Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Ich freue mich, dass die Opposition dieses Buch als das Buch der Landtagsgeschichte in dieser Zeit entdeckt hat und oft hineinschaut.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, wir haben uns dessen angenommen. Allerdings ist die PDS-Fraktion – wie schon so oft – wieder einmal auf einen fahrenden Zug aufgesprungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Friedrich, bitte.

Sehr verehrte Kollegin Weihnert! Sie haben mehrfach betont, wie auch Ihr Vorredner, dass Sie sich des Problems – das steht auch in der Koalitionsvereinbarung – angenommen haben bzw. annehmen werden. Sie haben jetzt umfangreich begründet, warum unser Lösungsvorschlag nicht funktionieren kann. Es wäre doch angemessen, wenn Sie dem geneigten Publikum verraten würden, wie Ihr Lösungsansatz aussieht und vor allem, wann er kommt, denn die Hälfte der Legislaturperiode ist bereits vorbei.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Selbstverständlich tue ich das gern, Herr Dr. Friedrich. Wenn Sie noch ein Stück zuhören würden, wäre das jetzt selbstverständlich gekommen. Das gehört dazu.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Bei aller Einigkeit über die gesetzliche Notwendigkeit einer Neuregelung stellt sich aber immer noch die Frage, in welcher Art und Weise – Sie haben gehört, wie kompliziert die Materie ist; die Sachverständigen, die uns zur Anhörung zur Verfügung standen, haben dies ja bestätigt – und zu welchem Zeitpunkt das Gesetz sinnvollerweise auf den Weg gebracht werden kann und soll.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das werden wir sehen!)

Dabei ist es ein offenes Geheimnis – das haben Sie auch genannt –, dass die Koalition eine völlig neue Kommunalordnung plant. Wir wollen dies neu und anders bündeln.

(Volker Bandmann, CDU: Das haben wir ihm gesagt!)

Diese Planungen sind tatsächlich in einem Stadium, wo wir bereits mitten in der Diskussion sind.

(Volker Bandmann, CDU: Sehr richtig!)

Es ist einfach so, dass verschiedene Facetten berücksichtigt werden müssen, nicht zuletzt auch die Dinge, die jetzt zur Verwaltungsreform auf dem Tisch liegen und diskutiert werden. Das sind Eckpunkte, die mit eingebunden werden müssen. Bei dieser Gesetzesänderung steht die Frage, wie kommunale Einnahmebeschaffungsgrundsätze und damit die rechtlichen Möglichkeiten einer künftigen Straßenausbaubeitragserhebung gestaltet werden sollen.

Sie haben – und ich kann das nur noch einmal hervorheben und betonen – von allen Sachverständigen gehört, dass Ihr Gesetzentwurf unzureichend ist. Im Übrigen ist mir auch kein Änderungsantrag von Ihrer Seite in der Diskussion über den Weg gelaufen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Meine Fraktion wird also diesen Gesetzentwurf ebenfalls ablehnen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Was machen Sie denn nun?)

Natürlich werden wir – und ich habe es bereits gesagt – den Entwurf, der momentan bei uns in der Diskussion ist, weiter verfestigen, weiter vervollkommnen.

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, Linksfraktion.PDS)

Dann, wenn wir glauben, dass er die Punkte enthält, die uns wichtig sind, und alle Rechtsnormen abgeprüft sind, wird ein solcher Entwurf auf dem Tisch dieses Hauses liegen. Ich bin optimistisch, dass dieser inhaltlich und

handwerklich besser sein wird als das, was Sie vorgelegt haben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Bei aller sicherlich notwendigen Überarbeitung dieses Gesetzeswerkes möchte ich Sie allerdings an einer Stelle auch korrigieren. Kommunen haben bereits jetzt Spielraum bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Kommunen können bereits jetzt verzichten, wenn sie sich auf bloße Instandsetzungsarbeiten beschränken, deren Kosten nicht auf Grundstückseigentümer umgelegt werden dürfen. Es entsteht auch erst dann eine Beitragsschuld, wenn ein beitragspflichtiger Ausbau endgültig fertiggestellt ist. Dazu gibt das Kommunalabgabengesetz bereits jetzt viele Möglichkeiten vor: die Beitragsschuld in Raten zu zahlen, im Ausnahmefall zu stunden oder ganz bzw. teilweise zu erlassen. Vor Ort haben die Gemeinden sehr vielfältige Satzungen, die auf die Bürger ihrer Gemeinde zugeschnitten sind, erlassen. Auch das wissen Sie. Mir liegen mindestens 20 vor, die entsprechend ihrer Gemeinde in vielen Facetten dargestellt sind.

Im Übrigen zur Bürgerbeteiligung vor Ort: Auch jetzt tun das die Kommunen und das nicht erst seit heute, sondern seit geraumer Zeit beteiligen sie die Bürger vor Ort an Straßenbaumaßnahmen. Bereits jetzt wird darüber vor Ort entschieden, in welchem Bauzustand gebaut werden muss.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich kann mich noch sehr gut an die unleidliche Diskussion in der so genannten FDJ-Siedlung in Leipzig-Grünau erinnern, als diejenigen, die noch zu DDR-Zeiten dort ein Grundstück für ganz interessante Finanzen erworben hatten, gesagt haben: Jetzt möchten wir aber tolle Straßen und Bürgersteige. Wir wollen auch Beleuchtung haben.

Als es dann hieß, liebe Leute, das sind dort Anliegerstraßen, weil es eine in sich geschlossene kleine Siedlung ist, deshalb müsst ihr auch mit bezahlen, da standen sie vor unseren Türen und sagten: Mein Gott, das wollten wir aber nicht, das möchten wir nicht mit bezahlen!

So ist das. Man muss offen und ehrlich vor Ort diskutieren. Die Bürgerbeteiligung wird von den Gemeinden durchgeführt. Alle diejenigen, die dann vorrangig den Nutzen haben, müssen auch angemessen finanziell beteiligt werden.

Wie gesagt, diesem Gesetzentwurf kann man in dem Stadium – das haben alle Sachverständigen gesagt – nicht zustimmen. Es ist ein Entwurf in der Diskussion. Wir werden ihn, wenn wir die Aussprache abgeschlossen haben, auch entsprechend einbringen.

Recht vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die NPDFraktion spricht Herr Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kommunale Straßenbauprojekte stehen in Sachsen und allgemein in den neuen Bundesländern oft in der Kritik. Die Ursachen sind vielfältig. Manchmal findet der Ausbau von ehemals ruhigen Ortsstraßen hin zu viel befahrenen Durchfahrtsstraßen statt. Noch häufiger – oder ich sage: meistens – sind es jedoch die Straßenausbaubeiträge, die den Grundstückseigentümern aufgezwungen werden.

Dabei sind wesentliche Aspekte gerade im ländlichen Raum die oft nicht unerheblichen Grundstücksgrößen und teilweise mehrere an die Grundstücke angrenzende beitragspflichtige Straßen. Ich kann Ihnen diesbezüglich aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung in meiner Heimatstadt Sebnitz ein Grundstück benennen, welches an vier beitragspflichtige Straßen grenzt: also vier Beitragsbescheide.

Durch solche Dinge, aber auch durch geografische Besonderheiten wie große Stützmauern im Gebirge kommen in vielen Fällen sehr hohe Summen für den Straßenausbau auf den einzelnen Bürger zu, weil der Anteil an der Bausumme von wenigen Anwohnern getragen werden muss.

Diesen Tatsachen wurde im Kommunalabgabengesetz vom Gesetzgeber zwar im Prinzip Rechnung getragen, indem er seinerzeit bei der Verabschiedung dieses Gesetzes den Kommunen freigestellt hat, Straßenausbaubeiträge zu erheben und eine entsprechende Satzung zu verabschieden oder auch nicht. Den Kommunen wurde de facto die Verantwortung übertragen einzuschätzen, inwieweit den Anwohnern ein Vorteil entsteht und ob dieser über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen auszugleichen ist.

Die Wahlfreiheit existiert jedoch in der Praxis nicht, da die meisten Kommunen verschuldet sind und diese Rechtsgrundlagen somit durch die Einnahmebeschaffungsgrundsätze in § 73 der Gemeindeordnung ausgehebelt werden.

Noch problematischer sind aber aus meiner Sicht rückwirkende Beitragserhebungen. Ich hatte dies bereits im Oktober letzten Jahres am Beispiel Hinterhermsdorf als jetzigem Ortsteil meiner Heimatstadt Sebnitz deutlich gemacht, wo rückwirkend bis 1996 Straßenausbaubeiträge erhoben werden, da es im früher selbstständigen Ort Hinterhermsdorf eine entsprechende Satzung gab. Diese wurde allerdings aufgrund der damaligen Finanzsituation des selbstständigen Ortes Hinterhermsdorf nicht angewendet. Nach der Gemeindefusion erfolgte dann jedoch deren Umsetzung, und zwar rückwirkend, wie gesagt, bis 1996. Dies ist aus meiner Sicht den Betroffenen nicht zumutbar. Die Bürger können so ein Vorgehen nicht verstehen und betrachten das Ganze verständlicherweise als Abzocke.

Auch die Frage der Bürgerbeteiligung im Vorfeld von Straßenausbauvorhaben bedarf aus unserer Sicht einer

Nachbesserung im Gesetz. Um uns nicht falsch zu verstehen: Wir als NPD-Fraktion sind der Meinung, dass Straßenausbaubeiträge prinzipiell nicht erhoben werden sollten, da die Bürger durch die Grundsteuer, vor allem aber durch Mineralölsteuer und Ökosteuer bereits erheblich für ihre Verkehrsinfrastruktur zur Kasse gebeten werden.

Dennoch wurde im „bürgernahen Verfahren“ bisher von Kommune zu Kommune unterschiedlich vorgegangen. In einigen Kommunen klappte die Beteiligung der Bürger schon frühzeitig, in anderen Kommunen erfahren die Anwohner erst kurz vorher, was überhaupt gebaut werden soll. Über die Kosten werden sie im Vorfeld völlig im Dunkeln gelassen. Zahlen müssen sie jedoch am Ende, was unter dem Strich der Rechnung steht. Dort besteht dringender Handlungsbedarf.

Es sollte in den meisten Fällen auch kein Problem darstellen, Kosten für die Betroffenen frühzeitig und möglichst genau zu ermitteln und mit den Anwohnern nach Alternativen zu suchen. Aber an der Erkenntnis liegt es ja nicht. Den aufgezeigten Handlungsbedarf haben alle hier im Haus erkannt. Die Koalition hat es in die Koalitionsvereinbarung geschrieben. Wir hatten bereits im Herbst vergangenen Jahres eine Debatte zu diesem Thema hier im Haus. Damals wurde ein Änderungsantrag der Koalition mit dem Inhalt beschlossen, die entsprechenden Punkte des Koalitionsvertrages umzusetzen.

Da Schnelligkeit nun aber nicht gerade zu den Stärken der Koalition gehört, ist seither nichts passiert. Der ehemalige Staatsminister des Innern de Maizière hat noch im Oktober letzten Jahres vollmundig verkündet, er wolle im ersten Halbjahr 2006 eine Gesamtnovelle der sächsischen Kommunalgesetze vorlegen. Passiert ist wie immer nichts; offensichtlich hat Herr de Maizière alle Unterlagen mitgenommen, als er nach Berlin entschwunden ist.

Tatsache ist, dass noch immer kein Entwurf der Staatsregierung vorliegt. Die Kommunen bauen aber trotzdem weiter Straßen und viele werden aufgrund ihrer Finanzsituation weiter gezwungen sein, Beiträge zu erheben.

Zu erklären ist das Fehlen eines Gesetzesvorschlages entweder durch eine bewusste Verschleppungstaktik der Regierung oder durch fachliche Unfähigkeit. Beides werden wir nicht hinnehmen.

Deshalb werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Da man allerdings kein Prophet sein muss, um zu wissen, dass der Entwurf hier und heute von der Koalition abgelehnt werden wird, gestatten Sie mir noch eine Anmerkung: Wir sind sehr gespannt darauf, ob es die Staatsregierung schaffen wird, ihren Entwurf noch vor dem Ende der Legislaturperiode vorzulegen.