Protokoll der Sitzung vom 20.07.2006

Wirtschaftsstandort Sachsen stärken, Anstieg der Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze stoppen

Drucksache 4/5628, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: zunächst die Einreicherinnen CDU und SPD, danach die übliche Reihenfolge und die Staatsregierung selbstverständlich, wenn gewünscht.

Ich erteile den Einreicherinnen das Wort. Wer beginnt? – Herr Heidan, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Steuerpolitik ist Standortpolitik. Das macht uns gerade in diesen Tagen die Berliner Koalition mit ihrem Ringen um die Unternehmensteuerreform nochmals sehr deutlich. Ich kann hier nur appellieren, es nicht zu einem Formelkompromiss kommen zu lassen. Ziel muss es letztendlich sein, den Standort Deutschland unter den nun einmal gegebenen internationalen Verhältnissen für Unternehmen attraktiv zu halten und damit Arbeitsplätze im Land zu sichern und darum zu werben.

Auch wir hier in Sachsen haben die Pflicht, unseren eigenen Wirtschaftsstandort zu stärken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sie haben gerade die Steuerpolitik angesprochen und gesagt, dass Steuerpolitik Standortpolitik ist. Ich wollte Sie fragen, welchen Beitrag zum Wirtschaftsstandort Deutschland die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % in diesem Gesamtkontext leistet.

Hier geht es um Gewerbesteuer. Was Sie meinen, ist die Mehrwertsteuer.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Morlok möchte noch einmal nachfragen. Gestatten Sie das, Herr Heidan?

Darf ich das so verstehen, dass Sie der Auffassung sind, dass eine Mehrwertsteuererhöhung

für Unternehmen nicht relevant ist, weil sie diese nicht belastet?

(Frank Kupfer, CDU: Das ist gar nicht das Thema!)

Das hat er aber eben gesagt.

Die Mehrwertsteuer ist für Unternehmen abzugsfähig. Das wissen Sie doch selbst.

Auch wir in Sachsen haben die Pflicht, unseren eigenen Wirtschaftsstandort zu stärken. Ich sagte es bereits. Das bedeutet, dass wir uns auf Dinge konzentrieren müssen, die wir selbst gestalten können.

Die hohen Gewerbesteuerhebesätze quer durch den Freistaat sind uns als Fraktion schon länger ein Dorn im Auge. „Überholen ohne einzuholen“, dieser bekannte Spruch aus alten Zeiten, trifft leider auch auf die Gewerbesteuerhebesätze zu. Mit landesdurchschnittlichen Hebesätzen von 445 Prozentpunkten in Kreisfreien Städten und 380 Prozentpunkten bei kreisangehörigen Gemeinden haben wir in Sachsen die wirtschaftsstarken Länder wie Hessen, Baden-Württemberg oder Bayern längst überholt.

Allein die Wirtschaftskraft Sachsens ist nicht dementsprechend gestiegen. Mit dem Einholen hapert es also. Wir müssen einräumen, dass sächsische Gewerbesteuersätze kein Pluspunkt für unseren Wirtschaftsstandort sind. Ich kann es nur an meiner Heimatstadt Plauen festmachen, die durchaus unter dem durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von minus 25 Prozentpunkten liegt. Das möchte ich Ihnen noch etwas plastischer an den unterschiedlichen Gewerbesteuerhebesätzen aus meiner Region verdeutlichen.

Allein der Hebesatzunterschied zwischen der Stadt Plauen – ich sagte es bereits, wir liegen unter dem sächsischen Durchschnitt, er liegt bei 420 Punkten – und der Stadt Hof in Bayern, Luftlinie ungefähr 25 Kilometer, die 380 Punkte hat, also 40 Prozentpunkte Unterschied, benachteiligt Firmen in Plauen. Ich möchte das noch etwas deutlicher machen. Bei einem versteuerten Jahresgewinn von 100 000 Euro beträgt der Steuerunterschied immerhin 700 Euro. Jetzt werden Sie sagen: Was sind das für lächerliche Beträge? Aber bedenken Sie bitte, dass die

Firmen nicht nur Steuern als Abgaben entrichten. Dabei ist auch dieser Unterschied ein Betrag, der nicht wirtschaftsfördernd ist. Wir sind in Sachsen nicht Spitze in diesen Hebesteuersätzen, wie es in anderen Bereichen durchaus der Fall ist.

Diese Entwicklung ist umso ärgerlicher, als sie völlig konträr zur bundesweiten Diskussion über wettbewerbsfähige Unternehmensteuersätze verläuft. Wenn ich die Beschlüsse der Berliner Koalition richtig lese, dann soll den kommunalen Hebesätzen künftig im Rahmen der kommunalen Unternehmensteuer eine weitaus größere Bedeutung zukommen als bisher bei Gewerbe- und Grundsteuer.

Was immer auch am Ende beschlossen wird, die CDUFraktion hat sich schon vor zwei Jahren mit den Leitlinien für den Mittelstand wiederholt zu einer Senkung von Steuern und Abgaben bekannt. Wir halten an dieser zentralen Forderung weiter fest.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Kein Wunder, dass inzwischen auch die sächsische Wirtschaft gegen die Teufelsspirale der immer weiteren Hebesatzerhöhungen Sturm läuft. Seit dem Jahr 2000 hat sich der landesdurchschnittliche Hebesatz der Gewerbesteuer bei den Kreisfreien Städten um durchschnittlich 15 Punkte und bei den kreisangehörigen Gemeinden um zehn Punkte erhöht. Das hat Folgen.

In der März-Ausgabe von „Wirtschaft aktuell“ der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft ist zu lesen, ich zitiere wörtlich: „Dass sich Unternehmen an den öffentlichen Aufgaben durch Steuerzahlungen beteiligen, ist legitim. Doch jede Medaille hat zwei Seiten. Hinter dem Anstieg der Gewerbesteuer verbergen sich für die Unternehmen Kosten. Es ist mittlerweile anerkannt, dass die Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland nicht konkurrenzfähig ist und ganz besonders mittelständische Unternehmen trifft. Deshalb hat das stark angestiegene Gewerbesteueraufkommen im Umkehrschluss zu Verzögerungen von betrieblichen Investitionen geführt, weil die Unternehmen das Geld nur einmal ausgeben können.“ Wir als CDU-Fraktion fordern deshalb alle Gemeinden, Stadträte und Bürgermeister nachträglich auf, die Gewerbesteuerhebesätze dauerhaft einzufrieren

(Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS: Das ist eine Frechheit!)

und dort, wo möglich, zu senken. In den meisten Gemeinden sprudelt die Gewerbesteuer derzeit recht kräftig. Ich kann das für meine Heimatstadt Plauen durchaus feststellen. Deshalb lässt dies auch nach unserer festen Überzeugung Raum für solche Schritte, ohne die kommunale Finanzausstattung zu gefährden. Im Übrigen hat sich der Freistaat in all den Jahren an einer angemessenen kommunalen Finanzausstattung durch das Finanzausgleichsgesetz beteiligt und durch den Staatshaushalt Sicherheiten garantiert.

Auch kann es nicht sein, dass Kommunen in der Haushaltskonsolidierung über die Rechtsaufsicht zur Erhöhung der Gewerbesteuer gedrängt werden. Die beste Haushaltskonsolidierung setzt immer bei den Ausgaben an, auch wenn das schwierig ist. Unsere Städte und Gemeinden haben schon Beachtliches geleistet. Wir ermuntern sie auch ausdrücklich, darin fortzufahren. Wir appellieren aber als Fraktion an die Aufsichtsbehörden in den Landratsämtern und Regierungspräsidien, bei der Prüfung der kommunalen Haushalte die Belastung von Bürgern und Unternehmen immer mit im Blick zu halten. Wir halten es für notwendig, den kommunalen Finanzausgleich kritisch auf Anreize zur indirekten Steuererhöhung zu durchleuchten. Gerade im Vorfeld der Haushaltsberatung ist es uns wichtig, dass uns die Staatsregierung eine Analyse über Ursachen und Wirkung der im Ländervergleich hohen Hebesätze für Gewerbesteuer vorlegt und Vorschläge macht, wie wir einen weiteren Anstieg der Steuersätze verhindern können.

Gleiches gilt für die Grundsteuer. Zwar lässt sich hier nicht unbedingt durch die unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen in Ost und West direkt vergleichen, doch wenn wir das Pro-Kopf-Aufkommen vergleichen, dann liegen wir trotz wesentlich niedrigerer Einkommen und Vermögensverhältnisse bereits bei stattlichen 82 % im Jahr 2004 und damit 13 % über dem Schnitt der ostdeutschen Flächenländer. Das können Sie im Gemeindefinanzbericht nachlesen. Auch hier scheint das Ende der Fahnenstange schon ziemlich erreicht zu sein.

Zusammengefasst wollen wir mit dem Antrag deutlich machen: Den Wirtschaftsstandort Sachsen stärken heißt, weiteren kommunalen Steuererhöhungen die rote Karte zu zeigen. Wir wollen das Unsere dazu beitragen, dass sich Städte und Gemeinden hier nicht gezwungen sehen. Deshalb bitte ich Sie um die Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die SPD-Fraktion hat das Wort. Herr Abg. Pecher, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir greifen mit diesem Antrag eine Anregung vieler Bürgermeister sächsischer Kommunen auf. Ziel ist es, Punkt 1, eine ungünstige Spirale der Berechnung der Steuerkraftmesszahl zu beenden. Was das ist und welche Auswirkungen das hat, darauf werde ich gleich kommen.

Zweitens wollen wir mehr Finanz- und wirtschaftlichen Handlungsspielraum für die Kommunen erreichen.

Grundsätzlich tragen die Gewerbesteuer und die Grundsteuer als Realsteuern mit Hebesatzrecht maßgeblich zur Finanzierung der Gemeinden bei. Das Hebesatzrecht ist ein im Grundgesetz verbrieftes Recht, hier Steuern anzupassen – ein ganz wesentlicher Teil des kommunalen Finanzrechtes. Nun haben wir aber die Situation, dass die Gemeinden in Sachsen zum großen

Teil aus Bedarfszuweisungen des Finanzausgleichsgesetzes, also vom Freistaat finanziert werden – eine ganz große Position der Gemeindefinanzierung. Diese Finanzierung und diese Bedarfszuweisung, die hier die Gemeinden erhalten, werden über eine Bedarfsmesszahl abzüglich der Steuerkraftmesszahl berechnet. Das ergibt dann bei einem positiven Unterschiedsbetrag – davon 75 % in cash netto – in Euro die Zahl, die die Gemeinden als Schlüsselzuweisung erhalten.

Diese Steuerkraftmesszahl wird in Sachsen nivelliert festgelegt. Das heißt, es wird ein durchschnittlicher Hebesatz herangezogen. Dieser wird für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer erhoben. Das bedeutet, wenn dieser durchschnittliche Hebesatz hoch ist, dass die Steuerkraftmesszahl hoch ist. Daraus resultiert, dass dann natürlich Schlüsselzuweisungen zurückgehen. Der Grundgedanke, der darin steckt, ist an sich vernünftig, denn es soll verhindert werden, dass sich Gemeinden mit Dumping-Hebesätzen zum Nachteil anderer Gemeinden aus der Gesamtschlüsselmasse finanzieren.

Dieser Grundgedanke ist durchaus richtig. Nun haben wir aber die Situation, dass die Rechtsaufsicht bei Genehmigung von Haushalten und insbesondere bei Gemeinden in Haushaltskonsolidierung immer darauf drängt, die Einnahmenmöglichkeiten maximal auszuschöpfen. Dazu ziehen sie immer den durchschnittlichen Hebesatz insbesondere der Grund- und Gewerbesteuer heran.

Wir sind doch unstrittig ganz oben. München: 490, Hamburg: 470 bei der Gewerbesteuer – Durchschnitt in Sachsen bei den Gemeinden 380 und bei den Kreisfreien Städten 475. Somit wird von Amts wegen eine Spirale in Gang gesetzt, diese Hebesätze immer weiter nach oben zu treiben.

Wir wollen mit diesem Antrag auch im Zuge der anstehenden FAG-Diskussion Möglichkeiten analysieren und aufzeigen, wie man diese Spirale durchbrechen kann. Das beinhaltet natürlich nicht das unbenommene Recht der Gemeinden, ihre Hebesätze und damit ihre Wirtschaftsvorteile selbst auszureizen und zu gestalten.

Damit komme ich zu dem zweiten Aspekt: Wir erhöhen damit die wirtschaftspolitische Flexibilität der Gemeinden auch in der Konkurrenz untereinander, entsprechend mit ihrem Steuersystem, mit ihrem wirtschaftspolitischen Know-how praktisch vor Ort zu gestalten.

Ich halte das für einen vernünftigen Ansatz, der insgesamt in diesem Haus auf Zustimmung stoßen dürfte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die Linksfraktion spricht Herr Abg. Scheel; bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe in dem Haus schon viel erlebt; vieles ist an Dreistigkeit wahrscheinlich nicht

mehr zu überbieten. Aber als ich diesen Antrag gesehen habe, habe ich fast einen Lachkrampf bekommen.