Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male diskutieren wir in immer kürzeren Abständen das Thema der Energiepreisentwicklung.
Ja, natürlich ist es wichtig. Aber sowohl Ihr Antrag wie auch der Antrag der Linksfraktion.PDS richten sich vor allem auf die Themen und Handlungsfelder, die uns innerhalb der Bundesrepublik und innerhalb des Landes Sachsen angehen und bei denen die Politik Handlungsspielräume hat. Deshalb soll es keine Debatte sein, wie es auf den Weltenergiemärkten zugeht – obwohl das sicherlich eine wichtige Voraussetzung dafür ist, was wir heute hier tun können, wenn wir darüber nachdenken.
Wir wissen aber auch, dass wir darauf von der sächsischen Landespolitik aus kaum Einflussmöglichkeiten haben.
Auf dem bundesdeutschen Strom- und Gasmarkt, der in Wirklichkeit keiner ist, geht es zu wie in einem Tollhaus. In einem Dresdner Wochenblatt teilte die DREWAG kürzlich mit: „Weil sich die Bezugskosten für Erdgas im II. Quartal 2006 aufgrund der gestiegenen Ölpreise erhöht haben und dies nicht kompensiert werden kann, müssen die Gaspreise zum 1. April erneut steigen. Ich staune – und, Herr Minister, Sie sollten auch staunen.
Denn tatsächlich hat sich der Ölpreis in den letzten Wochen auf leicht abgeschwächtem Niveau stabilisiert. Gas- und Kohlepreis liefern ein ähnliches Bild. Herr Jurk, wir sind gespannt auf Ihre kartellrechtlichen Prüfungen in Bezug auf die Gaspreise, die Sie, wie versprochen, auf Ihrer Homepage veröffentlichen wollen. Ich glaube schon, dass Transparenz über die Gaspreise wichtig ist und somit einen öffentlichen Druck auf die Unternehmen ausüben kann.
Der Verband der industriellen Energie- und Kraftwerkswirtschaft beschreibt die aktuelle Lage wie folgt: „Als Auftakt für den Energiegipfel bei Bundeskanzlerin Merkel steigen die Strompreise mit zunehmender Geschwindigkeit. Allein in den letzten vier Wochen ist der Strompreisindex um fast 8 % gestiegen. Auf Jahresbasis umgerechnet wären das erschreckende 100 %. Der
Verbandsindex berücksichtigt neben den Strompreisen auch die Netzgebühren. Diese sind auf hohem Niveau gegenüber der Strompreisentwicklung nahezu konstant geblieben. Aber der für den von Industrie und Gewerbe richtungweisende Jahresbase-Loadpreis an der Leipziger Strombörse hat sich allein von Anfang Dezember 2005 bis Mitte März auf 57,60 Euro je Megawattstunde erhöht. Das entspricht sage und schreibe einer Erhöhung um 30 %.“
Der Verband schätzt weiter ein: „Unter Markt- und Wettbewerbsgesichtspunkten gibt es für diese Entwicklung keinerlei Begründung. Ende 2005 waren die Stromeinkäufe für 2006 abgeschlossen. Gegenwärtig laufen die Verhandlungen für die Stromlieferung für das Jahr 2007.“
Was läuft noch in diesem Tollhaus? Den Klimaschutz bezahlen die Energiekunden völlig allein. Gleichzeitig streicht die Stromwirtschaft jährliche ungerechtfertigte Zusatzgewinne von bis zu fünf Milliarden Euro ein, denn die Stromunternehmen können wegen des fehlenden Stromwettbewerbes die kostenlos erhaltenen CO2Zertifikate in den Strompreis einpreisen. Kleinere Stromunternehmen, die mit größeren Mengen auf den Markt kommen und Strom anbieten können, gibt es kaum.
Allein die vier großen Monopolisten RWE, e.on, Vattenfall und EnBW bieten 90 % des Stromes auf dem Markt an und besitzen die Übertragungsnetze. Auf günstige Angebote aus dem Ausland darf der Stromkunde nicht hoffen. Die Kapazitäten der Grenzkuppelstellen sind zu gering und werden dazu von den Stromriesen noch teuer versteigert, sodass Importe unwirtschaftlich sind. Stromkunden zahlen seit 2001 nach einem Gutachten des Verbandes der industriellen Kraftwerkswirtschaft jährlich über eine halbe Milliarde Euro zu viel für Netzgebühren.
Was ist das Fazit? Alle Argumente für Strompreiserhöhungen führen bei den Genehmigungsbehörden zum Erfolg; alle Argumente dagegen bleiben wirkungslos.
Es muss endlich vonseiten der Politik ernsthafter gehandelt werden. Hierzu gehört Mut, Herr Jurk. Daher fordert die Linksfraktion.PDS mit dem Antrag, die Endverbraucherpreise für Strom und Gas 2006 zu stabilisieren und zu senken. Es freut uns, wenn jetzt auch die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD in ihrem Antrag von der Staatsregierung sybillinisch fordern, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen weiteren Preisanstieg für Strom, Gas und Fernwärme zu verhindern. Wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU- und SPD-Fraktion, unserem Antrag zustimmen, können wir auch Ihrem Antrag zustimmen, fragt sich nur, was Sie sich unter „alles in der Macht Stehende“ vorstellen.
Sind Sie, Herr Milbradt und Herr Jurk, gewillt, den vier Strommonopolisten die jährlich bis zu fünf Milliarden Euro zusätzlichen Gewinne abzujagen? Trauen Sie sich, die fast eine halbe Million Euro zu hohen Netzgebühren
zurückzuverlangen? Gedenken Sie, darauf hinzuarbeiten, dass endlich leistungsstarke Grenzkuppelstellen geschaffen werden und dass die künstlich von den Stromriesen zurückgehaltenen Stromerzeugungskapazitäten ans Netz kommen?
Kosmetische Reparaturen helfen hier nicht mehr weiter. Wir brauchen zur Lösung des grundsätzlichen Problems, dass mehr Wettbewerb im Energiesektor entstehen soll, eine strukturelle Lösung. Wenn Sie, meine Herren, helfen wollen, die marktbeherrschende Stellung dieser vier Monopolisten zu brechen, dann haben Sie unsere volle politische Unterstützung. Dem negativen Einfluss des deutschen Stromoligopols auf die Entwicklung der Strompreise werden Sie nicht mit dem Bundes- und Landeskartellamt sowie mit der Bundes- und Landesnetzbehörde beikommen. Diese Einschätzung teilen wir mit großen Teilen der Wirtschaft und mit den Verbraucherverbänden. Politik ist mehr denn je gefragt, sich auch gegen die Interessen dieser vier Monopolisten durchzusetzen. Oder wollen Sie wieder, wie schon Herr Clement, jahrelang abwarten, was die EU-Kommission mit ihren gegen Deutschland und weitere 16 Mitgliedsstaaten eingeleiteten Verfahren bis zur Klage vor dem Europäischen Gerichtshof hinsichtlich der Öffnung der Energiemärkte erreichen wird? Es ist pure Zeitverschwendung.
Die Industrie, das Gewerbe, die Handwerker, die Dienstleister, aber vor allem Millionen Privatkunden können diese Preisbelastung auf Dauer nicht mehr tragen. Im Übrigen ist das längst zum Standortnachteil für die Wirtschaft und zu einem enormen sozialen Problem für Millionen von Menschen geworden und nicht, wie Sie von der CDU-Fraktion und von Teilen der SPD-Fraktion der Bevölkerung immer wieder weismachen wollen, die zu hohen Lohnnebenkosten. Die Energiekosten sind das Hauptproblem unseres Standortnachteils! Wenn gar nichts fruchtet, wenn sich der Missbrauch der Netze fortsetzt und wenn die Stromriesen die Preise weiter nach oben treiben, dann gehören die Strom- und Gasnetze in die öffentliche Hand.
Großbritannien – bleiben Sie ruhig etwas gelassen – hat damit gute Erfahrungen gemacht und auch Dänemark hat erst kürzlich die Netze verstaatlicht. Die Netze sind der Schlüssel für eine zukunftsfähige Energieversorgung und zu mehr Wettbewerb. Dieser Schlüssel wird uns zum Drehen mit dem Grundgesetz und mit der Sächsischen Verfassung in Artikel 32 Abs. 2 gegeben. Diese Forderung haben wir allerdings nicht in unseren Antrag aufgenommen, weil das in der Tat nur bundespolitisch lösbar wäre.
Im Übrigen tickt für Hausbesitzer, Mieterinnen und Mieter und für Unternehmer mit der nächsten Betriebskostenabrechnung und Mietnebenkostenabrechnung, die nach Einschätzung um bis zu 30 % höher ausfallen werden, eine Zeitbombe. Die Ausgaben für Wohnen, Energie und Instandsetzung machen laut Statistischem Landesamt inzwischen bereits 35 % ihrer Gesamtausgaben aus. Rund drei Milliarden Euro werden so jährlich der
Kaufkraft auf dem Binnenmarkt entzogen. Das ist eine ungeheure Wachstumsbremse, die zusätzlich die Inflation nach oben treibt.
Für uns als Linksfraktion.PDS sind daher Strom-, Gas- und Fernwärmepreise längst nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt von Energie- und Wirtschaftspolitik zu sehen, sondern gehören zum Kernbereich sozialer Daseinsvorsorge. Zwar geht der Antrag der Koalitionsfraktionen in die richtige Richtung, und deshalb können wir zustimmen, zeigt aber ungenügend die politischen Instrumente auf, um dem beschriebenen Problem zu Leibe zu rücken. Wenn Sie vorschlagen, zum Beispiel die Einpreisung der CO2-Handelspreise zu verbieten, dann frage ich mich, wie Sie das machen wollen. Das ist für mich eine ernsthafte Frage. Meiner Ansicht nach geht ein ordnungsrechtliches Verbot so ohne weiteres nicht, denn dieser CO2-Handel wird an der Energiebörse abgehandelt. Insofern begrüße ich es, wenn Sie in die gleiche Richtung denken, bin aber nicht damit zufrieden, dass Sie ungenügend die politischen Instrumente debattieren und in Anschlag bringen, die tatsächlich auch eine strukturelle Lösung der Monopolsituation auf dem Energiemarkt bringen würden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutigen Anträge und die Debatte erinnern mich irgendwie an eine alte afrikanische Tradition. In Afrika gehört es zu den guten Umgangsformen, dass sich die Stammesältesten unter dem Beisein des Volkes zusammensetzen, um eine sehr langwierige, meist sinnlose Diskussion zu führen. Je wichtiger das Thema ist, umso länger wird darüber diskutiert, ohne letztendlich zu einem Ergebnis zu kommen. Für die Kolleginnen und Kollegen, die nicht wissen, wovon ich rede – das ganze bezeichnet man als Palaver. Dass die afrikanische Tradition des Palavers im Landtag schon seit Langem Einzug gehalten hat, dürfte schon jedem aufgefallen sein. Manch einer von Ihnen hat es auch schon in Interviews bemängelt.
Weil der Energiepreis heute wieder Gegenstand einer Debatte ist, folgen wir dieser Tradition und zeigen so zumindest, dass es sich um eine Angelegenheit von hoher Wichtigkeit handelt. Wir erleben heute die Wiederauflage einer endlos geführten Diskussion, aber heute mit einem entscheidenden Unterschied: Früher liefen die Anträge der anderen Fraktionen ins Leere, wurden abgelehnt oder abgeblockt; heute haben die Antragsteller – zumindest in einem Fall – die Mehrheit. Es wird nicht mehr geblockt, sondern beschlossen. Was aber heute beschlossen wird, wird nicht ansatzweise dazu führen, dass die Energiepreise tatsächlich fallen werden. Wir kommen aber trotzdem einen entscheidenden Schritt weiter. Wir schaffen heute die Grundlage dafür, uns in einer der nächsten Sitzungen erneut darüber unterhalten zu können, warum die Ener
giepreise noch immer nicht gesunken sind. Ich möchte aber den Ideenreichtum der Koalitionsfraktionen bei der Antragstellung loben. Es gehört schon einiges dazu, sich so konkret und mit makabrer Liebe zum Detail dafür einzusetzen, etwas vom Ist-Zustand zum Status quo zu verbessern.
Sie sprechen die Landesregulierungsbehörde an. Aber diese Behörde, meine Damen und Herren, ist nichts weiter als ein zahnloser Tiger. In ihre Zuständigkeit fallen nur Energieversorger mit weniger als 100 000 Anschlüssen.
Weil die meisten der regionalen Versorger Tochterunternehmen der großen Vier sind, wird die Landesregulierungsbehörde hier auch nur wenig Licht ins Dunkel bringen können. Der Freistaat Thüringen hat das bereits erkannt und hat die Aufgaben seiner Behörde an die Bundesbehörde übertragen, weil nur diese über die Möglichkeit verfügt, das Geschäftsgebaren der Mutter- wie der Tochterunternehmen gleichzeitig und genau zu überprüfen. Das Gleiche gilt auch für die Forderung, kartellrechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen.
Meine Damen und Herren! Der Fisch beginnt bekanntlich immer vom Kopf her zu stinken. So ist es, dass die Bundesregierung tatenlos zugeschaut oder bewusst weggeschaut hat, als sich die vier Großkonzerne den Energiemarkt in Deutschland aufgeteilt haben.
Jetzt wird an allen Ecken kartellrechtlich herumgebastelt, um Unternehmen daran zu hindern oder zumindest abzubremsen, auf Kosten der Menschen in Deutschland maximale Profite zu erzielen. Hätte die Forderung der NPD nach einer wirksamen staatlichen Aufsicht über alle Bereiche der Daseinsvorsorge schon früher Beachtung gefunden, dann müssten wir heute nicht wieder die gleiche müßige Debatte führen.
Herr Lehmann, zum Koalitionsvertrag sei gesagt: Wenn Konzerne kostenlos erteilte Emissionszertifikate in die Stromkosten einkalkulieren, bedarf es keiner Bundesratsinitiative, sondern Ermittlungen der Staatsanwälte wegen Betrugs am Verbraucher. Ihr Antrag ist deshalb nichts als Augenwischerei.
Zum Antrag der Linksfraktion sei erwähnt, dass er ausschließlich auf Kompetenzen des Freistaates abzielt. Aber da die wirksame Kompetenz des Freistaates gegen null geht, kann der Antrag kaum Wirkung entfalten, zumal er sicherlich pauschal abgelehnt werden wird. Wir werden aber zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass wir heute erneut über das Thema „Energiepreise“ debattieren, war ich versucht, meinen Redebeitrag zu diesem Thema
aus dem Januar-Plenum einfach zu Protokoll zu geben, weil wir die Dinge alle schon einmal besprochen haben. Allerdings sind hier in der Debatte ein paar Punkte angesprochen worden, die mich doch spontan veranlasst haben, dies nicht zu tun, sondern darauf einzugehen.
Ich finde es sehr interessant, wie viel Zeit Sie, Herr Nolle, darauf verwendet haben, einen zurückgezogenen Antrag zu diskutieren, wobei Sie den eigenen Antrag nicht mit einem einzigen Wort in Ihrem Redebeitrag gewürdigt haben. Kann das vielleicht auch daran liegen, dass der eigene Antrag – sprich der Koalitionsantrag – von einer solchen Inhaltsleere ist, dass man über ihn eigentlich nicht debattieren kann?