dass das Bedarfsdeckungsprinzip nicht gewährleistet sei. Wie Sie sicher wissen, wurden zur Höhe des Regelsatzes bzw. der Regelleistung auch schon die Gerichte angerufen. Die Richter haben festgestellt, dass die Regelleistung das soziokulturelle Existenzminimum gewährleistet, mit dem der Existenzbedarf und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gesichert wird. Das der Regelsatzbemessung zugrunde liegende Verfahren orientiert sich an den Verbrauchsausgaben des einkommensschwächsten Bevölkerungsfünftels.
Schließlich sollten wir auch nicht vergessen, dass eine Erhöhung des Regelsatzes unmittelbar die Landkreise und Kreisfreien Städte belastet. Das ist heute von meinen Vorrednern schon angesprochen worden.
Die Staatsregierung hat sich noch keine abschließende Meinung dazu gebildet, wie hoch der sächsische Eckregelsatz in der Sozialhilfe ab dem 1. Juli 2006 sein soll. Wir wollen insbesondere die auch von Ihnen, Herr Dr. Pellmann, angesprochene Auswertung der letzten Einkommens- und Verbraucherstichprobe aus dem Jahr 2003 abwarten, die in nächster Zeit vorliegen wird. Daraus wird sich sicherlich der Umfang einer mit der Regelsatzverordnung begründbaren Erhöhung des Regelsatzes ergeben.
Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, würde ich die Möglichkeit nutzen, Sie, meine Damen und Herren, aktuell über den Fall der Geflügelpest hier in Sachsen zu informieren.
Ich darf noch einmal ganz kurz den Beginn der Situation beschreiben: Wir haben gestern am späten Nachmittag von der Landesuntersuchungsanstalt die Mitteilung bekommen, dass bei einem Putenbestand in Sachsen ein Influenza-A-Virus mit dem Subtyp H 5 festgestellt worden ist. Das hat dazu geführt, dass entsprechende Proben zur weiteren Untersuchung auf die Insel Riems gebracht worden sind.
Am gleichen Abend noch haben wir gemeinsam mit den Verantwortungsträgern vor Ort, sprich mit der Veterinärbehörde und dem Landrat, entsprechende Maßnahmen besprochen. Diese sind dann sehr schnell und sehr umsichtig – das darf ich an dieser Stelle deutlich sagen – veranlasst worden. Es ist sofort ein Verbringungsverbot bei dem Unternehmen veranlasst worden, es sind entsprechende Desinfektionsmaßnahmen veranlasst worden und wir haben uns, wie gesagt, abgestimmt, dass entsprechende Informationen im Umfeld gegeben werden müssen. Das heißt, es sind sowohl die Bürgerinnen und Bürger vor Ort informiert worden als auch die Mitarbeiterinnen und
Wir haben noch am gestrigen Abend Kontakt mit dem zuständigen Bundesministerium und mit der entsprechenden Kommission in Brüssel aufgenommen – die Informationskontakte zu diesen Themen sind derzeit sehr eng geknüpft – und haben uns dort zu den einzelnen Maßnahmen abstimmen können.
Es war vorgesehen, dass uns das Referenzlabor auf der Insel Riems spätestens heute Abend über den weiteren Fortgang der Untersuchung bzw. den Befund informieren wird. Wir haben heute gegen 12 Uhr bereits die Nachricht erhalten, dass es sich um ein H5N1-Virus handelt. Das gesamte Szenario für diesen Fall wurde sofort veranlasst. Das heißt, dass vor Ort entsprechende Maßnahmen sofort realisiert worden sind. Ich darf diese kurz nennen.
Wir hatten, um das noch einmal zu erwähnen, gestern schon vorgesehen, dass der betroffene Bestand für die Tötung vorbereitet werden muss – auch als die Bestätigung von der Insel Riems noch nicht vorlag, war das rechtens –, und das wird nun weiter forciert. Die Tötung des Seuchenbestandes – das haben wir heute um 14:00 Uhr auf der Vor-Ort-Pressekonferenz mitgeteilt – ist bereits veranlasst. Gegen 16:45 Uhr sollte damit begonnen werden.
Die Frage, die Sie berechtigt stellen: Um wie viele Tiere handelt es sich? – Es sind 16 300 Tiere, die davon betroffen sind und die gekeult werden müssen. Wir haben darüber hinaus den Sperrbezirk im Drei-Kilometer-Radius veranlasst, der folgende Maßnahmen mit sich bringt:
21 Tage gilt in diesem Sperrbezirk Verbringungsverbot für Geflügel, Vögel, Bruteier, Erzeugnisse und tierische Nebenprodukte. Hauptzufahrtswege, Desinfektionsdurchfahrwannen an allen Ein- und Ausfahrten des Sperrbezirks sind zu organisieren. Es darf keine Beförderung von Geflügel auf öffentlichen Straßen stattfinden und an allen Geflügelbetrieben sind entsprechende Desinfektionseinrichtungen anzubringen. Es ist natürlich auch ein Betretungsverbot für betriebsfremde Personen zu gewährleisten.
Ich habe mich nach der Pressekonferenz selbst vor Ort davon überzeugt, dass diese Maßnahmen laufen. Sie sind also adäquat umgesetzt worden. Es sind viele Helfer im Einsatz. Die Polizei hat gewährleistet, dass die Zone im Drei-Kilometer-Radius tatsächlich auch abgesperrt ist, dass – ich sage es einmal salopp – keine Maus hinein- und keine Maus herauskommt, ohne entsprechend kontrolliert zu werden.
Darüber hinaus gibt es das Beobachtungsgebiet von sieben Kilometern. Für dieses Beobachtungsgebiet und eine Drei-Kilometer-Kontrollzone gilt 15 Tage Verbringungsverbot für Geflügel, Vögel – Ausnahme sind hier Eintagsküken; 30 Tage Verbringungsverbot für diese –, Bruteier, Erzeugnisse und tierische Nebenprodukte.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es hat sich gelohnt, dass wir uns in Sachsen sehr frühzeitig auf solche Szenarien vorbereitet haben. Bereits im November vorigen Jahres und dann immer wieder haben wir miteinander kommuniziert, haben die Maßnahmenpläne abgestimmt. Es sind vor Ort entsprechende Probedurchläufe vorgenommen worden. Man hat entsprechende Gremien und Arbeitsgruppen gebildet. Es hat also tatsächlich funktioniert. Das möchte ich hier noch einmal deutlich sagen. Der Landkreis ist für diesen Fall vorbereitet.
Wir haben vor einer Stunde von der Insel Riems die Information bekommen – H5N1 war klar –, dass es tatsächlich dieses hoch pathogene Virus ist. Das heißt, es ist jetzt festgestellt, dass es einen Tierseuchen-, einen Geflügelseuchenfall gibt. Dieser neuerliche Befund ist mit keinen weiteren Maßnahmen verbunden außer denen, die ich Ihnen gerade schon vorgestellt habe.
Wir sind auch heute in der Pressekonferenz gefragt worden: Wie sieht es mit der Entschädigung von betroffenen Unternehmen aus? Dazu gibt es eine ganz klare gesetzliche Regelung in Sachsen: 50 % übernimmt das Land und 50 % übernimmt die Tierseuchenkasse.
Ich möchte Sie in Kenntnis setzen, dass es im Vorfeld mit den Landräten, Oberbürgermeistern – sprich: mit den Selbstverwaltungen – eine Abstimmung darüber gegeben hatte, dass im Ereignisfall – sobald uns ein positiver Befund zur Kenntnis gelangt – das sächsische Krisenzentrum aktiviert wird. Dieses Krisenzentrum ist bei mir im Haus etabliert. Es wird von meinem Staatssekretär Herrn Dr. Hauser geführt. Dieses Krisenzentrum hat telefonisch diese Abstimmungen mit vorgenommen und wird morgen Früh um 11 Uhr das erste Mal tagen. Es werden alle Beteiligten – Vertreter des SMUL, des SMI, der LUA, der Regierungspräsidien und natürlich die Fachleute aus meinem Haus, die Fachleute vor Ort und Wissenschaftler – mit dabei sein. Dort werden wir die aktuelle Situation noch einmal besprechen. Es kann an der einen oder anderen Stelle zu weiteren Maßnahmen kommen. Stündlich warten wir noch auf eine Verordnung aus Brüssel, die uns Rechtsgrundlage sein wird, weitere Dinge – so sie erforderlich sind – einzuleiten.
Ich wollte die Möglichkeit nutzen, Sie über diese aktuelle Situation in Kenntnis zu setzen. Ich darf sehr deutlich sagen, dass wir in Deutschland der erste Standort sind, an dem H5N1 in einem Nutzgeflügelbestand aufgetreten ist. Das ist etwas Besonderes und muss uns auch die notwendige Sensibilität geben, mit diesen Dingen umzugehen. Ich kann Ihnen versichern, dass man das sowohl vor Ort als auch in gemeinsamer Absprache mit meinem Haus getan hat und tun wird.
Es ist nach wie vor so, dass keine Gefahr für den Menschen in Bezug auf Mensch-zu-Mensch-Übertragung besteht. Aber wir müssen natürlich die Mitarbeiter und die Sicherheitskräfte, die Kontakt zu dem toten Geflügel haben, schützen. Auch davon haben wir uns überzeugt. Entsprechende Schutzmaßnahmen – zum Beispiel Schutzbekleidung, Desinfektion – sind vorbereitet und werden
angewandt. Die zuständige Amtsärztin aus dem Landkreis hat uns davon in Kenntnis gesetzt, dass sie erste Abstriche bei den Mitarbeitern genommen hat. Inzwischen sind die Befunde eingegangen: Sie sind negativ. Es gibt also keine Veranlassung zur Sorge.
Darüber hinaus werden die Mitarbeiter, aber auch die Sicherheitskräfte, die in der engeren Zone eventuell Kontakt zu Tieren haben und bei der Entsorgung der Tiere mitwirken, mit entsprechenden antiviralen Medikamenten präventiv behandelt.
Frau Ministerin! Es besteht ja in Sachsen die Stallpflicht. Gibt es schon irgendwelche Erkenntnisse darüber, auf welchem Weg der Virus in diesen Tierbestand eingeschleppt worden sein könnte?
Es ist richtig. Es gibt die Aufstallung. Es gibt aber auch Möglichkeiten, Ausnahmeanträge für das Aufstallungsgebot zu
erlangen. In Sachsen sind es ungefähr 60 Tierhalter, die das in den vergangenen Wochen beantragt haben. Dieses Unternehmen ist auch dabei. Die Ausnahmegenehmigung gilt bei diesem Unternehmen aber nicht für die Puten, dort, wo der Virus aufgetreten ist, sondern für die Gänse. Wir haben natürlich gewährleistet, dass für die Unternehmen, die eine Ausnahmegenehmigung beantragt haben, entsprechende sehr engmaschige Kontrollmaßnahmen bindend sind. Das ist in diesem Unternehmen auch geschehen. Das hat in gewisser Weise dazu beigetragen, dass wir relativ schnell von diesem Sachverhalt Kenntnis erhalten haben und reagieren konnten.
Inwieweit dieser Virus in das Unternehmen eingedrungen ist und die Puten erreicht hat, ist im Moment noch Spekulation. Ich möchte mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Es sind aber – das darf ich an dieser Stelle erwähnen – bereits Fachleute von der Insel Riems beauftragt und unterwegs, die sich vor Ort der Sache annehmen. Ich gehe davon aus, dass wir, sobald wir von ihnen ein Ergebnis haben, dies entsprechend mitteilen.
Danke schön. – Die Gelegenheit zu Zwischenfragen war gegeben. Außergewöhnliche Ereignisse bedingen außergewöhnliche Reaktionen. Ich bedanke mich bei der Staatsministerin.
Herr Dr. Pellmann, ich bitte um Entschuldigung. Sie sind natürlich jetzt etwas in Ihrem Redefluss gestört. Sie haben das Schlusswort zur Drucksache 4/4755.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin! Da ich ein klein wenig in meiner Fraktion für das Problem Geflügelpest zuständig bin, werde ich das jetzt nicht kommentieren.