Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

Zu dem Vorgang, den Sie gerade erwähnt haben: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass führende Politiker der Koalition im Bund gesagt haben, dass es ihnen egal sei, dass der Bundesrat diesen Entschließungsantrag gestellt hat, und dass sie unverändert die Sache verabschieden wollen?

Politiker reden viel, doch am Ende sehen die Ergebnisse manchmal anders aus.

Sie wollen den Bundesrat anhalten, den Gesetzentwurf abzulehnen. Eine Ablehnungsmöglichkeit ist dem Bundesrat jedoch derzeit nicht gegeben, da es sich bei dem vorliegenden Entwurf um ein Einspruchsgesetz handelt. Diese Einspruchsmöglichkeit besteht erst zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens, nämlich erst nach Beschlussfassung durch den Bundestag und nicht zum Zeitpunkt der Gesetzesvorlage durch die Bundesregierung. Es geht eigentlich überhaupt nicht, was Sie wollen. Deswegen müssen wir Ihren Antrag ablehnen. Das sieht unser Koalitionspartner ganz genauso.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 16.06. sehr wohl darauf hingewiesen, dass er Initiativen gegen Benachteiligung aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht usw. ausdrücklich begrüßt. Auch unsere Fraktion ist der festen Überzeugung, dass in unserer Gesellschaft für Diskriminierung kein Platz sein darf. Gleichwohl sind wir jedoch der Meinung, dass diese Zielstellung durch Regelungen garantiert werden sollte, die zweckmäßig sind und im Verhältnis zum eigentlichen Anliegen stehen sollen. Die dem Entwurf zugrunde liegenden EU-Richtlinien enthalten umfangreiche und ausreichende Regelungen, wie ein Gesetz gegen Benachteiligung auch in Deutschland aussehen sollte, und bilden unserer Auffassung nach das Maß der Dinge. Die große Koalition in Berlin wird die Aufgabe haben, den Entwurf mit diesen Vorzeichen und der Stellungnahme des Bundes noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.

Wir erwarten eine Regelung, die weniger über das notwendige Maß hinausgeht, mittelstandsfreundlich ist und private Interessen, besonders im Bereich der Wohnraumvermietung, stärker berücksichtigt. Wir haben uns in diesen Prozess bereits eingebracht und werden dies auch noch weiter tun. Dazu hätten wir nicht unbedingt die FDP-Fraktion gebraucht.

Vielen Dank.

Die Linksfraktion.PDS hat zwei Redner ins Rennen geschickt. Wer beginnt? – Frau Lay, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die NPDFraktion für Diskriminierung ist, wundert uns demokratische Fraktionen nicht. Das gehört zum Kernbestandteil ihrer neofaschistischen Ideologie.

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Dass die FDP-Fraktion heute diesen Antrag einbringt, enttäuscht mich schon, das muss ich an der Stelle sagen. Ihre Partei kommt aus einer liberalen Tradition und dass Sie zum Diskriminierungsverbot Ja sagen, aber zu den wirkungsvollen Instrumenten Nein, wundert mich an dieser Stelle schon.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Freiheit ist immerhin etwas mehr als die Freiheit, andere zu diskriminieren. Vielleicht sollten Sie den Freiheitsbegriff, den Sie hier propagieren, noch einmal in diese Richtung überdenken. Ich werfe Ihnen auch nicht prinzipiell vor, dass Sie in eine ähnliche Richtung wollen, wie die NPD-Fraktion das tut. Es ist häufig in diesem Hohen Hause vorgekommen, dass die NPD-Fraktion als populistischer Trittbrettfahrer auf jeden Zug aufspringt, mit dem man irgendwie Stimmung in der Bevölkerung schüren kann. Ich finde, Sie sollten trotzdem darüber nachdenken, warum Sie inhaltlich in eine ähnliche Kerbe hauen.

(Torsten Herbst, FDP: Was?)

Hören Sie mir doch erst einmal zu! Wir reden über die Diskriminierung von behinderten Menschen, von Ausländern, von Juden, von Schwarzen, Lesben und Schwulen, von all denjenigen, die die NPD nicht leiden kann, und auch von Bevölkerungsgruppen, die von den Nazis verfolgt wurden.

(Kopfschütteln des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Sie schütteln den Kopf, Herr Herbst, aber man muss doch an dieser Stelle ein bisschen Sensibilität haben.

Frau Lay, gestatten Sie eine Zwischenfrage? –

Ja, selbstverständlich. Ich bin mit meinen Ausführungen zwar noch nicht am Ende, aber – –

Bitte schön.

Mein Kollege Morlok hat am Anfang seines Redebeitrages deutlich gesagt, wie unsere Einstellung zum Thema Diskriminierung ist. Wollen Sie bitte hier klarstellen, dass sich die Motive der NPDFraktion völlig von denen unterscheiden, die unsere Fraktion verinnerlicht.

(Uwe Leichsenring, NPD: Woher wissen Sie das?)

Da bin ich völlig d’accord. Das habe ich auch gesagt. Sie haben sich zum Diskriminierungsverbot bekannt – das ist richtig. Ich kritisiere Sie trotzdem, dass Sie wirkungsvolle Instrumente ablehnen, und ich finde auch, dass man ein bisschen mehr Sensibilität haben sollte, wenn man diese Dinge thematisiert. Ich werde im weiteren Verlauf meines Redebeitrages darauf eingehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben als demokratische Fraktionen die Verantwortung, sensibel zu sein, wenn es um die Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen geht, die heute zur Debatte stehen. In diesem Sinne muss ich einfach sagen, Sie schüren auch mit dem Titel Ihres Antrages Ängste auf

Kosten von diskriminierten und stigmatisierten Bevölkerungsgruppen. Das müssen Sie sich einfach anhören.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Sie suggerieren doch, es gäbe eine Klageflut, es gäbe Bürokratie, und Sie suggerieren, es würde Arbeitsplätze in Sachsen kosten. Das suggerieren Sie doch. Deswegen kritisiere ich Sie!

Alle diese Vorwürfe sind haltlos. Ich fange einmal mit der Klageflut an. Es gibt bereits Antidiskriminierungsregelungen. Zum Beispiel ist Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes seit 25 Jahren verboten. In diesen 25 Jahren hat es sage und schreibe 112 Prozesse gegeben, die auf dieses Diskriminierungsverbot abzielen. Das ist doch, bitte schön, keine Klageflut. Dem stehen 50 000 Arbeitsrechtsfälle gegenüber. Das hat eine Studie ergeben. Ich kann Ihnen das gleich zeigen.

Auch dass Arbeitsplatzverluste in Sachsen anstehen: Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass dies den Antidiskriminierungsregelungen geschuldet sein soll. Natürlich gibt es weniger Arbeitsplätze, auch weniger sozialversicherte Arbeitsplätze. Das hat vielfältige Ursachen. Das ist einmal die Produktivkraftentwicklung, das sind zum anderen Rationalisierungsanstrengungen des Kapitals und es ist auch eine verfehlte Steuer- und Wirtschaftspolitik, die Ihre Partei übrigens immer mitgetragen hat. Deshalb halte ich es für nicht gerechtfertigt, dass Sie hier in diese Kerbe mit einschlagen.

Ich hätte einfach von einer liberalen Partei mehr erwartet. Die Linksfraktion.PDS als sozialistische Bürgerrechtspartei – –

(Lachen bei der NPD)

Ich wiederhole es noch einmal: Wir als sozialistische Bürgerrechtspartei befürworten genau aus diesem Grund effektive Antidiskriminierungsregelungen.

(Zurufe von der NPD)

Wir wollen selbstverständlich über eine Umsetzung der bisherigen Regelungen hinausgehen und einen vollständigen Diskriminierungsschutz für alle genannten Bevölkerungsgruppen erwirken.

(Unruhe bei den Fraktionen)

Ich muss sagen, in dieser Debatte haben wir von Bürgerrechten mehr verstanden als die FDP. Da können Sie sich noch so sehr freiheitlich und liberal benennen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Sie stehen hier für die Freiheit der Wirtschaft, andere auszubeuten und zu diskriminieren.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Wir stehen für die Freiheit der Einzelnen, ihren Lebensentwurf frei von Diskriminierung durch andere zu wählen. Erklären Sie mir doch einmal, warum beispielsweise ein umfassender Diskriminierungsschutz im Zivilrecht für

schwarze Menschen und für Juden gelten soll, nicht aber für Behinderte! Das wäre das Ergebnis, wenn Ihr Antrag umgesetzt würde. Das ist doch sinnlos.

(Jürgen Gansel, NPD: Frau Lay hat wieder die Stalin-Orgel in Stellung gebracht!)

Die FDP macht sich auch unglaubwürdig, wenn sie zuerst ein Lebenspartnerschaftsgesetz einbringt und signalisiert, wir setzen uns für Lesben und Schwule ein, sich dann aber der Ausweitung des Diskriminierungsverbotes auf diese Bevölkerungsgruppen widersetzt. Das ist der Inhalt Ihres Antrages. Ja, Sie fassen sich an den Kopf, aber so ist es.

Es ist gegenwärtig der Fall, dass sich 75 % der privaten Lebens- und Krankenversicherungen weigern, Männer, die eine Lebenspartnerschaft eingehen, zu versichern. Das tun sie, weil sie prinzipiell schwulen Männern unterstellen, dass sie an Aids erkrankt sind. Das ist eine unzulässige Diskriminierung, die jetzt noch möglich ist und die durch das Antidiskriminierungsgesetz abgeschafft würde. Aber sie würde beibehalten, wenn Ihr Antrag angenommen würde. Das können wir so nicht annehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Deswegen werden wir Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen bzw. ihn mit einem besseren Änderungsantrag zu ersetzen versuchen.

Die FDP hätte besser daran getan, dem sächsischen Mittelstand zu empfehlen, sich ein Vorbild an denjenigen modernen Unternehmen zu nehmen, die für eine wirksame Antidiskriminierungspolitik stehen und eine solche auch betreiben. Es gibt diese Unternehmen, die Vielfalt als Stärke betrachten – wenn ich hier Ford benennen darf –, die darin eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sehen, wie beispielsweise die Deutsche Telekom, oder Diversity Management betreiben, wie die Deutsche Bank, die ihr Problem eigentlich mehr in monokulturellen Belegschaften sehen. Das wäre eine Politik gewesen, die demokratietauglich und unternehmensfreundlich zugleich wäre. Das wäre das Ergebnis einer modernen Wirtschaftspolitik und nicht dieses muffige Schüren von Ressentiments.

Dass Sie sich das heute von den Linken sagen lassen müssen, sollte Ihnen zu denken geben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)