Protokoll der Sitzung vom 06.04.2006

Während man sich an den Zapfsäulen der Tankstellen schon langsam an die Dreistigkeit bei der Erhöhung

gewöhnt hat, zeigte uns die im Januar fällige Abrechnung bei Gas und Elektroenergie, was einem der langanhaltende Winter bescherte. Die Medien erklärten dem Bürger, warum er immer tiefer in die Taschen greifen muss, um am gewohnten Standard festhalten zu können.

Da spielten Förderkosten eine Rolle, die Einigung der OPEC, Herstellungskosten, Netzkosten, der Wettbewerb, und man vergesse nicht die gestiegene Nachfrage. Da war auch schon einmal der Tod eines Scheichs für den Anstieg des Ölpreises verantwortlich oder die gespannte Lage im Nahen Osten bis hin zum Irakkrieg. Durch irgendeine Ursache mal fünf Cent höher, bei Entspannung mal drei Cent zurück. Verdienen will ja auch irgendeiner daran und solange man ganz unten zum Zahlen bereit ist, gibt es keine Veranlassung, die Spirale zu stoppen.

Es liegt in der Natur des Systems, dass die Nachfrage den Preis reguliert. Die Abhängigkeit der deutschen Energieversorgung von Importen liegt gegenwärtig bei Mineralöl bei 97 %, bei Gas bei 83 % und bei Steinkohle bei 61 %. Erneuerbare Energien nehmen sich bei der Deckung des Bedarfs eher bescheiden aus.

Bleibt doch die eine Frage offen, wie es sich mit der Gestaltung langfristiger Energielieferverträge verhält, die man doch nicht so ohne Weiteres drei- bis viermal im Jahr kippen kann. Entsprechend den langfristigen Lieferverträgen dürften doch wohl auch die Energieverbraucherendpreise angepasst sein. Oder nicht? Es macht den Anschein, als wolle jeder noch einmal richtig zugreifen, bevor die leckgeschlagene „Titanic“ sinkt.

Immer drauf auf das Volk, es verträgt schon noch etwas. Nein, meine Damen und Herren, das Maß ist bereits voll. Der Krug ist kurz vor dem Zerbrechen. Es reicht. Deshalb stimme ich den vorliegenden Anträgen zu und hoffe und glaube fest daran, dass die anderen zwei fraktionslosen Abgeordneten das auch tun werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des Abg. Klaus Baier, fraktionslos)

Gibt es vonseiten der Abgeordneten noch Redebedarf? – Im Moment nicht. Dann frage ich die Staatsregierung. Bitte, Herr Minister Jurk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben dem so starken Frühjahrshochwasser stand in den vergangenen Tagen für mich als sächsischem Energieminister die Energiezukunft Deutschlands im Mittelpunkt des Interesses. Die Ergebnisse des Energiegipfels der Bundesregierung in dieser Woche haben mich in meinen Vorstellungen zur weiteren Entwicklung des Energielandes Sachsen in vier Bereichen bestärkt:

Erstens fühle ich mich bestätigt in meiner Absicht, die Nutzung der erneuerbaren Energien auszubauen. Ich denke dabei an die Potenziale für die Nutzung von Biomassen, aber auch an die Windenergie und die Fotovol

taik bis hin zur Geothermik. Durch die Nutzung dieser heimischen Energieträger kann Sachsen erheblich dazu beitragen, dass sich die Importabhängigkeit Deutschlands im Energiebereich in vertretbaren Grenzen hält.

Zweitens. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, die Energieeffizienz bei der Herstellung und Anwendung deutlich zu erhöhen. Dies bedeutet praktisch: Energieeinsatz durch technisches Know-how ersetzen.

Drittens. Die sächsische Braunkohle wird aus mittlerer Sicht einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung im Freistaat Sachsen und in Deutschland leisten. Energiewirtschaft und Braunkohlebergbau sichern so Arbeitsplätze und Wertschöpfung – gerade auch in strukturschwächeren Regionen. Ich denke dabei auch an die überdurchschnittlich hohe Ausbildungsquote dieser Unternehmen in doch recht attraktiven Berufen für unsere jungen Menschen.

Viertens muss Sachsen seine bereits starke Stellung im Bereich Energieforschung und -entwicklung weiter ausbauen und den Maschinen- und Anlagenbau im innovativen Energiebereich stärken. Herr Weichert, es ist überhaupt nicht so, dass wir nicht wüssten, welche Potenziale wir bei der Energieforschung haben, sondern man muss genau schauen, wo man die Abgrenzung trifft: Was ist Energieforschung und was ist allgemeine Forschung? Wie gesagt, wir kennen die Potenziale und wir wollen sie nutzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es trifft alle Bereiche: vom Automobilbau – hier insbesondere dem Motorenbau – über die Fotovoltaik und die Anlagenherstellung bis hin zu neuen Kraftwerkstechnologien, die unser besonderes Augenmerk finden sollten. Ich meine, wenn wir auf diesen Gebieten weiter vorankommen, wird es uns auch gelingen, die sichere Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit bezahlbarer Energie zu gewährleisten.

Genau um diese Verbindung von Energiesicherheit und -bezahlbarkeit geht es in dieser Debatte, und da die sichere und bezahlbare Energie eine wesentliche Bedingung für die Entwicklung des gesamten Wirtschaftsstandortes ist, gehe ich davon aus, dass energiepolitische Fragen auf der Tagesordnung fast jeder Landtagssitzung stehen werden. Insofern betrachte ich meinen Beitrag als eine erneute Berichterstattung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit unserer letzten energiepolitischen Debatte am 25. Januar ist eine ganze Reihe von Anträgen und Kleinen Anfragen zu einem breiten Spektrum von Energiethemen gestellt und größtenteils bereits durch die Staatsregierung beantwortet worden. Dies betrifft auch den hier in Rede stehenden Antrag der Linksfraktion.PDS. Ich meine, zur letzten Debatte gibt es nichts zu ergänzen.

Im Koalitionsantrag von CDU und SPD „Anstieg der Strompreise stoppen“ wird jene Problematik angesprochen, wonach die Kraftwerksbetreiber die kostenlos zugeteilten Emissionszertifikate in die Großhandelspreise

eingepreist haben. Dies erhöht die Strompreise und steigert die Gewinne der Stromunternehmen. Das kann in der Tat nicht so hingenommen werden. Insofern begrüße ich, dass das zuständige Bundeskartellamt in dieser Angelegenheit zwischenzeitlich gegen die beiden größten Stromerzeuger ermittelt.

Weiterhin ist zu erwarten, dass die Bundesregierung in Kürze den Entwurf des nationalen Allokationsplanes für die Periode von 2007 bis 2012 vorlegt. Ich halte es für notwendig, ein Einpreisungsverbot der kostenlos zugeteilten Zertifikate durchzusetzen, und zwar auf rechtlichem und damit einklagbarem Wege. Das ist ein Weg, den offensichtlichen Missbrauch zulasten der Energieverbraucher zukünftig zu verhindern.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Zu einem zweiten Problem. Im Januar hatte ich bereits über die erneute flächendeckende, stichtagsbezogene Gaspreisprüfung durch die Landeskartellbehörde vom November 2005 berichtet. Gegen sieben Unternehmen war ein Verfahren wegen des Verdachts auf missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung eingeleitet worden. Davon sind zwischenzeitlich fünf Verfahren eingestellt worden. In drei Fällen konnten Unternehmen nachweisen, dass kein Missbrauch vorliegt. Lediglich der Anstieg der Bezugskosten ist in diesen Fällen weitergeleitet worden. In zwei Fällen mussten die betroffenen Unternehmen ihre Gaspreise rückwirkend zum 1. Januar senken.

Die Landeskartellbehörde wird auch weiterhin ihre rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen. So wird überwacht werden, dass die Versorger die im Sommer absehbare Verringerung der Großhandelsgaspreise durch Preissenkungen auch tatsächlich an die Gaskunden weitergeben, und so sollten wir gemeinsam wachsam sein.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Frau Dr. Runge, ich habe Ihnen sehr genau zugehört, als Sie mich auf die DREWAG angesprochen haben. Meine erste Reaktion, als ich von der DREWAG hörte, zum 1. April wird erneut erhöht, nachdem man bereits zum 1. Januar erhöht hatte: Ich war richtig wütend. Ich habe mich erkundigt. Es ist aber tatsächlich so. Wir können natürlich nicht den Preis prüfen, sondern wir können nur die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung prüfen. Eines steht jedoch fest: Die DREWAG hat zweifellos zweimal höhere Bezugskosten weitergeleitet.

Nun wollen wir doch alle gemeinsam einmal schauen, weil die Preisgestaltung – im Gegensatz zum Ölpreis – beim Gas nachlaufend ist; also zwei bis drei Quartale abgewartet werden müssen, ob sich das, was sich auf dem Ölmarkt als Tendenz abgezeichnet hat – obwohl ich bei den aktuellen Preisen sehr vorsichtig bin –, tatsächlich auch in verringerten Bezugspreisen beim Gas niederschlägt. Wenn dem so ist, meine sehr verehrten Damen

und Herren, sollten wir gemeinsam diese Unternehmen an den Pranger stellen, wenn sie zwar auf der einen Seite mit der Begründung höherer Bezugskosten die Preise erhöhen, auf der anderen Seite aber nicht gewillt sind, Preissenkungen an die Kunden weiterzugeben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Abg. Dr. Monika Runge und Rico Gebhardt, Linksfraktion.PDS)

Weiterhin ist das am 25. Januar 2006 in der Landtagsdebatte angekündigte Gutachten zu den Ursachen der Gaspreisdisparitäten zwischen Ost- und Westdeutschland gemeinsam mit Brandenburg in Auftrag gegeben worden. Die Auswertungen werden bis Juni dieses Jahres dauern. Davon erwarte ich mir Ansatzpunkte für weitere Schritte im Interesse von mehr Wettbewerb auf dem sächsischen Gasmarkt mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preisgestaltung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Abschluss des Antragsverfahrens für die EWAG Kamenz zum 1. April sind nun alle 33 Anträge auf Genehmigung von Strompreisen für die Grundversorgung entschieden worden. Die beantragten und die genehmigten Preise werden, wie bisher, auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums bekannt gegeben, und ich möchte ausdrücklich sagen: Auch im Fall Kamenz hat man den Ursprungsantrag so nicht genehmigt, sondern mit Preisabschlägen.

Unser jüngstes Instrument zur Energiepreiskontrolle ist bekanntlich seit Sommer vergangenen Jahres die Landesregulierungsbehörde. Diese ist seit Mitte November 2005 als Referat im Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet. Sie ist zuständig für die Verteilnetzbetreiber im Strom- und Gasbereich, die weniger als 100 000 Kunden und ihr jeweiliges Netz ausschließlich im Freistaat Sachsen haben.

Vordringlichste Aufgabe ist gegenwärtig die Genehmigung der Netzentgelte von 30 Strom- und 35 Gasnetzbetreibern. Eine Genehmigung wird nur erteilt, wenn die Kalkulation den gesetzlichen Vorschriften entspricht und die Entgelthöhe vergleichbar zu anderen Netzbetreibern ist. Ansonsten werden die Entgelte gekürzt.

Ich kann berichten, dass in den vergangenen Wochen alle Stromnetzbetreiber angehört worden sind. In vielen Fällen müssen die Netzbetreiber noch Unterlagen nachreichen. Erste – ich betone: erste – Entscheidungen über die Stromnetzentgelte sind zum 1. Mai 2006 und über die Gasnetzentgelte zum 1. August 2006 zu erwarten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir benötigen eine nachhaltige Entwicklung, so, wie sich die EU-Kommission im kürzlich vorgelegten Grünbuch für eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie artikuliert. Eine europäische Wettbewerbsstrategie bedeutet ganz klar auch: Die vier großen deutschen Stromversorgungsunternehmen müssen sich auf einen stärkeren Wettbewerb einstellen. Solche Monopolstrukturen behindern den Wettbewerb und tragen so zu steigenden Preisen bei. Gestern hat dazu die EU

Kommission deutliche Worte gefunden und Deutschland – neben vielen anderen EU-Staaten – zu Recht gerügt. Angesichts einer Weltenergiesituation, die langfristig von zunehmender Energieknappheit bestimmt ist, brauchen wir international abgestimmte Regelungen. Auch diese europapolitischen Aspekte der Energiepolitik werden in die geplante Aktualisierung des sächsischen Energieprogramms einfließen, und ich sehe es durchaus so, Kollege Weichert – ich weiß nicht, wo er jetzt geblieben ist –, dass wir natürlich auch dieses Konzept breit diskutieren werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Ich rufe nun das Schlusswort auf, oder wollen Sie noch zur Diskussion sprechen? – Bitte, Herr Morlok, selbstverständlich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich kurz zu Wort melden, weil Kollege Weichert die nach seinen Worten unverschämten, unanständigen Eigenkapitalrenditen der großen Konzerne kritisiert hat. Was ist denn nach Ihrer Meinung, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine angemessene Eigenkapitalrendite für ein Unternehmen, das sich zu 100 % im Staatsbesitz befindet?

Ich habe einmal nachgefragt, wie hoch die Eigenkapitalrendite der Stadtwerke Leipzig ist. Sie beträgt 20,4 %.

(Kristin Schütz, FDP: Hört, hört!)

Kolleginnen und Kollegen, Herr Weichert ist wie ich Mitglied im Stadtrat zu Leipzig. Ich finde es unanständig, wenn man als Stadtrat in Leipzig für eine Eigenkapitalrendite von 20,4 % mitverantwortlich ist, die Eigenkapitalrenditen anderer Unternehmen in der gleichen Höhe aber als unanständig bezeichnet.

(Beifall bei der FDP)

Ich rufe jetzt das Schlusswort auf. Von wem wird es gehalten? – Herr Abg. Lehmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum Energiedebatte? Ich bin mir sicher, dass wir über Energie sprechen müssen, weil uns die Vertreter der sächsischen Wirtschaft bei jedem Treffen, bei jedem parlamentarischen Abend fragen: Was tut ihr, um den von uns gefühlten Standortnachteil aufgrund der Energiekosten mit euren Mitteln zumindest in unserem Sinne zu beeinflussen? – Da das ein komplexes Thema ist, müssen wir Antworten geben, die keine eindimensionalen und durch die Staatsregierung zu erzielenden Lösungen aufzeigen, sondern wir müssen sagen, wer alles mit im Boot sitzen muss, was alles beachtet werden muss, damit am Ende im Interesse der Wirtschaft etwas Gescheites herauskommt.

Dabei sind, denke ich, alle konstruktiven Vorschläge willkommen. Natürlich werden nicht alle Vorschläge

aufgenommen werden können, aber wir müssen versuchen, das zu leisten, was uns im internationalen Kontext als Deutschland, als Sachsen voranbringt. Ich denke, das ist den Schweiß der Edlen wert.

Ich habe wirklich den Eindruck, dass wir knapp vor einer Weichenstellung mit beachtlicher Konsequenz stehen. Die ersten Zeichen dafür sind die europäischen Befassungen mit diesem Thema – es war ja lange Ruhe an dieser Stelle – und unser nationaler Energiegipfel. Wir sollten unsere Stimme in diesem Konzert nicht zu gering schätzen und deswegen das sagen, was unserer Meinung nach richtig ist.

Frau Dr. Runge, es wird niemals gegen die Konzerne gehen. Wenn wir etwas erreichen wollen, wird das angesichts der Volumina, um die es geht, immer nur mit den Konzernen zusammen gehen. Es muss uns gelingen, an dieser Stelle politisch einen fairen Ausgleich zu finden. Ich denke, daran sollten wir arbeiten.

Herr Morlok, selbstverständlich wäre es ein Erfolg, wenn wir erreichten, dass die Preise wenigstens schwächer stiegen. Sie werden real nicht sinken. Das sehe ich auch so. Schon ein schwächeres Ansteigen wäre ein Erfolg.

Wir müssen die Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisieren. Wir müssen sagen, was möglich ist und was nicht funktionieren kann. Ich hatte eigentlich vor, Ihnen heute hier eine Physikstunde zu halten, mit Wirkungsgraden und diesen Dingen. Ich habe es dann weggelassen, weil das vielleicht für das Haus nicht angemessen ist.