Protokoll der Sitzung vom 07.04.2006

(Beifall bei der FDP)

Eines steht aber fest – ich habe den Eindruck, wir sind uns darüber, abgesehen von der NPD-Fraktion, auch einig –, dass der durchgeführte Polizeieinsatz die für die Abschiebung eines Kindes notwendige Sensibilität vermissen ließ. Auch wenn die Angaben über den Ablauf des Polizeieinsatzes unterschiedlich ausfallen, so steht doch fest, dass ein Kind, das einen behüteten, wunderschönen Tag in der Kindertagesstätte verbringen sollte, etwas erlebt hat, was es so schnell nicht wieder vergessen wird. Auch die Verängstigung der anderen Kinder wird an die Erzieherinnen eine Herausforderung zur Bewältigung dieses Tages stellen. Ich ziehe den Hut und bedanke mich schon jetzt bei diesen professionell arbeitenden Erzieherinnen. Ich würde mir, ganz gleich, wie das Ermittlungs

verfahren gegen die beteiligten Polizisten ausgehen wird, zumindest Worte des Bedauerns wünschen.

Leider schließt auch dieser Polizeieinsatz an eine Kette missglückter oder gar rechtswidriger Einsätze an. Darüber wurde auch im Landtag schon debattiert. Ich erwarte einfach, dass die Polizeiführung den Mumm hat zuzugeben, dass nicht alles einsatzplanerisch gelaufen ist, und dass man sich zumindest entschuldigt. Der Verweis auf eine juristische Klärung durch die Staatsanwaltschaft schließt die Prüfung im eigenen Haus, ob das Vorgehen rechtmäßig war oder nicht, nicht aus. Ich gewinne leider den Eindruck, dass sich das Ministerium des Innern, immer, wenn es brenzlig wird, hinter staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen versteckt.

Ich bin aber auch der Überzeugung, dass wir die handelnden Polizisten nicht an den Pranger stellen sollten. Abschiebungen sind auch für die Polizisten keine leichte Aufgabe, schon gar nicht, wenn Kinder im Spiel sind. Wenn ich die Sparvorschläge der Staatsregierung für die Polizei lese, dann tun mir die Polizisten Leid, die diesem ständig wachsenden Druck ausgesetzt sind.

Wir Liberale werden beide Anträge ablehnen. Die GRÜNEN fordern, für die Mutter des Kindes einen legalen Aufenthalt zu schaffen. Sosehr wir uns beim Abschiebestopp von afghanischen Flüchtlingen einig sind, so uneinig sind wir uns in diesem Fall. Welches Signal senden wir denn an die Öffentlichkeit, wenn diesem Antrag stattgegeben würde? Widersetzt euch der Abschiebung und ihr bekommt einen legalen Aufenthalt?! Ich denke, dass ein solches Verfahren unfair gegenüber vielen anderen Flüchtlingen wäre, die keinen Aufenthaltstitel erhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Linksfraktion spricht in ihrem Antrag von offenkundig rechtswidrigem Handeln. Das können wir so nicht unterschreiben. Auch die Vermittlung der Erstreckung elementarer Grundrechte auf Ausländerinnen und Ausländer im Zuge der polizeilichen Aus- und Fortbildung halte ich für nicht notwendig, da ich überzeugt bin, dass unsere sächsischen Polizisten selbstverständlich wissen, dass die Grundrechte für jedermann gelten, auch wenn einige das in diesem Fall nicht ausreichend beachtet haben.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS)

Dem Änderungsantrag, den die CDU hier als Ersatzantrag gestellt hat, werden wir hingegen zustimmen. Wenn ich Ihren Punkt 2 lese, wird doch Ihr Eingeständnis von Versäumnissen herauszulesen sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der fraktionslose Abg. Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Prekär wird ein Thema immer dann für uns, wenn es sich um den Umgang mit Ausländern handelt. Einfacher finden wir zu einer Beurteilung, wenn es um den Umgang mit Kindern im sprichwörtlichen Sinne geht. Hier macht es offenbar auch keinen Unterschied, ob es sich um ein deutsches oder ausländisches Kind handelt.

Dieser dreijährige angolanische Junge ist einer von vielen ausländischen Kindern, die entweder mit ihren Eltern nach Deutschland kamen oder erst hier in Deutschland geboren wurden. Kinder kann und sollte man nicht für die Umstände verantwortlich machen, für die sich ihre Eltern entschieden haben. Da ist nach meiner Meinung der Zugriff durch die Polizei auf das Kind, um es als verlängerten Hebel nutzen zu wollen, nicht zu tolerieren. Die näheren Tatbestände, die die Polizei zum bekannten Zeitpunkt zur Abschiebung der betreffenden angolanischen Familie veranlasst hatten, sind mir allerdings nicht bekannt.

Wenn die Mutter mit ihrem dreijährigen Kind seit dem Vorfall untergetaucht ist, muss dies nicht nur aus Angst vor einem nochmaligen Zugriff auf ihr Kind geschehen sein. Jedenfalls kann man sagen, dass diese Abschiebepraxis nicht zum alltäglichen Dienstbild der Polizei gehört.

Dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann ich nicht zustimmen, da ich der Auffassung bin, dass man erst etwas fordern kann, wenn alle Umstände geklärt sind. Da stimme ich schon eher mit der Forderung der Linksfraktion.PDS überein, die eine detaillierte Klärung der Vorfälle wünscht. Deswegen stimme ich dem Antrag der Linksfraktion zu.

Jetzt erhält Frau de Haas in ihrer Eigenschaft als Ausländerbeauftragte das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ereignisse, über die gesprochen wird, liegen inzwischen einen Monat zurück, haben aber ihre Aktualität nicht verloren.

Die versuchte und letztlich gescheiterte Abschiebung dieser 31-jährigen Frau und ihres Kindes ist schon oft geschildert worden und ich habe an Tatsachen nichts hinzuzufügen.

Auch meine Stellungnahme zu den Ereignissen kennen Sie. Ich halte es nach wie vor für außerordentlich fragwürdig, dass es in unserem Land möglich sein soll, ein Kleinkind durch polizeiliche Einsatzkräfte ohne Begleitung durch seine Mutter aus einer Kindertagesstätte zu holen, um so die Abschiebung zu erzwingen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Was die rechtliche Bewertung anbelangt, halte ich mich mangels hinreichend gesicherter Tatsachengrundlagen

noch zurück. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und es gibt interne dienstliche Untersuchungen. Dies begrüße ich ausdrücklich und betone, dass dies Ausweis eines funktionierenden Rechtsstaates ist.

Nun gehören Abschiebungen zum Vollzug unseres Ausländerrechts, wie sie auch in anderen Ländern stets stattfinden. Ob nun Abschiebemaßnahmen in konkreten Einzelfällen sinnvoll und notwendig sind und ob einige der ihnen zugrunde liegenden ausländerrechtlichen Konzeptionen noch zeitgemäß sind, muss im Hinblick auf sich verändernde gesellschaftliche Herausforderungen einer kritischen Überprüfung unterzogen werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Daran arbeite ich als Sächsische Ausländerbeauftragte. Aber das kann heute nicht das Thema sein. Unser Thema ist heute das menschliche Miteinander. Unser Thema ist, wie wir in schwierigen Situationen, die anlässlich polizeilicher Abschiebemaßnahmen unvermeidlich sind, so miteinander umgehen, dass Würde, Persönlichkeit und Gesundheit aller Beteiligten geachtet und geschützt bleiben.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Hier tragen der Staat und seine Organe eine besondere Verantwortung und hier müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.

Ich habe schon deutlich gemacht: Abschiebungen sind tägliche ausländerrechtliche Maßnahmen. Im letzten Jahr sind sachsenweit 1 600 Menschen in ihre Herkunftsländer abgeschoben worden. Dabei sind Abschiebemaßnahmen hochsensiblen Charakters und wirken schwer auf die Betroffenen. Umso mehr bedarf es eines behutsamen und feinfühligen Umgangs. Gerade wenn Kinder von Abschiebemaßnahmen betroffen sind, ist es schlicht das Gebot menschlicher Vernunft, Rücksicht walten zu lassen und im Zweifel gegebenenfalls das Interesse an einem schnellen Vollzug der Abschiebung hinter dem Kindeswohl zurückstehen zu lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Sicherlich stehen unsere Polizeibeamten in schwierigen Situationen unter Druck. Fehler und Fehlverhalten lassen sich nicht immer von vornherein gänzlich ausschließen. Wir müssen sie aber minimieren, und das im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Es ist meines Erachtens unabdingbar, dass künftig spezifisch geschultes Personal für Abschiebungen eingesetzt wird und gegebenenfalls in den hochsensiblen Bereichen auch Personen, die nicht der Polizei angehören, die Abzuschiebenden begleiten.

Meine Damen und Herren! Was im letzten Monat geschehen ist, ist leider geschehen. Aber ich fordere uns alle auf, dies zum Anlass zu nehmen, gemeinsam wirksame institutionelle Vorkehrungen zu treffen, damit es in Zukunft nicht mehr geschehen kann, dass mit Menschen

auf diese Art und Weise umgegangen wird. Ich jedenfalls werde alles mir Mögliche dazu tun, damit dies nicht wieder passiert.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Danke schön. Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Es ist weiterer Aussprachebedarf angekündigt. Ich frage der Größe der Fraktionen nach: CDU? – Linksfraktion.PDS? – Frau Ernst.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist dem, was die Ausländerbeauftragte hier dargestellt hat, denke ich, nichts hinzuzufügen.

Aber ich muss wenigstens noch einen Punkt loswerden. Das Verhalten des Abg. Apfel ist wirklich so, ich sage einmal, dass es an die Grenzen des Erträglichen geht und sie sogar teilweise weit überschreitet. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich habe es satt, mir Ihre Hasstiraden gegenüber Ausländern anzuhören, Ihre Menschenverachtung, die Sie damit auch zum Ausdruck bringen. – Sie freuen sich jetzt, wenn man Ihnen das sagt.

Ich will Ihnen sagen, Sie haben sich in meinen Augen sowohl politisch als auch moralisch diskreditiert.

Es zeigt sich immer wieder, dass es ein großer Fehler war, dass Ihre Fraktion hier in diesem Raum sitzen darf.

(Widerspruch bei der NPD)

Ich hoffe doch sehr, dass viele Menschen, die ein solches Verhalten miterleben können, miterleben müssen, Sie beim nächsten Mal nicht wieder in das Vertrauen ziehen und Ihnen ein solches Glück bescheren.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD: Ich bin sicher, dass das nicht wieder passiert! – Holger Apfel, NPD: Bei Ihrer Politik?!)

Ich frage jetzt nicht mehr die einzelnen Fraktionen, sondern pauschal: Welche Sprecher der Fraktionen möchten noch ans Pult? – Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde nicht viel zur Erhellung beitragen können, weil ich …

(Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD: Das weiß ich!)

Herr Professor, der Pawlow’sche Reflex funktioniert noch bei Ihnen!

Nein, ich habe Fragen zu stellen. Ich habe wirklich in diesem Fall mehr Fragen als Antworten und ich hoffe, dass der Innenminister dann noch Stellung nehmen und die Fragen beantworten wird.

Folgende Fragen habe ich: Am 07.10.2002 ist der Asylantrag abgelehnt worden. Warum saß die Familie am 08.10.2002 nicht im Flugzeug?

(Beifall bei der NPD)