Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

Wer möchte von seinem Rederecht weiter Gebrauch machen? – Herr Lichdi? – Herr Dr. Gerstenberg? –

Vielen Dank. Diese Debatte musste jetzt eigentlich nicht sein. Wir hatten „ohne Aussprache“ vereinbart. Es gibt natürlich das Recht jedes Abgeordneten, hier das Wort zu ergreifen. Aber ich glaube, diese Absicht ist nicht erst zu Beginn des Tagesordnungspunktes entstanden. Es wäre einfach gegenüber den anderen Fraktionen fair gewesen, wenn wir gestern während oder nach der PDS-Fraktionssitzung eine Nachricht bekommen hätten. Das ist der Punkt, den wir hier kritisieren mussten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Weitere Erklärungen oder Aussprachebedürfnisse? – Nein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jetzt auch der Berichterstatter nicht das Wort ergreift; das ist Herr Brangs. – Demzufolge kommen wir zur Abstimmung.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 4/4801 ab. Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Keine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? – Einstimmig so beschlossen. Damit ist der Tagesordnungspunkt 11 abgeschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12

Schutz des Persönlichkeitsrechts im öffentlichen Bereich – 12. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten

Drucksache 4/1474, Unterrichtung durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten

Stellungnahme der Sächsischen Staatsregierung zum 12. Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten

Drucksache 4/5145, Unterrichtung durch die Staatsregierung

Drucksache 4/5502, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Hier gibt es eine festgelegte Redezeitmöglichkeit von 10 Minuten pro Fraktion. Ich frage die Fraktionen. Die CDU-Fraktion? – Herr Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion dankt dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten und seiner Mannschaft und gibt den Redebeitrag zu Protokoll.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Herr Bandmann, die Seiten des Redebeitrages werden hier hinten gezählt, denn das geht auf die Redezeit.

Die Linksfraktion.PDS? – Frau Dr. Ernst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der erste Tätigkeitsbericht von Herrn Schurig als Datenschutzbeauftragter. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich sehr herzlich bei Ihnen und Ihrer Mannschaft dafür zu bedanken.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Es ist auch für mich gewissermaßen der erste Datenschutzbericht, mit dem ich mich ganz ausführlich beschäftigt habe. Ich habe das wie einen Krimi gelesen. Doch ich muss dazusagen, dass im Krimi meist nur der Kommissar siegt. Das ist hier nicht immer so, aber so ist es halt.

Lassen Sie mich zu vier Dingen einige Bemerkungen machen.

Erstens. Ein bisschen kann man von tendenzieller Beratungsresistenz der Staatsregierung sprechen, ein bisschen kann man das tun. Ich will das auch einmal an einigen Dingen verdeutlichen, aber ich fange mit dem Positiven an. Es gibt auch gute Beispiele, dass das nicht unbedingt sein muss. Eines ist zum Beispiel die Konsequenz aus der Rüge des Datenschutzbeauftragten hinsichtlich der Videoaufzeichnungen bei Demonstrationen, die in eine polizeiliche Dienstanweisung geflossen sind. Ich hätte gern ein bisschen mehr darüber in der Stellungnahme der Staatsregierung gelesen. Es gibt auch die eine oder andere wirkliche Konsequenz, die gezogen wurde.

Dennoch habe ich den Eindruck – erlauben Sie mir das zu sagen –, als ob es nicht so ganz klar ist, welche Funktion der Datenschutzbeauftragte hat und worin der Sinn und Zweck seiner Berichte besteht; denn allen Ernstes schreibt die Staatsregierung, dass sie zwar gesetzlich überhaupt nicht verpflichtet ist, sich zum Bericht zu äußern, aber darin eine „ständige Übung“ sieht, „insbesondere, um unzutreffenden, die Staatsregierung belastenden Äußerungen zu widersprechen“.

(Lachen bei der CDU)

Das steht so drin. Da bleibt einem wirklich der Mund offen stehen und das ist der Gipfel der Arroganz, wenn man es darauf reduziert. Es ist nicht mein Zitat, sondern das der Staatsregierung. Hier wird der Datenschutzbeauftragte de facto deklassiert. Zu Recht stellt dieser klar – zumal er den Unmut hier auch öffentlich bekannt hat –, dass er sich mit seinem Bericht an den Landtag richtet, dass er unabhängig und aufsichtsfrei handelt und dass das Datenschutzgesetz eine Kommentierung durch die Staatsregierung nicht vorsieht, und das kann man dort auch wirklich nicht finden. Insofern muss einmal gefragt werden, wie sich die Staatsregierung tatsächlich ihr Verhältnis zum Datenschutzbeauftragten vorstellt.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Nicht umsonst sind wir als Linksfraktion dafür, dass das Datenschutzgesetz überarbeitet und in dieser und den anderen Fragen klargestellt wird, dass der Datenschutzbeauftragte in seinen Kompetenzen gestärkt wird. Ich denke, das ist unerlässlich.

Das Zweite, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn sich die Staatsregierung zum Tätigkeitsbericht äußert – und das soll sie ja auch tun –, dann ist es wichtig, dass sie sich vor allem in den umstrittenen Fragen äußert, aber nicht nur, indem sie sagt, wir haben eine andere Meinung als der Datenschutzbeauftragte, sondern indem sie auch deutlich macht, welche Konsequenzen das hat – außer der Feststellung, dass man es ein Stück weit anders sieht. Das fehlt in vielen Fragen: Einsatz eines pensionierten Beamten als Ermittlungsführer, Umgang der Datenübermittlung an den MDR bzw. die GEZ, Zulässigkeit von Verwaltungsermittlungen. Das haben wir auch im

Innenausschuss behandelt. Es gibt zahlreiche Beispiele für unterschiedliche Positionen, aber keine Klarstellung, was das nun für den Anwender bedeutet. Man hat dann zwei verschiedene Positionen, und das reicht nicht aus.

Ein dritter Gedanke: Der Tätigkeitsbericht deckt dankenswerterweise auch Praktiken auf, die davon zeugen, dass in einer Reihe von Fällen rechtswidrig und zum erheblichen Nachteil der Betroffenen gehandelt wurde. Das betrifft die Weitergabe von personenbezogenen Daten aus polizeilichen Auskunftssystemen an private Sicherheitsdienste für so genannte Zuverlässigkeitsprüfungen von Beschäftigten oder die tollen Merkblätter zur Erkennung potenzieller islamistischer Gewalttäter. Mitarbeiter der Ausländerbehörden erhielten auf diese Art und Weise, wenn man sich das genau anschaut, eine Übermittlungsbefugnis an die Polizeibehörden, indem sie die Ausländer melden sollen, die nach dem Merkblatt gewissermaßen „würdig“ erscheinen, möglicherweise islamistische Gewalttäter sein zu können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das kann nicht wahr sein!)

In allen drei Fällen hat die Staatsregierung gesagt, das darf so nicht bleiben, diese Praxis ist abzuändern, man muss damit aufhören. Das ist okay und ein Beweis dafür, dass es sehr wichtig ist, solche Themen unbedingt aufzugreifen. Das ist auch sehr wichtig für uns, die wir natürlich auch damit agieren können.

Ein vierter Gedanke – noch einmal zurück zur Beratungsresistenz: Da gibt es, wie wir alle wissen, das bekannte und diskutierte Beispiel des Akkreditierungsverfahrens in Bezug auf die Fußball-WM für solche Personen, die während der Fußball-WM den Zugang zu Stadien brauchen oder im Umfeld tätig sein müssen, weil sie beispielsweise Würstchen oder Zeitungen verkaufen oder Journalisten sind. Sie haben ein Akkreditierungsverfahren zu absolvieren, das wie folgt aussieht: Freiwillig sind diese Angaben zu machen. Diese werden an das LKA übermittelt. Das LKA durchforstet die bestehenden Datensysteme, beispielsweise das Pass, findet zum Beispiel einen Eintrag, stellt fest, der Betreffende gehört dem Verein Y und dem Fanclub Z an, und dann meldet er dies einem Dritten, nämlich dem DFB, und dieser befindet über die Arbeitsaufnahme.

An solchen Überprüfungen hat sich auch noch fröhlich der Verfassungsschutz beteiligt. In einem mir vorliegenden Fall einer Ablehnung der Akkreditierung ist es sogar so gewesen, dass derjenige zwar richtige Angaben gemacht hat, aber völlig falsche Daten beim LKA angekommen sind – der falsche Fanclub, Verein, ein in Rede stehendes Rechtsverfahren –, und seine Akkreditierung ist ihm versagt worden.

Ich will nur sagen, dass 7 480 Personen in Sachsen so überprüft wurden – knapp 160 wurden abgelehnt, auch durch den Verfassungsschutz. Es ist völlig egal, wie man zum einzelnen Fall steht, den will ich gar nicht diskutieren. Das Entscheidende ist: Es gibt datenschutzrechtlich

dazu keine Deckung, wenn man so will, es gibt kein Gesetz dafür, es ist gesetzlich überhaupt nicht gedeckt – weder durch das Polizeigesetz, schon gar nicht durch das Verfassungsschutzgesetz. Insofern handelt es sich um einen wirklich makabren Präzedenzfall. Zu Recht verweist der Datenschutzbeauftragte darauf – er hat es gewissermaßen in die Luft gesendet, was die Koalition angeht –, dass nur der Gesetzgeber, nicht die betroffenen staatlichen Stellen Aufgaben zuweisen können. Die gesamte Akkreditierungspraxis verstößt gegen Artikel 20 Grundgesetz und gegen die Sächsische Verfassung, wonach der Gesetzgeber alle wesentlichen Eingriffe in Grundrechte durch ein Gesetz regeln muss, und das hat er nicht getan.

(Unruhe bei der CDU)

In der Stellungnahme der Staatsregierung dazu stand, ja, man müsse gesetzgeberisch handeln. Auf meine Nachfrage im Innenausschuss erhielt ich die etwas flapsige Antwort: eigentlich nicht.

(Lachen bei der CDU)

Dazu muss ich sagen: Es ist nicht nur flapsig, sondern auch unseriös und machtherrlich, so damit umzugehen. Nicht zum Spaß hatte im Vorfeld der Ausschusssitzung der Datenschutzbeauftragte ein Schreiben zugesandt, worin er noch einmal insbesondere – aber nicht nur – diese Praxis kritisiert und die Staatsregierung de facto aufgefordert hat zu reagieren.

Ich will ganz klar feststellen: Die Linksfraktion kritisiert nachdrücklich alle verfassungsrechtlich nicht gedeckten Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und verlangt von der Staatsregierung, ihren Einfluss geltend zu machen, dies zu ändern. Der Schutz vor Übergriffen auf die informationelle Selbstbestimmung darf keine politische Verhandlungsmasse sein.

Noch etwas: Wir wollen auch nicht, dass aus politischen, sportlichen oder sonstigen Großereignissen wie der Fußball-WM zugleich Großversuche zur Unterminierung von rechtlichen Bestimmungen werden – schon gar nicht zulasten von Betroffenen.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen: Als Dresdner Stadträtin bewegt mich natürlich auch das, was im Zusammenhang mit der Landeshauptstadt, der Affäre um den Flutkoordinator und den Datenschutzproblemen im Tätigkeitsbericht zu lesen ist. Ich habe mir gedacht, es ist unglaublich, wenn man das verfolgt, wie der Arbeitsvertrag zustande gekommen, mit welchen Problemen er behaftet ist, wie lax mit dem Thema umgegangen wurde. Ich habe mir auch überlegt, ob es nicht möglich gewesen wäre, früher zu reagieren und vielleicht Schlimmeres zu verhindern – und das geht an die Adresse von uns allen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wünschte mir, dass die Hinweise und Ratschläge des Datenschutzbeauftragten künftig mehr Gehör fänden. Der Schutz des Einzelnen vor der Beeinträchtigung in seiner informationellen Selbstbestimmung ist schließlich eine dringliche

Aufgabe von Staat und Gesellschaft und damit auch von uns.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die SPD-Fraktion wird vertreten durch Frau Weihnert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs möchte auch ich im Namen meiner Fraktion Herrn Schurig und seinen Mitarbeitern ganz herzlich für den 12. Tätigkeitsbericht danken. Wie wichtig die Arbeit des Datenschutzbeauftragten und seines Teams ist, hat sich gerade bei den letzten Gesetzgebungsverfahren gezeigt. Ich denke dabei an das Meldegesetz oder das Verfassungsschutzgesetz. Ohne eine konstruktive Begleitung von Herrn Schurig und seinen Mitarbeitern wäre eine solch erfolgreiche Gesetzesarbeit sicherlich nicht möglich gewesen.

In diesem Zusammenhang freue ich mich allerdings auch, dass die Koalition aktuell ein wichtiges Anliegen des Datenschutzes in Angriff genommen hat – auch ein Anliegen, was bereits in diesem Bericht erwähnt wird: Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Sächsischen Datenschutzgesetzes möchte die Koalition die Datenschutzkontrolle im öffentlichen und privaten Bereich künftig in einer Hand beim Datenschutzbeauftragten des Landes konzentrieren.

Der Grund hierfür ist – darauf ist der Datenschutzbeauftragte in seinem letzten Bericht zu Recht eingegangen –, dass es dem rechtsunkundigen Bürger nicht länger zugemutet werden kann, sein Datenschutzanliegen dahin gehend zu prüfen, ob es den öffentlichen oder privaten Bereich betrifft. Ich habe am Beispiel der Videoüberwachung an Bahnhöfen oder in Straßenbahnen bereits im letzten Plenum darauf hingewiesen, dass die Grenzen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich zunehmend verschwimmen und die Zuständigkeiten nicht immer zweifelsfrei zugeordnet werden können. Insoweit wäre es ein Gewinn für die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie in Zukunft nur noch einen Ansprechpartner für ihre datenschutzrechtlichen Probleme hätten.