Protokoll der Sitzung vom 19.07.2006

Deshalb werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Da man allerdings kein Prophet sein muss, um zu wissen, dass der Entwurf hier und heute von der Koalition abgelehnt werden wird, gestatten Sie mir noch eine Anmerkung: Wir sind sehr gespannt darauf, ob es die Staatsregierung schaffen wird, ihren Entwurf noch vor dem Ende der Legislaturperiode vorzulegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Herr Günther, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Bekommen wir endlich mal Zuspruch?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte das Votum meiner Fraktion gleich vorwegnehmen: Wir werden den Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS ablehnen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Das ist aber schade!)

Zum einen, weil wir grundsätzlich Bedenken gegen den Gesetzentwurf haben, denn die Linksfraktion.PDS erweckt mit dem Gesetzentwurf den Eindruck, sie möchte den Bürger entlasten. Aber wie sollen denn die Folgen aus diesem Gesetzentwurf finanziert werden? Nach eigener Aussage der Linksfraktion.PDS könnte auch die Grund- oder Gewerbesteuer erhöht werden. Meine Kollegen und ich bitten Sie: Dann seien Sie doch wenigstens ehrlich und schreiben Sie das auch in den Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Aber ich denke, dass Sie dies bewusst nicht gemacht haben. Was bringt es denn dem Bürger, wenn er zwar keine Straßenausbaubeiträge bezahlt, dafür aber die Grund- und die Gewerbesteuer steigt? Das ist unsozial und es bringt für die Bürger vor Ort in den Kommunen nichts.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Zum anderen haben wir fachliche Bedenken und sehen uns dabei auf einer Linie mit den Sachverständigen in der Anhörung. In Ihrem Gesetzentwurf ist vorgesehen – ich zitiere –, dass „in die Satzungen Vorschriften aufgenommen werden können, nach denen die Anschaffung und Herstellung oder der Ausbau von Verkehrsanlagen der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der infrage kommenden Beitragsschuldner bedarf.“

Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung und mehr Transparenz des Planungsverfahrens sind dringend notwendig und werden von uns auch befürwortet. Jedoch Ihre geforderte Zweidrittelmehrheit der Beitragspflichtigen führt dazu, dass es praktisch keine Straßenausbaubeiträge mehr geben wird, denn kaum ein Vorhaben wird diese Hürde von zwei Dritteln der Betroffenen überspringen. Die Folge ist eine Komplettfinanzierung durch die Gemeinden, welche selbst – das wissen wir alle – nicht mehr genug finanzielle Mittel haben. Somit bleibt als Ergebnis Ihres Gesetzentwurfs als Endkonsequenz nur die Buckelpiste in den Kommunen übrig.

Nun kommen wir zu Ihrem Gesetz. Es ist schlicht und ergreifend falsch, wenn im Vorblatt unter d) Kosten steht: „Kosten zulasten des Staatshaushaltes fallen nicht an.“

Falsch. – Punkt 1.

„Kosten für die Städte und Gemeinden sind ebenfalls nicht zu erwarten,“ – auch falsch, die Erhöhung um 10 % sind Kosten für die Städte und Gemeinden –

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS)

„allenfalls könnte es zu Mindereinnahmen kommen, wenn auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichtet wird“. „Allenfalls Mindereinnahmen“ ist ja nur ganz gering. Es ist schlicht und ergreifend falsch, und deswegen ist es abzulehnen.

Sie haben sich sicherlich im Zuge Ihrer Mitbestimmungswelle einfach bei dem Gesetzentwurf verrechnet. – Übrigens muss man sagen: Beim Bau der Mauer war die Mitbestimmung der Bürger auch nicht gerade sonderlich groß. Aber so ist das nun mal.

Ein weiterer Punkt, von mir angesprochen, ist die Änderung in § 28 des Kommunalabgabengesetzes, die zehnprozentige Erhöhung des Anteils des öffentlichen Interesses. Das lehnen wir ab. Die Folge wäre wohl, dass keine Straßenbaumaßnahmen durchgeführt würden. Die jetzt im Kommunalabgabengesetz festgesetzten Anteile des öffentlichen Interesses beruhen auf jahrelanger Rechtsprechung. Welche Berechnungen liegen dem denn als Zahlen zugrunde? Herr Scheel, das, was Sie hier als Begründung vorgebracht haben, war mir zu dünn.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS)

Viele kommunalpolitisch brennende Fragen werden zudem mit Ihrem Gesetzentwurf nicht beantwortet. Ich hätte mir einen realeren Gesetzentwurf gewünscht und keinen aus der großen Kiste „Wünsch dir was!“.

Der Ausschluss einer rückwirkenden Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wäre für mich vorstellbar, indem die Straßenausbaubeitragspflicht nur dann entsteht, wenn bereits zu Beginn der Baumaßnahme eine rechtskräftige Satzung existiert. Auch Lösungsvorschläge für die Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten der Beitragspflichtigen fehlen in Ihrem Entwurf völlig. Wir lehnen Ihren Entwurf deshalb ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der GRÜNEN spricht Herr Abg. Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde den Tag im Kalender rot anstreichen, an dem Herr Schowtka mal zu einem ganz normalen Sachthema zu sprechen in der Lage ist,

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

ohne die 40 Jahre DDR in der entsprechenden Weise zu würdigen.

(Zuruf des Abg. Peter Schowtka, CDU – Alexander Delle, NPD: Das machen Sie doch auch mit uns!)

Sie werden nicht glaubwürdiger, wenn Sie wirklich bei jeder Debatte auf diesem Thema herumreiten. – Okay, ich wollte es mal gesagt haben. Wissen Sie, es langweilt mich eigentlich.

(Zuruf des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Setzen Sie sich doch mit der Sache auseinander! Die Linksfraktion.PDS macht genug Fehler, da haben Sie genug Angriffspunkte, als dass Sie dort immer so populistisch und dümmlich draufhacken müssten. Entschuldigung, ich muss es mal sagen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Merken Sie es sich gut, Herr Lichdi! – Zuruf der Abg. Angelika Pfeiffer, CDU – Zuruf von der CDU: Ordnungsruf!)

Wo ist eigentlich das Problem, um das es hier geht? – Das Problem ist, soweit ich es – –

(Unruhe)

Wo ist das Problem, das hier bearbeitet werden soll? – Es geht um die Straßenausbaubeiträge, die bekanntermaßen erhebliche Verwirrung und auch erheblichen Unmut erzeugen.

Was ist eigentlich der Kern? – Ich glaube, der Kern ist erstens die uneinheitliche Durchsetzung des geltenden Kommunalabgabenrechts durch das Innenministerium, sodass es Gemeinden gibt, die Beiträge erheben müssen, während es bei anderen Gemeinden nicht durchgesetzt wird. Das entspricht im Übrigen auch nicht dem Rechtsstaatsprinzip. Das möge sich die CDU vielleicht auch einmal sagen lassen. Dazu gehört eine einheitliche Rechtsdurchsetzung.

Das Zweite ist eine mangelhafte Durchsetzung der Bürgerbeteiligung. Wir haben in der Anhörung von Bürgermeistern teilweise sehr plastisch beschrieben bekommen, wie sie es vor Ort machen. Das war durchaus eindrucksvoll. Aber der entscheidende Punkt ist, dass es eben dem guten Willen oder auch dem schlechten Willen des jeweiligen Bürgermeisters überlassen bleibt, ob er das tut oder nicht. Wir glauben nicht, dass das ausreicht.

Macht die Linksfraktion.PDS in ihrem Gesetzesvorschlag dazu sinnreiche Vorschläge? –

Punkt 1. Sie schlägt die Veränderung der Einnahmegrundsätze in § 73 Abs. 2 vor. Ich kann mich nur aus dem Ausschuss wiederholen. Wir haben in der Anhörung von dem Vertreter aus Niedersachsen ausdrücklich mitgeteilt bekommen, dass genau das dort Anfang der neunziger Jahre von dem begnadeten Populisten Schröder, als er an die Regierung kam, gemacht wurde,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Mit dem haben Sie aber gemeinsame Sache gemacht!)

mit dem Ergebnis null. Nehmen Sie es doch mal zur Kenntnis! Genau dieser Weg, den Sie vorschlagen, hat null Komma nichts gebracht, hat das Problem nicht gelöst.

Punkt 2. Sie wollen den Anteil des „öffentlichen Interesses“ erhöhen. Das heißt im Umkehrschluss – meine Vorredner haben es gesagt –, dass der Freistaat oder andere Kostenträger einzutreten haben. Gut, das wurde genug kritisiert. Das ist der Verschiebebahnhof, den man aus populistischen Gründen anstellt.

Ich frage mich auch, ob das mit dem Vorteilsbegriff – – Ich habe es in meiner Rede im Oktober schon gesagt: Derjenige, dessen Haus an einer Straße liegt, die den Ausbau erhält, hat im Grundsatz einen Vorteil. Die Frage ist, welcher es ist. Aber dass er einen hat, möchte ich nicht bestreiten. Ich möchte mich diesbezüglich diesem leicht populistischen Schlag nicht anschließen.

Zum Dritten. Sie legen ein Zustimmungsrecht oder ein Entscheidungsrecht einer Zweidrittelmehrheit für – so wörtlich – „Verkehrsanlagen“ fest. Das ist viel zu pauschal und nach meiner Auffassung in dieser Pauschalität verfassungsrechtlich unzulässig. Das ist allenfalls bei der Frage von Ortsstraßen zulässig. Aber da arbeiten Sie nicht differenziert genug. Ich nehme an, Sie tun das, weil Sie Ihrer kommunalen Basis zeigen wollen: Wir sind hier richtig populär, wir sind hier richtig an der Bürgerbeteiligung dran.

Dann schauen wir uns als vierten Punkt Ihre Vorschläge zur Einwohnerbeteiligung an. Diese sind teilweise gut. Sie sehen Informationsrechte vor, eine öffentliche Bekanntmachung, Einsicht in die Kalkulation. Sehr gut! Einwendungen soll es geben und der Gemeinderat soll über die Einwendungen beschließen. Wir wissen alle, wie das immer im Haushaltsverfahren läuft: Diese Einwendungen werden dann in Bausch und Bogen weggewischt.

Also, dieses Verfahren bringt nicht sehr viel. Ich glaube, wir müssen an dieser Stelle mehr Fantasie aufwenden, wie wir Laien tatsächlich verständliche Hilfestellung geben können. Ein Laie kann eine Gebührenkalkulation nicht verstehen, er kann nicht für sich „umrubeln“, was das bedeutet. Ich glaube, da müsste man weiter gehen, als Sie es vorschlagen. Aber dazu haben Sie nichts vorgelegt. Ich gebe Ihnen gern zu: wir auch nicht.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS)

Ich habe jetzt noch einmal die Debatte vom letzten Oktober nachgelesen. Damals hatte Herr de Maizière tatsächlich gesagt: Wir werden im ersten Halbjahr 2006 entsprechende Vorschläge vorlegen. – Ich habe gesagt: Okay, dann werden wir darauf reagieren. – Also, Herr de Maizière ist schuld und die Staatsregierung nicht. Aber das ist egal.

Zum Schluss: Ich habe den Eindruck, die Linksfraktion.PDS schwankt in durchaus typischer Weise zwischen dem Versuch einer Sachlösung und dem ihr immer noch immanenten Populismus. Sie kann sich nicht so richtig entscheiden, ob sie überhaupt Straßenbaubeiträge will. Sie weiß es, eigentlich braucht man sie aus finanzpolitischer Sicht. Aber man möchte es seinen eigenen Wählerinnen und Wählern nicht so genau sagen. Jedenfalls sollen die