Protokoll der Sitzung vom 10.12.2004

Als Nächstes bitte ich die SPD-Fraktion; Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner

Argumentation zunächst klarstellen, was wir unter dem Begriff internationaler Terrorismus verstehen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sehr gut!)

Das tue ich, weil ich der Überzeugung bin, dass es im Verständnis dieses Begriffes durchaus unterschiedliche Ansichten gibt. Terroristen sind Personen, die in krimineller Weise Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele akzeptieren und anwenden bzw. anzuwenden bereit sind – wobei terroristische Netzwerke und Tätergruppen natürlich in unterschiedlichster Ausprägung und Form existieren. Der Fakt, dass Terroristen im 21. Jahrhundert global, also international, agieren, dürfte hier unstrittig sein. Damit wäre der Begriff aus meiner Sicht definiert.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass der internationale Terrorismus die Bundesrepublik Deutschland längst erreicht hat. All diejenigen, die es bisher nicht glauben oder zumindest nicht wahrhaben wollten, wurden spätestens am vergangenen Freitag mit dem geplanten Mordanschlag auf den irakischen Ministerpräsidenten in Berlin eines Besseren belehrt. Dieser Anschlag, meine Damen und Herren, konnte zum einen durch Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten, Verfassungsschutzbehörden und Ermittlungsbehörden und zum anderen dank der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen den Kriminalpolizeien von Bund und Ländern verhindert werden.

Ich freue mich ausdrücklich, dass sich unser neuer Innenminister für eine Stärkung der Befugnisse des Bundeskriminalamtes im Bereich der präventiven Terrorismusbekämpfung ausspricht, und ich stehe vollkommen auf dem gleichen Standpunkt, auch wenn wir beide im Moment noch eine Mindermeinung bilden.

(Leichte Heiterkeit)

Auch die Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh am 2. November dieses Jahres – Herr Bandmann hat es angesprochen – war ein terroristischer Anschlag; ein politisch motivierter Einzeltäter zwar, der aber damit rechnete, bei der Tatbegehung zu sterben und somit zum Märtyrer zu werden. Das ist auch Terrorismus, meine Damen und Herren.

Ich könnte zweifellos weitere Beispiele aufführen, aber das ist nicht Sinn und Zweck dieser Argumentation; außerdem ist die Redezeit für die kleinen Fraktionen begrenzt. Es steht hier ein gemeinsamer Antrag der CDUund der SPD-Fraktion zur Beratung und Sie wissen alle selbst aus der Medienberichterstattung, dass terroristische Anschläge auf dieser Welt leider an der Tagesordnung sind und kein Tag vergeht, an dem nicht Opfer zu beklagen wären.

Aber gerade die aktuellen Ereignisse, indem hier in Deutschland, quasi vor unserer Haustür, ein hochrangiger ausländischer Politiker ermordet werden sollte, zeigen, dass der internationale Terrorismus eben ein transnationales Phänomen ist und nicht vor Ländergrenzen Halt macht. Demgegenüber ist es mit der Zuständigkeit

der nationalen Ermittlungsbehörden eben an der Landesgrenze meist vorbei.

Was ich damit sagen will: Der Kampf gegen den Terrorismus gestaltet sich wegen seines globalen Charakters als äußerst schwierig. Was wir dennoch wirksam hier vor Ort in Sachsen leisten können, ist die präventive Terrorismusbekämpfung, also Maßnahmen zu treffen zum Schutz gefährdeter Objekte und Personen, Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Anschläge. Der Freistaat ist ja auch in diesem Bereich seit geraumer Zeit aktiv.

Denn über eines müssen wir uns im Klaren sein – Herr Bandmann hat es bereits angesprochen –: Die Bundesrepublik Deutschland ist mit den Ereignissen der letzten Woche endgültig vom terroristischen Ruheraum zum Aktionsraum geworden, und das ist die eigentlich schlimme Botschaft.

Neben der Prävention ist die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ein weiterer wichtiger Ansatz, um die Strukturen dieser kriminellen Netzwerke auszutrocknen. Die Bundesrepublik Deutschland liegt hier im Übrigen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in einer Spitzengruppe – das hat das Bundesfinanzministerium bestätigt.

Ich habe diese positiven Aspekte hier ausdrücklich hervorgehoben, weil nicht der Eindruck entstehen soll, dass dieser gemeinsame Antrag in irgendeiner Weise Kritik übt an den an der Terrorismusbekämpfung beteiligten Institutionen; das Gegenteil ist der Fall.

Ausgehend von diesen Überlegungen ist es Ziel dieses Antrages, dass der Sächsische Landtag umfassend und objektiv über die Gefährdungslage hinsichtlich terroristischer Aktivitäten im Freistaat Sachsen informiert wird. Mit dem Bericht der Staatsregierung, der darauf hoffentlich folgen wird, soll der Sächsische Landtag in die Lage versetzt werden, gegebenenfalls einen Evaluierungsprozess durchzuführen, an dessen Ende die Erkenntnis steht, dass die bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung insgesamt noch ausreichend sind – oder eben auch nicht – und damit mögliche Defizite erkannt und beseitigt werden können.

Ein weiterer Aspekt ist nicht zu vergessen: Die Öffentlichkeit, die sächsischen Bürgerinnen und Bürger werden durch diesen Bericht natürlich auch informiert und ich glaube, eingedenk der aktuellen Ereignisse sind wir es als Landtag der Bevölkerung schuldig, uns mit dem Problem des Terrorismus und seiner Verwurzelungen in Sachsen zu beschäftigen.

Lassen Sie mich abschließend noch zwei, drei Worte zur praktischen Seite sagen: Wir sind der Meinung, dass die hierin aufgeworfenen Fragen – ich will sie jetzt nicht noch einmal im Einzelnen darlegen – für eine umfassende und objektive Unterrichtung des Landtages durch die Staatsregierung ausreichend sind. Natürlich wird es Erkenntnisse geben, die dem Landtag auf diese Weise nicht zur Verfügung gestellt werden können, weil sie ganz einfach der Geheimhaltung unterliegen; das muss man in einem solchen sensiblen Bereich dann einfach in Kauf nehmen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das erfahren wir dann!)

Bleibt mir nur noch zu hoffen, dass Ihnen die Argumentationen die Wichtigkeit dieses Antrages noch einmal verdeutlichen konnten, und ich bitte Sie, Ihre Zustimmung zu geben.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abg. Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemeinhin sagt der Volksmund, dass Gottes Wege unerforschlich seien. Aus welchen Erwägungen sich die Prämissen schöpfen, die die neue CDU/SPD-Koalition ihrer Antragspolitik im Landtag zugrunde legt, ist nicht weniger mysteriös. In der Drucksache 4/0247 treiben Sie kurzerhand wieder einmal das Gespenst des Terrorismus durch Sachsen, ohne dass wir davon wüssten, dass demnächst Herr Karsai, Herr Allawi, Herr Juschtschenko oder irgendein anderer aus den Spannungsgebieten dieser Erde, den Sie zum „Guten“ erklärt haben, unser gastfreundliches Land bereist.

Das nämlich reicht bekanntermaßen allemal aus, um kurzerhand Verdachtsverhaftungen, Rasterfahndungen querfeldein und was denn sonst der Überwachungsstaat noch an Muskelspielen hergibt, zum Einsatz zu bringen; trefflich reflektiert von den gleichermaßen auf Terrorismuswacht stehenden einschlägigen Medien.

Herr Kollege Bräunig, Sie sind selbst Polizist, im Kosovo im Einsatz gewesen – kommen quasi, wenn ich das richtig verstehe, vom Dienst in den Landtag, was ich hoch schätze. Aber jetzt einmal auf den Punkt gebracht: Die Polizei wie die Juristerei ehrt immer der Grundsatz: im Zweifel zugunsten … Solange nichts bewiesen ist, kann ich im Landtag nur von der Faktenlage ausgehen, die überhaupt noch nirgendwo beim Gericht, geschweige denn auch nur von einem Ermittlungsrichter festgestellt ist.

Wo ist denn das bewiesen? Kollege Nehm, der Generalbundesanwalt, hat vortrefflich geeiert, als er gefragt worden ist, welche Tatsachen er denn benennen könnte. Drei Jahre lang haben wir von Ihrem Vorgänger im Amt, Herrn Staatsminister de Maizière, dem jetzt wieder hier im Auditorium sitzenden Kollegen Rasch, gehört, dass es in oder für Sachsen keine realen Anhaltspunkte geplanter Terrorhandlungen gibt. Ich kann Ihnen gern die entsprechenden Presseveröffentlichungen Ihres Vorgängers im Amt aus Mai/Juni vorlesen, als das noch gesagt worden ist. Regelmäßig sprach er nur von einer – ich zitiere – „hohen abstrakten Gefährdungslage“ – was immer das nach polizeilichen Kategorien auch sein mag; eine Rechtskategorie ist es eh nicht. Dieses Bild der Sicherheit des Freistaates vor Terrorismusanschlägen galt als ausgemacht noch weit bis hinein in den Wahlkampf und wurde dort nicht zuletzt als Verdienst der CDU-geführten Staatsregierung eifrig durchs Land getragen.

Nun scheint aber die SPD neue Erkenntnisquellen erschlossen zu haben. Warum sonst wird gleich zu Beginn der inhaltlichen Arbeit in die Staatsregierung hineinge

fragt, welche Erkenntnisse über Strukturen des internationalen Terrorismus in Sachsen bestehen, welche Gefährdung durch Terroristen im Freistaat umgeht und ob Sachsen für Täter – ich zitiere – „aus anderen Ländern oder anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als Vorbereitungs-, Rückzugs-, Ruhe- oder Transitraum dient“?

Das ist doch die Fragestellung, nicht das, worüber Sie gesprochen haben, Herr Bandmann, über den Kaplan oder wen auch immer oder über „Hassprediger“ allgemein. Sie fragen zu Sachsen exakt die Staatsregierung. Ich habe wirklich mit Spannung auf die Einbringungsrede gewartet, welche Tatsachen denn CDU und SPD bewegen, diese konkreten Fragestellungen nach den vorangegangen Berichten des vorherigen Innenministers in das Auditorium hineinzubringen bzw. zur Beschlussfassung zu stellen.

Herr Bandmann, ich gebe Ihnen gern Recht: Auch unser Land kann von einem Terrorismuskonzept nicht ausgeschlossen sein. Das ist nicht die Frage. Wenn aber die Staatsregierung die Fragen, die Sie in Ihren Antrag aufgenommen haben, mit dem entsprechenden Wahrheitsgehalt beantwortet, dann schaffen wir eine ausgesprochene Gefahrenlage für die innere Sicherheit. Sie werden immer mehr ein doppeltes Risiko für die Sicherheit – als Hassprediger und als jemand, der gewissermaßen zur Offenbarung von Staatsgeheimnissen auffordert.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Es ist blauäugig zu glauben, dass uns die Staatsregierung auf die Fragen im Antrag auch nur in Näherung ein wahrheitsgetreues Bild vermitteln könnte – wenn es denn tatsächlich reale Terrorismusstrukturen im Freistaat Sachsen gibt. Die Staatsregierung müsste ihr gesamtes Konzept, ihre gesamte Prävention offen legen. Das ist wahrlich nichts für eine Debatte im Plenum. Das ist das Problem, das man mit diesem Antrag haben muss.

Sie fordern den Landtag auf zu beschließen, über Erkenntnisse zu Strukturen des internationalen Terrorismus und sich hieraus ergebende Gefährdungen sowie – so steht es im Antrag – über die Vorkehrungen der Staatsregierung „zum Schutz einzelner gefährdeter Bürger, von Gruppen gefährdeter Bürger sowie von gefährdeten Gebäuden und Einrichtungen“ zu berichten. Wie wollen Sie das im Plenum handhaben, wenn die Staatsregierung gemäß der Verfassung wahrheitsgemäße Antwort zu geben hat?

Sie begründen Ihren Antrag mit einem Siebenzeiler – ich zitiere –:

„Aktuelle Ereignisse haben einmal mehr klargemacht, dass internationale Terroristen die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung von Grund auf ablehnen. Diese Täter agieren international und global. Ihr Terror lebt auch von Verbindungen in scheinbar ruhige Räume. Deshalb ist es von Interesse, ob und ggf. über welche Erkenntnisse die Staatsregierung über den internationalen Terrorismus und seine Beziehungen zu Sachsen verfügt und welche Maßnahmen zum Schutz einzelner gefährdeter Bürger und Einrichtungen ergriffen worden sind.“

Warum wurde der Antrag nicht wenigstens vorher an die Staatsregierung weitergeleitet, um dann zu entscheiden, ob man darüber im Innenausschuss oder im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sachkompetent debattiert und welche Teile in der PKK oder wo auch immer behandelt werden müssen? Indem wir einmal zusammenkommen, um über die Sache zu schwafeln, tun wir weder denen einen Gefallen, die sich mit dieser Problematik zum Schutze des Landes tatsächlich ernsthaft befassen müssen – den Sicherheits- und den Justizbehörden –, noch der Mentalität der Bürger, die durch diese Art von Debatten nur mehr oder weniger beunruhigt werden können.

Nennen Sie uns einen vernünftigen Grund, der es gebietet oder rechtfertigt, ohne vernünftige Faktenbasis und ohne dass die Antwort der Staatsregierung vorliegt, hier und heute im Plenum über diesen Antrag zu entscheiden bzw. darüber vorher zu debattieren! Sie haben doch die Geschäftsordnung gemacht, wonach solche Anträge erst in die Ausschüsse gehen und dann die Antwort eingeholt wird.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Im Ausschuss an die Staatsregierung, dann zurückgeholt.

Wenn Sie aber das Thema als Transportmittel benutzen wollen, um zu neuen Vorstößen in Richtung auf das repressive Instrumentarium des Überwachungsstaates anzusetzen, dann schreiben Sie es bitte auch in die Begründung hinein, Herr Bandmann! Das war doch der Sinn Ihrer Rede.

(Rita Henke, CDU: Das kommt gerade von Ihnen! Das ist echt krass!)

Es kann auch ein Auftragswerk an das Haus de Maizière sein, damit der Staatsminister des Innern demonstrieren kann, wie hart er jetzt durchgreift. Dafür reicht aber eine hübsche Presseerklärung. Dazu ist die Debatte hier nicht notwendig.

Summa summarum – mit diesem Antrag kann man nichts anfangen. Er kann keine ernst zu nehmende Debattengrundlage für ein höchst wichtiges Thema sein.

(Beifall bei der PDS)

Die NPD-Fraktion hat das Wort. Es spricht der Abg. Apfel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorab die Bemerkung, dass allein die Tatsache, dass über ein Auskunftsersuchen wie dieses hier im Landtag diskutiert werden muss, eine blanke Bankrotterklärung ist. Wir wollen doch nicht übersehen, dass es Ihre jahrzehntelange Multikultipolitik war – und zwar durch die Bank weg, egal ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb –, die uns heute zwingt, hier im Landtag und anderswo die Frage nach der terroristischen Bedrohung in Deutschland zu stellen. Was sind wir Nationaldemokraten bis vor wenigen Jahren von Leuten Ihrer Couleur angegiftet und angepöbelt worden, wenn wir genau jene Zusammenhänge themati

siert haben, die heute auf der Tagesordnung stehen! Heute können Sie das tagtäglich in der „F.A.Z.“ oder im „Spiegel“ nachlesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Projekt, der Multikulturalismus, ist kläglich gescheitert!

(Beifall bei der NPD)