Von daher haben wir bereits sehr viele Weichen gestellt. Diese reichen nicht aus, sodass wir unsere Kraft darauf konzentrieren müssen, das Gesundheitssystem auf gesunde Füße zu stellen. Es ist zu kurz gesprungen, hier einfach zu sagen, wir müssen den Ärzten nachgeben, dass sie mehr Honorar erhalten, und vielleicht in diese Richtung gehen – das wäre nur herumoperiert. Wir brauchen vom Grundsatz her eine Stabilität des Systems und müssen den Menschen offenbaren, dass das das eine oder andere, auch an lieb gewonnenen Dingen vielleicht nicht mehr möglich ist oder zusätzlich versichert werden muss – auch wenn dies nicht schön ist.
Wir sollten uns hier gemeinsam damit auseinander setzen, wie wir welche Dinge weiter befördern wollen, und zwar nach Berlin. Berlin ist nämlich die richtige Adresse und nicht der Sächsische Landtag.
Möchte die SPDFraktion noch einmal sprechen? – Das ist nicht der Fall. NPD-Fraktion? – Herr Dr. Müller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Kleinigkeiten zu bestimmten Problemen in der medizinischen Versorgung anbringen. Zum einen zur Finanzierung niedergelassener Ärzte. Dazu kursieren sicher die tollsten Gerüchte. Seit 1990 die modernen bundesdeutschen Strukturen aufgebaut wurden, gibt es einen einheitlichen Bewertungsmaßstab, wonach die ärztliche Leistung vergütet wird. Das ist das, was die Ärzte am Ende abrechnen. Im Moment ist zumindest im hausärztlichen Bereich der größte Punkt dabei die Ordinationsgebühr.
Ansonsten ist es so, dass die Praxen ein Praxisbudget haben, das gedeckelt ist, über das man nicht hinausgehen kann. Wenn das Budget erschöpft ist, wird man es – wie beispielsweise auch jedem Handwerker – auch einem Arzt nicht übel nehmen, wenn er sagt, ich mache jetzt nur das, was unausweichlich notwendig ist, und das andere verschiebe ich dorthin, wo es entsprechend der Leistung bezahlt wird. Das ist gerade in einem wirtschaftlich orientierten System, wie wir es haben, das Normalste der Welt.
Es ist mir nicht bekannt, dass auch nur ein Arzt in Sachsen gesagt hätte, ich behandle jemanden nicht, der es medizinisch dringend notwendig hatte. Aber dass man bestimmte Dinge zu schieben versucht, ist unter den Bedingungen, die derzeit herrschen, legitim.
Frau Kollegin Nicolaus, eine Sache noch, und zwar zu den Verträgen zwischen Kassen und Ärzten: Ich stehe dem persönlich ablehnend gegenüber, weil die Kassenärztliche Vereinigung einen Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung hat.
Das hoffe ich nicht, Frau Kollegin Nicolaus, dass das bald Geschichte sein wird, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Der einzelne Arzt ist gegenüber Krankenkassen ein ganz schwacher Verhandlungspartner.
Genau das hat in den zwanziger Jahren dazu geführt, dass sich die Ärzte zur Kassenärztlichen Vereinigung zusammengeschlossen haben. Ansonsten ist der einzelne Arzt gegenüber den Kassen nur noch Spielball. Wenn dieser Sicherstellungsauftrag immer weiter aufgeweicht und vielleicht Geschichte wird, dann wird es für die Versorgung der Menschen noch viel schlechter gestellt sein, als es jetzt der Fall ist.
Ich war auch nur zu einer Vorsorgeuntersuchung. Man soll ab und zu einen Gesundheitscheck machen. Das ging aber nicht so schnell, ich musste allein dreimal dorthin, nur um einen Termin zu bekommen. Ich weiß nicht, ob es wirklich nur ein einzelnes Beispiel war, Frau Orosz. Ich kenne in Dresden noch andere Praxen, in denen ähnliche Zustände herrschen. Ein absoluter Einzelfall ist es mit Sicherheit nicht. Ansonsten kenne ich als leidenschaftlicher Motorradfahrer leider auch Krankenhäuser von innen, 18 Wochen seit der Wende. Deswegen kenne ich mich dort aus. Im Krankenhausbereich ist eine Menge getan worden, ich weiß aber auch, unter welchem Druck die Ärztinnen und Ärzte dort stehen und welche Last sie mit Bereitschaftsdiensten und Überstunden zu tragen haben.
Wir hatten es vorhin schon gesagt: Ein Lkw-Fahrer muss nach neun Stunden das Lenkrad aus der Hand geben, ein Arzt operiert dann noch frisch und fröhlich weiter. Ich hätte als Patient schon ein wenig Angst, wenn ich an einen Arzt gerate, der unter Umständen
nicht mehr so ganz fit ist. Wenn er einen Fehler macht, ist das etwas anderes als in anderen Berufen, weil dieser Fehler für immer seine und meine Lebensqualität ganz erheblich einschränken kann. Ich habe selbst eine kleine Firma und weiß die Wichtigkeit der Arbeit dort einzuschätzen. Trotzdem sehe ich einen Unterschied in der Bedeutung meiner Arbeit und der Arbeit, die zum Beispiel Ärzte und Ärztinnen in diesem Land erbringen. Das ist eine höherwertige Arbeit, die anders zu beurteilen ist. Die muss anders bezahlt werden als die Arbeit beispielsweise bei VW in Wolfsburg. Der Arbeiter in Wolfsburg kommt auf einen Stundenlohn netto von 12,40 Euro – Herr Brangs kann es vielleicht bestätigen –, ein Arzt kommt auf 10,20 Euro. Da sehe ich ein gewisses Missverhältnis, wenn ich den Wert der Arbeit einschätze. Es tut mir Leid, zumindest mir geht es so.
Sie haben es selbst angesprochen, ich halte es für ein größeres Problem, wenn wir immer mehr Ärzte ins Ausland verlieren. Immer mehr Ärzte sehen ihre Zukunft in Skandinavien oder jetzt auch in Großbritannien und wollen nicht mehr hier bleiben. Wir haben die Ärzte teuer ausgebildet. Die Ausbildung in Deutschland ist erstklassig. Das ist so, sie ist anerkannt. Deswegen werden die Ärzte anderswo gern genommen und man zahlt ihnen ein anderes Gehalt als hier in Deutschland. Im Moment sind wohl 6 300 deutsche Ärzte im Ausland beschäftigt. In Ostdeutschland haben wir einen Hausarzt- und Facharztmangel. Reichlich 800 Stellen sind unbesetzt. Ich habe gelesen, in Elsterberg, einer Stadt mit 5 000 Einwohnern, geht man in spätestens fünf Jahren davon aus, dass es dort keinen Allgemeinen Arzt mehr gibt, weil wir im ländlichen Bereich inzwischen tatsächlich Probleme mit der ärztlichen Grundversorgung haben. Das hat auch etwas mit Familienpolitik zu tun. Das ist von den GRÜNEN schon ganz gut angesprochen worden.
Zum Schluss will ich sagen, vor über 100 Jahren war Deutschland das Land, welches für medizinischen Fortschritt stand. Man wusste, wir sind ganz vorn in der Forschung und auch bei der Behandlung. Aus meiner Sicht müssen wir alles dafür tun, damit wir die Ärzte hier im Land behalten, damit wir erstens unsere eigene Versorgung wieder gut in den Griff bekommen und zweitens noch Patienten ins Land locken. Ich will hier in Deutschland die ganze Welt behandeln, für gutes Geld! Für gutes Geld! Es gibt innovative Modelle – das kennen wir auch in Sachsen –, bei denen man über Patientenimporte spricht. Der etwas wohlhabendere Weißrusse oder Ukrainer kann sich bei uns für gutes Geld behandeln lassen. Das ist ein Wirtschaftsfaktor. Darüber möchte ich gern sprechen. Das kann die
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen der Fraktion bedanke ich mich zunächst für die Debatte. Was hat sie uns gezeigt? Krankenhausärzte und -schwestern, vor allem in chirurgischen Abteilungen, sind wohl die letzten Arbeitnehmer, denen man noch 24-Stunden-Schichten zumutet. Niedergelassene Ärzte arbeiten für ein abstruses Punktesystem, das von einer wohltätigen Hyperbürokratie in Euro umgezaubert wird.
Herr Gerlach, wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, aus den Protesten und Streiks des medizinischen Personals wird mindestens deutlich, dass es unmöglich ist, gute Arbeit, gute Medizin, Lehre und Forschung für immer weniger Geld haben zu wollen.
Jawohl, Frau Herrmann, Sie haben völlig Recht, das Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland steckt in einer Krise. Es ist krank. Es sind nicht nur die Patienten mit den Zuzahlungen und Leistungskürzungen betroffen, sondern auch die Leistungserbringer, wie eben Ärzte.
Herr Dr. Pellmann hat es angesprochen: Gesundheit ist keine Ware und es darf nicht sein, dass an das Gesundheitswesen weder ausschließlich noch zuerst betriebswirtschaftliche Maßstäbe anzulegen sind. Was wir brauchen, ist doch weniger eine Debatte darüber, wie wir rechtfertigen können, dass wir notwendige Leistungen nicht mehr finanzieren können, Frau Nicolaus, sondern wir brauchen eine mutige Debatte darüber, wie wir den Sozialstaat so umbauen können, dass nicht mehr allein der Faktor Arbeit mit den Kosten dafür belegt wird. Wir kennen es aus den Medien, die von der Bundeskanzlerin angekündigte, längst überfällige Gesundheitsreform wird zurzeit hinter verschlossenen Türen beraten.
Frau Nicolaus, wir haben konkrete Vorstellungen und unsere Erwartungen an ein modernes Gesundheitssystem sind klar. Einige wenige möchte ich nennen. Vor allem im Einnahmebereich muss es uns gelingen, bei Beibehaltung des paritätischen Finanzierungssystems, so wie es Frau Lauterbach gesagt hat, auch mit der solidarischen Bürgerversicherung die Situation deutlich zu verbessern. Nur, wer sind die Versicherten? Da mogeln sich doch einige heraus, nämlich alle die, die am gesetzlichen Krankenversicherungssystem nicht
teilnehmen. Wir meinen, es sollten alle in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen. Die Beitragsbemessungsgrenze muss neu definiert werden. Eigentlich muss sie weg. Im Beitragssystem sind weitere Einkommensarten zu berücksichtigen. Im Ausgabenbereich erwarten wir unter anderem, dass die Eintrittsgebühr für die Arztbesuche ebenso abgeschafft wird wie die Zuzahlung für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Die Krankenkassen gehören deutlich reduziert, denn sie tragen nicht zu einem Wettbewerb in diesem System bei.
Wir brauchen auch mehr Sicherheit für die Leistungserbringer selbst. Statt Budgetierung brauchen wir eine vereinbarte Honorarvergütung. Wir brauchen weniger Bürokratie. Es sollten gezielte Maßnahmen zur Abwendung des sich anbahnenden Ärztenotstandes und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals in den Krankenhäusern ergriffen werden. Vor allem sollten die Leistungen vollständig vergütet werden und nicht irgendwo gekappt sein. Funktionieren kann das alles nur, wenn die Politik solche Rahmenbedingungen schafft, dass genügend Beschäftigung vorhanden ist. Wir haben es in diesem Hause schon besprochen: Arbeitslosigkeit macht krank. Wir brauchen also mehr Beschäftigung und genügend Menschen, die nicht nur ein existenzsicherndes Einkommen haben, sondern dieses Krankenversicherungssystem mit finanzieren können.
Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte hat keine Lösungen bringen können. Das wurde sicher auch nicht erwartet. Aber vielleicht trägt die Debatte dazu bei, dass es nicht zu einer weiteren Flickschusterei kommt, dass wir die Aufgaben, die sich daraus ergeben, zur Chefsache machen. Bringen Sie sich in die Bundestagsdebatte ein. Wer ist dort Koalition? Sie haben die Chance dafür. Vor allen Dingen, setzen Sie sich alle mit dafür ein, dass der Notstand beseitigt wird und die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Krankenhäusern besser werden.
Das waren die angekündigten Redner aus den Fraktionen. Ich frage die Staatsregierung, ob sie reden möchte? – Frau Staatsministerin Orosz, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass es eine unterschiedliche Betrachtungsweise, vielleicht auch unterschiedliche Erlebnisse mit dem Gesundheitssystem in Deutschland gibt.
Wir haben ja in diesem Hohen Haus schon mehrfach zu diesem Thema gesprochen. Ich verweise darauf, dass auch die Staatsregierung die Auffassung teilt, dass unser Gesundheitssystem reformiert gilt. Ich teile auch die Auffassung, dass vor allen Dingen die Finanzierung des Systems reguliert werden muss. Ich denke, dass das die Politik erkannt hat, ist deutlich geworden, da man sich derzeit in Berlin in der Koalitionsregierung genau die Finanzierung des Systems als Erstes vornimmt und über diese spricht.
Herr Wehner, ich halte es auch für legitim, dass man solche wichtigen Gespräche nicht auf dem Marktplatz, sondern hinter verschlossenen Türen führt. Wir haben erst heute in der Debatte erlebt: Es werden viele Informationen kolportiert, nicht alle entsprechen der Realität und wir neigen immer wieder dazu, viel Gutes schlechtzureden. Wir haben es erst heute in der Aktuellen Debatte bezüglich der Flut gehört.
Herr Zastrow, ich bin schon etwas enttäuscht, dass gerade Sie, der Sie ja die Unternehmerschaft vertreten und auch die Bemühungen der Unternehmerschaft immer wieder deutlich hervorheben, hier solche negativen Aussagen treffen. Ich sage dann gleich noch etwas zu Ihrem Beispiel.
Es ist also in der Tat so: Das Gesundheitssystem gilt reformiert. Wir sollten in einer gewissen Weise Gelassenheit zeigen, was die ersten Verhandlungen in Berlin betrifft. Ich darf Ihnen an dieser Stelle auch sagen, dass natürlich die Länder diesen Prozess mit begleiten. Ich werde also heute eher das Haus verlassen, weil wir uns sowohl heute als auch morgen in dieser Frage untereinander verständigen. Wir werden Vorschläge an die Bundesregierung richten, denn wir Länder – so wie Sie es heute mehrfach angesprochen hatten – sind natürlich auch im Rahmen der Daseinsfürsorge in dem System mit Verantwortung ausgestattet. Wir werden diese Verantwortung – das sage ich hier sehr deutlich – auch in diesem Prozess wahrnehmen.
Aber noch etwas zum Antragsteller: Es ging hier um die Proteste der Ärzteschaft in den letzten Wochen und Monaten. In der Tat ist es so, dass bei diesen Protesten gerade die Stellen deutlich markiert worden sind, die uns allen Sorgen machen. Ich glaube, wir können hier in Sachsen sehr deutlich sagen, dass wir uns frühzeitig auf diese Situation vorbereitet haben. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass wir uns bereits vor drei Jahren durch einen Kabinettsbeschluss mit der medizinischen Versorgung in Sachsen befasst haben. Ich behaupte, auch an dieser Stelle sagen zu können, dass es uns gelungen ist. Das, was in den Kräften und in den Möglichkeiten der Landesregierung und aller am System Beteiligten steht, haben wir in Sachsen getan und auch versucht, einiges auf den Weg zu bringen.