Wie immer können die Fraktionen dazu Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion der NPD, danach CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen des dramatischen Bevölkerungsrückganges werden in früheren Industriezentren, wie zum Beispiel in der Region um Schwarzenberg, heute ganze Stadtviertel mit großem Aufwand rückgebaut. Aus diesem jahrhundertealten Zentrum des Eisen verarbeitenden Gewerbes ist ein Entleerungsgebiet geworden, dem die Bevölkerung mehr und mehr wegläuft. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie wirtschaftlich traditionsreiche Regionen durch den Teufelskreis von systembedingter Wirtschaftsschwäche, Bevölkerungsimplosion und Infrastrukturabbau ihre sozioökonomische Grundlage und damit ihre Existenzfähigkeit verlieren.
Ein weiteres Beispiel ist die Oberlausitz, wo es bis zur Wende zigtausende Arbeitsplätze in der Textilindustrie gab, allein in Zittau über 8 000. Heute hat nicht einmal die ganze Oberlausitz von Zittau bis Cottbus diese Anzahl von Textilarbeitsplätzen. Infolgedessen ist natürlich auch die sozioökonomische Grundlage und somit die Bevölkerungsstruktur in der Region zusammengebrochen. So haben zum Beispiel Zittau und Weißwasser seit der Wende die Hälfte der Einwohnerzahl verloren.
Ich behaupte nicht, dass dieser Zusammenbruch der einzig mögliche Grund für die demografische Katastrophe ist. Vor dem Hintergrund der globalisierten Wirtschaft ist er aber sicherlich ein zwingender Grund. In diesem Zusammenhang sei auch festgestellt, dass wir ein ökonomisches System ablehnen, das vom sozialen, kulturellen und bevölkerungsmäßigen Ruin ganzer Landteile lebt.
Bei der Frage der Rangfolge zwischen der Überlebensfähigkeit unserer alten gewachsenen Regionen und der rigorosen Durchsetzung einer globalen Marktordnung haben für uns Nationaldemokraten die Regionen eindeutig Vorrang. Darin, meine Damen und Herren, unterscheiden wir uns auch grundsätzlich von den hier im Landtag vertretenen Parteien. Es mag zwar Abgeordnete unter Ihnen geben, die ähnlich denken, aber das offen zu sagen trauen Sie sich in der Regel nicht.
Die sächsischen Metropolen und angeblichen Vorzeigeregionen sind durch einen unverkennbaren Niedergang geprägt, auch wenn die Staatsregierung natürlich bemüht ist, dies anders darzustellen. In ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zur Demografie behauptet sie zum Bei
Meine Damen und Herren! Die Zahlen von 2005 kenne ich noch nicht. Aber zumindest seit der Wende hat Bautzen jeden siebten bis achten Einwohner verloren. 2004 hatte die Stadt einen negativen Geburtensaldo von 2,2 pro Tausend und einen ebenso negativen Wanderungssaldo von 6,2, also einen Bevölkerungsverlust von 8,4 pro tausend Einwohner. Die Staatsregierung muss sich deshalb auch die Frage gefallen lassen, ob es bei diesen Zahlen wirklich seriös ist, ausgerechnet die Stadt Bautzen als positives Beispiel für die Bevölkerungspolitik in Sachsen anzuführen.
Auch die Großstädte in Sachsen haben deutlich an Einwohnern verloren: Zwickau fast 13 %, in Chemnitz waren es 15 %, und dies trotz zahlreicher Eingemeindungen. Dresden konnte seine Einwohnerzahl halbwegs halten. Nominal liegt der Verlust hier nur bei 0,4 %. Aber unter Berücksichtigung der zahlreichen Eingemeindungen sind es auch hier mindestens 10 % Bevölkerungsverlust. Hinzu kommt, dass ein weiteres Prozent seit 1990 in Dresden eingebürgert wurde, insgesamt 4 880 Personen. Was die derzeitige Entwicklung in der Landeshauptstadt Dresden betrifft, so ist die Geburtenbilanz nur knapp ausgeglichen, und zwar trotz der Konzentration von jungen Menschen aus ganz Sachsen, trotz eines überproportional hohen Ausländeranteils und trotz einer niedrigen Sterblichkeitsquote, die zum Beispiel zwei Zähler unterhalb der von Chemnitz liegt.
Die von der Staatsregierung scheinheilig herausgestellte Zunahme der Dresdner Bevölkerung hängt also allein mit dem positiven Wanderungssaldo der letzten Jahre zusammen, im Schnitt 3 000 bis 4 000 überwiegend jüngere Personen pro Jahr. Dieser positive Saldo, meine Damen und Herren, geht aber ausschließlich zulasten anderer sächsischer Regionen, die durch die Abwanderung ihre Lebensfähigkeit immer stärker einbüßen. – So viel zur Situation in den Metropolen.
Aber ich möchte mich nun der dramatischen Bevölkerungsentwicklung in Sachsen insgesamt zuwenden, die nicht zu leugnen ist, denn selbst Ministerpräsident Milbradt stellt dies bei jeder passenden Gelegenheit immer wieder heraus. So lebten nach den Worten des Ministerpräsidenten 1989 in Sachsen etwas über fünf Millionen Menschen, von denen heute 4,3 Millionen, also 14 % weniger, übrig geblieben sind.
Bis 2020 ist ein weiterer Rückgang um zirka 650 000 Menschen prognostiziert. Das bedeutet einen Gesamtrückgang zwischen 1989 und 2020 von insgesamt 1,35 Millionen Menschen oder umgerechnet 27 %.
Dieser Durchschnittswert zeigt aber noch nicht einmal das wahre Ausmaß der Katastrophe. Denn da die Systemparteien bestrebt sind, die Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz stabil zu halten, damit diese sich am Welthandel beteiligen, muss für viele andere Regionen mindestens mit einer Halbierung der Bevölkerungszahl gerechnet werden. In einer Stadt wie Zittau ist dieser Fall zum Beispiel heute schon eingetreten, wenn man die inzwischen eingemeindete Bevölkerung nicht mitzählt.
Trotz der klaren Worte des Ministerpräsidenten tut die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der NPD ganz so, als sei dies völlig normal. Die Antwort beginnt mit der lapidaren Feststellung, die Bevölkerung in Sachsen gehe schon seit 1967 kontinuierlich zurück. Das kennen wir, das ist die übliche Verharmlosungsmasche.
Es gibt sogar Übereifrige, die ins 19. Jahrhundert zurückgehen wollen, um statistisch glaubhaft zu machen, dass die heutige Entwicklung eigentlich ganz normal sei.
Aber, meine Damen und Herren, wäre die Bevölkerung seit 1967 nur so stark zurückgegangen wie seit der Wende, so hätte Sachsen heute nicht 4,3 Millionen, sondern gerade noch einmal 3,4 Millionen Einwohner, also jetzt schon eine viertel Million weniger als für 2020 prognostiziert.
Ich weiß natürlich, dass sich die Bevölkerungsimplosion seit der Wende aus zwei Komponenten zusammensetzt: einem Geburten- und einem Wanderungssaldo, beide negativ. Das Beispiel zeigt trotzdem deutlich, dass der heutige Bevölkerungszusammenbruch nicht etwa ein Naturgesetz ist, sondern das Werk Ihrer Parteien. Das sage ich ganz klar an die Adresse der Staatsregierung und aller vorherigen Staatsregierungen, gemeint ist aber auch das dahinterstehende Herrschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland. Seitdem dieses in Mitteldeutschland Einzug gehalten hat, ist die wirtschaftliche Basis und mit ihr die Bevölkerungsbasis zusammengebrochen. Daran kann es keinen Zweifel geben, wie marode die DDR-Wirtschaft auch immer gewesen sein mag, zumindest dann nicht, wenn auch die sozio-ökonomische Leistung einer Wirtschaft zählt, also ihre Fähigkeit, die ganze Gesellschaft und die gesamte Bevölkerung in den Wirtschaftsprozess einzubeziehen.
Das ist für das gesellschaftliche Leben, für Familiengründungen und für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung unverzichtbar. Das ist eine Voraussetzung, die beim heute herrschenden turbokapitalistischen Wirtschaftssystem eben nicht gegeben ist, nicht in Deutschland und vor allem nicht in Sachsen mit Arbeitslosenzahlen zwischen 20 und 30 %.
Um die fatalen Folgen ihrer Politik zu kaschieren, sagt die Staatsregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage – ich zitiere –: „Auch die geburtenpolitischen Maßnahmen der DDR trugen nicht dazu bei, den anhal
Eine grandiose Lüge, meine Damen und Herren! Sie trugen durchaus dazu bei, was auch ohne Weiteres belegt werden kann. 1974 wurden nämlich zirka 19 800 Frauen in Sachsen geboren, 1987 waren es sogar 27 900, also 41 % mehr als 1974. Diese Zunahme war nichts anderes als die Folge der eingeleiteten DDR-Familien- und -Bevölkerungspolitik. Auch ein wichtiger Teilerfolg dieser Politik ist der Erwähnung wert: Über 90 % der DDRAkademikerinnen sind Mütter geworden. Heute sind es gerade mal noch 50 % wie in der alten Bundesrepublik.
Die 1983 bis 1987 Geborenen sind heute 19 bis 23 Jahre alt. Bei einem klaren Bekenntnis der Politik zum Erhalt unseres Volkes und zu einer solchen Familienpolitik könnten sie in den nächsten Jahren durch Familiengründungen die Grundlage für eine Wende in der Bevölkerungsentwicklung legen. Auch wenn die Staatsregierung und die meisten etablierten Kräfte in diesem Lande es leugnen, legen wir Wert auf die Feststellung, dass diese Option in der Tat noch besteht, und zwar auf Grundlage der Familien- und Bevölkerungspolitik der DDR. Denn ohne diese Bevölkerungspolitik wären die geburtenstarken Jahrgänge um zirka 30 % kleiner und die Situation würde sich noch bescheidener darstellen, als sie es heute ohnehin tut.
Das sage ich nicht aus Sympathie zur DDR. Aber wir müssen auch im Umgang mit der DDR-Geschichte ehrlich sein. Außerdem geht es mir grundsätzlich um die Wirksamkeit einer Bevölkerungs- und Familienpolitik, nachdem diese von den Systemparteien systematisch geleugnet wird.
Eines muss uns, meine Damen und Herren, allen bewusst sein: Es muss sofort gehandelt werden. Denn nach den genannten Jahrgängen sind die durch die missratene BRD-Politik arg zusammengeschrumpften Nachwendejahrgänge dran und dann gehen in Sachsen die Lichter endgültig aus. Das wissen Sie sehr genau, meine Damen und Herren der Staatsregierung. Sie sagen es nur keinem, damit Sie noch ein paar Jahre lang im Fahrwasser des globalistischen Mainstreams ungestört weiterregieren können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Apfel, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht: Der demografische Wandel, der Rückgang der Geburtenhäufigkeit und der Anstieg des Lebensalters mit der Industrialisierung, dem steigenden Bildungsgrad und Wohlstand findet in Europa seit Anfang des 20. Jahrhunderts statt.
Er wird übrigens in den globalen Gesellschaften zur normalen Erscheinung, und wenn wir heute das alternde Japan und morgen vielleicht das alternde China sehen, wird dies bestätigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Geburtenrate, dem Wohlstand und dem Bildungsgrad einer Gesellschaft besteht.
Diese Entwicklung ist also nicht neu, aber viel zu lange haben Politik, Öffentlichkeit und die Bevölkerung selbst diese Probleme verdrängt. Der Sächsische Landtag und unsere Enquete-Kommission „Demografischer Wandel“ werden sich bis 2007 sehr tief greifend mit diesem politischen Querschnittsthema beschäftigen, das übrigens unsere Gesellschaft mehr als andere vorher verändern wird und von dem wir uns teilweise noch nicht die richtigen Vorstellungen machen.
Viel tief gehender als die parallel arbeitende Regierungskommission werden wir uns in den Regionen mit den Betroffenen treffen, mit ihnen diskutieren, uns selbst ein Bild machen und Strategien erarbeiten, und wir wagen einen Blick über unseren sächsischen Tellerrand hinaus. Es ist eben keine sächsische Erscheinung. Wir haben kürzlich mit slowakischen, russischen und norwegischen Kollegen eine Konferenz zu diesem Thema in Dresden durchgeführt und dies in Moskau mit den russischen Kollegen der Akademie der Wissenschaften und der Duma noch einmal vertieft. Außerdem waren wir unlängst vor Ort in Norwegen, um uns Positives zu diesen Problemen anzuschauen.
Nach dem Absinken der Kinderzahl pro Frau unter das bestandserhaltende Niveau von 2,1 begannen überall in Europa der Rückgang und das Altern der Bevölkerung. Die demografietaugliche Politik, die wir brauchen, wird diesen Schrumpfungsprozess natürlich aktiv gestalten müssen. Aber sie darf das Altern und Schrumpfen der Gesellschaft nicht nur hinnehmen und gestalten. Darüber hinausgehend muss eine – ich gebrauche diesen Begriff bewusst – familienorientierte Bevölkerungspolitik durch Familienförderung, Steuererleichterung, Arbeitsmarktgestaltung und anderes die Geburtenrate steigern und die gezielte Zuwanderung dringend benötigter Fachkräfte erreichen.
Für Mittel- und Osteuropa – einschließlich Sachsen und Ostdeutschland – wird der tief greifende gesellschaftliche Transformationsprozess von der Plan- zur Marktwirtschaft, von der totalitären Diktatur zur Demokratie zusätzlich von der Globalisierung überlagert. Dies führt zu einem drastischeren Geburtenrückgang und zu stärkeren Wanderungsbewegungen als im stabileren Westeuropa.
Dramatisch sind nicht nur in Sachsen Abwanderung und Geburtenrückgang unter den Leistungseliten. Zumindest in Ostdeutschland muss man von einer regelrechten „Entbürgerlichung“ – ich habe den Begriff von Richard Schröder, dem großen Sozialdemokraten, übernommen – der Gesellschaft über Jahrzehnte sprechen, und Herr Apfel, Ihre Liebe zur DDR, die Sie jetzt entdeckt
haben, vergisst eines: Während der Zeit der kommunistischen Diktatur ist aus Sachsen und Ostdeutschland ein Viertel der Bevölkerung, zwischen vier und fünf Millionen, vertrieben worden. Das waren die Mittelschichten.
Herr Porsch, das waren Ihre Genossen. Das waren zum großen Teil die Aktiven in der Gesellschaft, die uns heute fehlen.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wie viele sind denn nachgezogen?)
Die Bevölkerung Sachsens sinkt bis zum Jahr 2020 auf 3,8 Millionen. Wir haben diesen Prozess des Ausblutens seit 1990 leider nicht stoppen können.
(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Frank Kupfer, CDU: Sie dürfen Ursache und Wirkung nicht verwechseln!)
Der Rückgang der Bevölkerung würde fast genügen, um die Großstädte in Sachsen zu entvölkern. Allerdings verläuft der Bevölkerungsrückgang ganz anders und regional unterschiedlich. Dresden und Leipzig verlieren bis 2020 kaum weitere Einwohner, wohl aber der ländliche Raum und die mittelgroßen Städte, die Lausitz, das Erzgebirge und Nordsachsen. Die Bevölkerung konzentriert sich zukünftig im sächsischen Städtedreieck und – das ist wohl wahr – der Freistaat beherbergt bereits jetzt die ältesten Bundesbürger. Unser Altersdurchschnitt bis 2020 wird auf 50 Jahre klettern, und wir können diesen Prozess, meine Damen und Herren, nicht kurzfristig aufhalten. Wir müssen ihn gestalten und mittelfristig gegensteuern.
Die wichtigste Ursache liegt im oft beklagten Geburtendefizit. Mit einer Geburtenrate von 1,3 Kindern pro Frau wird eben nur ein Drittel der Gestorbenen eines Altersjahrganges ersetzt. Man könnte meinen – da dies eben keine sächsische Erscheinung ist –, dass die europäischen Gesellschaften ihre über Jahrhunderte gebildete Substanz demografisch und kulturell verzehren, wenn dieser Trend nicht umgekehrt wird.
Wenn in mehr oder weniger offiziellen Papieren in Sachsen der Anteil der Abwanderung am Bevölkerungsrückgang mit nur 40 % verharmlost wird, verniedlicht dies die Folgen des Ausblutens an innovativem, leistungsbereitem Potenzial in der Bevölkerung. Natürlich gehen über 60 % des Bevölkerungsrückgangs auf fehlende Geburten zurück, dies ist in Bayern und Baden-Württemberg auch der Fall. Aber, meine Damen und Herren, die 40 %, die hier abwandern, gleichen dort zumindest teilweise den Geburtenrückgang aus. Proportional zur Bevölkerung schrumpfen die zur Verfügung stehenden finanziellen